Die Spielerin

So, ihr Lieben, für eine andere Story (Memory Lane), an der ich gearbeitet habe, habe ich mich recht intensiv mit Lois und ihrer Vorgeschichte beschäftigt und mich dabei gefragt, ob sie nicht auch ganz anders hätte reagieren können. Also nicht zur zickig und arrogant, sondern eben mal ganz anders. Seht, was dabei heraus gekommen ist... Und viel Spaß!
Zeitpunkt ist direkt vor dem Pilotfilm und dann danach.
Meinen beiden Betas, KitKaos und Tahu ein riesiges Dankeschön. Beide haben nicht nur den Text überarbeitet sondern auch mitgeholfen die Story zu entwickeln. Und das wie immer sehr qualifiziert. Danke dafür!
Disclaimer: Die Serie "Superman - die Abenteuer von Lois & Clark", Clark Kent, Lois Lane, Daily Planet, Metropolis, Krypton – all das gehört nicht mir und die Charaktere auch nicht, sondern denen, die die Idee hatten, Jerry Siegel, Joe Shuster oder DC-Comics, um nur einige zu nennen. Nur die Idee für diese Geschichte ist meine. Ich schreibe nur für mich, und verdiene kein Geld damit.
Über Kommentare (und damit meine ich wirklich positive wie negative) würde ich mich natürlich riesig freuen.
Die Spielerin
Die Straßen noch feucht glitzernd vom letzten Schauer, spiegelten sich die Scheinwerfer der Autos bunt auf dem Asphalt, aber es hatte glücklicherweise gerade aufgehört zu regnen. Die Luft roch noch nach feuchtem Staub und der Himmel begann gerade wieder aufzuklaren. An so einem Abend, nach so einem reinigenden Schauer, konnte man selbst unter der Dunstglocke Metropolis' etwas von dem nun aufgehenden Sternenhimmel erahnen. Die Ruhe, die gerade noch vorherrschte, verdrängten die Metropoliser, die jetzt wieder hektisch aus allen Löchern gekrochen kamen, für die Schönheit des Himmels hatten sie aber sicher kein Auge.
Lois trat aus dem Restaurant 'Il Castillo', das war zwar nicht ihr erklärter Lieblingsitaliener, aber hier gab es einen hervorragenden Salat. Sie war froh, dass der heftige Regenschauer über die Stadt hereingebrochen war, während sie ihren Salat genossen hatte und dass er ihr nicht den jetzigen Weg vermiesen würde. Es war nicht der Heimweg, so viel war ihr klar - obwohl, vielleicht hätte sie der Regen ja davon abgehalten zu tun, was sie immer an so einem Abend tat. Wer wusste das schon? Aber es regnete nun mal nicht mehr. Also würde sie ihren Weg fortsetzen, auch wenn sie jetzt schon wusste, dass sie sich morgen früh dafür hassen würde, weitergegangen zu sein und nicht ohne Umwege nach Hause.
Nur ein paar Häuserblocks entfernt gab es diese kleine Bar, die eigentlich eine sehr nette und gemütliche Atmosphäre ausstrahlte, aber Lois war noch nie lange genug dort gewesen, um diese angenehme Stimmung zu genießen. Das dunkle Holz der Vertäfelung und dieser angenehme, warme Rot-Ton der Wände, zusammen mit der gedämpften Beleuchtung machten diese besondere Behaglichkeit aus. Doch Lois kam nicht wegen der Atmosphäre hierher, oder wegen der guten Musik, oder der einfallsreichen Cocktails, die es hier vielleicht gab oder wegen des netten Barkeepers. Nein, sie kam hierher mit einem Ziel vor Augen. Und bisher hatte sie das auch immer sehr schnell erreicht.
Kaum hatte sie die Tür geöffnet, ließ sie ihren Blick durch den Raum schweifen, da sah sie schon, dass sie auch heute wieder auf ihre Kosten kommen würde. An zwei Tischen saß jeweils ein Pärchen und sprach leise miteinander, uninteressant; an einem anderen Tisch saßen zwei ältere Männer, die angeregt über eine Sportveranstaltung diskutierten, auch uninteressant. Das, was sie wollte, oder besser gesagt, der, den sie wollte, saß links am Tresen und trank offenbar einen Whiskey. Das war genau ihr Typ. Ein junger Mann so um die dreißig, schlank, kurzes blondes Haar. Sein klassischer Nadelstreifenanzug und die Tatsache, dass er die 'Financial Times' las, ließ sie auf Börsenbroker tippen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verheiratet, wie ihr ein Blick auf seinen Ring zeigte. Wahrscheinlich lebte er in einer Kleinstadt mit ein oder zwei Kindern und war auf Geschäftsreise in der großen Metropole. Genau diesen Typ von Männern suchte sie, die stellten die wenigsten Fragen und hatten hinterher keine Ansprüche. Sie würde ihn danach nicht wieder sehen und somit würde er für sie nicht zu einem Problem werden.
Während Lois die Tür hinter sich schloss, gab es noch diesen kurzen Moment des Zögerns, dieses ganz kurze Zweifeln, obwohl sie wusste, sie würde weitergehen. Das tat sie immer. Auch wenn sie wusste, dass sie es dafür morgen früh nicht ertragen würde, sich im Spiegel zu betrachten. Aber sie brauchte diesen Kick heute Abend für ihr Selbstwertgefühl.
Wann hatte sie so einen Abend das erste Mal erlebt? Oh ja, sie wusste es wieder. Damals hatte sie den Schmuggelring für ausgediente russische Atomsprengköpfe entlarvt. Die Ermittlungen waren gefährlich, mit diesen Waffenschmugglern war wirklich nicht zu spaßen. Aber sie konnte der Polizei eine lückenlose Beweiskette liefern und schrieb natürlich einen Artikel dazu, der preisverdächtig war. Doch nach der anerkennenden Feier im Planet war ihr die Stille ihres Apartments unerträglich geworden. Und so war sie raus gegangen, um der Enge und der Kälte ihres Apartments zu entfliehen. Ein wenig Freiheit spüren und nicht sinnlosen Gedanken nachhängen
Letztes Mal war es die Betrugsserie um die öffentlichen Forschungsgelder, die sie wirklich mit Bravour aufgelöst hatte und das auch wieder ganz alleine. Und heute? Sie hatte, wieder mal im Alleingang, eine Autoschieberbande hochgehen lassen und naturgemäß wieder einen hervorragenden Artikel verfasst. Eleganz gelöst und brillant geschrieben. Eine Titelstory eben im Lois-Lane-Format. Sogar ihre Kollegen waren vor Neid erblasst, hatten ihr applaudiert und Perry sogar gratuliert. Sie war halt doch eine Größe beim Planet. Doch alleine Feiern zerstörte den Moment des Glücksgefühls, wenn das Adrenalin durch ihren Körper floss, sobald eine Titelstory von ihr gedruckt wurde. Abends war dann niemand mehr zum Reden da, jemand, dem sie beichten konnte, dass sie auch Angst gehabt hatte.
Nicht dass sie jemals in so einer Nacht mit einem dieser Männer geredet hätte, normalerweise wollte weder sie noch der Mann reden. Und trotzdem trieb sie genau dieses laute Schweigen, wenn sie alleine in ihrem Apartment saß, auf die Straße. In eine dieser beschaulichen Bars, zu einem von diesen durchreisenden Männern, in eine dieser Nächte, in denen sie doch nur mit aller Macht versuchte der Einsamkeit zu entfliehen, nur um ja nicht alleine zu sein.
Wenn sie in der Nacht auf die Jagd ging, zeigte ihr das, dass sie als Frau doch attraktiv war. Sie fühlte sich für diesen kurzen Augenblick schön und begehrt und die Tatsache, dass sie die Regeln aufstellte, gab ihr ein gutes Gefühl. Sie hatte sich in einer Männerwelt hochgearbeitet und hatte hart dafür gearbeitet. Heute hatte sie es sich verdient nicht alleine zu sein. Nicht zurück in das einsame kleine Apartment zu gehen. Sie suchte die Männer aus und nicht die Männer sie. Und sie hielt ihre Beute bewusst auf Distanz, wollte nichts über sie wissen und gab nichts preis, so lief sie keine Gefahr, durch die Nähe einer Beziehung verletzt werden zu können. Etwas war ihr noch sehr wichtig, sie durften nie zu lange bleiben, am liebsten, sie waren bereits wieder fort, wenn sie aufwachte.
Lois überwand den Moment des Zögerns und schloss die Tür. Das tat sie immer. Auch wenn sie wusste, dass sie es morgen früh nicht ertragen würde, sich im Spiegel zu betrachten.
Der Barkeeper nickte ihr zu; ob es nur als freundliche Begrüßung gemeint war, oder ob er sie wirklich wieder erkannte, wusste sie nicht. Ein wenig peinlich berührt ob der zweiten Möglichkeit, richtete sie ihren Blick schnell auf den jungen Mann am Ende des Tresens, ja, der gefiel ihr, sie ging auf ihn zu.
Lois sah den anderen Mann gar nicht, plötzlich war er einfach da, tauchte aus dem Nichts auf und stieß sie von der Seite an. Sie geriet ins Wanken, sah sich erschrocken um. Doch bevor sie vollkommen das Gleichgewicht verlor, fühlte sie sich auch schon gehalten. Zwei offensichtlich kräftige Arme hielten sie vorsichtig um die Taille und an ihrer Schulter und verhinderten so, dass sie vor dem Tresen der Länge nach hinschlug und sich wer weiß wie ernsthaft verletzte. Der Mann berührte sie kaum, er umfasste sie behutsam, aber effektiv. Ohne seine blitzartige Reaktion wäre sie sicherlich schmerzhaft gegen den hölzernen Tresen gestoßen, aber so war eigentlich gar nichts passiert.
Sie hob ihren Kopf und sah ihn an, den Verursacher dieses Zusammenstoßes und gleichzeitig ihren Retter. Lois versank in seinen Augen. Sie fühlte sich wie magisch von ihnen angezogen. Schokobraun, warm vom Ausdruck und mit so viel Güte im Blick wie Lois es nie zuvor bei einem Menschen gesehen hatte.
Erst beim zweiten Hinsehen sah sie, dass er eine Brille trug, eine geschmackvolle Brille. Konnte es sein, dass die Gläser diesen gütigen Blick noch verstärkten? In diesem Augenblick nahm er seine Arme von ihrem Körper. "Entschuldigen Sie, Miss. Das habe ich nicht gewollt", stammelte er mit sympathischer Stimme. Scheinbar wusste er nun nicht, wohin mit seinen Händen. "Sie haben sich hoffentlich nicht wehgetan. Oh, das ist alles meine Schuld..."
Ja, das ist es, dachte Lois. Und dieser Blick hielt sie weiterhin wie ein Magnet gefangen. Er berührte sie ganz tief in ihrer Seele. "Nein, nein. Alles halb so wild.", hauchte sie fast ein wenig abwesend.
Er ließ seinen Blick über ihr Gesicht wandern. Es war, als würde er ihr Innerstes streicheln mit seinen Augen, seinen schokobraunen Augen. Wie machte er das? Was passierte hier? Sie wollte wegsehen, wollte ihren Blick abwenden, aber es schien ihr die Kraft dafür zu fehlen. Und so verlor sie sich fast in diesem wohligen Strudel.
"Wirklich? Es geht Ihnen bestimmt gut?", fragte er fürsorglich. Seine Sorge um ihr Wohlergehen rührte sie.
