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Die Spielerin

BeitragVerfasst: Di 11. Mai 2010, 12:27
von Magss
So, ihr Lieben, für eine andere Story (Memory Lane), an der ich gearbeitet habe, habe ich mich recht intensiv mit Lois und ihrer Vorgeschichte beschäftigt und mich dabei gefragt, ob sie nicht auch ganz anders hätte reagieren können. Also nicht zur zickig und arrogant, sondern eben mal ganz anders. Seht, was dabei heraus gekommen ist... Und viel Spaß!

Zeitpunkt ist direkt vor dem Pilotfilm und dann danach.

Meinen beiden Betas, KitKaos und Tahu ein riesiges Dankeschön. Beide haben nicht nur den Text überarbeitet sondern auch mitgeholfen die Story zu entwickeln. Und das wie immer sehr qualifiziert. Danke dafür!

Disclaimer: Die Serie "Superman - die Abenteuer von Lois & Clark", Clark Kent, Lois Lane, Daily Planet, Metropolis, Krypton – all das gehört nicht mir und die Charaktere auch nicht, sondern denen, die die Idee hatten, Jerry Siegel, Joe Shuster oder DC-Comics, um nur einige zu nennen. Nur die Idee für diese Geschichte ist meine. Ich schreibe nur für mich, und verdiene kein Geld damit.

Über Kommentare (und damit meine ich wirklich positive wie negative) würde ich mich natürlich riesig freuen.





Die Spielerin


Die Straßen noch feucht glitzernd vom letzten Schauer, spiegelten sich die Scheinwerfer der Autos bunt auf dem Asphalt, aber es hatte glücklicherweise gerade aufgehört zu regnen. Die Luft roch noch nach feuchtem Staub und der Himmel begann gerade wieder aufzuklaren. An so einem Abend, nach so einem reinigenden Schauer, konnte man selbst unter der Dunstglocke Metropolis' etwas von dem nun aufgehenden Sternenhimmel erahnen. Die Ruhe, die gerade noch vorherrschte, verdrängten die Metropoliser, die jetzt wieder hektisch aus allen Löchern gekrochen kamen, für die Schönheit des Himmels hatten sie aber sicher kein Auge.

Lois trat aus dem Restaurant 'Il Castillo', das war zwar nicht ihr erklärter Lieblingsitaliener, aber hier gab es einen hervorragenden Salat. Sie war froh, dass der heftige Regenschauer über die Stadt hereingebrochen war, während sie ihren Salat genossen hatte und dass er ihr nicht den jetzigen Weg vermiesen würde. Es war nicht der Heimweg, so viel war ihr klar - obwohl, vielleicht hätte sie der Regen ja davon abgehalten zu tun, was sie immer an so einem Abend tat. Wer wusste das schon? Aber es regnete nun mal nicht mehr. Also würde sie ihren Weg fortsetzen, auch wenn sie jetzt schon wusste, dass sie sich morgen früh dafür hassen würde, weitergegangen zu sein und nicht ohne Umwege nach Hause.

Nur ein paar Häuserblocks entfernt gab es diese kleine Bar, die eigentlich eine sehr nette und gemütliche Atmosphäre ausstrahlte, aber Lois war noch nie lange genug dort gewesen, um diese angenehme Stimmung zu genießen. Das dunkle Holz der Vertäfelung und dieser angenehme, warme Rot-Ton der Wände, zusammen mit der gedämpften Beleuchtung machten diese besondere Behaglichkeit aus. Doch Lois kam nicht wegen der Atmosphäre hierher, oder wegen der guten Musik, oder der einfallsreichen Cocktails, die es hier vielleicht gab oder wegen des netten Barkeepers. Nein, sie kam hierher mit einem Ziel vor Augen. Und bisher hatte sie das auch immer sehr schnell erreicht.

Kaum hatte sie die Tür geöffnet, ließ sie ihren Blick durch den Raum schweifen, da sah sie schon, dass sie auch heute wieder auf ihre Kosten kommen würde. An zwei Tischen saß jeweils ein Pärchen und sprach leise miteinander, uninteressant; an einem anderen Tisch saßen zwei ältere Männer, die angeregt über eine Sportveranstaltung diskutierten, auch uninteressant. Das, was sie wollte, oder besser gesagt, der, den sie wollte, saß links am Tresen und trank offenbar einen Whiskey. Das war genau ihr Typ. Ein junger Mann so um die dreißig, schlank, kurzes blondes Haar. Sein klassischer Nadelstreifenanzug und die Tatsache, dass er die 'Financial Times' las, ließ sie auf Börsenbroker tippen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verheiratet, wie ihr ein Blick auf seinen Ring zeigte. Wahrscheinlich lebte er in einer Kleinstadt mit ein oder zwei Kindern und war auf Geschäftsreise in der großen Metropole. Genau diesen Typ von Männern suchte sie, die stellten die wenigsten Fragen und hatten hinterher keine Ansprüche. Sie würde ihn danach nicht wieder sehen und somit würde er für sie nicht zu einem Problem werden.

Während Lois die Tür hinter sich schloss, gab es noch diesen kurzen Moment des Zögerns, dieses ganz kurze Zweifeln, obwohl sie wusste, sie würde weitergehen. Das tat sie immer. Auch wenn sie wusste, dass sie es dafür morgen früh nicht ertragen würde, sich im Spiegel zu betrachten. Aber sie brauchte diesen Kick heute Abend für ihr Selbstwertgefühl.

Wann hatte sie so einen Abend das erste Mal erlebt? Oh ja, sie wusste es wieder. Damals hatte sie den Schmuggelring für ausgediente russische Atomsprengköpfe entlarvt. Die Ermittlungen waren gefährlich, mit diesen Waffenschmugglern war wirklich nicht zu spaßen. Aber sie konnte der Polizei eine lückenlose Beweiskette liefern und schrieb natürlich einen Artikel dazu, der preisverdächtig war. Doch nach der anerkennenden Feier im Planet war ihr die Stille ihres Apartments unerträglich geworden. Und so war sie raus gegangen, um der Enge und der Kälte ihres Apartments zu entfliehen. Ein wenig Freiheit spüren und nicht sinnlosen Gedanken nachhängen

Letztes Mal war es die Betrugsserie um die öffentlichen Forschungsgelder, die sie wirklich mit Bravour aufgelöst hatte und das auch wieder ganz alleine. Und heute? Sie hatte, wieder mal im Alleingang, eine Autoschieberbande hochgehen lassen und naturgemäß wieder einen hervorragenden Artikel verfasst. Eleganz gelöst und brillant geschrieben. Eine Titelstory eben im Lois-Lane-Format. Sogar ihre Kollegen waren vor Neid erblasst, hatten ihr applaudiert und Perry sogar gratuliert. Sie war halt doch eine Größe beim Planet. Doch alleine Feiern zerstörte den Moment des Glücksgefühls, wenn das Adrenalin durch ihren Körper floss, sobald eine Titelstory von ihr gedruckt wurde. Abends war dann niemand mehr zum Reden da, jemand, dem sie beichten konnte, dass sie auch Angst gehabt hatte.

Nicht dass sie jemals in so einer Nacht mit einem dieser Männer geredet hätte, normalerweise wollte weder sie noch der Mann reden. Und trotzdem trieb sie genau dieses laute Schweigen, wenn sie alleine in ihrem Apartment saß, auf die Straße. In eine dieser beschaulichen Bars, zu einem von diesen durchreisenden Männern, in eine dieser Nächte, in denen sie doch nur mit aller Macht versuchte der Einsamkeit zu entfliehen, nur um ja nicht alleine zu sein.

Wenn sie in der Nacht auf die Jagd ging, zeigte ihr das, dass sie als Frau doch attraktiv war. Sie fühlte sich für diesen kurzen Augenblick schön und begehrt und die Tatsache, dass sie die Regeln aufstellte, gab ihr ein gutes Gefühl. Sie hatte sich in einer Männerwelt hochgearbeitet und hatte hart dafür gearbeitet. Heute hatte sie es sich verdient nicht alleine zu sein. Nicht zurück in das einsame kleine Apartment zu gehen. Sie suchte die Männer aus und nicht die Männer sie. Und sie hielt ihre Beute bewusst auf Distanz, wollte nichts über sie wissen und gab nichts preis, so lief sie keine Gefahr, durch die Nähe einer Beziehung verletzt werden zu können. Etwas war ihr noch sehr wichtig, sie durften nie zu lange bleiben, am liebsten, sie waren bereits wieder fort, wenn sie aufwachte.

Lois überwand den Moment des Zögerns und schloss die Tür. Das tat sie immer. Auch wenn sie wusste, dass sie es morgen früh nicht ertragen würde, sich im Spiegel zu betrachten.

Der Barkeeper nickte ihr zu; ob es nur als freundliche Begrüßung gemeint war, oder ob er sie wirklich wieder erkannte, wusste sie nicht. Ein wenig peinlich berührt ob der zweiten Möglichkeit, richtete sie ihren Blick schnell auf den jungen Mann am Ende des Tresens, ja, der gefiel ihr, sie ging auf ihn zu.

Lois sah den anderen Mann gar nicht, plötzlich war er einfach da, tauchte aus dem Nichts auf und stieß sie von der Seite an. Sie geriet ins Wanken, sah sich erschrocken um. Doch bevor sie vollkommen das Gleichgewicht verlor, fühlte sie sich auch schon gehalten. Zwei offensichtlich kräftige Arme hielten sie vorsichtig um die Taille und an ihrer Schulter und verhinderten so, dass sie vor dem Tresen der Länge nach hinschlug und sich wer weiß wie ernsthaft verletzte. Der Mann berührte sie kaum, er umfasste sie behutsam, aber effektiv. Ohne seine blitzartige Reaktion wäre sie sicherlich schmerzhaft gegen den hölzernen Tresen gestoßen, aber so war eigentlich gar nichts passiert.

Sie hob ihren Kopf und sah ihn an, den Verursacher dieses Zusammenstoßes und gleichzeitig ihren Retter. Lois versank in seinen Augen. Sie fühlte sich wie magisch von ihnen angezogen. Schokobraun, warm vom Ausdruck und mit so viel Güte im Blick wie Lois es nie zuvor bei einem Menschen gesehen hatte.

Erst beim zweiten Hinsehen sah sie, dass er eine Brille trug, eine geschmackvolle Brille. Konnte es sein, dass die Gläser diesen gütigen Blick noch verstärkten? In diesem Augenblick nahm er seine Arme von ihrem Körper. "Entschuldigen Sie, Miss. Das habe ich nicht gewollt", stammelte er mit sympathischer Stimme. Scheinbar wusste er nun nicht, wohin mit seinen Händen. "Sie haben sich hoffentlich nicht wehgetan. Oh, das ist alles meine Schuld..."

Ja, das ist es, dachte Lois. Und dieser Blick hielt sie weiterhin wie ein Magnet gefangen. Er berührte sie ganz tief in ihrer Seele. "Nein, nein. Alles halb so wild.", hauchte sie fast ein wenig abwesend.

Er ließ seinen Blick über ihr Gesicht wandern. Es war, als würde er ihr Innerstes streicheln mit seinen Augen, seinen schokobraunen Augen. Wie machte er das? Was passierte hier? Sie wollte wegsehen, wollte ihren Blick abwenden, aber es schien ihr die Kraft dafür zu fehlen. Und so verlor sie sich fast in diesem wohligen Strudel.

"Wirklich? Es geht Ihnen bestimmt gut?", fragte er fürsorglich. Seine Sorge um ihr Wohlergehen rührte sie.

Lois zeigte ihm ein vorsichtiges Lächeln, aber sie konnte sich immer noch nicht von seinen Augen losreißen, eingerahmt von dunklen Wimpern, und während sie nun nickte, zeigte sich auch auf seinem Gesicht ein Lächeln. Ganz feine Lachfältchen zeichneten sich um seine Augen ab. "Alles in Ordnung. Es ist doch gar nichts passiert." Wenn er lächelte, wirkten seine Augen noch wärmer, freundlicher, fast vertraut. Dieses wohlige Gefühl war ihr unheimlich, aber sie konnte sich nicht dagegen wehren.

"Da bin ich aber froh! Darf ich Sie für den Schrecken wenigstens zu einem Drink einladen?" In freudiger Erwartung sah er sie an.

Lois wollte nein sagen, alles in ihr schrie danach, dass sie ablehnte. Sie kannte diese Art Männer nur zu gut, diese scheinbar freundlichen, warmherzigen Männer, die ihr in der Vergangenheit so leicht das Herz gebrochen hatten. Immer wieder und wieder. Schon vor Jahren hatte sie sich deshalb geschworen, dass sie das nie wieder einem Mann erlauben würde. Genau das war der Zeitpunkt gewesen, an dem sie begonnen hatte, Männerbekanntschaften für eine Nacht zu suchen. Ein One-Night-Stand war eine klare Angelegenheit, für beide Seiten, keine Erwartungen an das Morgen, kein Ich-ruf-dich-an, keine Gefühlsbekundungen, die doch nur gelogen waren, keine Gedanken darüber, ob sie die andere Frau war, oder ob er sie mit einer anderen betrog. Sie sollte einfach nur 'nein' sagen, das war sicherer. Je mehr sie emotional involviert war, umso gefährlicher war es, umso komplizierter würde es werden. Es war ganz einfach, sie brauchte nur 'nein' zu sagen und schon war es vorbei... "Ja, gerne. Bestellen Sie mir bitte einen Weißwein." Wo war das nur hergekommen, was war nur mit ihr los?

Sie kaute ein wenig nervös auf ihre Unterlippe und atmete ganz leise einmal tief durch.

Aus dem Augenwinkel sah sie, dass der junge Mann mit den blonden Haaren am Ende des Tresens gerade seine Financial Times zusammenfaltete und sich daran machte zu gehen. Lois lächelte ihren Rempler an. Er sah eigentlich noch besser aus als der andere Mann. Dunkle Haare, fast schwarz, ein leicht gebräunter Teint. Er war vielleicht einen halben Kopf größer als sie selbst und wie es schien, ausgesprochen sportlich gebaut. Er trug einen dunkelblauen Anzug, doch Lois dachte bei sich, dass er auch in Jeans und Poloshirt sehr gut aussehen musste, oder noch besser in kurzen Hosen und Muskelshirt... Oh Lois, reiß dich zusammen, diese Männer mit diesen smarten Blicken sind gefährlich! Aber dieser fremde Mann ließ so eine alte, tiefe Sehnsucht in ihr aufkeimen und so warf sie ihre eigene Warnung kurzerhand über Bord.

Und einen dieser Blicke schenkte er ihr gerade wieder. "Verraten Sie mir Ihren Namen?"

Glücklicherweise nahm sie gerade einen Schluck Wein, das gab ihr die Möglichkeit wenigstens eine Sekunde nachzudenken, bevor sie antwortete. "Wanda... Ich heiße Wanda. Aber hören Sie, Sie scheinen nett zu sein, wirklich. Aber dies ist nur die kurze Begegnung zweier Reisender, mehr nicht. Ich will nicht wissen, wie Sie heißen, oder wo Sie herkommen. Obwohl ich mir sicher bin, dass Sie nicht aus Metropolis sind." Lois versuchte ihr Lächeln nicht allzu überheblich aussehen zu lassen.

"Smallville..." Er sah sie verschmitzt an.

Lois lachte. "Small... was? Wo ist das denn? In Iowa? Sind Sie da auf einer Ranch aufgewachsen?"

Er lächelte immer noch. "Kansas. Und wir haben mehr Getreide als Vieh."

"Hören Sie, Mister aus Nowheresville. Ich will es gar nicht wissen. Und das meine ich ganz ernst. Haben Sie auch irgendwas Interessantes zu berichten, außer Maisernte und Kleinstadtmief?", fragte sie mit einem provokanten Lächeln.

Er ließ sich durch ihre Anspielungen nicht aus der Ruhe bringen. "Vielleicht etwas aus meiner Zeit in Borneo, Stockholm oder Hong Kong?"

Lois lachte und zog eine Augenbraue hoch. "Sie wollen mir erzählen, dass Sie da überall gewesen sind?"

Der junge Mann aus Kansas ließ sich durch ihre Provokation überhaupt nicht stören. "Oh ja, allerdings. Auch in Kansas gibt es Flughäfen, Zeitungen oder Fernsehsender. In Hong Kong war ich für zwei Jahre, in Schweden und Borneo jeweils für ein Jahr als..."

Lois fiel ihm ins energisch Wort: "Ich will nicht wissen, als was Sie dort gearbeitet haben. Ich glaube Ihnen ja."

"Wanda, haben Sie Angst vor Persönlichkeit?" Er beobachtete sie scharf, wenn auch immer noch mit diesem umwerfenden Lächeln.

Sie nahm den letzten Schluck Wein, sah zum Barkeeper und zeigte ihm an, dass sie noch ein Glas wollte. Dann sagte sie zu ihrem Gegenüber aus Kansas: "Wenn Sie mich analysieren wollen, Farmboy, ist dieses Gespräch sofort zuende." Bei seiner letzten Bemerkung hatte sie das Gefühl, dass er ihr mit seinem berauschenden Blick nicht nur auf den Grund ihrer Seele blicken konnte, sondern, dass er sie selbst nach diesen wenigen Sätzen bereits einschätzen konnte. Lois, sei vorsichtig! Lass die Finger davon! Diese Art von Mann ist gefährlich!

Der junge Mann hob abwehrend die Hände. "Okay, okay. Ich hab verstanden."

Und dann, im weiteren Verlauf passierte etwas, was Lois wirklich erstaunte, sie fanden zu einem guten, fundierten Gespräch. Sie schienen alle wichtigen Themen dieser Welt anzuschneiden, mit Ausnahme von Arbeit und allem, was persönlich war. Dieser junge Mann war viel herumgekommen, hatte viel gesehen und gelernt und er hatte viel zu berichten. Er verfügte über eine sensible Beobachtungsgabe und einen mitreißende Erzählstil.

