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Gestern, Morgen und zurück...

FanFiction zur TV-Serie "Superman - die Abenteuer von Lois und Clark" (orig. "Lois and Clark - the New Adventures of Superman")

Gestern, Morgen und zurück...

Beitragvon Gelis » Do 30. Dez 2010, 18:12

Meine erste und schönste Pflicht ist es, KitKaos und Magss, meinen beiden Betas (den Besten!), allerherzlichst :danke: zu sagen!
Eure Hinweise und die guten Ratschläge waren Gold wert und haben mir sehr geholfen, haben überhaupt erst bewirkt, dass diese FF hier erscheint. Findet Ihr beiden nicht auch, dass die sieben Monate Wartezeit der Story nur gut getan haben?

In dieser Geschichte möchte ich mich um den anderen Clark aus der Parallel-Welt kümmern. Ihm gehört mein ganzes Mitgefühl, nicht, dass er schon im Alter von 10 Jahren seine Eltern verlor, nein, in seiner Dimension ist Lois im Jahre 1993 in Afrika verschwunden, nur ein Grabstein erinnert an sie. Das kann ich so nicht hinnehmen, dafür gibt es ja schließlich die herrliche Erfindung der Fanfiction.

Pfeiler meiner Story sind zwei Episoden aus der L&C–Serie und zwar 3.14 „Die Sache mit Lana Lang / Tempus Anyone?“ und 4.15 „Zwei Clarks für Lois / Lois and Clarks“, aus denen ich auch einige Dialoge entnommen habe.

Kleine Warnung: Das wird eine „schmalzige Friede-Freude-Eierkuchen-Geschichte“, wer Action erwartet, wird sicher enttäuscht sein! Trotzdem bin ich sehr gespannt auf Euer Feedback! (Ganz gleich, wie es ausfällt!)

Disclaimer: Die Figuren haben andere erfunden, diese FF schrieb ich zu meinem eigenen, höchsten Vergnügen ohne davon einen finanziellen Gewinn zu erzielen.


Lois in Afrika (1/12)

Zeit: 02. Februar 1993
Ort: Namibia, in einer Lodge am Rande des Etosha-Nationalparks/ 2. Welt



Durch den Touchdown ein wenig humpelnd und schlingernd rollte das kleine zwölfsitzige Geschäftsflugzeug, die Beechcraft King Air 350, auf der provisorischen Landepiste aus. Drei Stunden hatte der Flug von Brazzaville im Kongo bis hierher in den Nordosten von Namibia am Rande des Etosha-Nationalparks gedauert.

Mit leichtem Kopfweh stieg Lois die kurze Gangway hinunter. Sofort umschwirrten gierig Insekten ihr Gesicht. Mit beiden Händen musste sie die lästige Plage abwehren.

Was wollte sie überhaupt hier in Namibia? Ein tiefer Seufzer hob ihre Brust. Eigentlich hatte sie doch nur noch den Wunsch, heim nach Metropolis zu fliegen. In ihre eigenen, bequemen vier Wände ohne Hitze, Schwüle und so viele Insekten.

Ob alles in ihrem Appartement in Ordnung war? Aber sicher, denn zum Glück hatte sich Lucy bereit erklärt, sich während ihrer Abwesenheit ein wenig um die Wohnung zu kümmern. Sie hatte zwar noch einen Job neben ihrem Studium, aber auf Schwesterchen war Verlass!

Die Eltern waren auch verreist. Zurzeit waren sie zu einem Ärzte-Kongress in London. Bei der Gelegenheit wollten sie noch andere europäische Großstädte besuchen. Sie hatten die Absicht, in etwa zehn Tagen auch wieder in Metropolis zu sein.

Es war ihr Jagdinstinkt, der Lois von dort bis nach Brazzaville geführt hatte. Nicht umsonst war sie die Starreporterin des Daily Planet! Das hatte sie erneut mit dieser preisverdächtigen Enthüllungs-Story bewiesen.

Sie war einem internationalen Waffenschmugglerring auf die Spur gekommen. Durch ihre Recherchen und die damit verbundenen Erkenntnisse war es gelungen, Verbindungen aufzudecken, die es der internationalen Polizei ermöglicht hatten, einige Verhaftungen vorzunehmen.