Lois zeigte ihm ein vorsichtiges Lächeln, aber sie konnte sich immer noch nicht von seinen Augen losreißen, eingerahmt von dunklen Wimpern, und während sie nun nickte, zeigte sich auch auf seinem Gesicht ein Lächeln. Ganz feine Lachfältchen zeichneten sich um seine Augen ab. "Alles in Ordnung. Es ist doch gar nichts passiert." Wenn er lächelte, wirkten seine Augen noch wärmer, freundlicher, fast vertraut. Dieses wohlige Gefühl war ihr unheimlich, aber sie konnte sich nicht dagegen wehren.
"Da bin ich aber froh! Darf ich Sie für den Schrecken wenigstens zu einem Drink einladen?" In freudiger Erwartung sah er sie an.
Lois wollte nein sagen, alles in ihr schrie danach, dass sie ablehnte. Sie kannte diese Art Männer nur zu gut, diese scheinbar freundlichen, warmherzigen Männer, die ihr in der Vergangenheit so leicht das Herz gebrochen hatten. Immer wieder und wieder. Schon vor Jahren hatte sie sich deshalb geschworen, dass sie das nie wieder einem Mann erlauben würde. Genau das war der Zeitpunkt gewesen, an dem sie begonnen hatte, Männerbekanntschaften für eine Nacht zu suchen. Ein One-Night-Stand war eine klare Angelegenheit, für beide Seiten, keine Erwartungen an das Morgen, kein Ich-ruf-dich-an, keine Gefühlsbekundungen, die doch nur gelogen waren, keine Gedanken darüber, ob sie die andere Frau war, oder ob er sie mit einer anderen betrog. Sie sollte einfach nur 'nein' sagen, das war sicherer. Je mehr sie emotional involviert war, umso gefährlicher war es, umso komplizierter würde es werden. Es war ganz einfach, sie brauchte nur 'nein' zu sagen und schon war es vorbei... "Ja, gerne. Bestellen Sie mir bitte einen Weißwein." Wo war das nur hergekommen, was war nur mit ihr los?
Sie kaute ein wenig nervös auf ihre Unterlippe und atmete ganz leise einmal tief durch.
Aus dem Augenwinkel sah sie, dass der junge Mann mit den blonden Haaren am Ende des Tresens gerade seine Financial Times zusammenfaltete und sich daran machte zu gehen. Lois lächelte ihren Rempler an. Er sah eigentlich noch besser aus als der andere Mann. Dunkle Haare, fast schwarz, ein leicht gebräunter Teint. Er war vielleicht einen halben Kopf größer als sie selbst und wie es schien, ausgesprochen sportlich gebaut. Er trug einen dunkelblauen Anzug, doch Lois dachte bei sich, dass er auch in Jeans und Poloshirt sehr gut aussehen musste, oder noch besser in kurzen Hosen und Muskelshirt... Oh Lois, reiß dich zusammen, diese Männer mit diesen smarten Blicken sind gefährlich! Aber dieser fremde Mann ließ so eine alte, tiefe Sehnsucht in ihr aufkeimen und so warf sie ihre eigene Warnung kurzerhand über Bord.
Und einen dieser Blicke schenkte er ihr gerade wieder. "Verraten Sie mir Ihren Namen?"
Glücklicherweise nahm sie gerade einen Schluck Wein, das gab ihr die Möglichkeit wenigstens eine Sekunde nachzudenken, bevor sie antwortete. "Wanda... Ich heiße Wanda. Aber hören Sie, Sie scheinen nett zu sein, wirklich. Aber dies ist nur die kurze Begegnung zweier Reisender, mehr nicht. Ich will nicht wissen, wie Sie heißen, oder wo Sie herkommen. Obwohl ich mir sicher bin, dass Sie nicht aus Metropolis sind." Lois versuchte ihr Lächeln nicht allzu überheblich aussehen zu lassen.
"Smallville..." Er sah sie verschmitzt an.
Lois lachte. "Small... was? Wo ist das denn? In Iowa? Sind Sie da auf einer Ranch aufgewachsen?"
Er lächelte immer noch. "Kansas. Und wir haben mehr Getreide als Vieh."
"Hören Sie, Mister aus Nowheresville. Ich will es gar nicht wissen. Und das meine ich ganz ernst. Haben Sie auch irgendwas Interessantes zu berichten, außer Maisernte und Kleinstadtmief?", fragte sie mit einem provokanten Lächeln.
Er ließ sich durch ihre Anspielungen nicht aus der Ruhe bringen. "Vielleicht etwas aus meiner Zeit in Borneo, Stockholm oder Hong Kong?"
Lois lachte und zog eine Augenbraue hoch. "Sie wollen mir erzählen, dass Sie da überall gewesen sind?"
Der junge Mann aus Kansas ließ sich durch ihre Provokation überhaupt nicht stören. "Oh ja, allerdings. Auch in Kansas gibt es Flughäfen, Zeitungen oder Fernsehsender. In Hong Kong war ich für zwei Jahre, in Schweden und Borneo jeweils für ein Jahr als..."
Lois fiel ihm ins energisch Wort: "Ich will nicht wissen, als was Sie dort gearbeitet haben. Ich glaube Ihnen ja."
"Wanda, haben Sie Angst vor Persönlichkeit?" Er beobachtete sie scharf, wenn auch immer noch mit diesem umwerfenden Lächeln.
Sie nahm den letzten Schluck Wein, sah zum Barkeeper und zeigte ihm an, dass sie noch ein Glas wollte. Dann sagte sie zu ihrem Gegenüber aus Kansas: "Wenn Sie mich analysieren wollen, Farmboy, ist dieses Gespräch sofort zuende." Bei seiner letzten Bemerkung hatte sie das Gefühl, dass er ihr mit seinem berauschenden Blick nicht nur auf den Grund ihrer Seele blicken konnte, sondern, dass er sie selbst nach diesen wenigen Sätzen bereits einschätzen konnte. Lois, sei vorsichtig! Lass die Finger davon! Diese Art von Mann ist gefährlich!
Der junge Mann hob abwehrend die Hände. "Okay, okay. Ich hab verstanden."
Und dann, im weiteren Verlauf passierte etwas, was Lois wirklich erstaunte, sie fanden zu einem guten, fundierten Gespräch. Sie schienen alle wichtigen Themen dieser Welt anzuschneiden, mit Ausnahme von Arbeit und allem, was persönlich war. Dieser junge Mann war viel herumgekommen, hatte viel gesehen und gelernt und er hatte viel zu berichten. Er verfügte über eine sensible Beobachtungsgabe und einen mitreißende Erzählstil.
Inzwischen ignorierte Lois den Dauerton ihrer inneren Alarmglocke gänzlich. Nach dem zweiten Glas Wein sagte Lois mit einem ermunternden Lächeln zu ihm: "Kommen Sie, Farmboy aus Nowheresville, bringen Sie mich nach Hause, Sie haben es sich verdient."
Das tat sie immer. Auch wenn sie wusste, dass sie es dafür morgen früh nicht ertragen würde, sich im Spiegel zu betrachten.
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"Bringen Sie mich nach Hause, Sie haben es sich verdient."
Clark wusste genau, was sie damit gemeint hatte, sie, die fremde Frau, die sich so unnahbar gab; die er fast über den Haufen gerannt hatte; bei der er sich einfach nur entschuldigen wollte; aber die dann den Fehler gemacht hatte ihn anzusehen... auf eine Art, als würde sie ihm auf den Grund seiner Seele sehen, was ihn so tief berührt hatte, dass es fast schmerzte. Und ihren Schmerz sah er in allem, was sie sagte oder machte.
Er war wirklich viel herumgekommen, hatte viel gesehen und erlebt, hatte Menschen getroffen, die Schicksale durchlebt hatten, die sich kein Mensch vorstellen konnte. Aber er wusste, wenn sich der Mensch erst mal mit seinem Schicksal ausgesöhnt hatte, wurde sein Blick wieder weicher, gewann die Zuversicht wieder die Oberhand. Aber diese Frau mit den rehbraunen Augen, die sich Wanda nannte; die ihm vormachen wollte, sie sei so stark, die ihm vormachen wollte, das alles berührte sie nicht; die ihm vormachen wollte, dieser Abend sei nur ein Spiel, bei dem sie die Regeln aufgestellt hatte; diese Frau, da war er sicher, handelte nur aus dem Impuls heraus, sich selbst emotional zu schützen. Sie hatte so eine hohe Mauer um sich herum errichtet, dass sie selbst sie nicht mehr überbrücken konnte. Sie hatte sich gefühlsmäßig so sehr abgekapselt, dass sie ihre wahren Bedürfnisse wahrscheinlich gar nicht mehr kannte. Und doch hatte sie ihn berührt, auf eine Weise wie er das noch nie erlebt hatte.
"Bringen Sie mich nach Hause, Sie haben es sich verdient."
Sie war ganz sicher nicht die Frau, die Geleitschutz brauchte. Dieser Satz bedeutete, sie wollte ihn. Sie wollte ihn für diese Nacht. Nur für diese Nacht. Keinen Namen, sie wollte noch nicht mal wissen, womit er seine Brötchen verdiente, selbst das war schon zu persönlich. Es könnte womöglich eine Bindung erzeugen, eine Bindung, die sie nicht wollte. Was hatte sie bloß erleben müssen, um sich selbst so einen Eispanzer verpasst zu haben?
Und was sollte er nun tun? Er war noch nie mit einer Frau nur für eine Nacht zusammen gewesen. Er war noch nie mit einer Frau auf diese Art zusammen gewesen. Nicht dass er Angst hatte vor Frauen, das bestimmt nicht, aber es gab in seinem Leben, in seinem ganz speziellen Fall einige Besonderheiten, die es mit sich brachten, dass er sich wirklich sehr sicher sein wollte, bevor er einer Frau so nah sein würde, bevor er ihr die ganze Wahrheit zeigte. Das und seine Moralvorstellung von der Beziehung zwischen Mann und Frau; das und die Tatsache, wie hoch er Frauen im Allgemeinen achtete; das und die Tatsache, dass sie sich doch überhaupt noch nicht kannten, all das führte zu einem klaren 'nein'. Er konnte unmöglich mit rauf kommen. Sie nach Hause bringen, gut. Er war schließlich ein Gentleman, aber dann musste er gehen. Es gab keine andere Lösung. Und dann kamen ihm ihre rehbraunen Augen in den Sinn...
Er begleitete sie zu ihrem Haus und bis in den sechsten Stock, gut, auch das war okay. Und es war natürlich sicherer für sie.
Ohne auch nur die Spur eines Zögerns öffnete sie ihre Tür, Apartment 607.
Sie öffnete die Tür und ließ ihn eintreten. Alles in Clark rief 'nein', 'geh jetzt', 'bevor es zu spät ist' und seine Füßen schienen ihr ganz von alleine zu folgen. Clark ließ flüchtig seinen Blick über die Einrichtung gleiten und wunderte sich ein wenig. Die Gestaltung der Wände, ein tiefes, dunkles Rot, abgesetzt mit einem zarten Pastel-Gelb, das Bücherregal aus gebürsteten Chrom, die skurrile Marionetten-Sammlung auf dem Sofa und das Plakat mit der Aufschrift 'La Dolce Vita' in der Küche, all das war eigentlich etwas zu schrill für sie.
Die Frau aus der Bar, die sich selbst den Namen Wanda gegeben hatte, ging an ihm vorbei, hing ihre Jacke an der Garderobe auf und ging dann ohne ein weiteres Wort in den hinteren Teil ihres Apartments, offensichtlich das Schlafzimmer. Clark folgte ihr, wobei er inzwischen von einer zermürbenden Spannung erfasst worden war. Wann würde er ihr sagen, dass er gehen würde? Wann war der beste Zeitpunkt dafür? Dieser Moment war doch eigentlich perfekt. Und doch blieb er. Was hielt ihn nur zurück?