Inzwischen ignorierte Lois den Dauerton ihrer inneren Alarmglocke gänzlich. Nach dem zweiten Glas Wein sagte Lois mit einem ermunternden Lächeln zu ihm: "Kommen Sie, Farmboy aus Nowheresville, bringen Sie mich nach Hause, Sie haben es sich verdient."
Das tat sie immer. Auch wenn sie wusste, dass sie es dafür morgen früh nicht ertragen würde, sich im Spiegel zu betrachten.

~ ~ ~

"Bringen Sie mich nach Hause, Sie haben es sich verdient."

Clark wusste genau, was sie damit gemeint hatte, sie, die fremde Frau, die sich so unnahbar gab; die er fast über den Haufen gerannt hatte; bei der er sich einfach nur entschuldigen wollte; aber die dann den Fehler gemacht hatte ihn anzusehen... auf eine Art, als würde sie ihm auf den Grund seiner Seele sehen, was ihn so tief berührt hatte, dass es fast schmerzte. Und ihren Schmerz sah er in allem, was sie sagte oder machte.

Er war wirklich viel herumgekommen, hatte viel gesehen und erlebt, hatte Menschen getroffen, die Schicksale durchlebt hatten, die sich kein Mensch vorstellen konnte. Aber er wusste, wenn sich der Mensch erst mal mit seinem Schicksal ausgesöhnt hatte, wurde sein Blick wieder weicher, gewann die Zuversicht wieder die Oberhand. Aber diese Frau mit den rehbraunen Augen, die sich Wanda nannte; die ihm vormachen wollte, sie sei so stark, die ihm vormachen wollte, das alles berührte sie nicht; die ihm vormachen wollte, dieser Abend sei nur ein Spiel, bei dem sie die Regeln aufgestellt hatte; diese Frau, da war er sicher, handelte nur aus dem Impuls heraus, sich selbst emotional zu schützen. Sie hatte so eine hohe Mauer um sich herum errichtet, dass sie selbst sie nicht mehr überbrücken konnte. Sie hatte sich gefühlsmäßig so sehr abgekapselt, dass sie ihre wahren Bedürfnisse wahrscheinlich gar nicht mehr kannte. Und doch hatte sie ihn berührt, auf eine Weise wie er das noch nie erlebt hatte.

"Bringen Sie mich nach Hause, Sie haben es sich verdient."

Sie war ganz sicher nicht die Frau, die Geleitschutz brauchte. Dieser Satz bedeutete, sie wollte ihn. Sie wollte ihn für diese Nacht. Nur für diese Nacht. Keinen Namen, sie wollte noch nicht mal wissen, womit er seine Brötchen verdiente, selbst das war schon zu persönlich. Es könnte womöglich eine Bindung erzeugen, eine Bindung, die sie nicht wollte. Was hatte sie bloß erleben müssen, um sich selbst so einen Eispanzer verpasst zu haben?

Und was sollte er nun tun? Er war noch nie mit einer Frau nur für eine Nacht zusammen gewesen. Er war noch nie mit einer Frau auf diese Art zusammen gewesen. Nicht dass er Angst hatte vor Frauen, das bestimmt nicht, aber es gab in seinem Leben, in seinem ganz speziellen Fall einige Besonderheiten, die es mit sich brachten, dass er sich wirklich sehr sicher sein wollte, bevor er einer Frau so nah sein würde, bevor er ihr die ganze Wahrheit zeigte. Das und seine Moralvorstellung von der Beziehung zwischen Mann und Frau; das und die Tatsache, wie hoch er Frauen im Allgemeinen achtete; das und die Tatsache, dass sie sich doch überhaupt noch nicht kannten, all das führte zu einem klaren 'nein'. Er konnte unmöglich mit rauf kommen. Sie nach Hause bringen, gut. Er war schließlich ein Gentleman, aber dann musste er gehen. Es gab keine andere Lösung. Und dann kamen ihm ihre rehbraunen Augen in den Sinn...

Er begleitete sie zu ihrem Haus und bis in den sechsten Stock, gut, auch das war okay. Und es war natürlich sicherer für sie.

Ohne auch nur die Spur eines Zögerns öffnete sie ihre Tür, Apartment 607.

Sie öffnete die Tür und ließ ihn eintreten. Alles in Clark rief 'nein', 'geh jetzt', 'bevor es zu spät ist' und seine Füßen schienen ihr ganz von alleine zu folgen. Clark ließ flüchtig seinen Blick über die Einrichtung gleiten und wunderte sich ein wenig. Die Gestaltung der Wände, ein tiefes, dunkles Rot, abgesetzt mit einem zarten Pastel-Gelb, das Bücherregal aus gebürsteten Chrom, die skurrile Marionetten-Sammlung auf dem Sofa und das Plakat mit der Aufschrift 'La Dolce Vita' in der Küche, all das war eigentlich etwas zu schrill für sie.

Die Frau aus der Bar, die sich selbst den Namen Wanda gegeben hatte, ging an ihm vorbei, hing ihre Jacke an der Garderobe auf und ging dann ohne ein weiteres Wort in den hinteren Teil ihres Apartments, offensichtlich das Schlafzimmer. Clark folgte ihr, wobei er inzwischen von einer zermürbenden Spannung erfasst worden war. Wann würde er ihr sagen, dass er gehen würde? Wann war der beste Zeitpunkt dafür? Dieser Moment war doch eigentlich perfekt. Und doch blieb er. Was hielt ihn nur zurück?

Sie legte ihre Ringe in eine kleine Schale, die auf der Anrichte stand und dann sagte sie in einem Tonfall, der mit der Frau, die Clark in der Bar so fasziniert hatte, so gar keine Ähnlichkeit mehr aufwies, der so emotionslos erschien: "Deine Sachen kannst du auf den Stuhl dort legen." Dann zog sie sich ins Bad zurück. Den Satz 'Und das Geld kannst du hierher legen', ergänzte er im Geiste und biss sich selbst für diese nur gedachte Bösartigkeit auf die Zunge.

Clark sollte gehen, sofort. Das alles hier war ihm so fremd. Er wollte das nicht. Und sie? Was wollte sie? Es konnte doch nicht möglich sein, dass sie jetzt wirklich nur mit ihm ins Bett wollte. Wie passte das zusammen mit den Blicken, die ihn vollkommen verzaubert hatten? Mit der Wärme, die sie ausstrahlte, wenn sie erzählte? Und wie passte das zusammen mit der Verletzlichkeit, die sie hinter so hohen Mauern zu verstecken versuchte? Es konnte einfach nicht sein, dass sie das hier wollte. Es durfte einfach nicht sein, oder wollte er sich das nur einreden, weil sie ihm so sympathisch war, weil er sich auf eine Art von ihr angesprochen fühlte, die er noch nie erlebt hatte?

Clark öffnete die Knöpfe seines Jacketts und setzte sich auf das Fußende des Bettes. Clark, geh! Jetzt! Aber was ist mit der Frau hinter den Mauern? Ob er sie erreichen konnte? Ob sie ihm erlauben würde, zu ihr vorzudringen? Aber wie wahrscheinlich war das? Wie er es auch drehte und wendete, alles sprach dafür, dass dies hier nur schief gehen konnte. Er hätte so gerne mehr Zeit gehabt, aber sie war offensichtlich nur gewillt, ihm diese eine Nacht zu geben und nicht mehr. Er sollte gehen, einfach zur Tür raus. Sie würden sich nie wieder sehen. Er würde keine Ausrede brauchen, wenn er nur schnell genug an der Tür war, bevor sie zurückkam.

Die Tür zum Bad öffnete sich und sie kam heraus, abgeschminkt, aber glücklicherweise immer noch in dem Kostüm, das sie auch schon in der Bar getragen hatte. Sie sah ihn erstaunt an. "Und? Willst du nicht ablegen? Oder hat den Farmboy inzwischen der Mut verlassen?", fragte sie mit einem süffisanten Lächeln. Sie kam auf ihn zu und griff an das Revers seines Jacketts, wollte es ihm von den Schultern streichen.

Clark sah sie verzweifelt an, versuchte die Frau in ihrem Gesicht wieder zu finden, die noch vor einer halben Stunde sein Herz berührt hatte. Sie war nicht mehr da. Er verschränkte seine Arme vor der Brust und sie schien seine Geste genau als das zu verstehen, als was sie gemeint war.

Daraufhin drehte sie ihm den Rücken zu. "Wenn du nicht willst", fragte sie emotionslos, "warum bist du dann mit rauf gekommen?" Dann sah sie ihn wieder an und ihr Gesicht schien wie eingefroren, es zeigte nicht das kleinste Gefühl.

Clark wusste nicht, was er sagen konnte, was nur halbwegs plausibel klang. Er konnte doch nicht sagen, er hatte in ihren Augen eine verletzte Seele gesehen. Auf die Bemerkung hin würde sie ihn sicher sofort raus schmeißen. Das wollte er nicht, das wurde ihm nun klar, er wollte nicht gehen, er wollte einfach nur hier sein, hier bei ihr. Aber sie hatte ihre Erwartung wirklich sehr klar formuliert. Oder könnte es nicht vielleicht sein, dass auch sie etwas ganz anderes wollte? Er konnte doch unmöglich ihr Typ sein, sie hatte sich schließlich den ganzen Abend über abfällig über Kansas, Farmer, oder Smallville geäußert. Clark nahm all seinen Mut zusammen, im schlimmsten Fall würde sie ihn raus schmeißen. Ein wenig unsicher sah er sie an. "Ich... ich glaube einfach nicht, dass es nur das ist, was Sie wollen..."

Auch sie verschränkte nun ihre Arme vor der Brust und drehte sich wieder um, als sprach sie lieber mit der Wand. "Was weißt du schon, was ich wirklich will?" Sie umschlang ihren Oberkörper mit ihren Armen, als sei ihr kalt.

Clark beschloss noch etwas mehr Mut zu mobilisieren, mit abgedroschenen Phrasen würde er gar nichts erreichen, da war er sich sicher. "Zu der Frau in der Bar, die Sie mir vorhin gezeigt haben, würde es viel eher passen, dass sie sich nach Zärtlichkeit sehnt, statt nach einem One-Night-Stand. Die Frau, die Sie mir gerade zeigen, scheint so ganz anders zu sein... Und wer sind Sie wirklich?"

"Pah! Zärtlichkeit...!", stieß sie mit einem zynischen Unterton heraus. "Von welchem Planeten kommst du denn?" Mit der Frage sah sie ihn wieder direkt an. Der Zynismus stand ihr mitten im Gesicht, aber da war auch eine Spur Unsicherheit, wie ein Riss in der Fassade. Und da war auch wieder etwas von dem Blick zu erkennen, den sie ihm in der Bar von Zeit zu Zeit geschenkt hatte. Er war sich einfach sicher, dass sie ihm gerade viel mehr von sich selbst zeigte als die Frau, die kühl berechnend nur auf schnellen Sex aus war.

Bis zu diesem Moment hatte sie ihn immer noch nicht raus geschmissen. "Ja, Zärtlichkeit. Sind Sie nicht eigentlich nur auf der Suche nach jemanden, der Sie in den Arm nimmt?" Ihm war auch klar, dass sie gesagt hatte, sie wolle nicht analysiert werden, aber Clark konnte jetzt nicht aufhören. Er war sich sicher, dass sie ihm jetzt viel mehr ihres wahren Charakters zeigte.

Ein wenig unsicher fuhr sie sich durch die Haare. "Du bist witzig. Ich kann doch schlecht in eine Bar gehen und jemand Wildfremdes bitten, er möge mich in den Arm nehmen..." Sie sah ihn an, Zweifel, Weltschmerz und eine jahrelange Traurigkeit blickten ihn an.

"Sie waren bereit jemand Wildfremden in Ihr Bett zu holen. Das ist doch viel mehr. Aber wenn es doch nur um die Umarmung geht, einfach nur sagen. Das würde ich gerne tun..."

Unschlüssig stand sie da. Verknotete ihre Arme wie ein kleines Kind, das nicht wusste, ob sie sich trauen konnte zu sagen, was so tief in ihr steckte und was letztlich doch so offensichtlich war. Doch erst, als er seine Arme öffnete und sie ihr entgegenstreckte, nickte sie vorsichtig und kam langsam auf ihn zu. Behutsam setzte sie sich neben ihn als erwartete sie jeden Moment, dass er rief: 'War doch alles nur ein Spaß!' Aber sie schaffte es, sich ihm soweit zu nähern, dass er seine Arme um sie schlang. Erst als sie sich etwas entspannte und in seine zarte Umarmung schmiegte, nahm er sie etwas fester in den Arm. Und dann hielt er sie einfach nur fest. Nichts weiter. Kein Wort mehr, keine Fragen, keine Forderungen, sie saßen einfach nur dort, sie in seinen Armen.

Clark war überwältigt. Nie hätte er das für möglich gehalten. In diesem Moment war er sich sicherer denn je, dass sein Bild von der Frau, die sich hinter dicken, hohen Mauern versteckte, richtig war. Und sie ließ ihn hinter diese Mauern blicken, wenigstens für diesen kurzen Moment. Er traute sich kaum sich zu rühren, traute sich kaum zu atmen.

Sie hatte ihr Gesicht an seiner Brust vergraben und so sah er sich ein wenig verstohlen um. Schwarze Satinbettwäsche auf einem blutroten Laken. Über dem Kopfende des Bettes schwebte ein sehr kitschiger, goldener Amor, der seinen Pfeil direkt auf Clark gerichtet zu haben schien. Plötzlich fragte er sich, ob das ihr Stil war. Ihr Auftreten war eher elegant und dies hier war doch ausgesprochen kitschig, aber er hätte es auch nie für möglich gehalten, dass die Frau, die ihn so sehr berührt hatte, nichts anderes wollte als mit ihm zu schlafen.

Nach einer Weile bemerkte Clark an ihrem gleichmäßigen Atem, dass sie eingeschlafen war. Einerseits machte ihn das traurig, andererseits zeigte es ihm, dass sie sich wirklich entspannt hatte, dass sie ihm soweit vertraut hatte, dass sie losgelassen hatte. Es war eine unglaubliche Erfahrung.

Er legte sie sehr behutsam auf das Bett, deckte sie vorsichtig zu und überlegte, was er nun machen sollte. Sollte er bleiben? Sollte er sie im Schlaf beobachten? Nein, ganz sicher nicht. Doch es fiel ihm schwer, so ohne ein Wort zu gehen. Leise ging er nach nebenan, neben der Wohnungstür sah er einen Block Notizzettel, aber was sollte er schreiben? Ich bin gegangen, nachdem Sie eingeschlafen sind. Ich ziehe die Tür einfach zu. Schlafen Sie gut – der Mann aus Kansas Er hätte so gerne mehr geschrieben, dass er sie wiedersehen wollte, ihr seine Telefonnummer aufschreiben, dass er sie mochte, dass er sich um sie sorgte, aber er war sich sicher, all das wollte sie gar nicht wissen. Nur ein kurzer Moment des Zögerns noch, dann ging er. Er verließ ihr Apartment so leise, dass sie nicht mehr aufwachte, sah von der Tür aus noch einmal zurück und ging.

Erst auf der Straße traute sich Clark wieder durchzuatmen. Was für ein Abend? Was für eine Nacht? Was für eine Frau? Ob er sie wiedersehen würde? Er wusste natürlich, wo sie wohnte, aber würde sie das wollen?

Die Gedanken in seinem Kopf fuhren Achterbahn. Diese Begegnung der besonderen Art... Die Stadt Metropolis, der Lärm der vorbeifahrenden Autos, ungeduldiges Hupen und der Gestank der Abgase – ja, hier könnte er sich wie Zuhause fühlen.

~ ~ ~

Clark erwachte in seinem etwas schäbigen Hotelzimmer mit dem gleichen Bild, mit dem er gestern Abend eingeschlafen war: Die Frau der letzten Nacht. Er sah ihr Gesicht vor seinem inneren Auge, sah die kühle Berechnung, mit der sie versucht hatte, ihr Ziel zu erreichen, was wohl aber nur ihr Versuch war, Distanz zu schaffen. Und er erinnerte sich an die Verletzlichkeit in ihrem Blick. Doch die Frage, ob sie sich wiedersehen konnten, oder sollten, musste er beiseite schieben und zu einem anderen Zeitpunkt durchdenken, heute würde er sich erst einmal um das Problem einer Anstellung kümmern, das hatte oberste Priorität. Deswegen war er nach Metropolis gekommen, um seinen Traum zu verwirklichen.

Am gestrigen Tag hatte er sich beim berühmten Daily Planet vorgestellt, von dem legendären Chefredakteur Perry White aber eine Absage kassiert. Doch während des Vorstellungsgespräches hatte er mitbekommen, wie Mr. White mit der sagenumwobenen, mehrfach preisgekrönten Lois Lane telefoniert hatte, sie sollte einen Stimmungsbericht über eine Theaterschließung schreiben, was ihr wohl aber nicht lag; sie sei nicht in der Stimmung, wie sie ihm am Telefon gesagt hatte. Das war seine Chance. Nach dem Gespräch mit Mr. White war Clark zu dem Theater gefahren und hatte nach ein paar Recherchen genau diesen Bericht geschrieben. Er wollte ihn dem Chefredakteur gleich heute Morgen vorlegen. Vielleicht würde er ihn in hohem Bogen aus der Redaktion werfen, aber einen Versuch war es doch wert. Er hatte ja nichts mehr zu verlieren.