Aber wie in den meisten Fällen blieben die Köpfe auch dieser kriminellen Vereinigung leider unentdeckt im Dunklen.

Die ganze fünfteilige Story war schon mit den ersten beiden Teilen veröffentlicht worden, die drei restlichen waren fast druckreif, nur einige feine Änderungen wollte sie noch vornehmen. Mit ihnen im Gepäck beabsichtigte sie dann in einigen Tagen heim zu düsen. Perry würde sicher sehr mit ihr zufrieden sein! Der Stolz ließ ein kleines Lächeln über ihr Gesicht huschen.

Aber nun war sie erst einmal hier. Sie hatte versprochen, vor ihrem Heimflug einige Urlaubstage in Namibia mit Bill und Kate Jenkins zu verbringen. Bill war der Westafrika-Korrespondent des Planet. Seine Frau und er hatten sie in der vergangenen Zeit so sehr bei ihren Recherchen unterstützt und ihr in ihrem Haus in Brazzaville Unterkunft gewährt.

Dem Alter nach hätte Lois ihre Tochter sein können und wurde von ihnen auch wohl in der Zeit ihrer Anwesenheit so betrachtet. Sehr liebevoll war sie von den beiden umsorgt worden. Darum hatte sie ihnen ihren Wunsch zu einer Flugreise zum Etosha-Nationalpark in Namibia nicht abschlagen können.

In wenigen Nationalparks in Afrika, hatten die beiden argumentiert, könne man so viele und so unterschiedliche Tierarten in freier Wildbahn sehen wie hier. Und das sollte sich doch bitte das Großstadtkind aus den fernen USA nicht entgehen lassen. Es wäre etwas ganz anderes, als die eingesperrten Tiere im Metropoliser Zoo.

Als Alternative hatte Bob ihr einen Besuch des Odzala National Parks im Kongo angeboten, die Attraktion dort wären Gorillas und die seltenen Waldelefanten, aber das erschien Lois zu beschwerlich. Tagelang im Regenwald in Feuchtigkeit und Hitze herumzulaufen, damit sie diese Tiere zu Gesicht bekam, verfolgt von Millionen Moskitos, diesen Stechmonstern, das war ganz sicherlich nicht ihr Ding, brrr, nein danke.

Die Wildbesichtigung im Nationalpark mit der Etosha-Pfanne in den eigens dafür umgebauten Fahrzeugen entsprach dann schon eher ihren Vorstellungen von Freizeitgestaltung, zumal der Äquator doch etwas weiter entfernt war.

Die Temperaturen würden sich hier auch trotz des Sommers *nur* zwischen 20 – 28° bewegen, hatte Bob ihr erklärt. Hier wäre zwar gerade Regenzeit, aber auch die Regenfälle hielten sich in Grenzen. Die größeren Mengen würden erst im März und April vom Himmel stürzen. Meistens kämen die Schauer sowieso nachts und die trockene Erde würde sofort alles aufsaugen. Also alles in allem wären die äußeren Bedingungen doch für sie erträglich.

So hatte Bill versucht, ihr das Ganze schmackhaft zu machen. Die beiden hatten sich wie kleine Kinder gefreut, als Lois ihnen ihre Zustimmung zu dieser Reise gegeben hatte.

Im Übrigen war die Exkursion sehr unkompliziert. Ein Freund des Ehepaares musste geschäftlich nach Windhoek und Johannisburg und würde sie in drei Tagen wieder abholen. Und dann, ja, dann wollte sie sofort am nächsten Tag über Paris zurück nach Metropolis fliegen! Doch das war vorerst nur Zukunftsmusik.

Durch Erzählen und Schauen war die Luftreise hierher schnell vergangen, von Brazzaville aus war es über Angola strikt nach Süden gegangen. Bob war der Meinung, der Flug wäre ja bloß ein Katzensprung für diesen großen Kontinent.

Durch eine Ehrenrunde über der Lodge hatte der Pilot ihre Ankunft signalisiert. Die zu ihr gehörende Landepiste lag nicht weit entfernt auf dem Gelände einer ehemaligen Farm. Ein einheimischer Bediensteter stand schon zur Abholung der drei neuen Gäste mit einem Jeep bereit. Mit großem Stolz und offensichtlicher Heimatliebe machte er sie unterwegs ein wenig mit der Landschaft vertraut.