Sie legte ihre Ringe in eine kleine Schale, die auf der Anrichte stand und dann sagte sie in einem Tonfall, der mit der Frau, die Clark in der Bar so fasziniert hatte, so gar keine Ähnlichkeit mehr aufwies, der so emotionslos erschien: "Deine Sachen kannst du auf den Stuhl dort legen." Dann zog sie sich ins Bad zurück. Den Satz 'Und das Geld kannst du hierher legen', ergänzte er im Geiste und biss sich selbst für diese nur gedachte Bösartigkeit auf die Zunge.
Clark sollte gehen, sofort. Das alles hier war ihm so fremd. Er wollte das nicht. Und sie? Was wollte sie? Es konnte doch nicht möglich sein, dass sie jetzt wirklich nur mit ihm ins Bett wollte. Wie passte das zusammen mit den Blicken, die ihn vollkommen verzaubert hatten? Mit der Wärme, die sie ausstrahlte, wenn sie erzählte? Und wie passte das zusammen mit der Verletzlichkeit, die sie hinter so hohen Mauern zu verstecken versuchte? Es konnte einfach nicht sein, dass sie das hier wollte. Es durfte einfach nicht sein, oder wollte er sich das nur einreden, weil sie ihm so sympathisch war, weil er sich auf eine Art von ihr angesprochen fühlte, die er noch nie erlebt hatte?
Clark öffnete die Knöpfe seines Jacketts und setzte sich auf das Fußende des Bettes. Clark, geh! Jetzt! Aber was ist mit der Frau hinter den Mauern? Ob er sie erreichen konnte? Ob sie ihm erlauben würde, zu ihr vorzudringen? Aber wie wahrscheinlich war das? Wie er es auch drehte und wendete, alles sprach dafür, dass dies hier nur schief gehen konnte. Er hätte so gerne mehr Zeit gehabt, aber sie war offensichtlich nur gewillt, ihm diese eine Nacht zu geben und nicht mehr. Er sollte gehen, einfach zur Tür raus. Sie würden sich nie wieder sehen. Er würde keine Ausrede brauchen, wenn er nur schnell genug an der Tür war, bevor sie zurückkam.
Die Tür zum Bad öffnete sich und sie kam heraus, abgeschminkt, aber glücklicherweise immer noch in dem Kostüm, das sie auch schon in der Bar getragen hatte. Sie sah ihn erstaunt an. "Und? Willst du nicht ablegen? Oder hat den Farmboy inzwischen der Mut verlassen?", fragte sie mit einem süffisanten Lächeln. Sie kam auf ihn zu und griff an das Revers seines Jacketts, wollte es ihm von den Schultern streichen.
Clark sah sie verzweifelt an, versuchte die Frau in ihrem Gesicht wieder zu finden, die noch vor einer halben Stunde sein Herz berührt hatte. Sie war nicht mehr da. Er verschränkte seine Arme vor der Brust und sie schien seine Geste genau als das zu verstehen, als was sie gemeint war.
Daraufhin drehte sie ihm den Rücken zu. "Wenn du nicht willst", fragte sie emotionslos, "warum bist du dann mit rauf gekommen?" Dann sah sie ihn wieder an und ihr Gesicht schien wie eingefroren, es zeigte nicht das kleinste Gefühl.
Clark wusste nicht, was er sagen konnte, was nur halbwegs plausibel klang. Er konnte doch nicht sagen, er hatte in ihren Augen eine verletzte Seele gesehen. Auf die Bemerkung hin würde sie ihn sicher sofort raus schmeißen. Das wollte er nicht, das wurde ihm nun klar, er wollte nicht gehen, er wollte einfach nur hier sein, hier bei ihr. Aber sie hatte ihre Erwartung wirklich sehr klar formuliert. Oder könnte es nicht vielleicht sein, dass auch sie etwas ganz anderes wollte? Er konnte doch unmöglich ihr Typ sein, sie hatte sich schließlich den ganzen Abend über abfällig über Kansas, Farmer, oder Smallville geäußert. Clark nahm all seinen Mut zusammen, im schlimmsten Fall würde sie ihn raus schmeißen. Ein wenig unsicher sah er sie an. "Ich... ich glaube einfach nicht, dass es nur das ist, was Sie wollen..."
Auch sie verschränkte nun ihre Arme vor der Brust und drehte sich wieder um, als sprach sie lieber mit der Wand. "Was weißt du schon, was ich wirklich will?" Sie umschlang ihren Oberkörper mit ihren Armen, als sei ihr kalt.
Clark beschloss noch etwas mehr Mut zu mobilisieren, mit abgedroschenen Phrasen würde er gar nichts erreichen, da war er sich sicher. "Zu der Frau in der Bar, die Sie mir vorhin gezeigt haben, würde es viel eher passen, dass sie sich nach Zärtlichkeit sehnt, statt nach einem One-Night-Stand. Die Frau, die Sie mir gerade zeigen, scheint so ganz anders zu sein... Und wer sind Sie wirklich?"
"Pah! Zärtlichkeit...!", stieß sie mit einem zynischen Unterton heraus. "Von welchem Planeten kommst du denn?" Mit der Frage sah sie ihn wieder direkt an. Der Zynismus stand ihr mitten im Gesicht, aber da war auch eine Spur Unsicherheit, wie ein Riss in der Fassade. Und da war auch wieder etwas von dem Blick zu erkennen, den sie ihm in der Bar von Zeit zu Zeit geschenkt hatte. Er war sich einfach sicher, dass sie ihm gerade viel mehr von sich selbst zeigte als die Frau, die kühl berechnend nur auf schnellen Sex aus war.
Bis zu diesem Moment hatte sie ihn immer noch nicht raus geschmissen. "Ja, Zärtlichkeit. Sind Sie nicht eigentlich nur auf der Suche nach jemanden, der Sie in den Arm nimmt?" Ihm war auch klar, dass sie gesagt hatte, sie wolle nicht analysiert werden, aber Clark konnte jetzt nicht aufhören. Er war sich sicher, dass sie ihm jetzt viel mehr ihres wahren Charakters zeigte.
Ein wenig unsicher fuhr sie sich durch die Haare. "Du bist witzig. Ich kann doch schlecht in eine Bar gehen und jemand Wildfremdes bitten, er möge mich in den Arm nehmen..." Sie sah ihn an, Zweifel, Weltschmerz und eine jahrelange Traurigkeit blickten ihn an.
"Sie waren bereit jemand Wildfremden in Ihr Bett zu holen. Das ist doch viel mehr. Aber wenn es doch nur um die Umarmung geht, einfach nur sagen. Das würde ich gerne tun..."
Unschlüssig stand sie da. Verknotete ihre Arme wie ein kleines Kind, das nicht wusste, ob sie sich trauen konnte zu sagen, was so tief in ihr steckte und was letztlich doch so offensichtlich war. Doch erst, als er seine Arme öffnete und sie ihr entgegenstreckte, nickte sie vorsichtig und kam langsam auf ihn zu. Behutsam setzte sie sich neben ihn als erwartete sie jeden Moment, dass er rief: 'War doch alles nur ein Spaß!' Aber sie schaffte es, sich ihm soweit zu nähern, dass er seine Arme um sie schlang. Erst als sie sich etwas entspannte und in seine zarte Umarmung schmiegte, nahm er sie etwas fester in den Arm. Und dann hielt er sie einfach nur fest. Nichts weiter. Kein Wort mehr, keine Fragen, keine Forderungen, sie saßen einfach nur dort, sie in seinen Armen.
Clark war überwältigt. Nie hätte er das für möglich gehalten. In diesem Moment war er sich sicherer denn je, dass sein Bild von der Frau, die sich hinter dicken, hohen Mauern versteckte, richtig war. Und sie ließ ihn hinter diese Mauern blicken, wenigstens für diesen kurzen Moment. Er traute sich kaum sich zu rühren, traute sich kaum zu atmen.
Sie hatte ihr Gesicht an seiner Brust vergraben und so sah er sich ein wenig verstohlen um. Schwarze Satinbettwäsche auf einem blutroten Laken. Über dem Kopfende des Bettes schwebte ein sehr kitschiger, goldener Amor, der seinen Pfeil direkt auf Clark gerichtet zu haben schien. Plötzlich fragte er sich, ob das ihr Stil war. Ihr Auftreten war eher elegant und dies hier war doch ausgesprochen kitschig, aber er hätte es auch nie für möglich gehalten, dass die Frau, die ihn so sehr berührt hatte, nichts anderes wollte als mit ihm zu schlafen.
Nach einer Weile bemerkte Clark an ihrem gleichmäßigen Atem, dass sie eingeschlafen war. Einerseits machte ihn das traurig, andererseits zeigte es ihm, dass sie sich wirklich entspannt hatte, dass sie ihm soweit vertraut hatte, dass sie losgelassen hatte. Es war eine unglaubliche Erfahrung.
Er legte sie sehr behutsam auf das Bett, deckte sie vorsichtig zu und überlegte, was er nun machen sollte. Sollte er bleiben? Sollte er sie im Schlaf beobachten? Nein, ganz sicher nicht. Doch es fiel ihm schwer, so ohne ein Wort zu gehen. Leise ging er nach nebenan, neben der Wohnungstür sah er einen Block Notizzettel, aber was sollte er schreiben? Ich bin gegangen, nachdem Sie eingeschlafen sind. Ich ziehe die Tür einfach zu. Schlafen Sie gut – der Mann aus Kansas Er hätte so gerne mehr geschrieben, dass er sie wiedersehen wollte, ihr seine Telefonnummer aufschreiben, dass er sie mochte, dass er sich um sie sorgte, aber er war sich sicher, all das wollte sie gar nicht wissen. Nur ein kurzer Moment des Zögerns noch, dann ging er. Er verließ ihr Apartment so leise, dass sie nicht mehr aufwachte, sah von der Tür aus noch einmal zurück und ging.
Erst auf der Straße traute sich Clark wieder durchzuatmen. Was für ein Abend? Was für eine Nacht? Was für eine Frau? Ob er sie wiedersehen würde? Er wusste natürlich, wo sie wohnte, aber würde sie das wollen?
Die Gedanken in seinem Kopf fuhren Achterbahn. Diese Begegnung der besonderen Art... Die Stadt Metropolis, der Lärm der vorbeifahrenden Autos, ungeduldiges Hupen und der Gestank der Abgase – ja, hier könnte er sich wie Zuhause fühlen.
~ ~ ~
Clark erwachte in seinem etwas schäbigen Hotelzimmer mit dem gleichen Bild, mit dem er gestern Abend eingeschlafen war: Die Frau der letzten Nacht. Er sah ihr Gesicht vor seinem inneren Auge, sah die kühle Berechnung, mit der sie versucht hatte, ihr Ziel zu erreichen, was wohl aber nur ihr Versuch war, Distanz zu schaffen. Und er erinnerte sich an die Verletzlichkeit in ihrem Blick. Doch die Frage, ob sie sich wiedersehen konnten, oder sollten, musste er beiseite schieben und zu einem anderen Zeitpunkt durchdenken, heute würde er sich erst einmal um das Problem einer Anstellung kümmern, das hatte oberste Priorität. Deswegen war er nach Metropolis gekommen, um seinen Traum zu verwirklichen.