Nur eine Stunde später erlebte Clark, wie genau dieser Mr. White, der ihm noch gestern gesagt hatte, dass er für den Daily Planet nicht taugen würde, andächtig seinen Artikel vorlas. Clark hatte ihn eigentlich so geschrieben, wie er immer schrieb, Fakten, gemixt mit ein paar Zeitbezügen und das ganze gewürzt mit einer kräftigen Spur Persönlichkeit. Und die Mischung schien zu stimmen. Während Perry White noch gebannt auf das Papier schaute, dachte Clark über dieses und jenes Wort nach, was er eigentlich noch besser hätte ausdrücken können, aber der Chefredakteur der besten Zeitung Amerikas reichte ihm daraufhin die Hand. „Wissen Sie, Mr. Kent, was ich noch mehr schätze als Erfahrung, ist Eigeninitiative! Willkommen beim Daily Planet!“

Clark konnte es kaum glauben, er hatte es geschafft, er arbeitete ab sofort für den Daily Planet! Nun konnte er zeigen, was in ihm steckte!

Doch er bekam kaum eine Minute Zeit, sich über diesen Umstand zu freuen, oder die Atmosphäre des Redaktionsbüros aufzunehmen, das Gemurmel der Gespräche, das Klingeln der Telefone, das Kratzen der Bleistifte auf dem Papier und den Geruch der Druckerfarbe, der über allem zu schweben schien. Als allererstes lernte er Jimmy Olsen kennen, der junge Mann arbeitete dort als Bürobote, hatte aber, wie er sofort erzählte, große Pläne, wollte Fotoreporter werden und musste dafür den Weg von ganz unten nehmen. Jimmy sah ihn aus freundlichen Augen, mit einem jungenhaften Lachen an. Er machte Clark aber sofort darauf aufmerksam, dass die Arbeit beim Planet durch die vollkommen veralteten Computer erschwert würde. Er schien nett und sympathisch zu sein. Als nächstes erklärte er Clark kurz die Rubriken der Zeitung und stellte ihm ein paar seiner jetzigen Kollegen vor. Und er teilte ihm einen eigenen Schreibtisch am Rande des Redaktionsbüros zu. Der Platz gefiel Clark, von hier hatte er einen guten Überblick und niemanden im Rücken sitzen, sehr gut. Andächtig ließ er seine Finger über die Schreibtischplatte gleiten, wie viele Kollegen hatten hier schon vor ihm gesessen und ihre Artikel verfasst? Doch auch dafür hatten sie kaum wirklich Zeit - Morgenbesprechung beim Daily Planet.

Clark versuchte sich jedes gehörte Wort zu merken, bis jetzt wusste er noch nicht, was er heute zu tun bekam und er wollte auf jeden Fall vermeiden, dass er irgendwann mal nicht wusste, wovon gerade gesprochen wurde.

Mr. White verteilte verschiedene Aufgaben an die Kollegen, er schlug dabei einen strengen Ton an, aber es war nicht zu verkennen, dass er sich diese harte Hülle selbst auferlegte, um sich Respekt zu verschaffen. Clark vermutete, dass er ein weiches Herz hatte. Aber das schien er sehr gut verbergen zu können, wenn etwas nicht nach seiner Vorstellung verlief.

„Jimmy, verdammt noch mal, wo ist Lois?“ blubberte er los.

„Keine Ahnung Chief.“, redete sich der Angesprochene heraus, „Ich hab sie noch nicht gesehen heute.“

„Okay, Morgenbesprechung beendet, das war's! Wir haben hier eine Zeitung zu machen! Also an die Arbeit!“, forderte er die anderen Mitarbeiter auf, den Konferenzraum zu verlassen und nachdem alle Kollegen den Raum verlassen hatten, sah er Clark an und fuhr sehr viel ruhiger fort: „Also gut, Kent, ich hatte eigentlich gedacht, ich lasse Sie mit Lois Lane zusammenarbeiten. Ich weiß nicht, ob Sie schon mal von ihr gehört haben?“ Clark nickte innerlich. Oh ja, wenn er von jemandem gehört hatte, dann ja wohl Lois Lane, die Enthüllungsreporterin des Daily Planet, die Frau, die für ihr Alter bereits erstaunlich viele Preise gewonnen hatte, die Frau, deren Namen im ganzen Land bekannt war, wenigstens in Journalistenkreisen. Und er sollte nun mit ihr zusammenarbeiten – wow! Perry White fuhr fort: „Aber sie ist leider nicht da. Sie arbeitet da gerade an so einer Raumfahrtsache, ich weiß noch nicht wirklich, ob an ihrem Sabotageverdacht etwas dran ist... Nun ja, sehen Sie einfach, wie Sie mit ihr zurechtkommen. Sie ist vielleicht nicht die Einfachste, aber Sie können viel von ihr lernen... Oh, wie passend“, Mr. White nickte lächelnd jemandem zu, der den Raum außerhalb von Clarks Gesichtsfeld betrat. Er versuchte dabei streng auszusehen. Immer noch an die andere Person gerichtet sagte der Chefredakteur dann: „Darf ich vorstellen, Lois Lane, Clark Kent.“

Clark stand von seinem Stuhl auf, das gehörte sich schließlich, wenn er der berühmten Lois Lane vorgestellt wurde, er drehte sich langsam um - und dann sah er sie, sein Blick fiel als erstes auf ihre Schuhe, die in eleganten Pumps steckten, sein Blick folgte ihren Beinen, sie hatte ausgesprochen schöne Beine, ein elegantes bordeauxrotes Kostüm, dunkles, schulterlanges Haar – und dann sah er in ihre Augen... und konnte es nicht fassen. Sein Herz setzte einen Schlag aus, er hielt den Atem an – bloß nichts anmerken lassen! Diese Augen... es waren die Augen, die ihn den ganzen gestrigen Abend in ihren Bann gezogen hatten, dies war die Frau aus der Bar, Wanda – er hatte gleich gewusst, dass der Name nicht stimmte...

Und sie? Wenn Blicke töten könnten... dann würde Clark jetzt hier auf der Stelle tot umfallen, sie massakrierte ihn mit ihrem Blick, vierteilte ihn... und er hätte schwören können, dass sie ihn stumm aufforderte, ja kein Wort zu sagen.

Clark reichte ihr vorsichtig seine Hand.

~ ~ ~

Lois kam hastig in die Redaktion. Schon wieder mal zu spät. Sie hatte schon von ihrem Apartment aus diverse Telefongespräche geführt und die hatten, wie schon so oft, viel mehr Zeit in Anspruch genommen als sie dafür eingeplant hatte. Leider passierte ihr das öfter, aber sie hatte den ganzen gestrigen Tag vergeblich versucht Platt zu erreichen, da musste sie einfach jede Möglichkeit nutzen. Verdammt! Die Morgenbesprechung schien sogar schon zu Ende zu sein. Die Kollegen kamen ihr alle aus dem Konferenzraum entgegen. Lois versuchte das Grinsen der anderen und ihr schnippisches Getuschel 'Mad-Dog-Lane' ist zu spät', einfach zu ignorieren. Der Chef saß noch mit einem Fremden, den sie nicht erkennen konnte, weil er ihr den Rücken zugewandt hatte, dort. Sie würde kurz 'Hallo' sagen und ihm nur mitteilen, dass sie weiter an der Raumfahrtgeschichte dran war und auch schon neue Informationen hatte.

Lois öffnete die Tür, ging auf den Chef zu, während der in einem mäßig strengen Ton sagte: „Darf ich vorstellen, Lois Lane, Clark Kent.“

Der fremde Mann drehte sich herum und sah sie an. Und dann traf sie der Schlag! Der Mann, den Perry ihr gerade als Clark Kent vorgestellt hatte, war der Mann aus der Bar! Der Mann, den sie eingeladen hatte, mit ihr die Nacht zu verbringen, der Mann, der sie auf so merkwürdige Art und Weise berührt hatte und der dann einfach gegangen war.

Wenn er nur ein einziges Wort sagen würde, war sie erledigt. Hier im Planet wusste niemand von ihren nächtlichen Exkursionen. Ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Was für Chancen hatte sie bei einer anderen Zeitung unterzukommen, wenn sie beim Planet kündigen würde? Perry würde ihr sicher ein gutes Zeugnis ausstellen. Und ihre Artikel sprachen ja auch durchaus für sich. Aber wo sollte sie hingehen? An die Westküste, oder besser gleich die Staaten verlassen? Sie hatte so hart dafür gearbeitet, genau hier anzukommen und nun konnte alles in wenigen Sekunden vorbei sein? Wie hatte sie nur so dumm sein können? Ohne Netz war sie gesprungen, nie hatte sie mit dem Gedanken gespielt, einen dieser Männer je wieder zu treffen, nicht in so einer riesigen Stadt wie Metropolis. Warum tat sich in diesem Moment kein Loch im Boden auf, in dem sie versinken konnte? Hatte sie dieser Mann letzte Nacht wirklich im Arm gehalten und war dann ohne ein Wort zu sagen verschwunden?

Der junge Mann – Clark Kent aus Kansas – reichte ihr die Hand. Sie versuchte jede nur denkbare Warnung in ihren Blick zu legen. Wenn er nur einen Ton sagen würde, es wäre einfach nur... nur peinlich. Aber es kam noch schlimmer. Wie aus einem Nebel hörte Lois die Stimme ihres Chefredakteurs weitersprechen, auch wenn davon nur Bruchstücke zu ihr durchdrangen, „... Clark ist unser neuer Kollege...“ Oh nein! Bitte alles, nur das nicht. Sie würde ihn jeden Tag sehen! Lois versuchte mit aller Kraft die Fassade zu wahren, während Perry fortfuhr: „Lois, ich möchte, dass Sie mit ihm an dieser Raumfahrtsache zusammen arbeiten.“ Lois brach innerlich zusammen. Ein Partner? - Nein! Sie wollte keinen Partner. Sie arbeitete lieber alleine. Und wenn schon einen Partner, dann jeder Mensch auf dieser Welt, aber nicht dieser Mann!

Lois Lane brauchte keinen Partner, sie hatte noch nie einen gebraucht. Sie brauchte keinen Klotz am Bein.

Doch, was konnte sie tun? Sie hatte die Geduld ihres Chefs in letzter Zeit mit ihren Alleingängen ganz schön strapaziert. Oder auch damit, dass sie diese langweilige Theatersache einfach nicht gemacht hatte. Sie konnte nicht ablehnen, Perry würde ihr die Ohren langziehen. Oh, Himmel hilf mir!, flehte sie innerlich. Auf der anderen Seite... Wenn dieser Mann schon unbedingt ihr Kollege sein musste, war es vielleicht besser... wenn sie ihn unter Kontrolle hatte. Je mehr er mit ihr sprach, umso weniger konnte er mit den anderen reden. Jedenfalls für den Anfang, für die ersten ein, zwei Tage. Dann hatte sie ihn bestenfalls dazu gedrängt, sich woanders einen Job zu suchen, oder schlechtestenfalls hatte sie ihm so gedroht, dass er nicht mal 'Piep' sagen würde.

Re: Die Spielerin

BeitragVerfasst: Di 11. Mai 2010, 12:28
von Magss
„Ist okay, Perry, ich kümmere mich um ihn...“, sagte sie, ständig darum bemüht, dass nicht ein einziger Gedanke auf ihrem Gesicht absehbar war. „Ich werde ihm gleich mal zeigen, was ich schon habe an Fakten.“ Sie sah bei diesen Worten nur ihren Chef an.

Clark Kent, der Mann aus Smallville, Kansas, ihm konnte sie immer noch nicht in die Augen sehen, in diese schokobraunen Augen... Oh Lois, vergiss es!

Perry verließ, offenbar zufrieden, den Konferenzraum und Lois schloss die Tür hinter ihm, sie musste mit dem Mann aus Smalltown alleine sprechen, wenigstens für einen kurzen Moment.

Er setzte an, etwas zu sagen, aber Lois unterbrach ihn energisch, ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen: „Kent! Ein... einziges... Wort – und Sie sind tot! Ich mache Sie fertig, ich streite alles ab! Ich sorge dafür, dass Sie bei keiner Zeitung in diesem Land je wieder eine Arbeit bekommen! Ich habe Kontakte, glauben Sie mir! Ich ruiniere ihre Karriere, bevor sie begonnen hat.“ Sie unterstrich ihre Ansprache, in dem sie die Hände in die Seiten gestützt hatte und sich versuchte so breit zu machen wie es nur ging. Sie wollte bedrohlich wirken, nein, sie musste bedrohlich wirken. Er sollte ja nicht auf die Idee kommen, auch nur einen einzigen Ton von sich zu geben. Wenn sie mit ihm fertig wäre, würde er sich wünschen, niemals in Metropolis aufgetaucht zu sein...

Wenig beeindruckt lächelte er, wenn auch etwas vorsichtig. „ Hören Sie, Miss Lane, von mir erfährt niemand etwas. Sie können mir vertrauen...“

„Vertrauen...!“, stieß sie verächtlich aus. Sehr witzig. Wirklich! Sie sollte dem grünen Jungen aus Nowheresville vertrauen. Lois griff in ihre Tasche, nahm einen Hefter daraus und drückte ihm den wütend in die Hand. „Hier, lesen Sie das durch. In einer halben Stunde erzähle ich Ihnen, was ich noch habe – und was noch viel wichtiger ist, was ich für Vermutungen habe." herrschte sie ihn in einem Ton an, der keine Widerrede duldete.

Ohne ihn noch einmal anzusehen, verließ sie den Konferenzraum und ging zu ihrem Schreibtisch. Sie musste dringend einen kurzen Moment allein sein, einen Moment nachdenken, sich irgendeine Strategie zurechtlegen, wie sie mit dieser Situation umgehen sollte, wie sie mit Clark Kent aus Smallville umgehen sollte. Sie musste sich wieder fangen und ihr Herz wieder in einen normalen Rhythmus bringen. Darauf war sie nicht vorbereitet gewesen. Nicht nur, dass sie gestern nicht an ihr Ziel gekommen war, nein, es war Ironie pur, dass sie nun mit genau diesem Mann zusammen arbeiten musste.

Lois fuhr ihren Computer hoch. Was für ein Tag... was für eine Nacht. Warum nur war sie gestern in diese Bar gegangen? Warum hatte sie ihr eigentliches Ziel, den blonden Börsenbroker, aus den Augen verloren? Warum hatte sie Kent mitgenommen, obwohl ihr alle Warnsysteme gesagt hatten, lass dich nicht mit so einem Typen ein? Warum hatte er sie nicht gewollt? Warum hatte sie ihn nicht gleich rausgeworfen, als ihr klar wurde, dass er scheinbar etwas ganz anderes erwartet hatte als sie?

Weil er sie berührt hatte... weil er eine Saite in ihr zum klingen gebracht hatte, von der sie schon geglaubt hatte, es gäbe sie nicht mehr, oder vielleicht bisher nie gegeben hatte. Aber das durfte er niemals erfahren – unter gar keinen Umständen! Und du solltest auch nicht weiter darüber nachdenken, Lois, mahnte sie sich selbst.

Lois atmete tief durch, sie war noch immer durcheinander, aber langsam kehrte das Gefühl zurück, dass sie wieder denken konnte. Sie hatte Perry gegenüber nicht ablehnen können und nun musste sie das Beste daraus machen, was auch immer das Beste in diesem Moment war. Sie seufzte und rieb sich die Schläfen. Wenn ein Morgen schon so begann, wo konnte er dann enden? Wo war ihre Reserve an Schokoriegeln? Sie brauchte ganz dringend Endorphine, irgendetwas, was ihr all das hier alles erträglich machte. Ihr Ruf war in Gefahr und Mad Dog Lane würde nicht klein begeben, oh nein! Sie würde nicht kampflos untergehen, ganz bestimmt nicht - und schon gar nicht durch diesen Farmer aus der Provinz... und doch zitterten ihre Finger. Hoffentlich hatte er nicht geredet, hoffentlich würde er das auch weiterhin nicht tun. Mit einem unguten Gefühl sah sie hinüber zu Jimmy, sie traute diesem scheinheiligen Farmboy aus der Provinz einfach nicht. Sie musste herausbekommen, was Jimmy wusste.

Jimmy ging zur Kaffeemaschine und machte sich einen Kaffee, das war ihre Chance. Lois war sich zwar bewusst, dass Koffein jetzt genau das Falsche für sie war, aber sie ging auch dort hin. "Und, Jimmy, was hältst du von dem Neuen...?", versuchte sie so unverfänglich wie nur möglich zu fragen, während sie Zucker in ihren Becher tat.

Er grinste sie an. "Er scheint nett zu sein. Und er weiß erstaunliche Sachen..."

Lois verschluckte sich fast an ihrem Kaffee. "Was bitte meinst du damit? Raus mit der Sprache!"

Jimmy sah sie mit so einem vielsagenden Blick an und grinste noch breiter. "Nun ja, du weißt schon... Man sieht jemanden an und denkt, langweilig, bieder, vielleicht sogar konservativ, aber dann kommt es ganz faustdick. Stille Wasser sind tief...", endete er bedeutungsschwer.

Das reichte! Das würde Kent nicht überleben, kaum ein paar Minuten hier in der Redaktion und schon posaunte er Indiskretionen aus und dann auch noch ihre Indiskretionen. Lois drehte sich stürmisch um und ließ Jimmy einfach dort stehen. Doch beim Blick zu Kents Schreibtisch traf sie der nächste Schlag, er sprach gerade mit Cat. Die Klatschtante des Hauses. Cats anzügliches Grinsen konnte nur bedeuten, dass sie bei ihren Lieblingsthema war, bei dem einzigen, in dem sie ständig den Anschein erweckte, sie würde sich dort auskennen - Sex! Oh nein, es würde keine Stunde dauern, dann wusste es jeder Mitarbeiter im ganzen Haus, vom Keller bis hinauf zur Chefetage. Wie lange sprachen die beiden schon? Lois versuchte sich nun unmerklich immer näher an Kents Schreibtisch heranzuarbeiten. Ha! Sylvis Blumen konnten Wasser gebrauchen und sie hatte ihren Schreibtisch fast neben dem von Kent. Lois rannte so lautlos und unauffällig, wie es gerade ging, zu ihrem Schreibtisch um ihre kleine Gießkanne zu holen und dann kümmerte sie sich um Sylvis Blumen.