Die Lodge lag in den Büschen und Bäumen des Trockenwaldes, der von den bis zu acht Meter hohen Tamboti-Bäumen dominiert wurde. Er ging in Richtung der Pfanne in die Kurzstrauchsavanne über.

Ihr Domizil war nur wenig von den östlichen Ausläufern des Parks und dem Von-Lindequist-Tor entfernt.

Morgen in der Frühe sollte die erste Tour in den Nationalpark unternommen werden, kündigte er an. An den zurzeit gut gefüllten Wasserlöchern könnten die verschiedensten Tiere beobachtet und mit der Kamera „geschossen“ werden.

Die etwas schaukelnde Fahrt dauerte nicht lange, schon bald war ihr Ziel erreicht. Die Lodge bestand aus zehn kleinen Chalets, die ein Hufeisen bildeten, das von Buschwerk umgeben war. Im Hintergrund stand das etwas größere Wirtschaftsgebäude. Inmitten der Häuschen leuchtete angenehm kühl ein Swimmingpool. Bäume und die in der Nähe liegende Bar spiegelten sich darin. Die sollte allerdings erst am Abend in Betrieb genommen werden.

Ganz in der Nähe außerhalb der Büsche konnten die Gäste ein Wasserloch an einer Baumgruppe erblicken. Es war wohlgefüllt und die Tiere würden es gerne aufsuchen.

Freundlich wurden die drei neuen Besucher zu ihren Bungalows geführt. Lois nahm den ihren in Besitz. Neugierig schaute sie sich darin um.

Der Raum war nicht üppig aber freundlich eingerichtet. Ein wenig Zigarettenrauch von einem der vorherigen Gäste war noch zu erschnuppern. Die Klimaanlage summte ihr eintöniges Lied, hielt aber die Temperatur auf einem erträglichen Niveau. Durch die geschlossenen Fenster und Türen drang kein Geräusch von draußen herein.

Lois packte die notwendigsten Utensilien aus, machte sich ein wenig frisch und sprühte sich von Kopf bis Fuß gegen die Dauer-Quälgeister ein. Der Raum war nun erfüllt mit dem Duft von Chemie und einer Spur Lavendel. Mit Genugtuung bemerkte sie, dass das große Bett mit einem dichten Schleier versehen war, der würde sie in der Nacht vor diesen unerwünschten Besuchern schützen.

Bereit für den Abend nahm sie ihren Hut in die Hand und trat hinaus auf die bedachte Terrasse, auf der sie von Kate und Bob schon erwartet wurde. Vogelgesang erklang, etwas weiter entfernt in den umliegenden Bäumen kreischten ein paar Affen. Ein schwacher Wind wehte, strich sanft durch ihr Gesicht und spielte mit ihren Haaren. Der Druck in ihrem Kopf war verflogen.

Die höhere Temperatur hüllte sie ein wie ein warmes Tuch. Doch sie war wirklich erträglich, besonders durch den kühlen Drink, der ihr gereicht wurde. Der aufmerksame Bob hatte für seine beiden Damen bereits die Mini-Bar geplündert.

Nach dem spektakulären Sonnenuntergang, den sie in aller Ruhe genießen wollten, sollte unter freiem Himmel bei Kerzenschein das Abendessen serviert werden.

Die Sonne näherte sich dem Horizont und ließ die Schatten der Blutfruchtbäume immer länger werden. Zu den Vogellauten gesellte sich aus der Küche Geklapper von Geschirr und sonstigen Behältnissen, dazu noch ein fröhlicher, rhythmischer Gesang.

Bobs Erzählung der sehr traurigen Legende von der Entstehung der Etosha-Pfanne, wie die San sie überliefert hatten, wollte gar nicht dazu passen:

Bei einem Überfall auf ein Dorf dieser Buschleute wurden alle Männer ermordet, nicht einer überlebte. Eine Frau, die ihren Ehemann, ihre Söhne und sämtliche männliche Mitglieder ihrer großen Familie bei diesem Massaker verloren hatte, weinte bitterlich über ihren Verlust. Ihre Tränen flossen so zahlreich und ergiebig, dass sich aus ihnen ein großer See bildete. Durch die afrikanische Sonne trocknete der See allmählich aus, zurück blieb die weiße Salzpfanne.