Am gestrigen Tag hatte er sich beim berühmten Daily Planet vorgestellt, von dem legendären Chefredakteur Perry White aber eine Absage kassiert. Doch während des Vorstellungsgespräches hatte er mitbekommen, wie Mr. White mit der sagenumwobenen, mehrfach preisgekrönten Lois Lane telefoniert hatte, sie sollte einen Stimmungsbericht über eine Theaterschließung schreiben, was ihr wohl aber nicht lag; sie sei nicht in der Stimmung, wie sie ihm am Telefon gesagt hatte. Das war seine Chance. Nach dem Gespräch mit Mr. White war Clark zu dem Theater gefahren und hatte nach ein paar Recherchen genau diesen Bericht geschrieben. Er wollte ihn dem Chefredakteur gleich heute Morgen vorlegen. Vielleicht würde er ihn in hohem Bogen aus der Redaktion werfen, aber einen Versuch war es doch wert. Er hatte ja nichts mehr zu verlieren.
Nur eine Stunde später erlebte Clark, wie genau dieser Mr. White, der ihm noch gestern gesagt hatte, dass er für den Daily Planet nicht taugen würde, andächtig seinen Artikel vorlas. Clark hatte ihn eigentlich so geschrieben, wie er immer schrieb, Fakten, gemixt mit ein paar Zeitbezügen und das ganze gewürzt mit einer kräftigen Spur Persönlichkeit. Und die Mischung schien zu stimmen. Während Perry White noch gebannt auf das Papier schaute, dachte Clark über dieses und jenes Wort nach, was er eigentlich noch besser hätte ausdrücken können, aber der Chefredakteur der besten Zeitung Amerikas reichte ihm daraufhin die Hand. „Wissen Sie, Mr. Kent, was ich noch mehr schätze als Erfahrung, ist Eigeninitiative! Willkommen beim Daily Planet!“
Clark konnte es kaum glauben, er hatte es geschafft, er arbeitete ab sofort für den Daily Planet! Nun konnte er zeigen, was in ihm steckte!
Doch er bekam kaum eine Minute Zeit, sich über diesen Umstand zu freuen, oder die Atmosphäre des Redaktionsbüros aufzunehmen, das Gemurmel der Gespräche, das Klingeln der Telefone, das Kratzen der Bleistifte auf dem Papier und den Geruch der Druckerfarbe, der über allem zu schweben schien. Als allererstes lernte er Jimmy Olsen kennen, der junge Mann arbeitete dort als Bürobote, hatte aber, wie er sofort erzählte, große Pläne, wollte Fotoreporter werden und musste dafür den Weg von ganz unten nehmen. Jimmy sah ihn aus freundlichen Augen, mit einem jungenhaften Lachen an. Er machte Clark aber sofort darauf aufmerksam, dass die Arbeit beim Planet durch die vollkommen veralteten Computer erschwert würde. Er schien nett und sympathisch zu sein. Als nächstes erklärte er Clark kurz die Rubriken der Zeitung und stellte ihm ein paar seiner jetzigen Kollegen vor. Und er teilte ihm einen eigenen Schreibtisch am Rande des Redaktionsbüros zu. Der Platz gefiel Clark, von hier hatte er einen guten Überblick und niemanden im Rücken sitzen, sehr gut. Andächtig ließ er seine Finger über die Schreibtischplatte gleiten, wie viele Kollegen hatten hier schon vor ihm gesessen und ihre Artikel verfasst? Doch auch dafür hatten sie kaum wirklich Zeit - Morgenbesprechung beim Daily Planet.
Clark versuchte sich jedes gehörte Wort zu merken, bis jetzt wusste er noch nicht, was er heute zu tun bekam und er wollte auf jeden Fall vermeiden, dass er irgendwann mal nicht wusste, wovon gerade gesprochen wurde.
Mr. White verteilte verschiedene Aufgaben an die Kollegen, er schlug dabei einen strengen Ton an, aber es war nicht zu verkennen, dass er sich diese harte Hülle selbst auferlegte, um sich Respekt zu verschaffen. Clark vermutete, dass er ein weiches Herz hatte. Aber das schien er sehr gut verbergen zu können, wenn etwas nicht nach seiner Vorstellung verlief.
„Jimmy, verdammt noch mal, wo ist Lois?“ blubberte er los.
„Keine Ahnung Chief.“, redete sich der Angesprochene heraus, „Ich hab sie noch nicht gesehen heute.“
„Okay, Morgenbesprechung beendet, das war's! Wir haben hier eine Zeitung zu machen! Also an die Arbeit!“, forderte er die anderen Mitarbeiter auf, den Konferenzraum zu verlassen und nachdem alle Kollegen den Raum verlassen hatten, sah er Clark an und fuhr sehr viel ruhiger fort: „Also gut, Kent, ich hatte eigentlich gedacht, ich lasse Sie mit Lois Lane zusammenarbeiten. Ich weiß nicht, ob Sie schon mal von ihr gehört haben?“ Clark nickte innerlich. Oh ja, wenn er von jemandem gehört hatte, dann ja wohl Lois Lane, die Enthüllungsreporterin des Daily Planet, die Frau, die für ihr Alter bereits erstaunlich viele Preise gewonnen hatte, die Frau, deren Namen im ganzen Land bekannt war, wenigstens in Journalistenkreisen. Und er sollte nun mit ihr zusammenarbeiten – wow! Perry White fuhr fort: „Aber sie ist leider nicht da. Sie arbeitet da gerade an so einer Raumfahrtsache, ich weiß noch nicht wirklich, ob an ihrem Sabotageverdacht etwas dran ist... Nun ja, sehen Sie einfach, wie Sie mit ihr zurechtkommen. Sie ist vielleicht nicht die Einfachste, aber Sie können viel von ihr lernen... Oh, wie passend“, Mr. White nickte lächelnd jemandem zu, der den Raum außerhalb von Clarks Gesichtsfeld betrat. Er versuchte dabei streng auszusehen. Immer noch an die andere Person gerichtet sagte der Chefredakteur dann: „Darf ich vorstellen, Lois Lane, Clark Kent.“
Clark stand von seinem Stuhl auf, das gehörte sich schließlich, wenn er der berühmten Lois Lane vorgestellt wurde, er drehte sich langsam um - und dann sah er sie, sein Blick fiel als erstes auf ihre Schuhe, die in eleganten Pumps steckten, sein Blick folgte ihren Beinen, sie hatte ausgesprochen schöne Beine, ein elegantes bordeauxrotes Kostüm, dunkles, schulterlanges Haar – und dann sah er in ihre Augen... und konnte es nicht fassen. Sein Herz setzte einen Schlag aus, er hielt den Atem an – bloß nichts anmerken lassen! Diese Augen... es waren die Augen, die ihn den ganzen gestrigen Abend in ihren Bann gezogen hatten, dies war die Frau aus der Bar, Wanda – er hatte gleich gewusst, dass der Name nicht stimmte...
Und sie? Wenn Blicke töten könnten... dann würde Clark jetzt hier auf der Stelle tot umfallen, sie massakrierte ihn mit ihrem Blick, vierteilte ihn... und er hätte schwören können, dass sie ihn stumm aufforderte, ja kein Wort zu sagen.
Clark reichte ihr vorsichtig seine Hand.
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Lois kam hastig in die Redaktion. Schon wieder mal zu spät. Sie hatte schon von ihrem Apartment aus diverse Telefongespräche geführt und die hatten, wie schon so oft, viel mehr Zeit in Anspruch genommen als sie dafür eingeplant hatte. Leider passierte ihr das öfter, aber sie hatte den ganzen gestrigen Tag vergeblich versucht Platt zu erreichen, da musste sie einfach jede Möglichkeit nutzen. Verdammt! Die Morgenbesprechung schien sogar schon zu Ende zu sein. Die Kollegen kamen ihr alle aus dem Konferenzraum entgegen. Lois versuchte das Grinsen der anderen und ihr schnippisches Getuschel 'Mad-Dog-Lane' ist zu spät', einfach zu ignorieren. Der Chef saß noch mit einem Fremden, den sie nicht erkennen konnte, weil er ihr den Rücken zugewandt hatte, dort. Sie würde kurz 'Hallo' sagen und ihm nur mitteilen, dass sie weiter an der Raumfahrtgeschichte dran war und auch schon neue Informationen hatte.
Lois öffnete die Tür, ging auf den Chef zu, während der in einem mäßig strengen Ton sagte: „Darf ich vorstellen, Lois Lane, Clark Kent.“
Der fremde Mann drehte sich herum und sah sie an. Und dann traf sie der Schlag! Der Mann, den Perry ihr gerade als Clark Kent vorgestellt hatte, war der Mann aus der Bar! Der Mann, den sie eingeladen hatte, mit ihr die Nacht zu verbringen, der Mann, der sie auf so merkwürdige Art und Weise berührt hatte und der dann einfach gegangen war.
Wenn er nur ein einziges Wort sagen würde, war sie erledigt. Hier im Planet wusste niemand von ihren nächtlichen Exkursionen. Ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Was für Chancen hatte sie bei einer anderen Zeitung unterzukommen, wenn sie beim Planet kündigen würde? Perry würde ihr sicher ein gutes Zeugnis ausstellen. Und ihre Artikel sprachen ja auch durchaus für sich. Aber wo sollte sie hingehen? An die Westküste, oder besser gleich die Staaten verlassen? Sie hatte so hart dafür gearbeitet, genau hier anzukommen und nun konnte alles in wenigen Sekunden vorbei sein? Wie hatte sie nur so dumm sein können? Ohne Netz war sie gesprungen, nie hatte sie mit dem Gedanken gespielt, einen dieser Männer je wieder zu treffen, nicht in so einer riesigen Stadt wie Metropolis. Warum tat sich in diesem Moment kein Loch im Boden auf, in dem sie versinken konnte? Hatte sie dieser Mann letzte Nacht wirklich im Arm gehalten und war dann ohne ein Wort zu sagen verschwunden?
Der junge Mann – Clark Kent aus Kansas – reichte ihr die Hand. Sie versuchte jede nur denkbare Warnung in ihren Blick zu legen. Wenn er nur einen Ton sagen würde, es wäre einfach nur... nur peinlich. Aber es kam noch schlimmer. Wie aus einem Nebel hörte Lois die Stimme ihres Chefredakteurs weitersprechen, auch wenn davon nur Bruchstücke zu ihr durchdrangen, „... Clark ist unser neuer Kollege...“ Oh nein! Bitte alles, nur das nicht. Sie würde ihn jeden Tag sehen! Lois versuchte mit aller Kraft die Fassade zu wahren, während Perry fortfuhr: „Lois, ich möchte, dass Sie mit ihm an dieser Raumfahrtsache zusammen arbeiten.“ Lois brach innerlich zusammen. Ein Partner? - Nein! Sie wollte keinen Partner. Sie arbeitete lieber alleine. Und wenn schon einen Partner, dann jeder Mensch auf dieser Welt, aber nicht dieser Mann!
Lois Lane brauchte keinen Partner, sie hatte noch nie einen gebraucht. Sie brauchte keinen Klotz am Bein.
Doch, was konnte sie tun? Sie hatte die Geduld ihres Chefs in letzter Zeit mit ihren Alleingängen ganz schön strapaziert. Oder auch damit, dass sie diese langweilige Theatersache einfach nicht gemacht hatte. Sie konnte nicht ablehnen, Perry würde ihr die Ohren langziehen. Oh, Himmel hilf mir!, flehte sie innerlich. Auf der anderen Seite... Wenn dieser Mann schon unbedingt ihr Kollege sein musste, war es vielleicht besser... wenn sie ihn unter Kontrolle hatte. Je mehr er mit ihr sprach, umso weniger konnte er mit den anderen reden. Jedenfalls für den Anfang, für die ersten ein, zwei Tage. Dann hatte sie ihn bestenfalls dazu gedrängt, sich woanders einen Job zu suchen, oder schlechtestenfalls hatte sie ihm so gedroht, dass er nicht mal 'Piep' sagen würde.