Aber alles was sie noch mitbekam war, wie Cat erstaunt zu dem neuen Kollegen sagte: "Nein...! Clark, das hätte ich wirklich nicht gedacht, sie sieht nicht danach aus. Wirklich erstaunlich...!"

Clark hob seine Finger wie zum Schwur und lächelte. "Pfadfinder-Ehrenwort...!" Daraufhin warf sich Cat ihre plüschige Jacke über die Schulter und ging mit einem anzüglichen Lachen in Richtung ihres eigenen Schreibtisches.

Das war zu viel! Kaum ein paar Minuten hier und schon plappert der Neue alles aus, was er wusste. Lois ging zu Kent und forderte ihn unmissverständlich auf: "Los, packen Sie alles ein und kommen Sie mit!" Sie ging an ihrem Schreibtisch vorbei, griff sich ihre Jacke und ging zum Fahrstuhl. Kent folgte ihr mit dem Hefter unter dem Arm, sein Glück, sonst würde sie ihn gleich hier in der Redaktion umbringen. Die Fahrstuhltüren öffneten sich und sie fuhren wortlos nach unten.

Lois hatte immer noch keine Zeit gehabt, sich eine Strategie zurecht zu legen, aber sie musste verhindern, dass er mit noch mehr Kollegen sprechen konnte. Während der Fahrt nach unten versuchte sie ihm eine Fassade der Ausgeglichenheit zu zeigen, einzig ihr Fuß tippte nervös auf den Boden. Der Fahrstuhl war heute mal wieder besonders langsam. Endlich im untersten Stockwerk angekommen, stürmte sie durch die Lobby, hinaus auf die Straße und dann in schnellem Schritt den kurzen Weg zum Café an der Ecke. Da war um diese Zeit nichts los, keine Zeugen, das war ihr nur recht.

Sie ließ die Tür hinter sich zufallen, ohne zu schauen, ob er ihr auch gefolgt war. Er sollte sich hüten, es nicht getan zu haben! Sie bestellte sich am Tresen ein Kännchen Kaffee, aber keinen Kuchen, noch nicht. Sie war sogar zu aufgeregt für Kuchen. Obwohl die Schokotorte hier sie immer fantastisch aufgeheitert hatte. Lois suchte dann einen Tisch im hinteren Teil aus, dort würden sie ungestört reden können, vielleicht würde es nicht mal auffallen, wenn sie Kent gleich dort umbrachte. Erwürgen mit seiner schrecklich bunten Krawatte vielleicht, oder erstechen mit einer Kuchengabel - sie sollte wohl doch Kuchen bestellen.

Er setzte sich nur einen kuren Moment später mit einem nach Zimt und Kardamom duftenden heißen Kakao zu ihr an den Tisch. Die heiße Schokolade hier war köstlich, vielleicht hätte sie sich auch eine bestellen sollen... Aber Lois sollte sich nicht ablenken lassen. Sie tat Milch und Zucker in ihren Kaffee und fuhr geräuschvoll mit dem Teelöffel durch ihren Kaffee, trank aber nicht davon. Sie war viel zu abgelenkt.

"Kent, ich hatte Sie gewarnt!", unwillkürlich rührte sie ihren Kaffee nun noch etwas schneller um, während sie wütend fortfuhr, "Glauben Sie etwa, ich mache meine Drohungen nicht wahr...?" Der Kaffee schwappte fast über.

"Bitte...?", überrascht sah Clark Kent sie an.

Oh nein! Lois wollte es nicht glauben. Er besaß doch wirklich die Unverschämtheit, ihr diesen Ich-weiß-gar-nicht-wovon-Sie-reden-Blick zu schenken. Glaubte er denn wirklich, sie sei galaktisch blöd? Clark Kent tippte auf den Hefter mit den Ermittlungen zu der Raumstationsgeschichte, den er mitgebracht hatte. "Ich dachte, Sie wollten hierüber sprechen."

"Vergessen Sie die Raumstation! Das kann ich sowieso besser alleine schreiben. Nein! Ich spreche davon, dass Sie nicht reden wollten..." Taktisch war es sicher nicht der beste Schachzug, gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, aber für eine gut durchdachte Strategie hatte es ihr einfach an Zeit gefehlt.

Er zog eine Augenbraue unter seiner hässlichen Brille hoch. "Nicht die Raumstationsstory, okay. Worüber wollten Sie denn reden...?"

Jetzt auch noch den Unwissenden spielen, dieser Mann war einfach unglaublich... Was hatte sie gestern Nacht nur geleitet? Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, ihren Geschmack oder ihre Menschenkenntnis einer Prüfung zu unterziehen. Dies war der Moment, um diesen Provinztölpel fertig zu machen! "Kent!", stieß sie unkontrolliert hervor, "Sie sind kaum ein paar Minuten in der Redaktion und erzählen jedem... Und Sie hatten mir versprochen, genau das nicht... Ich weiß schon, meine eigene Schuld, dass ich Ihnen das geglaubt habe... Diese Lektion habe ich gelernt... Aber..."

Lois fuchtelte ihm zur Unterstreichung ihrer Wut mit dem Kaffeelöffel vor dem Gesicht herum, was ihn etwas zurückweichen ließ, aber nur ein kleines Stück. Sie hätte ihm gerne noch einige Drohungen an den Kopf geworfen, eine Warnung, die ihm wirklich Angst machte, aber er unterbrach sie: "Wovon bitte reden Sie? Was soll ich erzählt haben? Und wem?" Clark sah sie voller Unverständnis an.

Ihr blieb die Luft weg. "Wem?! Das fragen Sie auch noch! Für wie blöd halten Sie mich eigentlich?"

"Ganz ehrliche Antwort...?" Er hob seinen Kopf und warf ihr fast einen beschämten Blick zu und da zeigte sich doch tatsächlich die Spur eines Lächelns auf seinem Gesicht. Jetzt machte er sich auch noch über sie lustig! "Ich halte Sie überhaupt nicht für blöd, ganz im Gegenteil... In diesem Moment allerdings, nun ja, wie soll ich das sagen...? Aber sagen Sie mir doch einfach, was ich wem gesagt... Moment mal, Sie reden von... Sie glauben, ich hätte irgendjemandem erzählt, was gestern Nacht passiert ist?" Lois nickte nur, während sie ihn skeptisch ansah. "Ich hatte es doch versprochen..."

Sie winkte resigniert ab. "Oh ja, das haben Sie. Und Sie haben mir gesagt, ich sollte Ihnen vertrauen. Pah, Vertrauen... Was haben Sie Jimmy erzählt?", forderte sie ihn unmissverständlich auf. Was zählte heute schon ein Versprechen?

Sein Lächeln wurde langsam zu einem Grinsen. "Langsam verstehe ich... Jimmy hatte mich gefragt, ob ich glaube, dass es Eindruck auf Frauen macht, wenn er kochen könnte. Ich sagte ihm darauf, dass ich mir da in seiner Altersklasse nicht so sicher wäre, aber ich hätte schon so manches Mal zustimmenden Beifall erhalten, wenn ich jemandem meinen tibetanischen Wasserbüffeleintopf gemacht habe, oder die neuseeländische Grillplatte - ich meine, thailändisch kann ja jeder..."

Lois merkte zwar, dass ihr der Mund offen stand, aber sie hatte das Gefühl, nicht die Kraft zu haben, etwas dagegen tun zu können. "Sie können kochen?", fragte sie deshalb ein wenig abwesend. Er nickte. Und sie musste Jimmy im Stillen Recht geben, stille Wasser sind tief, dass hätte sie ihm am wenigsten zugetraut. "Aber...", fuhr sie nun ganz aufgeregt fort, "aber was ist mit Cat, unserer Bürosch... die Kollegin, mit der Sie danach gesprochen haben?" Ha!, jetzt hatte sie ihn aber. 'Sie sieht nicht danach aus' war doch um einiges eindeutiger.

Er nahm einen Schluck von seinem Kakao und sah sie ruhig an. "Sie hat mich nach meiner Krawatte gefragt und woher ich sie habe. Nun ja, ich kenne einen italienischen Designer für Krawatten, der manchmal einen recht eigenwilligen Geschmack hat. Aber es ist immer allerbeste Qualität, kommt direkt aus Italien und ich mag ihn sehr gerne, deswegen trage ich seine Werke mit Stolz."

Lois wünsche sich gerade, dass sie sich statt einer Tasse Kaffee lieber einen Eimer bestellt hätte, dann hätte sie jetzt etwas, wohinter sie sich verstecken könnte. Zu allem Überfluss merkte sie auch noch, wie sie rot wurde. "Ich mache mich gerade vollkommen lächerlich.", murmelte sie leise in sich hinein. Sie stierte auf den Grund ihres Kaffees, in der Hoffnung, dort eine kluge Erklärung für ihr Verhalten zu finden.

"Lois", sagte er mit diesem sympathischen, fast ein wenig schüchternen Lächeln, "darf ich Sie Lois nennen...?" Das konnte sie ihm nun ja wohl kaum noch abschlagen, nachdem sie sich gerade vollkommen zur Idiotin gemacht hatte. Sie nickte stumm. "Okay, Lois. Ich hatte Ihnen mein Wort gegeben. Natürlich, Sie kennen mich noch nicht. Aber wenn Sie mich eines Tages besser kennen, werden Sie wissen, dass ich eher sterben würde, als ein einmal gegebenes Versprechen zu brechen. Von mir wird kein Mensch erfahren, dass ich gestern Abend schon in Ihrer Wohnung war."

Sollte sie ihm glauben? Lois sah ihn immer noch nicht an. Kleinlaut murmelte sie vor sich hin: "Dass Sie in der Wohnung waren, ist ja nun eher nebensächlich. Warum Sie dort waren...", deutete sie ihm vielsagend an, während sie den Kopf in seine Richtung drehte und sich sofort wieder in diesem Vertrauen erweckenden Blick verlor. Sie würde ihm so gerne glauben, ihm, dem Mann mit diesem gewinnenden Lächeln, das so eine Wärme ausstrahlte. Plötzlich spürte sie ein Kribbeln in ihrer Magengegend, das sie vollends durcheinander brachte. In diesem Moment wusste sie auch wieder, warum sie ihn eingeladen hatte, warum sie wollte, dass er mit zu ihr kam, warum sie wollte, dass er sie begleitete, warum sie nicht wollte, dass er ging, warum sie mit ihm die Nacht verbringen wollte.

Clark riss sie aus ihren wirren Gedanken. "Warum war ich denn dort...?"

Oh nein! Nein, nein! So etwas zu denken, war eine Sache, so etwas zu sagen, eine ganz andere und das auch noch zu jemandem, den sie gar nicht kannte - unmöglich.

Lois hob den Kopf und sah ihn so ruhig an, wie es nur ging. Sie merkte ihre Unsicherheit, hoffentlich konnte sie die vor ihm verstecken. "Lassen Sie uns über die Story bei der EPRAD sprechen", sie zog sich den Hefter mit ihren Unterlagen heran. Genau, über den Fall reden, das war jetzt sicherer, viel sicherer. "Ich hoffe, es ist okay, wenn ich Sie Clark nenne", er nickte nur stumm, "also, es geht um Folgendes..."

~ ~ ~

Clark stand zum wiederholten Male vor dem Spiegel und betrachtete, was seine Mutter mit ihrer Nähmaschine gezaubert hatte. Manchmal fragte er sich, was in ihrem Kopf vorging und dann wieder, ob sie ihn zu einem öffentlichen Idioten degradieren wollte, wenn er ihre Vorschläge in Tigerfelloptik, oder aber die dünnen, engen Strumpfhosen in pink an sich sah.

Er war unkonzentriert, immer wieder schweiften seine Gedanken zu seinem neuen Job beim Planet und zu seiner neuen Kollegin ab. Lois Lane - sie hatte ihr Verhalten nach der ersten Stunde, die sie beide miteinander im Planet zu tun gehabt hatten, drastisch geändert. Von der leicht panischen Furie hatte sie sich zu einer betont sachlichen Kollegin mit Chefallüren entwickelt. Sie hatte ihm so nette Sachen gesagt, wie: "Sie spielen nicht in meiner Liga!" Oder auch: "Sie arbeiten nicht mit mir, Sie arbeiten für mich! Sie sind ganz unten, ich bin ganz oben!" Aber sie zeigte keine Gefühlsausbrüche mehr. Auf der einen Seite war er froh darüber, die Kostprobe der wütenden Lois Lane hatte ihm bereits gereicht. Auf der anderen Seite hatte er die Frau hinter den Mauern kaum noch einmal zu sehen bekommen und darum tat es ihm sehr leid. Das Bild, das sie ihm nun zeigte, war die Person, die sie beim Planet sein wollte - energisch, unnahbar und ohne jede Schwäche.

Es gab noch eine Situation, da hatte er sie noch einmal gesehen, die zarte, verletzliche Person hinter ihren Mauern. Im Zuge der Ermittlungen um Platt und der angeblichen Sabotage an der Raumfähre Messenger hatten sie irgendwann alle Beweise dafür zusammen, dass Platts Behauptungen wahr waren, dass es wirklich eine Sabotage gegeben hatte. Sie es wirklich gelöst hatten, das Rätsel; es gab wirklich eine Story und zwar eine, die sie auch beweisen konnten. In diesem Moment des Triumphes, der Freude waren sich Lois und Clark ausgelassen in die Arme gefallen. Ohne viel zu denken, hatte Clark sie gefragt, ob sie nicht ausgehen wollten, ihren Erfolg feiern wollten. Das war die Art, wie er Lois kennen lernen wollte, wie er ihr immer näher kommen wollte. Nicht so, wie es an diesem verunglückten ersten Abend gewesen war.

Und sie hatte zugesagt, sie hatte ihn angesehen, gelacht und gesagt. „Ja... Warum denn auch nicht?“

Nur zwei, drei Sekunden konnte Clark sich an dem Verlauf der Ereignisse erfreuen. Die Zeit reichte aus, dass er schon ganz aufgeregt wurde.

Und dann – dann war die kühl berechnende, die professionelle Lois wieder da gewesen. Ihr Blick erhärtete sich und sie sagte betreten: „Ach, was rede ich, ich kann nicht, ich habe noch etwas vor.“

Erschrocken und enttäuscht sah er sie an. „Luthor...?“ Sie nickte.

Oh ja, die Unnahbare Lois war wieder da gewesen. Die Arbeit und Privates trennte. Die noch einen wichtigen Termin hatte. Eine wichtige Story. Ein wichtiges Interview – und dann ausgerechnet Lex Luthor. Es war, als würde sie eine Maske aufsetzen. Und Clark konnte sie dahinter wieder nicht erreichen. Es war als würde sie eine Tür zuschlagen.

Und ein anderes Mal waren sie bei der EPRAD in diese ausweglose Situation geraten, oder besser gesagt, Lois war in diese bedrohliche Situation geraten, sie hatte sich von Dr. Antoinette Baines erwischen lassen, während sie die echte Raumfähre untersucht hatte. Baines fand das gar nicht gut und fesselte Lois in einem Lagerraum. Clark war dazu gekommen und ließ sich mit ihr in diesem Lagerraum einsperren. Er musste sich überlegen, wie er sie beide da rausholen konnte, ohne seine Ungewöhnlichkeit zu offenbaren.

Es war ein kalter, ungemütlicher Raum. Sie saßen Rücken an Rücken dort, konnten sich nicht sehen und Lois hatte geglaubt, sie würde dem Tod ins Auge blicken und so fing sie an zu erzählen. „Weißt du noch, Kent, was ich dir von meinen drei Regeln erzählt habe – ich habe sie alle schon gebrochen...“ Er konnte sie nicht sehen, aber die Resignation über dieses Eingeständnis war ihr sehr deutlich anzumerken.

Clark erinnerte sich, ihre drei Regeln waren: Sich niemals in ihre Storys verwickeln zu lassen, niemanden vor ihr an eine Story kommen zu lassen und niemals mit einem Kollegen zu schlafen.

Weinerlich fuhr sie fort: „Ich lasse mich eigentlich immer in meine Storys verwickeln... Aber...“

Überrascht fuhr Clark dazwischen: „Du hast mit einem Kollegen geschlafen?“ Das passte nicht zu ihrer Taktik, zu der Distanz, die sie unbedingt wahrte, zu dem 'ich will nicht wissen, wie du heißt'. „Es war doch nicht Jimmy, oder?“

Sie hatte sich wieder etwas gefangen. „Clark, sei nicht albern. Es ist schon ein paar Jahre her, ich war damals ganz neu beim Planet, arbeitete an einer wirklich großen Story und da war Claude, Franzose, er hatte diesen Akzent... Wie auch immer, ich muss wohl verliebt gewesen sein oder dachte es zumindest. Dann, eines Nachts, erzählte ich ihm von meiner Story. Und am nächsten Morgen war er weg – genau wie meine Story.“ Ihr Ton wurde nun immer erboster. „Er hat einen Preis dafür erhalten – hat sich nicht einmal bedankt bei mir!“

Clark spielte gedankenverloren mit den Fesseln, die seine Handgelenke zusammenhielten und riss sie kurzerhand durch. „Ich schätze, wenn man verliebt ist, ist es vollkommen gleichgültig wie taff man ist oder wie viele Regeln man für sich selber aufstellt, man ist dann so... verletzlich.“

Während Lois ihm sentimental zustimmte und sich darüber ausließ, dass sie ja doch bald sterben mussten, wurde Clark sich bewusst, dass die Verletzung, die sie durch diesen Claude erfahren hatte, wohl einer der Auslöser sein musste, der sie in diese One-Night-Stands trieb. Sie hatte scheinbar Angst vor Beziehungen, vor Männern, davor, von ihnen enttäuscht zu werden.