Obwohl der Anlass ja mehr als tragisch war, dachte Lois mit leisem Bedauern darüber nach, dass es in ihrem Leben keinen Mann gab. Ja, einige wenige Beziehungen hatte sie schon gehabt, aber keine war von Bedeutung gewesen, so dass nach ihrem Ende auch keine tiefen seelischen Schäden zurückgeblieben waren. War sie zu anspruchsvoll? Keiner war dabei gewesen, mit dem sie gerne ihr ganzes Leben geteilt hätte. Ob sie den Richtigen wohl jemals finden würde?

Das der Legende folgende Gespräch streifte noch viele Themen. Es plätscherte so leicht dahin, als der Boy zu ihnen trat und Bob zu einem Telefongespräch bat, das er dringend erwartete. Die Leitung war einmal nicht „out of order.“ Er war gerade im Hauptgebäude verschwunden, als sich Kate für einen Gang zur Toilette erhob und sich bei ihr entschuldigte.

Mit einem Lächeln nickte Lois ihr zu, auch Kate entschwand. Lois lehnte sich entspannt zurück und sah den Sonnenstrahlen nach.

Sie war im Grunde genommen dankbar für diese kurze Zeit des Alleinseins, so konnte sie ungestört ihren Empfindungen freien Lauf lassen. Es war ein magischer Augenblick mit einer undefinierbaren Atmosphäre. Sie nippte träge an ihrem Glas und fühlte sich so wohl wie lange nicht mehr, geborgen und behütet auf eine seltsame Art, die ihr sonst fremd war.

Jetzt konnte sie ihre Ungeduld, die sie bei der Ankunft empfunden hatte, gar nicht mehr nachvollziehen. Mit Verwunderung stellte sie fest, dass sie sich nun über ihr Hiersein freute und voller Erwartung auf die kommenden Ereignisse war.

Gesang und Geräusche aus der Küche waren verstummt, bis auf ein protestierendes Geschrei einiger gestörter Vögel und dem Schwirren von Faltern und Insekten herrschte eine himmlische Ruhe. Auch die Affen mussten wohl auf ihrer Futtersuche weiter gezogen sein.

Weit und breit war niemand zu sehen. Die wenigen anderen Gäste waren noch nicht von der Sundowner Tour zurückgekehrt. Nur ein paar Meter von ihr entfernt staksten zwei langbeinige große Vögel am Swimmingpool umher und suchten zwischen den Platten nach etwas Fressbarem.

Lois stand jählings auf. Als ob sie jemand dazu zwingen würde. Sie setzte ihren Hut auf und ging zu der offenen Stelle des Hufeisens. Dort schaute sie hinaus in den Trockenwald und die dahinter teilweise sichtbare Kurzstrauchsavanne.

Die Abendhitze flimmerte in der Luft. Im rötlich-gelben Licht der dem Horizont schon sehr nahen Sonne sah sie in einiger Entfernung die Silhouetten von Gnus, Zebras und Gazellen langsam vorüberziehen. Der aufgewirbelte Staub glitzerte in dem Abendlicht wie Golddunst. Von irgendwo her ertönte der Trompetenstoß eines Elefanten. Das Panorama war klischeehaft, aber trotzdem überwältigend.

Eine Bewegung am Wasserloch ließ sie aufmerksam werden. Neugierig, wie sie nun einmal war, näherte sie sich langsam der Stelle. Es war eine kleinere Impala-Gazelle. Sie hatte sich wohl zu weit von der Herde entfernt. Lois pirschte sich vorsichtig heran. Das niedliche Tier sah ihr interessiert entgegen. Lois hielt ihm ein paar Grashalme hin.

Doch unversehens raschelte es neben ihr. Erschrocken sah sie seitlich in zwei gelbe, funkelnde Raubkatzenaugen. Die Gazelle machte einen riesigen Satz und eilte in hohen Sprüngen davon. Lois stand da wie gelähmt.

Ein großer Löwe schälte sich lautlos aus dem Gras und fixierte sie scharf. Sie war wohl die leichtere Beute und müheloser zu schlagen als das flinke Tier.