Zeitpunkt ist direkt vor dem Pilotfilm und dann danach.
Meinen beiden Betas, KitKaos und Tahu ein riesiges Dankeschön. Beide haben nicht nur den Text überarbeitet sondern auch mitgeholfen die Story zu entwickeln. Und das wie immer sehr qualifiziert. Danke dafür!
Disclaimer: Die Serie "Superman - die Abenteuer von Lois & Clark", Clark Kent, Lois Lane, Daily Planet, Metropolis, Krypton – all das gehört nicht mir und die Charaktere auch nicht, sondern denen, die die Idee hatten, Jerry Siegel, Joe Shuster oder DC-Comics, um nur einige zu nennen. Nur die Idee für diese Geschichte ist meine. Ich schreibe nur für mich, und verdiene kein Geld damit.
Über Kommentare (und damit meine ich wirklich positive wie negative) würde ich mich natürlich riesig freuen.
Die Spielerin
Die Straßen noch feucht glitzernd vom letzten Schauer, spiegelten sich die Scheinwerfer der Autos bunt auf dem Asphalt, aber es hatte glücklicherweise gerade aufgehört zu regnen. Die Luft roch noch nach feuchtem Staub und der Himmel begann gerade wieder aufzuklaren. An so einem Abend, nach so einem reinigenden Schauer, konnte man selbst unter der Dunstglocke Metropolis' etwas von dem nun aufgehenden Sternenhimmel erahnen. Die Ruhe, die gerade noch vorherrschte, verdrängten die Metropoliser, die jetzt wieder hektisch aus allen Löchern gekrochen kamen, für die Schönheit des Himmels hatten sie aber sicher kein Auge.
Lois trat aus dem Restaurant 'Il Castillo', das war zwar nicht ihr erklärter Lieblingsitaliener, aber hier gab es einen hervorragenden Salat. Sie war froh, dass der heftige Regenschauer über die Stadt hereingebrochen war, während sie ihren Salat genossen hatte und dass er ihr nicht den jetzigen Weg vermiesen würde. Es war nicht der Heimweg, so viel war ihr klar - obwohl, vielleicht hätte sie der Regen ja davon abgehalten zu tun, was sie immer an so einem Abend tat. Wer wusste das schon? Aber es regnete nun mal nicht mehr. Also würde sie ihren Weg fortsetzen, auch wenn sie jetzt schon wusste, dass sie sich morgen früh dafür hassen würde, weitergegangen zu sein und nicht ohne Umwege nach Hause.
Nur ein paar Häuserblocks entfernt gab es diese kleine Bar, die eigentlich eine sehr nette und gemütliche Atmosphäre ausstrahlte, aber Lois war noch nie lange genug dort gewesen, um diese angenehme Stimmung zu genießen. Das dunkle Holz der Vertäfelung und dieser angenehme, warme Rot-Ton der Wände, zusammen mit der gedämpften Beleuchtung machten diese besondere Behaglichkeit aus. Doch Lois kam nicht wegen der Atmosphäre hierher, oder wegen der guten Musik, oder der einfallsreichen Cocktails, die es hier vielleicht gab oder wegen des netten Barkeepers. Nein, sie kam hierher mit einem Ziel vor Augen. Und bisher hatte sie das auch immer sehr schnell erreicht.
Kaum hatte sie die Tür geöffnet, ließ sie ihren Blick durch den Raum schweifen, da sah sie schon, dass sie auch heute wieder auf ihre Kosten kommen würde. An zwei Tischen saß jeweils ein Pärchen und sprach leise miteinander, uninteressant; an einem anderen Tisch saßen zwei ältere Männer, die angeregt über eine Sportveranstaltung diskutierten, auch uninteressant. Das, was sie wollte, oder besser gesagt, der, den sie wollte, saß links am Tresen und trank offenbar einen Whiskey. Das war genau ihr Typ. Ein junger Mann so um die dreißig, schlank, kurzes blondes Haar. Sein klassischer Nadelstreifenanzug und die Tatsache, dass er die 'Financial Times' las, ließ sie auf Börsenbroker tippen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verheiratet, wie ihr ein Blick auf seinen Ring zeigte. Wahrscheinlich lebte er in einer Kleinstadt mit ein oder zwei Kindern und war auf Geschäftsreise in der großen Metropole. Genau diesen Typ von Männern suchte sie, die stellten die wenigsten Fragen und hatten hinterher keine Ansprüche. Sie würde ihn danach nicht wieder sehen und somit würde er für sie nicht zu einem Problem werden.
Während Lois die Tür hinter sich schloss, gab es noch diesen kurzen Moment des Zögerns, dieses ganz kurze Zweifeln, obwohl sie wusste, sie würde weitergehen. Das tat sie immer. Auch wenn sie wusste, dass sie es dafür morgen früh nicht ertragen würde, sich im Spiegel zu betrachten. Aber sie brauchte diesen Kick heute Abend für ihr Selbstwertgefühl.
Wann hatte sie so einen Abend das erste Mal erlebt? Oh ja, sie wusste es wieder. Damals hatte sie den Schmuggelring für ausgediente russische Atomsprengköpfe entlarvt. Die Ermittlungen waren gefährlich, mit diesen Waffenschmugglern war wirklich nicht zu spaßen. Aber sie konnte der Polizei eine lückenlose Beweiskette liefern und schrieb natürlich einen Artikel dazu, der preisverdächtig war. Doch nach der anerkennenden Feier im Planet war ihr die Stille ihres Apartments unerträglich geworden. Und so war sie raus gegangen, um der Enge und der Kälte ihres Apartments zu entfliehen. Ein wenig Freiheit spüren und nicht sinnlosen Gedanken nachhängen
Letztes Mal war es die Betrugsserie um die öffentlichen Forschungsgelder, die sie wirklich mit Bravour aufgelöst hatte und das auch wieder ganz alleine. Und heute? Sie hatte, wieder mal im Alleingang, eine Autoschieberbande hochgehen lassen und naturgemäß wieder einen hervorragenden Artikel verfasst. Eleganz gelöst und brillant geschrieben. Eine Titelstory eben im Lois-Lane-Format. Sogar ihre Kollegen waren vor Neid erblasst, hatten ihr applaudiert und Perry sogar gratuliert. Sie war halt doch eine Größe beim Planet. Doch alleine Feiern zerstörte den Moment des Glücksgefühls, wenn das Adrenalin durch ihren Körper floss, sobald eine Titelstory von ihr gedruckt wurde. Abends war dann niemand mehr zum Reden da, jemand, dem sie beichten konnte, dass sie auch Angst gehabt hatte.
Nicht dass sie jemals in so einer Nacht mit einem dieser Männer geredet hätte, normalerweise wollte weder sie noch der Mann reden. Und trotzdem trieb sie genau dieses laute Schweigen, wenn sie alleine in ihrem Apartment saß, auf die Straße. In eine dieser beschaulichen Bars, zu einem von diesen durchreisenden Männern, in eine dieser Nächte, in denen sie doch nur mit aller Macht versuchte der Einsamkeit zu entfliehen, nur um ja nicht alleine zu sein.
Wenn sie in der Nacht auf die Jagd ging, zeigte ihr das, dass sie als Frau doch attraktiv war. Sie fühlte sich für diesen kurzen Augenblick schön und begehrt und die Tatsache, dass sie die Regeln aufstellte, gab ihr ein gutes Gefühl. Sie hatte sich in einer Männerwelt hochgearbeitet und hatte hart dafür gearbeitet. Heute hatte sie es sich verdient nicht alleine zu sein. Nicht zurück in das einsame kleine Apartment zu gehen. Sie suchte die Männer aus und nicht die Männer sie. Und sie hielt ihre Beute bewusst auf Distanz, wollte nichts über sie wissen und gab nichts preis, so lief sie keine Gefahr, durch die Nähe einer Beziehung verletzt werden zu können. Etwas war ihr noch sehr wichtig, sie durften nie zu lange bleiben, am liebsten, sie waren bereits wieder fort, wenn sie aufwachte.
Lois überwand den Moment des Zögerns und schloss die Tür. Das tat sie immer. Auch wenn sie wusste, dass sie es morgen früh nicht ertragen würde, sich im Spiegel zu betrachten.
Der Barkeeper nickte ihr zu; ob es nur als freundliche Begrüßung gemeint war, oder ob er sie wirklich wieder erkannte, wusste sie nicht. Ein wenig peinlich berührt ob der zweiten Möglichkeit, richtete sie ihren Blick schnell auf den jungen Mann am Ende des Tresens, ja, der gefiel ihr, sie ging auf ihn zu.
Lois sah den anderen Mann gar nicht, plötzlich war er einfach da, tauchte aus dem Nichts auf und stieß sie von der Seite an. Sie geriet ins Wanken, sah sich erschrocken um. Doch bevor sie vollkommen das Gleichgewicht verlor, fühlte sie sich auch schon gehalten. Zwei offensichtlich kräftige Arme hielten sie vorsichtig um die Taille und an ihrer Schulter und verhinderten so, dass sie vor dem Tresen der Länge nach hinschlug und sich wer weiß wie ernsthaft verletzte. Der Mann berührte sie kaum, er umfasste sie behutsam, aber effektiv. Ohne seine blitzartige Reaktion wäre sie sicherlich schmerzhaft gegen den hölzernen Tresen gestoßen, aber so war eigentlich gar nichts passiert.
Sie hob ihren Kopf und sah ihn an, den Verursacher dieses Zusammenstoßes und gleichzeitig ihren Retter. Lois versank in seinen Augen. Sie fühlte sich wie magisch von ihnen angezogen. Schokobraun, warm vom Ausdruck und mit so viel Güte im Blick wie Lois es nie zuvor bei einem Menschen gesehen hatte.
Erst beim zweiten Hinsehen sah sie, dass er eine Brille trug, eine geschmackvolle Brille. Konnte es sein, dass die Gläser diesen gütigen Blick noch verstärkten? In diesem Augenblick nahm er seine Arme von ihrem Körper. "Entschuldigen Sie, Miss. Das habe ich nicht gewollt", stammelte er mit sympathischer Stimme. Scheinbar wusste er nun nicht, wohin mit seinen Händen. "Sie haben sich hoffentlich nicht wehgetan. Oh, das ist alles meine Schuld..."
Ja, das ist es, dachte Lois. Und dieser Blick hielt sie weiterhin wie ein Magnet gefangen. Er berührte sie ganz tief in ihrer Seele. "Nein, nein. Alles halb so wild.", hauchte sie fast ein wenig abwesend.
Er ließ seinen Blick über ihr Gesicht wandern. Es war, als würde er ihr Innerstes streicheln mit seinen Augen, seinen schokobraunen Augen. Wie machte er das? Was passierte hier? Sie wollte wegsehen, wollte ihren Blick abwenden, aber es schien ihr die Kraft dafür zu fehlen. Und so verlor sie sich fast in diesem wohligen Strudel.
"Wirklich? Es geht Ihnen bestimmt gut?", fragte er fürsorglich. Seine Sorge um ihr Wohlergehen rührte sie.
Lois zeigte ihm ein vorsichtiges Lächeln, aber sie konnte sich immer noch nicht von seinen Augen losreißen, eingerahmt von dunklen Wimpern, und während sie nun nickte, zeigte sich auch auf seinem Gesicht ein Lächeln. Ganz feine Lachfältchen zeichneten sich um seine Augen ab. "Alles in Ordnung. Es ist doch gar nichts passiert." Wenn er lächelte, wirkten seine Augen noch wärmer, freundlicher, fast vertraut. Dieses wohlige Gefühl war ihr unheimlich, aber sie konnte sich nicht dagegen wehren.