Später, in der Redaktion, nachdem sie gerettet waren, hatte sie ihm dann eine Warnung zugeflüstert, die er schon einmal von ihr bekommen hatte: „Kent, ein Wort von dem, was ich dir erzählt habe und du sind tot! Ich streite alles ab...“

Und genau wie beim ersten Mal hatte er sie angelächelt und ihr gesagt: „Du kannst mir vertrauen.“

„Ja, ja... Das hab ich schon einmal gehört.“, hatte sie gemurmelt und sich dann umgedreht.


Es war das letzte Mal gewesen, dass sie ihn hinter ihre Fassade hatte blicken lassen. Er musste sich eingestehen, dass es süchtig machte und er wollte mehr davon.

Für Clark wäre es in dieser Situation ein leichtes gewesen, seine Kräfte zu nutzen, um sie beide da raus zu holen, aber wenn Lois wüsste, über welche Kräfte er verfügte, hätte es die ganze Welt erfahren. Genau diese Situation war der Grund, warum seine Mutter ihm eine Verkleidung nähen sollte. Sie und der Hinweis von Lois, er sollte Kleidung zum Wechseln zur Arbeit mitbringen. Lois hatte sicher etwas anderes im Sinn gehabt, aber Clark hatte die Idee mit der zweiten Kleidergarnitur auf seine Art interpretiert.

Martha Kent sah ihn mit einem Grinsen an. Wie lange stand sie schon vor ihm und grinste ihm mitten ins Gesicht? "Und? Wo bist du gerade?", fragte sie ihn provozierend.

Clark wäre gerne ausgewichen, bisher hatte er mit seinen Eltern über Metropolis und seinen Job gesprochen, auch über seine Kollegen, aber nicht über sie. Vielleicht befürchtete er einfach, dass er sich verplappern könnte und eine winzige Kleinigkeit von dem ersten Abend preisgeben könnte. Es war das erste Mal, dass er mit seiner Mutter über Lois sprechen würde, denn darum ging es in diesem Moment. "Ach Mom, meine Kollegin... Lois... die anderen in der Redaktion sind schon jetzt überrascht, dass wir nach vier Tagen noch als Kollegen an demselben Fall arbeiten. Sie haben mir nicht mehr als 24 Stunden gegeben. Aber... Partner sage ich lieber nicht. Lois ist... kompliziert, dominierend, total kompromisslos, blasiert und... brillant. Aber sie behandelt mich wie einen dummen Jungen bestenfalls, oder wie Dreck, wenn sie nicht gut drauf ist. Meistens ignoriert sie mich einfach. Und dann gibt es immer wieder so Momente, wo ich das Gefühl habe, sie lässt mich hinter ihre Mauer sehen, ganz kurz nur, meist sind es nur Sekunden, oder Bruchteile davon."

Seine Mutter reichte ihm ihren neuesten Entwurf, es war... blau, erst mal sah er nur blau. Hm? Ist das nicht ein wenig langweilig? Nach dem achten Kostüm kamen ihm langsam Zweifel an seiner Idee einer Kostümierung, um seine Kräfte sinnvoll einsetzen zu können und dabei von der Person Clark Kent abzulenken.

Martha nahm ihm das ab, was er jetzt wieder auszog. "Was ist da zwischen euch?", fragte sie scheinbar beiläufig. Obwohl Clark ganz genau wusste, seine Mutter sagte selten etwas beiläufig dahin, normalerweise wusste sie genau, wo sie hinwollte.

Clark seufzte, während er nun das blaue Kostüm anzog. "Da ist nichts, gar nichts... überhaupt nichts. Und wenn da etwas wäre, ist es wohl auf einer Skala eine Minus zehn.", sagte er und erschrak selber über seinen verdrossenen Ton. Und das Kostüm war nur blau - langweilig blau, sonst nichts. Er ließ den Kopf hängen. Vielleicht taugte diese fixe Idee gar nichts.

Martha kam dann mit einer kurzen roten, knappen Hose und einem roten Cape - ein Cape? Clark fragte sich, wie praktisch das wohl sein würde. Er sah sie fragend und entsetzt an.

"Ach komm schon! Das wird toll aussehen, wenn du fliegst." Sie reichte ihm daraufhin noch ein paar rote Stiefel. "Und was deine Kollegin angeht... Lois; könnte es sein, dass es dich erwischt hat?" Martha grinste vielsagend.

Clark zog erst die kurze, rote Hose über den blauen Anzug und dann die Stiefel an. Er konnte seiner Mutter sowieso nichts vormachen, also beantwortete er ihre Frage, sie würde sie ganz sicher nicht vergessen. „Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich fürchte... ja.“ Er vermied es sie anzusehen, sie sollte nicht sehen, dass er wie ein Schuljunge errötet war. Entmutigt nahm er ihr das Cape ab und sah nach, wie er es befestigen sollte.

Sie half ihm, das Cape um die Schultern zu fixieren. Beim nächsten Blick in den Spiegel war er gar nicht mehr so abgeneigt, blau und rot und ein gelber Gürtel. All diese leuchtenden Grundfarben, es war... auffällig. Ja, das könnte funktionieren, von Clark Kent abzulenken. Er drehte sich vor dem Spiegel.

Plötzlich lief Martha nach hinten, zu der großen Wäschetruhe. "Warte, da fehlt noch etwas..." Sie kramte in der Kiste und holte dann eine Stoffapplikation heraus. Fünfeckig, rot-gelb mit einem stilisierten großen 'S' darauf. Clark sah sie fragend an. "Das war auf der Babydecke, in der wir dich fanden", sagte Martha ihm mit einem verklärten Lächeln. Was immer dieses Symbol auch zu bedeuten hatte, wenn es auf seine Babydecke genäht war, musste es eine Bedeutung für ihn haben. Seine Mutter hielt es in Höhe seiner Brust an das blaue Kostüm - ja! Das war es. Jetzt sah es richtig gut aus.

Clark sah noch einmal in den Spiegel und erstaunt stellte er fest, dass es fast ein Fremder war, der ihn anblickte. Ein wenig stolz hob er den Blick, es hatte etwas Erhabenes – oh jeh, sollte er so von sich selber denken?

Nachdem Martha ihm das S-Symbol noch aufgenäht hatte, standen sie beide vor dem Spiegel und sie legte ihm stolz ihren Arm um die Taille und sagte provozierend: "Nun, eines ist sicher, auf dein Gesicht wird niemand achten..."

Ein entsetztes "Mom...!", war das einzige, was ihm dazu einfiel.

Lachend gingen beide zu Jonathan, um ihm das Ergebnis ihrer Bemühungen zu präsentieren und er zeigte sich angenehm überrascht. Doch während sein Vater ihn noch anerkennend betrachtete, hörten sie im Fernsehen die Nachrichten vom erneuten Start der Raumfähre, die mehr als hundert Zivilisten zur Raumstation in den Orbit befördern sollte.

Der Nachrichtensprecher stutzte und unterbrach seinen Kommentar. Dann teilte er den Zuschauern mit, dass es Probleme beim Start gab. Clark wartete keine Sekunde, in Windeseile verließ er das Haus seiner Eltern, verließ er Kansas und flog nach Cape Canaveral. Das war es, was er immer tun wollte, wenn es ein Problem gab, bei dem er eventuell helfen könnte, sofort losfliegen. Nicht erst eine stille Ecke suchen, in der Hoffnung, dass ihn niemand sah. Und das konnte er nur, weil er diese Kostümierung trug. Er hoffte, dass ihn niemand erkennen würde, er hoffte, dass er nun endlich seine Gabe einsetzten konnte, um zu helfen.

Die Antriebsraketen der Raumfähre waren bereits gestartet. Schon im Anflug hatte er, die überraschten Ausrufe der Zuschauer ignorierend, versucht die Funkmeldungen des Kontrollcenters zu hören und wusste, dass es ein Problem mit einer elektrischen Hauptleitung gab. Er öffnete die äußerste Verriegelung der Fähre und glaubte für einen Moment, er konnte seinen Augen nicht trauen - vor ihm stand Lois! Perry hatte ihr doch untersagt, mit der Fähre zu fliegen. Wie hatte sie es bloß geschafft doch an Bord zu kommen? Die Frau war wirklich unglaublich! Egal, er durfte sich nicht anmerken lassen, dass er Lois kannte, sonst würde seine Tarnung sofort auffliegen. Aber sie würde auch den ersten Test für seine neue Verkleidung darstellen.

Lois schien ihn nicht zu erkennen, sie kam mit einem Anflug von Panik im Blick auf ihn zu und stammelte: "Da... da ist eine Bombe." Sie zeigte auf die Wand, an der sich ein elektrischer Initialzünder befand, dahinter eine Handvoll Plastiksprengstoff. Wenn er Zünder und Sprengstoff trennte, würde der Initialzünder trotzdem explodieren und einen unvorhersehbaren Schaden anrichten, meist hatten die Attentäter so eine Rückversicherung eingebaut. Und die Menge an Sprengstoff reichte aus, um eine Explosion zu verursachen, die bis zu den Treibstofftanks reichten könnte, was eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes auslösen würde. Er durfte keine Zeit mehr verlieren. Kurzerhand nahm er den Zünder und schluckte ihn einfach herunter.

Und er zündete! Clark spürte die Explosion in seinem Magen und er hörte sie auch mehr als deutlich. Und selbst Lois hörte deutlich, war passiert war. Unangenehmerweise bildete sich durch die Explosion in seinem Magen sehr viel Luft, die irgendwohin musste.

Lois sah ihn daraufhin noch ungläubiger an - und sie sagte kein Wort mehr. Nicht ein einziges. Bei einem Menschen wie Lois war das das höchste Anzeichen von vollkommener Verwunderung.

Nur eine Stunde später flog Clark mit Lois Richtung Metropolis, zum Daily Planet. Nachdem sich die erste Aufregung um das Entschärfen der Bombe gelegt hatte, befürchtete er, dass Lois ihn erkennen würde. Aber nein! Und selbst als er mit ihr flog, als sie ihm ganz nah war, ließ sie nicht den geringsten Zweifel an seiner Verkleidung aufkommen. Also bereitete er sich und Lois wirklich einen großen Empfang. Die versammelte Mannschaft des Planets befand sich dort und den meisten stand wirklich der Mund offen bei diesem Anblick. Doch was Clark am meisten rührte, war der Blick von Lois, der sich seit seinem Erscheinen in der Raumfähre nicht mehr verändert hatte. Ehrfürchtig, zärtlich und so voller Achtung. Das war Bewunderung pur. Es war die reinste Form von Verehrung. Und sie hatte offensichtlich nicht die geringsten Probleme, diese Gefühle auch ganz offen vor allen Kollegen zu zeigen. Was würde er darum geben, dass Lois ihn - Clark - einmal so ansehen würde?

Fast hätte sie sogar vergessen, ihn um ein Interview zu bitten, aber eben auch nur fast. Und sie war es, die ihm seinen neuen Namen gegeben hatte: Superman. Clark war sich nicht sicher, dass das Symbol auf seinem Anzug wirklich das lateinische 'S' darstellen sollte und er hätte sich selbst auch nie so einen heroischen Namen gegeben. Aber da es Lois war, die diesen Namen kreiert hatte, nahm er ihn gerne an.

~ ~ ~

Ein paar Wochen später in Kansas, seine Mutter hatte ihm noch einige dieser blauen Kostüme genäht, sprachen sie wieder einmal über Lois. Seine Mutter hatte ihn einfach und gerade heraus gefragt: „Und? Wie läuft es jetzt mit euch beiden?“ Und er wusste sofort, wen sie meinte.

Clark hätte am liebsten den Kräutergarten verlassen, in dem sie auf dem Boden kniete und das Unkraut zwischen Rosmarin und Salbei auszupfte. Die Beziehung mit Lois war durch die Erschaffung seiner Zweitidentität eigentlich von Tag zu Tag komplizierter geworden. Sie waren inzwischen mehrfach zusammen geflogen. Und er hatte sie mehr als einmal aus einer brenzligen Situation befreit. Es kam ihm fast so vor, als legte sie es darauf an, von ihm gerettet zu werden. Als Superman erfuhr er ihre offene Bewunderung und als Clark behandelte sie ihn immer noch wie den Provinztölpel, wie ihren Fußabtreter oder ihren Laufburschen. Er hörte ihre erbarmungslosen Anweisungen in seinem Kopf, mit denen sie ihn durch die Gegend scheuchte, 'Kent, machen Sie dies...!' oder 'Kent, ich brauche diese Recherche - und zwar sofort!' Resigniert antwortete er: „Ach Mom, es ist eigentlich alles nur noch schlimmer geworden. Sie ist wirklich zu großen Gefühlen in der Lage, aber es ist Superman, den sie anhimmelt und mich verachtet sie. Warum kann sie nicht sehen, wie ähnlich sich die beiden sind?“

Martha richtete sich auf und setzte sich auf ihre Fersen, unter dem Strohhut warf sie ihm einen kritischen Blick zu. Sie beobachtete ihren Sohn einen Moment, bevor sie gelassen antwortete: „Eigentlich liegt es auf der Hand, mein Junge. Die Person Superman ist unerreichbar, das ist vollkommen ungefährlich. Clark hingegen ist ein ganz realer Mann im Hier und Jetzt. Nach allem, was du mir von ihr erzählt hast, hat sie furchtbare Angst vor einer echten Beziehung. Ich meine so etwas ganz richtiges mit Herzklopfen, Vertrauen und einander alles erzählen. Wahrscheinlich wäre sie eher in der Lage eine rein körperliche Affäre mit einem Mann zu haben als sich wirklich zu verlieben.“ Martha kniete sich wieder hin und griff dann die kleine Harke und lockerte die eben vom Unkraut befreite Erde ein wenig auf.

Clark sah seiner Mutter an und fragte sich nicht zum ersten Mal, ob sie eigentlich hellseherische Fähigkeiten hatte oder einfach nur in der Lage war ihm direkt ins Herz zu schauen. Er erzählte seiner Mutter wirklich viel, aber von dem ersten Abend mit Lois, bevor sie seine Kollegin beim Planet geworden war, von der Einladung mit ihr gemeinsam die Nacht zu verbringen, hatte er niemals auch nur ein Sterbenswörtchen gesagt.

~ ~ ~

Lois kam in ihr Apartment und hatte leichte Schwierigkeiten ihre Einkaufstaschen zu balancieren, dabei musste sie sich beeilen, das Eis musste sofort in das Gefrierfach. Die Tür stieß sie mit dem Fuß zu, abschließen konnte sie gleich, das Wichtigste war nun erst einmal, dass das Eis schnell wieder in die Kälte kam. Sie stellte dann die verschiedenen Eissorten in das leere Gefrierfach, Schoko, Walnusssplitter, Kirsche, Stracciatella, Karamell und Mango-Yoghurt. Das sollte für diesen Abend reichen. Und nur für den Notfall hatte sie sich noch Schokolade, Double-Fudge-Crunch-Bars und Schokocrossis mitgebracht. Kopfschüttelnd sah sie sich ihre Ausbeute an. "Lois, gib es zu, du bist ein Schoko-Junkie! Du hast nichts normales zum Essen eingekauft. Du hättest auch eine China-Reispfanne oder einen gemischten Salat oder etwas ähnlich gesundes kaufen können. Aber nein, nur Süßes!" Lois sah sich kurz um als wollte sie sich versichern, dass sie auch wirklich alleine in ihrem Apartment war. „Na toll, jetzt rede ich schon mit mir selber...“ Sie Seufzte schwermütig. Aber dies würde ein harter Abend werden, es war schließlich ein harter Tag gewesen.

Perry hatte sie und Clark zu festen Partnern gemacht - Partner! Sie hatte ihren Chef gewarnt, eine Partnerschaft war wie eine Ehe, so kompliziert, so schwierig, so unberechenbar und sicher mit einer ähnlich hohen Scheidungsquote versehen. Und wenn man wusste, dass es nicht funktionieren würde, bräuchten sie das doch gar nicht erst anzufangen. Aber als wenn das noch nicht genug Demütigung gewesen wäre, schickte er sie mit Clark in dieses Boxcamp! Sie sollten über den großen Kampf am Wochenende berichten - als wenn die Redaktion keine Sportreporter hätte! Und dann natürlich mit Clark... Ihrem neuen Partner!, sie schnaubte verächtlich.

Lois verstaute den Rest ihres Einkaufs in den Schränken. Statt Kent innerhalb von zwei, drei Tagen loszuwerden, ihn aus der Planet-Redaktion zu vergraulen, hatte Perry sie immer wieder überredet, genötigt, angewiesen, gezwungen oder sie einfach gebeten mit Clark zusammen zu arbeiten. Die ganze Zeit über hatte sich diese 'Partnerschaft' schon angekündigt, aber Lois hatte nicht wirklich daran geglaubt, dass Perry so gemein zu ihr sein würde. Sie, Lois Lane und ein Partner - hatte sie das nötig? Wohl kaum... Obwohl sie sich eingestehen musste, dass sich die Fälle jetzt gelegentlich leichter lösen ließen, er sprang hin und wieder mal ein, wenn sie wirklich einmal nicht mehr weiter wusste, er hatte sogar manchmal ganz brauchbare Ideen und sein Schreibstil war nicht der Allerschlechteste. Und auch wenn sie sich das nur vor sich selber eingestand, alleine es zu sehen, machte sie bereits fuchsig.

Nun war dies nicht einfach irgendein Boxcamp, wo sie für die Kämpfe am Wochenende recherchieren sollten, es war das Menken's Gym! Nach der Scheidung ihrer Eltern hatte sie in diesem Boxcamp sehr viel Zeit verbracht. Ihr Vater hatte hier als Sportmediziner gearbeitet. Sam Lane, ihr Vater, der sie verlassen hatte, sie und ihre Familie. Lois hatte ihm das bis heute nicht verzeihen können. Wie auch? Er hatte sie verletzt, auf Männer war eben kein Verlass.

Kaum waren sie im Menken's Gym angekommen, schwärmte ihr Clark ganz ehrfürchtig von vergangenen großen Kämpfen vor, aber er brachte alle Boxer und Daten durcheinander, das machten die Meisten und natürlich war er überrascht, dass sie überhaupt etwas vom Boxen verstand. Sie, als Frau. Sie, Lois Lane. Er schien in sehr eingefahrenen Strukturen zu denken - Männer!

Und als wenn das alles noch nicht genug war, mussten sie dort auch noch auf ihren Vater treffen. Es wäre Lois sehr viel angenehmer gewesen, wenn Clark nicht so viel Einblick in ihre verkorkste Familie bekommen hätte, ihren Vater kennen gelernt hätte und... nun ja, das schwierige Verhältnis zwischen ihnen beiden. Sie wollte nicht, dass er so viel über sie wusste, er wusste sowieso schon viel zu viel über sie. Das war ihr Fehler gewesen, sie wollte als die Starke erscheinen. Und doch hatte sie Kent die Möglichkeit gegeben so viel von ihr zu sehen und ihm damit die Macht gegeben, sie zu verletzen.

Aber der schwerste Schlag dieses Tages war Allies Tod.

In dem Augenblick, in dem sie daran dachte, überrollte sie wieder diese Trauer, diese Ohnmacht, diese Wut! Den ganzen Weg nach Hause hatte Lois mit aller Kraft versucht, den Gedanken daran zu verdrängen, das musste sie einfach tun, sonst wäre sie schon beim Einkaufen immer wieder in Tränen ausgebrochen. Allie war eine wichtige Bezugsperson in ihrer Kindheit für sie gewesen, er war so etwas wie ihr Ersatzvater gewesen. Sie hatte sich bei ihm immer sehr geborgen gefühlt. Wen wunderte das schon? Er war liebevoll und er war da gewesen! Hatte sich nicht wie ihr Vater aus der Verantwortung geschlichen. Außerdem hatte Allie ihr schon sehr früh gezeigt, sich gegen gemeine Kerle zur Wehr zu setzen. Doch nun war er tot...

Er hatte sich mit ihr treffen wollen und ihr etwas sagen wollen, etwas Wichtiges, da war sie sich sicher. Und er hatte dafür mit dem Leben bezahlen müssen, auch da war sie sich sicher. Das konnte einfach kein Zufall gewesen sein!

Sie würde mit Karamell beginnen, Schoko musste sie sich als Rettungsanker aufheben, wenn es noch viel schlimmer werden würde. Und das konnte sehr gut passieren. Mehr war einfach nicht zu verkraften. Die Säulen ihrer Grundmauern waren erschüttert worden. Sie war Lois Lane, eine der Besten und doch bekam sie einen Partner, wofür hatte sie so hart gearbeitet? Dann lief ihnen einfach so ihr treuloser Vater über den Weg und erwartete, dass sie Konversation tätigten und zu allem Übel hatte sie einen Freund verloren, jemanden der sie kannte und auch akzeptiert hatte wie sie war. Allie hatte auch ihre sanfte Seite gesehen und sie nicht verletzt.

Perry wollte natürlich, dass sie auch in diesem Fall mit Clark zusammen arbeitete, schon wieder... Obwohl sie wirklich jede Hilfe nehmen sollte, sie sich ihr bot - das war sie Allie einfach schuldig. Aber sie hasste es mit einem Partner zu arbeiten, sich abzustimmen, aufeinander Rücksicht nehmen, zueinander stehen, egal was der andere für einen Mist baut und sich ja alles erzählen. Ehrlich sein...! Füreinander da sein... Das alles und noch viel mehr. Sie durfte vor Clark nicht noch eine Schwäche eingestehen müssen. Aber das größte Problem war doch, dass es ausgerechnet Clark, dieser Mr-Niemand-aus-Nirgendwo sein musste. Er wusste schon viel mehr über sie als ihr lieb war. Das war einfach nicht ihre Welt.

Clark war ein merkwürdiger Typ, sie konnte ihn immer noch nicht richtig einschätzen. Er wirkte manchmal ein wenig trocken, abgesehen von seinen schrägen Krawatten. Doch er schien das Herz am richtigen Fleck zu haben, er konnte rücksichtsvoll sein, war nett, wer weiß, was er damit erreichen wollte? Er kam gut an, wenn sie jemanden interviewten, alle schienen ihm direkt zu vertrauen. Er war ziemlich gebildet und er sah gut aus. Oh ja, sehr gut sogar. Sie leckte das Eis genüsslich langsam vom Löffel.

Lois war sich nicht sicher, ob er sich eigentlich darüber im Klaren war, was er ihr zugemutet hatte, als er sie an ihrem zweiten gemeinsamen Arbeitstag fast nackt begrüßt hatte... Nur mit einem Handtuch bekleidet, das er sich um die Hüften geschlungen hatte... seine Haut noch ganz nass vom Duschen... Ein Tropfen war langsam über seine nackte Brust gewandert und gerne wäre Lois ihm mit dem Blick gefolgt. So hatte er ihr die Tür zu seinem Hotelzimmer geöffnet. Das war ein Oberkörper... Sie seufzte, verdrehte die Augen zur Decke. Unwillig schüttelte sie den Kopf und starrte auf die letzten Eisreste. Aber konnte sie ihm vertrauen?

Das war sehr süß gewesen, jetzt sollte sie mit Mango-Yoghurt fortfahren, das war etwas fruchtig-frischer, überlegte sie auf dem Weg zum Gefrierschrank. Und Clark war ein guter Freund von Superman... Aber das war das nächste Minenfeld – Superman...!

Seit dieser Gott in einem Cape in Metropolis aufgetaucht war, seit er sie das erste Mal angesehen hatte, seit sie das erste Mal zusammen geflogen waren – geflogen! Er war mit ihr geflogen! Seit diesem Moment hatte sich ihr ganzes Leben verändert. Warum konnte sie nicht Superman zum Partner haben...? Dieses Yoghurt-Eis war ganz schön sauer. Seit Superman in ihr Leben getreten war, hatte sie wieder einen Traum... der strahlende Held, unbesiegbar, unverwundbar, der stärkste Mann der Welt – und mit einem so sanften Blick, so viel Güte in seinen Augen. Ach... warum war das Leben so kompliziert?

Mit seinem Blick hatte er sie verzaubert, obwohl, eigentlich faszinierte sie alles an ihm, seine Augen, sein Körper, seine zarten Hände, seine Kraft, er sah einfach fantastisch aus – und sie hatte mit ihm fliegen dürfen – immer wieder.

Lois war sich fast sicher, dass sie ihm nicht gleichgültig war. Sie seufzte mit glasigem Blick. Manchmal hatte sie das Gefühl, er war immer in der Nähe... war immer für sie da, wenn sie wirklich mal in Schwierigkeiten steckte. Wie eine Art Schutzengel. Und bei so einem Schutzengel kam man schon fast in Versuchung die Gefahr zu suchen...

Re: Die Spielerin

BeitragVerfasst: Di 11. Mai 2010, 12:29
von Magss
Er hatte ihr ein Interview gegeben, sein erstes Interview! Er hatte ihr alle Fragen beantwortet, jedenfalls die, die sie gestellt hatte. Lois war selten bei einem Interview so nervös gewesen. Ständig musste sie sich ermahnen ihm in die Augen zu sehen, ihrem Blick nicht immer nur über seinem fantastischen Körperbau gleiten zu lassen. Glücklicherweise hatte sie sich soweit unter Kontrolle, dass sie ihn nicht so ganz nebenbei fragt, ob er Single war. Er hingegen machte auf sie einen recht souveränen Eindruck, obwohl dies doch sein erstes Interview war.

Die ersten Tage nach Supermans Auftauchen hier in Metropolis hatte sie inständig gehofft, dass auch der Mann aus Stahl für sie etwas empfinden würde, dass sie ihm etwas bedeutete. Es war die Art wie er sie ansah... Aber inzwischen glaubte sie, er sei auf Distanz gegangen. Wenn er sie abends besuchte, kam es ihr so vor, als wenn er ihr nicht mehr so nah kam wie er das manchmal am Anfang getan hatte. Clark schien zu versuchen, ihr immer näher zu kommen und Superman entfernte sich von ihr - warum war das so? Sie hätte es lieber umgekehrt, überlegte sie, während sie noch einen Löffel von dem Seelentröster-Eis nahm.

Partner... Clark sollte ihr Partner sein! Lois durfte nicht weiter darüber nachdenken, sonst würde sich ihr Magen noch so sehr verkrampfen, dass sie kein Eis mehr essen konnte. Und wie sollte sie sich dann über diese ganzen Schrecklichkeiten – Allies Tod, ihren Vater und diese... Partnerschaft retten, wenn sie kein Eis mehr vertrug? Allein der Gedanke daran ließ ihre Laune noch weiter in den Keller rutschen.

~ ~ ~

Nur zwei Abende später saß Lois wieder mit einem angemessenen Eisvorrat in ihrem Apartment und war sich nicht sicher, welchem Gefühl sie sich mehr hingeben sollte. Auf der einen Seite war da der Stolz, den Fall um die Boxkämpfe mit halbmechanischen Menschen gelöst zu haben. Und es war auch der Fall von Allies Tod. Wahrscheinlich hatte er in der Sache sogar mit drin gesteckt, aber den Tod hatte er auf keinen Fall verdient. Und ihr Vater stecke ebenfalls in dieser Geschichte mit drin, aber er hatte sie sogar aufgefordert darüber zu schreiben. Wahrscheinlich um sich sein Gewissen zu erleichtern. Obwohl sie gegen ihn ein sehr alten Groll hegte, fiel es ihr alles andere als leicht, ihn in ihrem Artikel namentlich zu nennen. Aber selbst er wollte das.

Natürlich fühlte es sich gut an den Fall gelöst zu haben, die Wahrheit ans Licht gebracht zu haben, wieder einmal einen hervorragenden Artikel geschrieben zu haben und die anerkennenden Worte Perrys erhalten zu haben, aber...

Da war noch ein anderes Gefühl. Und das trübte ihre Hochstimmung: Sie hatte den Fall nicht nur mit Clark gelöst, sondern auch noch dank seiner Hilfe. Er hatte sich überreden lassen, in das Menkin's einzubrechen, er hatte den geheimen Forschungsraum ihres Vaters entdeckt, er hatte sie im entscheidenden Moment angehalten Ruhe zu bewahren, erst einmal zu recherchieren und erst wieder aufzutauchen, als sie die Story auch beweisen konnten. Und er hatte Perry gegenüber dicht gehalten. Und er hatte sie auch nicht noch einmal auf ihren Vater angesprochen. Und er war nett und zuvorkommend zu ihr, wie immer. Wahrscheinlich sollte sie ihm auch noch danken – Pah!

Die Partnerschafts-Strafkolonie würde wahrscheinlich immer weiter andauern. Womit hatte sie das nur verdient?

~ ~ ~

Clark genoss seinen Flug über die Stadt, endlich konnte er das wieder tun. Fliegen durfte er wieder, genauso wie er es wieder genießen konnte. Diese leidliche Geschichte, dass er seine Kräfte nicht einsetzten dürfte, weil er damit angeblich zur Erwärmung der Stadt Metropolis beigetragen hatte, war glücklicherweise ausgeräumt. Glücklicherweise? Lois-sei-Dank! Sie hat Superman rehabilitiert – vollkommen. Und das auch noch ganz alleine. Nicht einmal als Clark hatte er ihr helfen können. Auch als Clark hatte er die Stadt verlassen wollen. Genauso wie als Superman. Er hatte einfach keinen Ausweg gewusst, keine Idee gehabt und er hatte aufgegeben an sich selbst zu glauben.

Aber nicht Lois Lane.

Nachdem er sich verzweifelt zurückgezogen hatte, da war Mad Dog Lane erwacht. Sie hatte sich in die Arbeit gestürzt, hatte das Unterste zuoberst gekehrt und hatte in den tiefsten Tiefen der metropoliser Wasserversorgung die Lösung für den Betrug gefunden und ihn reingewaschen. Den Ruf Supermans widerhergestellt. Allen gezeigt, dass von ihm kein Schaden ausgegangen war.

Er sollte zu ihr fliegen, sollte ihr sagen, wie viel es ihm bedeutete, was sie für ihn getan hatte. Aber als Superman? Vielleicht war das nicht so eine gute Idee. Als Superman konnte er ihr nicht so nah sein. Ganz besonders seit ihm klar war, wie sehr sie den Helden verehrte und dass sie es offensichtlich nur tat, weil er unerreichbar war. Aber er wollte für Lois nicht unerreichbar sein. Er wollte vielmehr für sie da sein. Doch das ging nur als Clark. Clark war ein ganz gewöhnlicher Mann, ein Mensch mit Gefühlen und Bedürfnissen, mit Launen und guten wie schlechten Tagen. Aber als Clark beachtete sie ihn immer noch viel zu wenig. Ein Umstand, der ihn wirklich traurig stimmte.

Er steuerte eine dunkle Gasse an und rotierte in seine Alltagskleidung, versteckte seine rot-blaue Heldenidentität unter seinem normalen Hemd und seinem Anzug. Die zwei Blocks bis zu Lois' Apartment-Haus konnte er gut laufen. Die Luft war heute Abend auch wieder angenehm kühl, nachdem Luthor endlich gezwungen worden war seine teuflische Wettermaschine abzuschalten.

Doch kaum war er einen Häuserblock weit gelaufen, überkamen ihn schon wieder Zweifel. Sie hörte doch Clark gar nicht zu. Sie beachtete ihn meistens nicht. Und Lois war eine wahrhafte Meisterin im Ignorieren.

Auch hier gab es glücklicherweise eine dunkle Gasse. Und so rotierte er zwischen zwei verbeulten Mülltonnen wieder zurück in das Helden-Outfit. Clark stieg schnell in die Abendluft und flog die letzten Meter bis zu ihrem Haus. Er war schon auf der Höhe des fünften Stockwerks angekommen, als er sich nun klar machte, dass es keinen Sinn hatte. Je öfter er als Superman zu ihr kam, sie besuchte in den Abendstunden, desto weniger hatte Clark eine Chance in ihren Augen zu bestehen. Wie sollte sie Clark erkennen können, wenn er sich ihr immer in seiner Verkleidung zeigte?

Also wieder runter fliegen, umziehen und dann ging er – immer noch etwas unsicher – die Stufen bis in den fünften Stock, ging auf ihre Tür zu und genau in dem Moment als er klopften wollte, öffnete sich ihre Tür.

Lois stand vor ihm und es verschlug ihm den Atem.

Sie trug ein aufregendes, enges, schwarzes Kleid und eine kurze Jacke dazu. Sie war sehr auffällig geschminkt. So ganz anders als sie sich im Planet zeigte. Und Clark wusste augenblicklich, dass er sie in genau so einer Aufmachung bereits einmal gesehen hatte – an ihrem allerersten Abend. Als sie ihn aufgefordert hatte mit ihr die Nacht zu verbringen, ohne dass sie sich kannten, sie nicht einmal ihre Namen wussten.

Lois wollte sich am heutigen Abend wieder in so eine Nacht stürzen. Einen fremden Mann mitnehmen in diese Wohnung, von der er inzwischen natürlich wusste, dass es gar nicht ihre gewesen war. Was trieb sie bloß dazu?

„Hi, Lois...“ Mehr fiel ihm einfach nicht ein. Was sollte er auch groß sagen? Er hatte sie ertappt. Und er wusste, dass sie wusste, dass er es wusste.

„Oh... Clark.“ Erschrocken sah sie ihn an. Doch dann schien sie ihren Plan zu ändern. „Komm doch rein.“ Es klang ein wenig resigniert.

Clark folgte ihr in das Apartment. Er fragte sich, wann sie ihn rausschmeißen würde. Die ganze Situation war so offensichtlich. Und Lois hasste es, wenn jemand eine Schwäche an ihr entdeckte. Aber sie schien sich mit genau dieser Offensichtlichkeit abzufinden.

Sie atmete einmal tief aus und sah ihn an. „Vielleicht machst du uns etwas zu trinken. Ich zieh mir etwas Bequemeres an.“ Damit ging sie nach nebenan.

Alles Mögliche hätte Clark erwartet an Reaktion auf sein plötzliches Erscheinen, aber dies ganz sicher nicht. Er öffnete kurzentschlossen die Flasche Wein, die auf dem Tisch stand und holte zwei Gläser aus dem Vitrinenschrank. Vorsichtig setzte er sich auf das Sofa und fragte sich immer noch, wie er mit diesem Gefühl umgehen sollte, sich im falschen Film zu befinden, was sollte er sagen? Es war nie seine Absicht gewesen, Lois in Verlegenheit zu bringen. Sie hatten nie wieder über diesen ersten Abend gesprochen. Er schenkte ihnen beiden Wein ein.

Nur wenige Minuten später kam Lois zu ihm, eine lässige Leggings und ein großkariertes Hemd an und sie hatte sich abgeschminkt. Sie ließ ihre Schultern hängen und hatte ihren Blick zu Boden gerichtet. Langsam setzte sie sich zu ihm.