"Da bin ich aber froh! Darf ich Sie für den Schrecken wenigstens zu einem Drink einladen?" In freudiger Erwartung sah er sie an.
Lois wollte nein sagen, alles in ihr schrie danach, dass sie ablehnte. Sie kannte diese Art Männer nur zu gut, diese scheinbar freundlichen, warmherzigen Männer, die ihr in der Vergangenheit so leicht das Herz gebrochen hatten. Immer wieder und wieder. Schon vor Jahren hatte sie sich deshalb geschworen, dass sie das nie wieder einem Mann erlauben würde. Genau das war der Zeitpunkt gewesen, an dem sie begonnen hatte, Männerbekanntschaften für eine Nacht zu suchen. Ein One-Night-Stand war eine klare Angelegenheit, für beide Seiten, keine Erwartungen an das Morgen, kein Ich-ruf-dich-an, keine Gefühlsbekundungen, die doch nur gelogen waren, keine Gedanken darüber, ob sie die andere Frau war, oder ob er sie mit einer anderen betrog. Sie sollte einfach nur 'nein' sagen, das war sicherer. Je mehr sie emotional involviert war, umso gefährlicher war es, umso komplizierter würde es werden. Es war ganz einfach, sie brauchte nur 'nein' zu sagen und schon war es vorbei... "Ja, gerne. Bestellen Sie mir bitte einen Weißwein." Wo war das nur hergekommen, was war nur mit ihr los?
Sie kaute ein wenig nervös auf ihre Unterlippe und atmete ganz leise einmal tief durch.
Aus dem Augenwinkel sah sie, dass der junge Mann mit den blonden Haaren am Ende des Tresens gerade seine Financial Times zusammenfaltete und sich daran machte zu gehen. Lois lächelte ihren Rempler an. Er sah eigentlich noch besser aus als der andere Mann. Dunkle Haare, fast schwarz, ein leicht gebräunter Teint. Er war vielleicht einen halben Kopf größer als sie selbst und wie es schien, ausgesprochen sportlich gebaut. Er trug einen dunkelblauen Anzug, doch Lois dachte bei sich, dass er auch in Jeans und Poloshirt sehr gut aussehen musste, oder noch besser in kurzen Hosen und Muskelshirt... Oh Lois, reiß dich zusammen, diese Männer mit diesen smarten Blicken sind gefährlich! Aber dieser fremde Mann ließ so eine alte, tiefe Sehnsucht in ihr aufkeimen und so warf sie ihre eigene Warnung kurzerhand über Bord.
Und einen dieser Blicke schenkte er ihr gerade wieder. "Verraten Sie mir Ihren Namen?"
Glücklicherweise nahm sie gerade einen Schluck Wein, das gab ihr die Möglichkeit wenigstens eine Sekunde nachzudenken, bevor sie antwortete. "Wanda... Ich heiße Wanda. Aber hören Sie, Sie scheinen nett zu sein, wirklich. Aber dies ist nur die kurze Begegnung zweier Reisender, mehr nicht. Ich will nicht wissen, wie Sie heißen, oder wo Sie herkommen. Obwohl ich mir sicher bin, dass Sie nicht aus Metropolis sind." Lois versuchte ihr Lächeln nicht allzu überheblich aussehen zu lassen.
"Smallville..." Er sah sie verschmitzt an.
Lois lachte. "Small... was? Wo ist das denn? In Iowa? Sind Sie da auf einer Ranch aufgewachsen?"
Er lächelte immer noch. "Kansas. Und wir haben mehr Getreide als Vieh."
"Hören Sie, Mister aus Nowheresville. Ich will es gar nicht wissen. Und das meine ich ganz ernst. Haben Sie auch irgendwas Interessantes zu berichten, außer Maisernte und Kleinstadtmief?", fragte sie mit einem provokanten Lächeln.
Er ließ sich durch ihre Anspielungen nicht aus der Ruhe bringen. "Vielleicht etwas aus meiner Zeit in Borneo, Stockholm oder Hong Kong?"
Lois lachte und zog eine Augenbraue hoch. "Sie wollen mir erzählen, dass Sie da überall gewesen sind?"
Der junge Mann aus Kansas ließ sich durch ihre Provokation überhaupt nicht stören. "Oh ja, allerdings. Auch in Kansas gibt es Flughäfen, Zeitungen oder Fernsehsender. In Hong Kong war ich für zwei Jahre, in Schweden und Borneo jeweils für ein Jahr als..."
Lois fiel ihm ins energisch Wort: "Ich will nicht wissen, als was Sie dort gearbeitet haben. Ich glaube Ihnen ja."
"Wanda, haben Sie Angst vor Persönlichkeit?" Er beobachtete sie scharf, wenn auch immer noch mit diesem umwerfenden Lächeln.
Sie nahm den letzten Schluck Wein, sah zum Barkeeper und zeigte ihm an, dass sie noch ein Glas wollte. Dann sagte sie zu ihrem Gegenüber aus Kansas: "Wenn Sie mich analysieren wollen, Farmboy, ist dieses Gespräch sofort zuende." Bei seiner letzten Bemerkung hatte sie das Gefühl, dass er ihr mit seinem berauschenden Blick nicht nur auf den Grund ihrer Seele blicken konnte, sondern, dass er sie selbst nach diesen wenigen Sätzen bereits einschätzen konnte. Lois, sei vorsichtig! Lass die Finger davon! Diese Art von Mann ist gefährlich!
Der junge Mann hob abwehrend die Hände. "Okay, okay. Ich hab verstanden."
Und dann, im weiteren Verlauf passierte etwas, was Lois wirklich erstaunte, sie fanden zu einem guten, fundierten Gespräch. Sie schienen alle wichtigen Themen dieser Welt anzuschneiden, mit Ausnahme von Arbeit und allem, was persönlich war. Dieser junge Mann war viel herumgekommen, hatte viel gesehen und gelernt und er hatte viel zu berichten. Er verfügte über eine sensible Beobachtungsgabe und einen mitreißende Erzählstil.
Inzwischen ignorierte Lois den Dauerton ihrer inneren Alarmglocke gänzlich. Nach dem zweiten Glas Wein sagte Lois mit einem ermunternden Lächeln zu ihm: "Kommen Sie, Farmboy aus Nowheresville, bringen Sie mich nach Hause, Sie haben es sich verdient."
Das tat sie immer. Auch wenn sie wusste, dass sie es dafür morgen früh nicht ertragen würde, sich im Spiegel zu betrachten.
~ ~ ~
"Bringen Sie mich nach Hause, Sie haben es sich verdient."
Clark wusste genau, was sie damit gemeint hatte, sie, die fremde Frau, die sich so unnahbar gab; die er fast über den Haufen gerannt hatte; bei der er sich einfach nur entschuldigen wollte; aber die dann den Fehler gemacht hatte ihn anzusehen... auf eine Art, als würde sie ihm auf den Grund seiner Seele sehen, was ihn so tief berührt hatte, dass es fast schmerzte. Und ihren Schmerz sah er in allem, was sie sagte oder machte.
Er war wirklich viel herumgekommen, hatte viel gesehen und erlebt, hatte Menschen getroffen, die Schicksale durchlebt hatten, die sich kein Mensch vorstellen konnte. Aber er wusste, wenn sich der Mensch erst mal mit seinem Schicksal ausgesöhnt hatte, wurde sein Blick wieder weicher, gewann die Zuversicht wieder die Oberhand. Aber diese Frau mit den rehbraunen Augen, die sich Wanda nannte; die ihm vormachen wollte, sie sei so stark, die ihm vormachen wollte, das alles berührte sie nicht; die ihm vormachen wollte, dieser Abend sei nur ein Spiel, bei dem sie die Regeln aufgestellt hatte; diese Frau, da war er sicher, handelte nur aus dem Impuls heraus, sich selbst emotional zu schützen. Sie hatte so eine hohe Mauer um sich herum errichtet, dass sie selbst sie nicht mehr überbrücken konnte. Sie hatte sich gefühlsmäßig so sehr abgekapselt, dass sie ihre wahren Bedürfnisse wahrscheinlich gar nicht mehr kannte. Und doch hatte sie ihn berührt, auf eine Weise wie er das noch nie erlebt hatte.
"Bringen Sie mich nach Hause, Sie haben es sich verdient."
Sie war ganz sicher nicht die Frau, die Geleitschutz brauchte. Dieser Satz bedeutete, sie wollte ihn. Sie wollte ihn für diese Nacht. Nur für diese Nacht. Keinen Namen, sie wollte noch nicht mal wissen, womit er seine Brötchen verdiente, selbst das war schon zu persönlich. Es könnte womöglich eine Bindung erzeugen, eine Bindung, die sie nicht wollte. Was hatte sie bloß erleben müssen, um sich selbst so einen Eispanzer verpasst zu haben?
Und was sollte er nun tun? Er war noch nie mit einer Frau nur für eine Nacht zusammen gewesen. Er war noch nie mit einer Frau auf diese Art zusammen gewesen. Nicht dass er Angst hatte vor Frauen, das bestimmt nicht, aber es gab in seinem Leben, in seinem ganz speziellen Fall einige Besonderheiten, die es mit sich brachten, dass er sich wirklich sehr sicher sein wollte, bevor er einer Frau so nah sein würde, bevor er ihr die ganze Wahrheit zeigte. Das und seine Moralvorstellung von der Beziehung zwischen Mann und Frau; das und die Tatsache, wie hoch er Frauen im Allgemeinen achtete; das und die Tatsache, dass sie sich doch überhaupt noch nicht kannten, all das führte zu einem klaren 'nein'. Er konnte unmöglich mit rauf kommen. Sie nach Hause bringen, gut. Er war schließlich ein Gentleman, aber dann musste er gehen. Es gab keine andere Lösung. Und dann kamen ihm ihre rehbraunen Augen in den Sinn...
Er begleitete sie zu ihrem Haus und bis in den sechsten Stock, gut, auch das war okay. Und es war natürlich sicherer für sie.
Ohne auch nur die Spur eines Zögerns öffnete sie ihre Tür, Apartment 607.
Sie öffnete die Tür und ließ ihn eintreten. Alles in Clark rief 'nein', 'geh jetzt', 'bevor es zu spät ist' und seine Füßen schienen ihr ganz von alleine zu folgen. Clark ließ flüchtig seinen Blick über die Einrichtung gleiten und wunderte sich ein wenig. Die Gestaltung der Wände, ein tiefes, dunkles Rot, abgesetzt mit einem zarten Pastel-Gelb, das Bücherregal aus gebürsteten Chrom, die skurrile Marionetten-Sammlung auf dem Sofa und das Plakat mit der Aufschrift 'La Dolce Vita' in der Küche, all das war eigentlich etwas zu schrill für sie.
Die Frau aus der Bar, die sich selbst den Namen Wanda gegeben hatte, ging an ihm vorbei, hing ihre Jacke an der Garderobe auf und ging dann ohne ein weiteres Wort in den hinteren Teil ihres Apartments, offensichtlich das Schlafzimmer. Clark folgte ihr, wobei er inzwischen von einer zermürbenden Spannung erfasst worden war. Wann würde er ihr sagen, dass er gehen würde? Wann war der beste Zeitpunkt dafür? Dieser Moment war doch eigentlich perfekt. Und doch blieb er. Was hielt ihn nur zurück?
Sie legte ihre Ringe in eine kleine Schale, die auf der Anrichte stand und dann sagte sie in einem Tonfall, der mit der Frau, die Clark in der Bar so fasziniert hatte, so gar keine Ähnlichkeit mehr aufwies, der so emotionslos erschien: "Deine Sachen kannst du auf den Stuhl dort legen." Dann zog sie sich ins Bad zurück. Den Satz 'Und das Geld kannst du hierher legen', ergänzte er im Geiste und biss sich selbst für diese nur gedachte Bösartigkeit auf die Zunge.
Clark sollte gehen, sofort. Das alles hier war ihm so fremd. Er wollte das nicht. Und sie? Was wollte sie? Es konnte doch nicht möglich sein, dass sie jetzt wirklich nur mit ihm ins Bett wollte. Wie passte das zusammen mit den Blicken, die ihn vollkommen verzaubert hatten? Mit der Wärme, die sie ausstrahlte, wenn sie erzählte? Und wie passte das zusammen mit der Verletzlichkeit, die sie hinter so hohen Mauern zu verstecken versuchte? Es konnte einfach nicht sein, dass sie das hier wollte. Es durfte einfach nicht sein, oder wollte er sich das nur einreden, weil sie ihm so sympathisch war, weil er sich auf eine Art von ihr angesprochen fühlte, die er noch nie erlebt hatte?
Clark öffnete die Knöpfe seines Jacketts und setzte sich auf das Fußende des Bettes. Clark, geh! Jetzt! Aber was ist mit der Frau hinter den Mauern? Ob er sie erreichen konnte? Ob sie ihm erlauben würde, zu ihr vorzudringen? Aber wie wahrscheinlich war das? Wie er es auch drehte und wendete, alles sprach dafür, dass dies hier nur schief gehen konnte. Er hätte so gerne mehr Zeit gehabt, aber sie war offensichtlich nur gewillt, ihm diese eine Nacht zu geben und nicht mehr. Er sollte gehen, einfach zur Tür raus. Sie würden sich nie wieder sehen. Er würde keine Ausrede brauchen, wenn er nur schnell genug an der Tür war, bevor sie zurückkam.
Die Tür zum Bad öffnete sich und sie kam heraus, abgeschminkt, aber glücklicherweise immer noch in dem Kostüm, das sie auch schon in der Bar getragen hatte. Sie sah ihn erstaunt an. "Und? Willst du nicht ablegen? Oder hat den Farmboy inzwischen der Mut verlassen?", fragte sie mit einem süffisanten Lächeln. Sie kam auf ihn zu und griff an das Revers seines Jacketts, wollte es ihm von den Schultern streichen.
Clark sah sie verzweifelt an, versuchte die Frau in ihrem Gesicht wieder zu finden, die noch vor einer halben Stunde sein Herz berührt hatte. Sie war nicht mehr da. Er verschränkte seine Arme vor der Brust und sie schien seine Geste genau als das zu verstehen, als was sie gemeint war.
Daraufhin drehte sie ihm den Rücken zu. "Wenn du nicht willst", fragte sie emotionslos, "warum bist du dann mit rauf gekommen?" Dann sah sie ihn wieder an und ihr Gesicht schien wie eingefroren, es zeigte nicht das kleinste Gefühl.
Clark wusste nicht, was er sagen konnte, was nur halbwegs plausibel klang. Er konnte doch nicht sagen, er hatte in ihren Augen eine verletzte Seele gesehen. Auf die Bemerkung hin würde sie ihn sicher sofort raus schmeißen. Das wollte er nicht, das wurde ihm nun klar, er wollte nicht gehen, er wollte einfach nur hier sein, hier bei ihr. Aber sie hatte ihre Erwartung wirklich sehr klar formuliert. Oder könnte es nicht vielleicht sein, dass auch sie etwas ganz anderes wollte? Er konnte doch unmöglich ihr Typ sein, sie hatte sich schließlich den ganzen Abend über abfällig über Kansas, Farmer, oder Smallville geäußert. Clark nahm all seinen Mut zusammen, im schlimmsten Fall würde sie ihn raus schmeißen. Ein wenig unsicher sah er sie an. "Ich... ich glaube einfach nicht, dass es nur das ist, was Sie wollen..."
Auch sie verschränkte nun ihre Arme vor der Brust und drehte sich wieder um, als sprach sie lieber mit der Wand. "Was weißt du schon, was ich wirklich will?" Sie umschlang ihren Oberkörper mit ihren Armen, als sei ihr kalt.
Clark beschloss noch etwas mehr Mut zu mobilisieren, mit abgedroschenen Phrasen würde er gar nichts erreichen, da war er sich sicher. "Zu der Frau in der Bar, die Sie mir vorhin gezeigt haben, würde es viel eher passen, dass sie sich nach Zärtlichkeit sehnt, statt nach einem One-Night-Stand. Die Frau, die Sie mir gerade zeigen, scheint so ganz anders zu sein... Und wer sind Sie wirklich?"
"Pah! Zärtlichkeit...!", stieß sie mit einem zynischen Unterton heraus. "Von welchem Planeten kommst du denn?" Mit der Frage sah sie ihn wieder direkt an. Der Zynismus stand ihr mitten im Gesicht, aber da war auch eine Spur Unsicherheit, wie ein Riss in der Fassade. Und da war auch wieder etwas von dem Blick zu erkennen, den sie ihm in der Bar von Zeit zu Zeit geschenkt hatte. Er war sich einfach sicher, dass sie ihm gerade viel mehr von sich selbst zeigte als die Frau, die kühl berechnend nur auf schnellen Sex aus war.
Bis zu diesem Moment hatte sie ihn immer noch nicht raus geschmissen. "Ja, Zärtlichkeit. Sind Sie nicht eigentlich nur auf der Suche nach jemanden, der Sie in den Arm nimmt?" Ihm war auch klar, dass sie gesagt hatte, sie wolle nicht analysiert werden, aber Clark konnte jetzt nicht aufhören. Er war sich sicher, dass sie ihm jetzt viel mehr ihres wahren Charakters zeigte.
Ein wenig unsicher fuhr sie sich durch die Haare. "Du bist witzig. Ich kann doch schlecht in eine Bar gehen und jemand Wildfremdes bitten, er möge mich in den Arm nehmen..." Sie sah ihn an, Zweifel, Weltschmerz und eine jahrelange Traurigkeit blickten ihn an.
"Sie waren bereit jemand Wildfremden in Ihr Bett zu holen. Das ist doch viel mehr. Aber wenn es doch nur um die Umarmung geht, einfach nur sagen. Das würde ich gerne tun..."
Unschlüssig stand sie da. Verknotete ihre Arme wie ein kleines Kind, das nicht wusste, ob sie sich trauen konnte zu sagen, was so tief in ihr steckte und was letztlich doch so offensichtlich war. Doch erst, als er seine Arme öffnete und sie ihr entgegenstreckte, nickte sie vorsichtig und kam langsam auf ihn zu. Behutsam setzte sie sich neben ihn als erwartete sie jeden Moment, dass er rief: 'War doch alles nur ein Spaß!' Aber sie schaffte es, sich ihm soweit zu nähern, dass er seine Arme um sie schlang. Erst als sie sich etwas entspannte und in seine zarte Umarmung schmiegte, nahm er sie etwas fester in den Arm. Und dann hielt er sie einfach nur fest. Nichts weiter. Kein Wort mehr, keine Fragen, keine Forderungen, sie saßen einfach nur dort, sie in seinen Armen.
Clark war überwältigt. Nie hätte er das für möglich gehalten. In diesem Moment war er sich sicherer denn je, dass sein Bild von der Frau, die sich hinter dicken, hohen Mauern versteckte, richtig war. Und sie ließ ihn hinter diese Mauern blicken, wenigstens für diesen kurzen Moment. Er traute sich kaum sich zu rühren, traute sich kaum zu atmen.
Sie hatte ihr Gesicht an seiner Brust vergraben und so sah er sich ein wenig verstohlen um. Schwarze Satinbettwäsche auf einem blutroten Laken. Über dem Kopfende des Bettes schwebte ein sehr kitschiger, goldener Amor, der seinen Pfeil direkt auf Clark gerichtet zu haben schien. Plötzlich fragte er sich, ob das ihr Stil war. Ihr Auftreten war eher elegant und dies hier war doch ausgesprochen kitschig, aber er hätte es auch nie für möglich gehalten, dass die Frau, die ihn so sehr berührt hatte, nichts anderes wollte als mit ihm zu schlafen.
Nach einer Weile bemerkte Clark an ihrem gleichmäßigen Atem, dass sie eingeschlafen war. Einerseits machte ihn das traurig, andererseits zeigte es ihm, dass sie sich wirklich entspannt hatte, dass sie ihm soweit vertraut hatte, dass sie losgelassen hatte. Es war eine unglaubliche Erfahrung.
Er legte sie sehr behutsam auf das Bett, deckte sie vorsichtig zu und überlegte, was er nun machen sollte. Sollte er bleiben? Sollte er sie im Schlaf beobachten? Nein, ganz sicher nicht. Doch es fiel ihm schwer, so ohne ein Wort zu gehen. Leise ging er nach nebenan, neben der Wohnungstür sah er einen Block Notizzettel, aber was sollte er schreiben? Ich bin gegangen, nachdem Sie eingeschlafen sind. Ich ziehe die Tür einfach zu. Schlafen Sie gut – der Mann aus Kansas Er hätte so gerne mehr geschrieben, dass er sie wiedersehen wollte, ihr seine Telefonnummer aufschreiben, dass er sie mochte, dass er sich um sie sorgte, aber er war sich sicher, all das wollte sie gar nicht wissen. Nur ein kurzer Moment des Zögerns noch, dann ging er. Er verließ ihr Apartment so leise, dass sie nicht mehr aufwachte, sah von der Tür aus noch einmal zurück und ging.
Erst auf der Straße traute sich Clark wieder durchzuatmen. Was für ein Abend? Was für eine Nacht? Was für eine Frau? Ob er sie wiedersehen würde? Er wusste natürlich, wo sie wohnte, aber würde sie das wollen?
Die Gedanken in seinem Kopf fuhren Achterbahn. Diese Begegnung der besonderen Art... Die Stadt Metropolis, der Lärm der vorbeifahrenden Autos, ungeduldiges Hupen und der Gestank der Abgase – ja, hier könnte er sich wie Zuhause fühlen.
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Clark erwachte in seinem etwas schäbigen Hotelzimmer mit dem gleichen Bild, mit dem er gestern Abend eingeschlafen war: Die Frau der letzten Nacht. Er sah ihr Gesicht vor seinem inneren Auge, sah die kühle Berechnung, mit der sie versucht hatte, ihr Ziel zu erreichen, was wohl aber nur ihr Versuch war, Distanz zu schaffen. Und er erinnerte sich an die Verletzlichkeit in ihrem Blick. Doch die Frage, ob sie sich wiedersehen konnten, oder sollten, musste er beiseite schieben und zu einem anderen Zeitpunkt durchdenken, heute würde er sich erst einmal um das Problem einer Anstellung kümmern, das hatte oberste Priorität. Deswegen war er nach Metropolis gekommen, um seinen Traum zu verwirklichen.