„Weißt du Clark, ich fürchte, irgendwann werde ich dich umbringen müssen. Du weißt einfach zu viel von mir.“, sagte sie ganz trocken und ohne ihn anzusehen.

Clark reichte ihr ein Weinglas. „Und dabei finde ich, du siehst so ungeschminkt viel besser aus – natürlicher.“

Lois nahm einen Schluck und sagte ironisch, „Oh, der Farmboy macht Komplimente...“ Sie seufzte und schüttelte ihren Kopf. „Ich sollte vielleicht langsam mal aufhören, mich über dich lustig zu machen. Du weißt schon so viel von mir und bist trotzdem nett, hältst zu mir. Warum eigentlich?“, fragte sie ihn skeptisch. Bei den letzten Worten sah sie ihm direkt in die Augen.

Clark hielt die Luft an. Diese Frage war so direkt, wie sollte er da nur unbeschadet rauskommen? Sollte dies womöglich der Moment der Wahrheit sein? Konnte er sich wirklich trauen ihr zu sagen, was er fühlte? Wohl eher nicht. „Das klingt fast so, als erwartest du von mir, dass ich nicht nett bin.“

Sie stellte ihr Glas auf den Tisch zurück und sah ihn an. „Clark, warum bist du damals mitgekommen, an unserem ersten Abend? Du hattest doch niemals vor, mit mir ins Bett zu gehen?“

Clarks Gedanken rasten durcheinander. Sein Magen krampfte sich zusammen. Die Antwort auf diese Frage war genauso gefährlich wie die vorherige. Wie gerne würde er Lois sagen, was er wirklich für sie empfand. Wie viel er von dem verstand, was sie tat. Wie viel es ihm bedeutete, die Frau hinter den Mauern zu treffen. Wie viel sie ihm bedeutete. Aber war sie schon bereit dafür? Würde sie es jemals sein? „Warum wolltest du heute wieder losziehen?“ Ob er wohl gehofft hatte, sie würde es nicht mehr tun, weil sie sich kennen gelernt hatten, weil sie zusammen arbeiteten?

Lois spielte nervös mit ihren Haaren. „Im Grunde genommen bin ich fast froh, dass du mich aufgehalten hast. Es ist immer diese Unruhe, die mich aus meinem Apartment treibt. Hinterher kann ich mich dafür nicht leiden...“ Sie ließ ihren Blick im Zimmer umherschweifen als versuchte sie seinem Blick auszuweichen.

Clark traute sich kaum zu atmen. Solch eine Offenheit hatten sie noch nie in einem Gespräch gehabt. Normalerweise schützte sich Lois mit einer gehörigen Portion Zynismus, Härte, Unnahbarkeit und sie teilte Gemeinheiten aus. 'Farmboy' oder 'Provinztölpel' waren doch nur Abwehrmechanismen, mit denen sie versuchte Distanz zu schaffen. „Aber wenn du dich nicht gut fühlst, hättest du doch einfach anrufen können. Warum fühlst du dich nicht gut heute? Was ist das für eine Unruhe?“

„Ach...“, sie versuchte ihr Hemd glatt zu streichen, „vorhin... im Planet, da waren alle noch so himmelhochjauchzend. Und wenn ich dann hierher komme, ganz alleine bin - diese Stille...“ Lois sah ihn an und er war sich sicher, nie hatte sie so verletzlich gewirkt, nie hatte sie ihm so viel von ihren Innersten Beweggründen gezeigt. Mit einem zaghaften Lächeln fuhr sie fort: „Oh nein, ich muss aufhören zu reden. Du weißt schon viel zu viel über mich... Und mit jedem weiteren Satz offenbare ich mehr als mir lieb ist.“

„Aber dafür sind Freunde doch da. Sie hören zu...“ Clarks Stimme war nur noch ein Flüstern.

„Freunde?!“ Mit einer Spur Entsetzen sah sie ihn an. „Du meinst von Partnern zu Freunden... Ich habe dir gegenüber eher das Gefühl, es ist wie bei einem Familien-Mafioso. Du kennst mein Geheimnis und hast auf ewig etwas gegen mich in der Hand. Und das kannst du dann nach Belieben gegen mich verwenden. Bisher hast du geschwiegen, bisher! Jedenfalls muss ich davon ausgehen, dass es so ist, denn immerhin gibt es für mich bis zum jetzigen Zeitpunkt keinen konkreten Hinweis darauf, dass irgendjemand im Planet irgendetwas weiß, etwas, von dem ich nicht möchte...“

„Lois.“ Clark lächelte sie an, sie plapperte. Sie redete sich um Kopf und Kragen um ihre Unsicherheit zu überspielen. Er nahm sein Glas und wollte mit ihr anstoßen. „Freunde!“

Sie sah ihn einen kurzen Augenblick an, als würde sie das Für und Wider gegeneinander abwägen, dann stieß sie mit ihm an, sagte aber nichts.

~ ~ ~

Es war ein Uhr in der Nacht und Lois war auf dem Weg zu Clarks Wohnung, sie musste jetzt einfach mit ihm reden, ach was heißt reden? Sie wollte ihm die Leviten lesen, die Ohren lang ziehen, ihm die Meinung sagen! Und hinterher würde er sich wünschen, er wäre nie nach Metropolis gekommen, hätte sich nie beim Planet vorgestellt oder wäre nie geboren worden. Sie ging schneller. Die kalte Luft strich über ihre Wangen, aber das störte sie nicht, ihr Gesicht glühte und die Hände in ihren Manteltaschen hatte sie zu Fäusten geballt.

Natürlich hätte sie auch anrufen können, doch bei dem, was sie ihm sagen wollte, musste sie fürchten, er würde einfach auflegen. Und das konnte sie auf keinen Fall riskieren.

Er hatte sich heute über den Tag so viele Gemeinheiten geleistet. Erst hatte er ihre perfekte Tarnung als Sängerin im Metro Club auffliegen lassen und der Chefin Toni gegenüber behauptet, sie sei die 'undichte Stelle', als Toni sie und Clark erwischt hatte. Das war so dumm, so unüberlegt von ihm gewesen. Sie hatte eine gute Position in dem Club gehabt und als Toni sie beide überrascht hatte, hätte er sie ja auch küssen können... so tun können als hätten sie eine Affäre. Das wäre eine gute Tarnung gewesen! Der Farmboy hatte schon noch einiges zu lernen. Aber nein, er lieferte sie ans Messer. Und dann hatte er es doch tatsächlich gewagt, sie in eine dreckige, stinkende Mülltonne zu werfen! Das würde sie ihm niemals verzeihen! So geht man doch nicht mit seiner Partnerin um! So geht man eigentlich mit niemanden um.

Und als wenn das alles noch nicht reichen würde, hatte er diese Schlange, dieses Miststück Toni, dieses hässliche Weibsbild geküsst... in seiner Wohnung... damit sie gehen konnte... so hatte er jedenfalls behauptet. Aber dieser Kuss hatte wirklich nicht so ausgesehen, als wäre es ein großes Opfer für ihn. Clark hatte von Eifersucht geredet, hatte gemeint, sie sei eifersüchtig – auf Toni - lächerlich! Natürlich hatte sie das vehement abgestritten. Aber in ihrem Apartment, mit dem Eisbecher in der Hand, ganz alleine, niemand da, vor dem sie sich verstecken musste – da konnte sie sich eingestehen – sie war eifersüchtig! Auf Toni! Ihr Magen verknotete sich bei dem Gedanken an sie. Sie wollte nicht, dass sie ihn küsste, dass sie Clark so nah war. Wer wusste schon, wohin das führte? Wer wusste schon, wie leicht sich der gutmütige Clark irritieren ließ?

Und all das wollte Lois ihm sagen, jetzt sofort! Es konnte nicht warten, bis sie sich morgen sehen würden, vielleicht irgendwann beim Planet. Nein, das musste sie ihm sofort sagen. Nicht dass sie eifersüchtig war, natürlich. Aber dass sie sich über ihn geärgert hatte.

Endlich kam sie an seiner Wohnung an, sie lag im Dunkeln. Lois hämmerte an die Tür, er sollte ja nicht glauben, sie würde sich davon abschrecken lassen, dass er schlief. Sie konnte schließlich auch nicht schlafen. Lois hämmerte noch einmal an die Tür, lauter. Immer noch keine Reaktion. Er versteckte sich. Er glaubte wahrscheinlich, wenn er sich schlafend stellen würde, würde sie unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen – oh nein! Da hatte er sich aber getäuscht. So leicht kam er ihr nicht davon.

Lois hämmerte nun mit beiden Fäusten an seine Tür. „Clark! Mach auf! Verdammt noch mal!“ Doch immer noch blieb alles ruhig und dunkel. Ob er nicht zu Hause war? Wo war dieser Mann mitten in der Nacht?

Sie konnte doch jetzt nicht nach Hause gehen, nicht in dieser Stimmung. Sie fühlte sich wie ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch, der Ascheregen ging schon auf die Gegend nieder und der Boden bebte gefährlich. Diese Energie ließ sich nicht mehr aufhalten.

Lois ging ein paar Schritte auf und ab vor seiner Tür und dann fasste sie einen Entschluss – sie würde hier auf ihn warten, bis er nach Hause kam und wenn es bis zum Morgen dauern sollte, dann würde es eben bis zum Morgen dauern! Aber natürlich nicht vor der Tür, es war kalt hier draußen. Kurz entschlossen nahm sie ihr Werkzeigetui aus ihrer Handtasche, sah sich verstohlen noch einmal um und machte sich damit an Clarks Schloss zu schaffen. Sie brauchte keine zwei Minuten, da hatte sie die Tür geöffnet und stand in Clarks Wohnung.

Alles war still.

Lois ließ ihren Blick umherschweifen. Was sollte sie nun tun? Sie könnte ihm einen Zettel schreiben, auf dem Tisch neben dem Sofa lag ein Notizblock, gleich neben Clarks Brille. Aber was sollte sie ihm aufschreiben? Dass sie wütend auf ihn war? Dass sie fand, er sei ein gemeiner Kerl? Dass er sich heute mehrfach daneben benommen hatte und sie die Story besser hätte alleine schreiben sollen? Dass sie eifersüchtig auf die Chefin des Metro Clubs war? Nein! Das auf keinen Fall. Sie wollte Clark nicht auf komische Gedanken bringen, ihr Verhältnis war sowieso schon kompliziert genug.

Lois setzte sich auf sein Sofa. Es war merkwürdig hier in seiner Wohnung, alleine, im Dunklen, aber sie wollte kein Licht anmachen. Schließlich war das nicht ihre Wohnung.

Ein wenig von ihrer Wut verrauchte bereits. Das war nicht gut, sie wollte ihm schließlich die Meinung sagen, dies sollte kein Höflichkeitsbesuch sein. Lois stützte ihren Kopf in ihre Hand. Sie durfte auf keinen Fall einschlafen. Das wäre das Letzte, was sie wollte. Es wäre schließlich wenig beeindruckend, wenn er nach Hause kam und sie schlafend auf seinem Sofa vorfand.

Plötzlich hörte sie ein Geräusch, aber es kam nicht von der Wohnungstür, sondern aus Richtung der Terrassentür. Die Tür ging langsam auf. Sie hörte Schritte auf dem Boden. Oh nein! Was hatte das nun zu bedeuten? Durch die offene Tür wehte der kalte Abendwind ins Zimmer. Der Straßenlärm drang an ihre Ohren. Wenn jemand durch die Terrassentür in die Wohnung kam, konnte es doch nur ein Einbrecher sein. Lois hielt den Atem an, machte sich auf dem Sofa so klein, wie es nur ging. Gab es hier etwas, was sie zum Schlagen verwenden konnte? Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Wer auch immer da herein kam, musste sie allein schon deswegen hören können. Sie erkannte die Silhouette eines Mannes, eines kräftigen Mannes, der nun ruhig den Raum betrat. Jedenfalls glaubte sie von seiner Statur her, es müsste ein Mann sein. Aber... entweder dieser Mann trug einen sehr leicht fallenden Mantel... oder... oder es handelte sich um ein Cape!

Lois sprang auf. "SUPERMAN! Was machst du hier?"

Bis eben bewegte er sich noch ganz gelassen, doch in dem Moment, als sie hektisch seinen Namen gerufen hatte, schien er sich zu erschrecken und zuckte zusammen. "LOIS! Ich... Aber was machst du denn hier...?!" Wirklich sehr ungewöhnlich.

Das was natürlich in der Tat eine berechtigte Frage. Was sollte sie antworten? Dass sie Clark kurz und klein reden wollte und deswegen in seine Wohnung eingebrochen war - wohl kaum. "Ich hab zuerst gefragt.", meinte sie spitz. Das würde sie von einer Antwort nur kurz abbringen, aber sie konnte damit Zeit gewinnen.

Superman hatte inzwischen das Licht angemacht, so dass sie sich nicht mehr im Halbdunkeln gegenüber standen und sich mehr ahnten als dass sie sich wirklich sahen. Er kannte sich erstaunlich gut aus in Clarks Wohnung. Und er stammelte, wie Lois erstaunt feststellte. "Ich... Ähm... Clark weiß... er hat mir erlaubt hierher zu kommen. Wie bist du hier herein gekommen?", fragte er ganz verdutzt.

Leider war er nicht so durcheinander, dass er seine ursprüngliche Frage vergessen hatte. "Ich... Nun ja..." Lois, lass dir etwas einfallen, das schlüssig klingt, dachte sie aufgeregt. "Ich habe einen Schlüssel von Clark." Es war ihr sehr unangenehm, Superman anzulügen. Sie war sich nicht sicher, wie viel er von ihrer Aufregung bemerkte, hörte er, wie schnell ihr Herz immer noch schlug? Aber was blieb ihr denn übrig?

Er zog seine Augenbrauen in die Höhe. "So-oh? Das ist ja interessant. Ich wusste gar nicht, dass Clark noch einen zweiten Schlüssel hat."

Lois fühlte sich ertappt und hätte gerne das Thema gewechselt. "Ja! Aber was spielt es für eine Rolle, wie ich hier herein gekommen bin? Was machst du denn hier...? Hier in Clarks Wohnung... wenn er nicht da ist?" Genau, es war ja nun nicht so, dass nur sie sich in einer fremden Wohnung aufhielt. "Wo ist Clark überhaupt? Ist etwas mit ihm?" Ja, das war viel besser, lenkte es ihn doch von der Frage ab, was sie in Clarks Wohnung wollte und wie sie herein gekommen war.

Gerade hatte es noch so ausgesehen, als wenn er sich zu ihr auf das Sofa hätte setzen wollen, aber bei ihren Fragen hatte er erschrocken inne gehalten, aber welche ihrer Fragen hatte ihn bloß so erschrocken?

"Ähm, tja, ich weiß nicht so genau wo Clark sein könnte. Ach, genau genommen weiß ich es gar nicht." Wurde Superman etwa rot? Nein, das konnte nicht sein, wischte Lois diesen absurden Gedanken beiseite. Warum sollte er auch? "Er hat nur gesagt, wenn er nicht da ist, lässt er die Terrassentür offen..." Superman hatte sich inzwischen doch auf das Sofa gesetzt, aber ganz an das andere Ende, so als wollte er einen größtmöglichen Abstand zu ihr einhalten.

Das Thema Clark war unverfänglich, es war sogar besser als Superman zu fragen, was er hier denn mitten in der Nacht vorhatte. Da könnte sie weiter machen. "Sag mal, du und Clark, ihr seid doch gute Freunde...?" Er nickte vorsichtig. "Redet er eigentlich manchmal über... mich?" Das war ihre Chance. Außer seinen Eltern war Superman sicher derjenige, der Clark am besten kannte. Ihres Wissens nach hatte er sonst keine Freunde, jedenfalls niemanden in Metropolis.

Superman schüttelte nun den Kopf. Aha, das war ja nicht sehr ergiebig. "Ach komm schon.", brach es aus ihr heraus, "Ich muss endlich mal mit jemandem über Clark reden. Er macht mich noch wahnsinnig. Er tut immer so... so vertrauensselig, als hätte er für alles Verständnis, hätte für alles eine Antwort und dann, in den unmöglichsten Momenten, wenn es überhaupt keinen Sinn ergibt, verschwindet er. Weißt du, wie viele Videos er in den letzten Wochen zurückgebracht hat? Wie viele Zahnarzt- oder Frisörtermine er hatte? Wie oft er Parkuhren kontrollieren musste? Er hat ja nicht einmal ein Auto!" Lois hatte sich in Rage geredet.

"Ich meine", sagte sie mehr zu sich selber und inzwischen auch wieder sehr viel ruhiger, "wenn es ein Problem gibt, kann er es mir doch sagen. Ich könnte es nicht ertragen, dass er das nur tut, um mir aus dem Weg zu gehen..." Die Möglichkeit, dass Clark genau das tun könnte, schien sie zu erdrücken, ihr alle Kraft zu nehmen.

~ ~ ~

Da saß Clark nun in seinem Superman-Outfit in seiner eigenen Wohnung und musste Lois gegenüber rechtfertigen, warum er hier war. Ihr, die keine Skrupel hatte ihn anzulügen. Sicher hatte sie seine Tür aufgebrochen. Lois würde sich noch mal um Kopf und Kragen bringen mit ihrer Neigung, verschlossene Türen einfach aufzubrechen.

Aber als wenn das alles noch nicht schlimm genug wäre, wollte sie mit ihm über Clark reden. Was sollte er sagen? Dass Clark ein feiner Kerl wäre, weil er seine Anzüge waschen würde - lächerlich. Diese ganze Geschichte mit seiner Zweitidentität war in Wirklichkeit komplizierter als er gedacht hätte. Außerdem war ihm niemals klar geworden, wie oft er sie schon angelogen hatte, um zu einem Einsatz zu fliegen oder sie aus einer prekären Lage zu befreien.