Am gestrigen Tag hatte er sich beim berühmten Daily Planet vorgestellt, von dem legendären Chefredakteur Perry White aber eine Absage kassiert. Doch während des Vorstellungsgespräches hatte er mitbekommen, wie Mr. White mit der sagenumwobenen, mehrfach preisgekrönten Lois Lane telefoniert hatte, sie sollte einen Stimmungsbericht über eine Theaterschließung schreiben, was ihr wohl aber nicht lag; sie sei nicht in der Stimmung, wie sie ihm am Telefon gesagt hatte. Das war seine Chance. Nach dem Gespräch mit Mr. White war Clark zu dem Theater gefahren und hatte nach ein paar Recherchen genau diesen Bericht geschrieben. Er wollte ihn dem Chefredakteur gleich heute Morgen vorlegen. Vielleicht würde er ihn in hohem Bogen aus der Redaktion werfen, aber einen Versuch war es doch wert. Er hatte ja nichts mehr zu verlieren.
Nur eine Stunde später erlebte Clark, wie genau dieser Mr. White, der ihm noch gestern gesagt hatte, dass er für den Daily Planet nicht taugen würde, andächtig seinen Artikel vorlas. Clark hatte ihn eigentlich so geschrieben, wie er immer schrieb, Fakten, gemixt mit ein paar Zeitbezügen und das ganze gewürzt mit einer kräftigen Spur Persönlichkeit. Und die Mischung schien zu stimmen. Während Perry White noch gebannt auf das Papier schaute, dachte Clark über dieses und jenes Wort nach, was er eigentlich noch besser hätte ausdrücken können, aber der Chefredakteur der besten Zeitung Amerikas reichte ihm daraufhin die Hand. „Wissen Sie, Mr. Kent, was ich noch mehr schätze als Erfahrung, ist Eigeninitiative! Willkommen beim Daily Planet!“
Clark konnte es kaum glauben, er hatte es geschafft, er arbeitete ab sofort für den Daily Planet! Nun konnte er zeigen, was in ihm steckte!
Doch er bekam kaum eine Minute Zeit, sich über diesen Umstand zu freuen, oder die Atmosphäre des Redaktionsbüros aufzunehmen, das Gemurmel der Gespräche, das Klingeln der Telefone, das Kratzen der Bleistifte auf dem Papier und den Geruch der Druckerfarbe, der über allem zu schweben schien. Als allererstes lernte er Jimmy Olsen kennen, der junge Mann arbeitete dort als Bürobote, hatte aber, wie er sofort erzählte, große Pläne, wollte Fotoreporter werden und musste dafür den Weg von ganz unten nehmen. Jimmy sah ihn aus freundlichen Augen, mit einem jungenhaften Lachen an. Er machte Clark aber sofort darauf aufmerksam, dass die Arbeit beim Planet durch die vollkommen veralteten Computer erschwert würde. Er schien nett und sympathisch zu sein. Als nächstes erklärte er Clark kurz die Rubriken der Zeitung und stellte ihm ein paar seiner jetzigen Kollegen vor. Und er teilte ihm einen eigenen Schreibtisch am Rande des Redaktionsbüros zu. Der Platz gefiel Clark, von hier hatte er einen guten Überblick und niemanden im Rücken sitzen, sehr gut. Andächtig ließ er seine Finger über die Schreibtischplatte gleiten, wie viele Kollegen hatten hier schon vor ihm gesessen und ihre Artikel verfasst? Doch auch dafür hatten sie kaum wirklich Zeit - Morgenbesprechung beim Daily Planet.
Clark versuchte sich jedes gehörte Wort zu merken, bis jetzt wusste er noch nicht, was er heute zu tun bekam und er wollte auf jeden Fall vermeiden, dass er irgendwann mal nicht wusste, wovon gerade gesprochen wurde.
Mr. White verteilte verschiedene Aufgaben an die Kollegen, er schlug dabei einen strengen Ton an, aber es war nicht zu verkennen, dass er sich diese harte Hülle selbst auferlegte, um sich Respekt zu verschaffen. Clark vermutete, dass er ein weiches Herz hatte. Aber das schien er sehr gut verbergen zu können, wenn etwas nicht nach seiner Vorstellung verlief.
„Jimmy, verdammt noch mal, wo ist Lois?“ blubberte er los.
„Keine Ahnung Chief.“, redete sich der Angesprochene heraus, „Ich hab sie noch nicht gesehen heute.“
„Okay, Morgenbesprechung beendet, das war's! Wir haben hier eine Zeitung zu machen! Also an die Arbeit!“, forderte er die anderen Mitarbeiter auf, den Konferenzraum zu verlassen und nachdem alle Kollegen den Raum verlassen hatten, sah er Clark an und fuhr sehr viel ruhiger fort: „Also gut, Kent, ich hatte eigentlich gedacht, ich lasse Sie mit Lois Lane zusammenarbeiten. Ich weiß nicht, ob Sie schon mal von ihr gehört haben?“ Clark nickte innerlich. Oh ja, wenn er von jemandem gehört hatte, dann ja wohl Lois Lane, die Enthüllungsreporterin des Daily Planet, die Frau, die für ihr Alter bereits erstaunlich viele Preise gewonnen hatte, die Frau, deren Namen im ganzen Land bekannt war, wenigstens in Journalistenkreisen. Und er sollte nun mit ihr zusammenarbeiten – wow! Perry White fuhr fort: „Aber sie ist leider nicht da. Sie arbeitet da gerade an so einer Raumfahrtsache, ich weiß noch nicht wirklich, ob an ihrem Sabotageverdacht etwas dran ist... Nun ja, sehen Sie einfach, wie Sie mit ihr zurechtkommen. Sie ist vielleicht nicht die Einfachste, aber Sie können viel von ihr lernen... Oh, wie passend“, Mr. White nickte lächelnd jemandem zu, der den Raum außerhalb von Clarks Gesichtsfeld betrat. Er versuchte dabei streng auszusehen. Immer noch an die andere Person gerichtet sagte der Chefredakteur dann: „Darf ich vorstellen, Lois Lane, Clark Kent.“
Clark stand von seinem Stuhl auf, das gehörte sich schließlich, wenn er der berühmten Lois Lane vorgestellt wurde, er drehte sich langsam um - und dann sah er sie, sein Blick fiel als erstes auf ihre Schuhe, die in eleganten Pumps steckten, sein Blick folgte ihren Beinen, sie hatte ausgesprochen schöne Beine, ein elegantes bordeauxrotes Kostüm, dunkles, schulterlanges Haar – und dann sah er in ihre Augen... und konnte es nicht fassen. Sein Herz setzte einen Schlag aus, er hielt den Atem an – bloß nichts anmerken lassen! Diese Augen... es waren die Augen, die ihn den ganzen gestrigen Abend in ihren Bann gezogen hatten, dies war die Frau aus der Bar, Wanda – er hatte gleich gewusst, dass der Name nicht stimmte...
Und sie? Wenn Blicke töten könnten... dann würde Clark jetzt hier auf der Stelle tot umfallen, sie massakrierte ihn mit ihrem Blick, vierteilte ihn... und er hätte schwören können, dass sie ihn stumm aufforderte, ja kein Wort zu sagen.
Clark reichte ihr vorsichtig seine Hand.
~ ~ ~
Lois kam hastig in die Redaktion. Schon wieder mal zu spät. Sie hatte schon von ihrem Apartment aus diverse Telefongespräche geführt und die hatten, wie schon so oft, viel mehr Zeit in Anspruch genommen als sie dafür eingeplant hatte. Leider passierte ihr das öfter, aber sie hatte den ganzen gestrigen Tag vergeblich versucht Platt zu erreichen, da musste sie einfach jede Möglichkeit nutzen. Verdammt! Die Morgenbesprechung schien sogar schon zu Ende zu sein. Die Kollegen kamen ihr alle aus dem Konferenzraum entgegen. Lois versuchte das Grinsen der anderen und ihr schnippisches Getuschel 'Mad-Dog-Lane' ist zu spät', einfach zu ignorieren. Der Chef saß noch mit einem Fremden, den sie nicht erkennen konnte, weil er ihr den Rücken zugewandt hatte, dort. Sie würde kurz 'Hallo' sagen und ihm nur mitteilen, dass sie weiter an der Raumfahrtgeschichte dran war und auch schon neue Informationen hatte.
Lois öffnete die Tür, ging auf den Chef zu, während der in einem mäßig strengen Ton sagte: „Darf ich vorstellen, Lois Lane, Clark Kent.“
Der fremde Mann drehte sich herum und sah sie an. Und dann traf sie der Schlag! Der Mann, den Perry ihr gerade als Clark Kent vorgestellt hatte, war der Mann aus der Bar! Der Mann, den sie eingeladen hatte, mit ihr die Nacht zu verbringen, der Mann, der sie auf so merkwürdige Art und Weise berührt hatte und der dann einfach gegangen war.
Wenn er nur ein einziges Wort sagen würde, war sie erledigt. Hier im Planet wusste niemand von ihren nächtlichen Exkursionen. Ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Was für Chancen hatte sie bei einer anderen Zeitung unterzukommen, wenn sie beim Planet kündigen würde? Perry würde ihr sicher ein gutes Zeugnis ausstellen. Und ihre Artikel sprachen ja auch durchaus für sich. Aber wo sollte sie hingehen? An die Westküste, oder besser gleich die Staaten verlassen? Sie hatte so hart dafür gearbeitet, genau hier anzukommen und nun konnte alles in wenigen Sekunden vorbei sein? Wie hatte sie nur so dumm sein können? Ohne Netz war sie gesprungen, nie hatte sie mit dem Gedanken gespielt, einen dieser Männer je wieder zu treffen, nicht in so einer riesigen Stadt wie Metropolis. Warum tat sich in diesem Moment kein Loch im Boden auf, in dem sie versinken konnte? Hatte sie dieser Mann letzte Nacht wirklich im Arm gehalten und war dann ohne ein Wort zu sagen verschwunden?
Der junge Mann – Clark Kent aus Kansas – reichte ihr die Hand. Sie versuchte jede nur denkbare Warnung in ihren Blick zu legen. Wenn er nur einen Ton sagen würde, es wäre einfach nur... nur peinlich. Aber es kam noch schlimmer. Wie aus einem Nebel hörte Lois die Stimme ihres Chefredakteurs weitersprechen, auch wenn davon nur Bruchstücke zu ihr durchdrangen, „... Clark ist unser neuer Kollege...“ Oh nein! Bitte alles, nur das nicht. Sie würde ihn jeden Tag sehen! Lois versuchte mit aller Kraft die Fassade zu wahren, während Perry fortfuhr: „Lois, ich möchte, dass Sie mit ihm an dieser Raumfahrtsache zusammen arbeiten.“ Lois brach innerlich zusammen. Ein Partner? - Nein! Sie wollte keinen Partner. Sie arbeitete lieber alleine. Und wenn schon einen Partner, dann jeder Mensch auf dieser Welt, aber nicht dieser Mann!
Lois Lane brauchte keinen Partner, sie hatte noch nie einen gebraucht. Sie brauchte keinen Klotz am Bein.
Doch, was konnte sie tun? Sie hatte die Geduld ihres Chefs in letzter Zeit mit ihren Alleingängen ganz schön strapaziert. Oder auch damit, dass sie diese langweilige Theatersache einfach nicht gemacht hatte. Sie konnte nicht ablehnen, Perry würde ihr die Ohren langziehen. Oh, Himmel hilf mir!, flehte sie innerlich. Auf der anderen Seite... Wenn dieser Mann schon unbedingt ihr Kollege sein musste, war es vielleicht besser... wenn sie ihn unter Kontrolle hatte. Je mehr er mit ihr sprach, umso weniger konnte er mit den anderen reden. Jedenfalls für den Anfang, für die ersten ein, zwei Tage. Dann hatte sie ihn bestenfalls dazu gedrängt, sich woanders einen Job zu suchen, oder schlechtestenfalls hatte sie ihm so gedroht, dass er nicht mal 'Piep' sagen würde.