Im Grunde genommen war es sehr verlockend mit Lois über Clark zu reden. Er könnte ihn ja in den höchsten Tönen loben, damit Lois endlich mal auf ihn aufmerksam wurde, beziehungsweise ihre Aufmerksamkeit auf den wahren Teil seiner Persönlichkeit lenkte. Superman war nur das, was er tun konnte, Clark war sein wahres Ich. Aber wenn Lois jemals herausfinden würde, dass er diese Situation ausgenutzt hatte, um sie zu manipulieren, würde sie ihn umbringen, unverwundbar oder nicht.

"Ich könnte es nicht ertragen, dass er das nur tut, um mir aus dem Weg zu gehen..."
Lois befürchtete, er würde ihr aus dem Weg gehen wollen. Wollte sie, dass er – Clark – auf sie zuging? Ob sie langsam, ganz langsam die pure Ablehnungsphase beendet hatten, sie langsam doch anfing, ihn zu mögen, wenigstens ein ganz klein wenig? Sonst könnte es ihr doch gleichgültig sein, wenn der Provinztölpel aus Nowheresville ihr aus dem Weg ging. Er merkte wie bei diesem Gedanken sein Herz schneller schlug.

Aber selbst wenn Lois etwas für ihn empfinden würde, wie sollte er damit umgehen, was sollte er nur tun? Ehrlich sein, war sein erster spontaner Gedanke. Keine Lügen mehr, die hatten bisher auch nur alles komplizierter gemacht und es wurde mit jedem Tag schwieriger. Doch ehrlich sein, wirklich ehrlich sein, bedeutete, dass er ihr die Wahrheit sagen musste, die ganze Wahrheit. Clark wurde leicht schwindelig.

Das war ein großes Risiko. Lois war eine Enthüllungsreporterin. Sie deckte Geheimnisse auf. Lebte davon die Wahrheit ans Licht zu bringen, zu veröffentlichen, Artikel darüber zu schreiben. Konnte er das tun? Aber wem außer Lois würde er je sein Geheimnis anvertrauen wollen? War die Zeit dafür wirklich schon reif?

Die Wahrheit... es war einfach das Beste. Keine Lügen mehr. Sie würden ihn sicher nicht verraten. Nicht sie. Je länger er wartete, desto komplizierter würde es doch werden. Und er konnte ihr zeigen, wie sehr er ihr vertraute... Ein, zwei Sekunden noch zweifelte er und dann gab er sich einen Ruck.

Clark hob seinen Blick, sah Lois an, rückte etwas näher zu ihr und sagte leise: "Wir müssen nicht über Clark reden..." Er griff zu der Brille, die auf dem Bord neben dem Sofa lag und setzte sie mit zittrigen Händen auf. "Du kannst mit Clark reden... Ich bin hier." Clark hielt vorsichtshalber die Luft an. Er hätte auch gerne die Augen geschlossen. Nun bekam er doch Angst vor seiner eigenen Courage. Doch jetzt gab es kein Zurück mehr. Und sie, was tat sie?

Lois stand der Mund offen, sie sah ihn einfach nur an und sagte kein Wort. Die Sekunden wurden zu Stunden. Die Zeit schien stehen zu bleiben. Unerträglich lange starrte sie ihn jetzt schon an. Dann rückte auch sie noch etwas näher zu ihm und nahm ihm die Brille noch einmal wieder ab, um sie ihm gleich darauf wieder aufzusetzen. Und dann sagte sie ganz leise: „Du hast gelogen.“ Sie nahm ihre Hände aus seinem Gesicht und ließ sich etwas zurückfallen. „Du hast gelogen, vom ersten Tag an hast du mich angelogen.“, hauchte sie tonlos. Dann fand sie ihre Stimme wieder und wurde nun mit jedem Wort ein klein wenig lauter. „Wie soll ich dir je wieder vertrauen?“ Lois stand nun auf und fing an im Zimmer auf und ab zu laufen. „Natürlich! Ihr wart niemals beide am selben Ort. Warum habe ich das nicht schon eher erkannt? Und ich dachte, wir wären Partner, Freunde vielleicht sogar oder was auch immer. Aber du, du hast mich hintergangen, jeden Tag aufs Neue, immer und immer wieder. Du hast mich glauben lassen, du wärest zwei verschiedene Personen. Wie soll ich dir je wieder glauben?“

Clark sank auf dem Sofa in sich zusammen und hoffte, dass dies nicht nur die Ouvertüre zu dem großen Vernichtungsschlag wäre, sondern dass Lois bereits alles gesagt hatte. Er lebte noch, aber ihre Enttäuschung tat ihm körperlich weh. Natürlich hatte er damit gerechnet, dass sie wütend sein würde, aber da war diese kleine, irrwitzige Hoffnung, dass sie ihn verstehen würde und ihm verzeihen konnte. Und was konnte er denn noch sagen, sie hatte ja mit allem Recht. „Lois... Bitte hör mir doch mal zu.“, flehte er sie an. „Ich... ich musste das tun. Ich konnte mich doch schließlich nicht als Clark Kent der Welt präsentieren und Lokomotiven mit einer Hand hoch heben. Ich wollte mit meinen Kräften den Menschen helfen. Aber ich wollte auf keinen Fall auf die Möglichkeiten verzichten, die Clark hat...“

Lois stand vor ihm und sah ihn böse funkelnd an, sie hatte ihre Arme vor der Brust verschränkt. „Und? Welche wären das?“, fragte sie ihn schnippisch.

„Ich wollte immer ein normales Leben führen“, sagte er mit gesenkten Blick, „einen Job haben, vielleicht mal jemanden kennen lernen...“ Bei den letzten Worten hob er seinen Blick wieder, sah sie an und legte all seine Hoffnung in seine Augen. „Lois, ich wollte dir doch niemals weh tun.“

Lois' Blick hatte nun ein klein wenig von seiner Härte verloren. Sie stand immer noch in der gleichen abweisenden Körperhaltung vor ihm, aber blickte ihn nicht mehr so böse an. „Du hast mich angelogen.“

Es tat ihm aufrichtig leid ihr das angetan zu haben. Er hasste es zu lügen. Aber plötzlich kam ihm ein Gedanke. „Ja, für ein höheres Ziel. Aber hast du dir mal überlegt, wo du mich belogen hast?“ Lois sah ihn fragend an. „Es tut mir leid, ich wollte das niemals gegen dich verwenden, aber... was ist mit Wanda...?“, fragte er entschuldigend, setzte dabei jedes seiner Worte ganz vorsichtig.

Lois sah an ihm vorbei. „Das ist nicht fair.“, sagte sie scharf.

„Du lebst mit einer Zweitidentität. Da gibt es ein Leben neben Lois Lane, eines, von dem niemand etwas wissen soll. Basierend auf einer Lüge, einem falschen Namen...“

Sie setzte sich wieder auf das Sofa, die verschränkten Arme, die eben noch ihren Widerstand symbolisierten, umschlangen nun ihren Oberkörper, als sei ihr kalt. Sie ließ ihren Kopf sinken, sah Clark aber immer noch nicht an. „Das ist etwas anderes..."

Clark konnte es ihr ansehen, wie ihre Gedanken zu dem ersten Abend zurückgingen. Ihr Blick war nach innen gerichtet und sie verkroch sich immer tiefer in den Polstern seines Sofas. So stark, wie sie sich in der Anonymität hatte zeigen wollte, so unangenehm war es ihr später, nachdem sie sich kennen gelernt hatten. Und so auch in diesem Moment.

Nun schöpfte er Hoffnung. Wenn sie nicht mehr blind vor Wut war, hatte er die Chance, dass sie ihm zuhören würde. "Ja, das ist in der Tat etwas anderes“, trumpfte er auf, „etwas ganz anderes sogar. Und doch auch wieder nicht." Sie sah ihn erschrocken an, während er nun ruhig fortfuhr: "Du hast dir Wanda zunutze gemacht, weil du etwas ausleben wolltest. was Lois Lane hätte schaden können. Ich habe mir Superman zunutze gemacht, weil er den Menschen helfen kann, es aber Clark und seinem Umfeld schaden würde, wenn die Menschen erfahren würden, dass der Reporter Clark Kent in Wirklichkeit von einem anderen Planeten kommt."

Einen kurzen Moment zeigte Lois keine Reaktion, sie stierte scheinbar unberührt an ihm vorbei. Ihr Gesicht zeigte keine Regung, aber ihre Augen flackerten nervös hin und her. Doch dann drehte sie sich abrupt in seine Richtung und sah ihn verzweifelt an. "Aber Clark, das hört sich ja alles sehr gut an. Nun verstehe ich aber nicht, warum du mir das alles erzählst. Ich meine, du kannst mich ja noch nicht mal leiden."

"Ich kann dich nicht leiden?" Clark lachte verhalten. "Wie bitte kommst du darauf?" Er schüttelte den Kopf. Das war wirklich absurd. Diesen Wechsel in ihren Gedanken konnte er überhaupt nicht nachvollziehen.

"Nun", sagte Lois kleinlaut, "du wolltest mich nicht, als ich dich eingeladen habe - als Wanda... damals, an unserem ersten Abend."

Clark war ganz aufgeregt und rückte noch etwas näher an Lois heran und er lächelte sie an. "Lois, ich wusste schon an diesem ersten Abend, dass ich mich hoffnungslos in dich verliebt habe, schon in der Bar. Aber du wolltest nichts anderes als mich in dein Bett zu schleifen. Das konnte ich nicht, es hätte alles zerstört...“

Lois sah ihn nachdenklich und überrascht an. „Du hast dich verliebt – in mich? Warum? Ich behandle dich nicht besonders gut und habe dich auf einen One-Night-Stand eingeladen. Das ist doch niemand, in den man sich verliebt.“

Clark dankte dem Himmel, endlich hatte er die Möglichkeit Lois zu sagen, was er für sie empfand. Endlich sprachen sie ganz offen und kein Zynismus oder hohe Mauern standen zwischen ihnen. „Lois, ich habe schon in der Bar so viel mehr gesehen als du mir zeigen wolltest. Da sind deine Empathie und deine Intelligenz. Dein Sinn für Humor und dein stahlharter Wille. Du hast versucht mir gegenüber kühl und berechnend zu erscheinen, aber ich habe nur Verletzlichkeit und Einsamkeit gesehen.“ Während Lois immer skeptischer drein blickte, strahlte Clark immer mehr. „Du hast dich gefühlsmäßig so sehr abgekapselt, dass du deine wahren Bedürfnisse wahrscheinlich gar nicht mehr kennst. Aber die Wärme, die du ausstrahlst, wenn du erzählst, das ist es, was mich fasziniert hat. Deswegen bin ich mit rauf gekommen. Und im Planet ging es genauso weiter. Nun ja, im Grunde hast du dort versucht noch ein wenig härter zu wirken, noch etwas gemeiner. Du hast versucht mir Angst zu machen.“

„Ich war gemein zu dir und dafür hast du dein Versprechen gehalten.“ Sie hatte ihren Blick nach innen gerichtet und schüttelte ihren Kopf. Langsam drehte sie sich zu ihm, sah ihn an. Lois nahm ein Stück seines Capes und die Hand und sah es sich nachdenklich an. „Und wenn ich gewusst hätte, dass ich Superman in meinem Schlafzimmer habe, hätte ich ihn bestimmt nicht gehen lassen...“

Erst mit ihren Worten wurde Clark sich bewusst, dass er immer noch in dem Helden-Outfit hier saß. „Stört dich der Anzug? Soll ich mich lieber umziehen?“

Lois zuckte unentschlossen mit den Schultern. Daraufhin nickte Clark und stand auf. Er rotierte vor ihren Augen in eine Jeans und ein T-Shirt.

Lois sah ihn gebannt zu. „Wow!“

Im Stillen genoss er ihre Bewunderung und ohne sich das anmerken zu lassen, setzte er sich wieder zu ihr aufs Sofa. „Lois, ich liebe dich.“

„Puh, das sind große Worte... Clark... das ist viel. Ich weiß nicht so recht, was ich sagen soll. Ich kann das nicht so gut. Aber...“, sie zupfte wieder an ihrem Hemd herum, „wenn ich ehrlich bin... als ich dich heute gesehen habe, mit Toni, wie du sie geküsst hast – das hat mir weh getan. Ich schätze, ich empfinde mehr für dich – Clark – als mir selber klar ist.“ Dann hob sie ihren Kopf und sah ihm direkt in die Augen. „Aber... das letzte Mal, dass ich so etwas zu einem Mann gesagt habe, bin ich sehr enttäuscht und verletzt worden. Noch einmal verkrafte ich das nicht.“, sagte sie tonlos, fast flüsternd.

Es war das Flehen um Ehrlichkeit, Offenheit und Zuwendung. Clark war sich sicher, dass Lois seit einer Ewigkeit nicht mehr so ehrlich gewesen war. Zu sich selbst und ihrem Gegenüber. „Lois, ich werde nicht mit dir spielen, das verspreche ich dir. Ich würde dir so gerne zeigen, dass Männer auch verlässlich sein können. Ich würde dir so gerne die Sicherheit und Geborgenheit geben, die du brauchst. Das hast du verdient. Das ist doch viel wichtiger und auch befriedigender als eine Abenteuer für eine Nacht.“ Vorsichtig nahm er ihre Hand und gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Finger.

Sie zog ihre Hand nicht zurück, sondern lächelte ihn an. „Du meinst, wir haben eine Chance?“, fragte sie vorsichtig.

In Clarks Augen war dieses In-Betracht-ziehen der Möglichkeit für Lois Lane bereits fast so als hätte sie gesagt, dass sie ihn lieben würde. Sie hatte ihn weder ausgelacht, noch totgeredet. Noch hatte sie die Mauer aus Zynismus und Härte um sich herum gezogen. „Oh ja, ich liebe dich, obwohl ich dich kenne... oder gerade deshalb?“ Lächelnd zog er auch ihre andere Hand an seine Lippen und gab ihr einen zarten Kuss darauf.

Und Lois sah ihm gespannt zu und ließ es geschehen.



Epilog - Einige Monate später...

Die Dunkelheit hielt die Stadt vollkommen gefangen. Lois saß vornübergebeugt auf ihrem Sofa und tippte auf der Tastatur ihres Laptops, der auf dem Tisch stand. Das war ein denkbar schlechter Arbeitsplatz, aber sie wollte in ihrem Apartment einfach keinen Schreibtisch aufstellen. Sie arbeitete sowieso schon so viel.

Als sie plötzlich von ihrem Fenster her ein vertrautes Geräusch hörte, ein inzwischen sehr vertrautes Geräusch, das ihr ein Lächeln auf die Lippen zauberte - Superman landete auf ihrem Fenstersims.

Lois stand auf, ging auf ihm zu und lächelte ihn sehr entspannt an. "Hi." Sie gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. "Und? Schläft die Stadt? Alles ruhig?"

"Hi." Er rotierte in seine Alltagskleidung und gab auch Lois einen kurzen Kuss auf die Nasenspitze. "Ja. Alles ruhig. Ich denke, Superman wird diese Nacht frei haben..." Er lächelte und sah sie spitzbübisch an.

Clark setzte sich entspannt auf das Sofa und sah auf den Bildschirm. "Arbeitest du noch? Ich dachte wir hätten den Artikel vorhin schon abgegeben."

Lois setzte sich zu ihm und kuschelte sich an ihn und antwortete gelassen: "Keine Arbeit. Es ist ein Brief an Cole."

"Wer ist Cole, was schreibst du ihm?", fragte Clark während er ihr seinen Arm um die Schultern legte.

"Ich schreibe ihm, dass ich seine Wohnung nicht mehr brauche..." Lois sah ihn ein wenig verunsichert an und fragte sich, ob sie noch mehr erklären musste.

Clark hob eine Augenbraue und sah sie aufmerksam an. "Du meinst, die Wohnung, in die du mich an unserem ersten Abend...?"

Doch Lois wollte dieses Kapitel ihres Lebens nicht unnötig vertiefen und fiel ihm ins Wort: "Ja - genau die!" Sie speicherte ihr Dokument per Hot-Key. Ohne Clark anzusehen fuhr sie kleinlaut fort: "Ich brauche sie nicht mehr..." Unsicher sah sie ihn an.

Clark lächelte sie ermunternd an. "Das finde ich wirklich toll. Erzählst du mir trotzdem, wer Cole ist?"

"Cole war mal ein Arbeitskollege beim Planet", berichtete sie ihm nun ganz entspannt, "arbeitet heute aber als Auslandskorrespondent, meist im Nahen Osten." Lois schloss ihren Laptop. "Er ist nur alle paar Monate mal in Metropolis. Also hatte ich da meist freie Bahn."

Clark schien überrascht. "Er ist ein Mann - und du hast ihm vertraut?"

Lois lächelte. "Cole ist schwul..."

Verwundert sah Clark sie an. "Ja und? Wo ist der Zusammenhang?"

Immer noch leise lachend schüttelte Lois ihren Kopf. "Das verstehst du glaube ich nicht...", sie kuschelte sich nun wieder dichter an ihn, "lass uns nicht mehr davon reden..." Lois begann nun zart seinen Hals zu küssen. "Sag... mir... lieber..."

Clark streckte sich etwas, damit sie auch ja keine Stelle ausließ. "Ja... was denn?"

Zwischen zwei Küssen fragte sie ihn: "Bleibst du heute Nacht?"

Clark hob seinen Kopf und horchte einen Moment in Richtung Fenster, als würde ihm die Stadt die Erlaubnis erteilen. "Ich denke, ja."

Und was auch immer Lois ihm darauf antworten wollte, blieb ungesagt, denn er verschloss ihre Lippen zart mit seinen...



ENDE