Kein Laut löste sich aus ihrer Kehle. Sie sah sich schon als Raubtierfutter zerfetzt im Gras liegen. Grauenvolles Entsetzen bemächtigte sich ihrer! Sie hatte Wackelbeine! Herzrasen! Ohrensausen! Atemnot!

Mit einem Sprung kam der Löwe auf sie zu. Wie in Großaufnahme bemerkte sie noch seine blutige Seite und mächtige Pranken. Aus dem weit aufgerissenen Maul mit den großen Reißzähnen kam ihr ein stinkender Atem entgegen.

Luftholen ging nicht mehr. Ihr wurde schwarz vor den Augen. Sie fühlte nur noch wie sie gepackt wurde, dann war jedes Empfinden ausgelöscht.


Es geht weiter!

:superman:
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Gelis

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Re: Gestern, Morgen und zurück...

Beitragvon Gelis » So 2. Jan 2011, 15:02

Der unfreiwillige Besuch (2/12)

Zeit: Drei Jahre später
Ort: Metropolis / 2. Welt



Das waren die beiden turbulentesten und schönsten Tage seines bisherigen Lebens gewesen.

Alles war von dieser aufregenden Frau auf den Kopf gestellt worden. Unglaublich, sie war wie ein Hurrikan in seine ordentliche, geregelte Welt gestürmt und hatte restlos alles durcheinander gewirbelt. Nichts war mehr wie vorher! Die Planung seines zukünftigen Lebens war eingestürzt wie ein Kartenhaus!

Bisher hatte doch alles so klar und ordentlich vor ihm gelegen. Er war Clark Kent, Reporter des Daily Planet, verlobt mit Lana Lang, die in Kürze seine Frau werden sollte. Die Hochzeitsvorbereitungen liefen schon auf Hochtouren.

Dass er auch noch der Außerirdische mit phantastischen Superkräften war, das wusste Lana als Einzige. Sie verlangte von ihm, diese Kräfte zu verbergen und niemals einzusetzen.

Sicher, er verstand ihre Sorge um ihn, aber in manchen Situationen musste er einfach eingreifen. Zumal die Kriminalität in der letzten Zeit hier in Metropolis erschreckend angestiegen war. Er konnte gar nicht anders als helfen, wann und wo es ihm ganz diskret möglich war.

So wie am gestrigen Tag, an dem alles begonnen hatte. Er war auf dem Weg zum Planet gewesen, als einige suspekte Gestalten in einem Auto schnell durch die Straße gefahren und auf vorübergehende Passanten geschossen hatten. Bevor er mit einem winzigen Hitzeblick die Reifen hatte verschmoren können, vermeinte er seinen Namen von einer weiblichen Stimme gehört zu haben.

Aber das musste wohl ein kleiner Irrtum gewesen sein.

In der Redaktion hatte er eine Verabredung mit Lana gehabt. Gedankenverloren war er die Rampe von den Aufzügen zu seinem Schreibtisch hinuntergegangen, als wieder sein Name gerufen wurde und zwar sehr freudig, wie er festgestellt hatte.

Und dann war es geschehen: Eine junge, ausnehmend hübsche Frau mit lockigen kurzen Haaren und einer Modelfigur war auf ihn zugestürzt, hatte sich an seine Brust gelehnt, ihn vor aller Augen geküsst und geflüstert: „Wie ich mich freue, dich zu sehen, dich und ...Superman.“

Wie vom Blitz getroffen hatte er dagestanden und sie überrascht gefragt: „Verzeihung, wer sind Sie …und wer ist …Superman?“

Lana war hinzugekommen, hatte sich als seine Verlobte vorgestellt und sein dunkelhaariges Gegenüber mit den ebenso dunklen Märchenaugen war sehr verlegen geworden und hatte angefangen zu stottern. Er selbst war immer noch so verblüfft, dass es ihm nur möglich gewesen war, stumm dazu stehen und sie fasziniert anzuschauen, fast hätte er Lanas Gegenwart vergessen.

Zu Hilfe war der Fremden dann ein kleiner, freundlich blickender, älterer Herr in sehr altmodischer Kleidung gekommen. Der hatte irgendetwas von angeschlagenem Gesundheitszustand und Fieber gemurmelt.

Clark hatte ihm kein Wort geglaubt. Für diesen verlockenden und verwirrenden Kuss, den er dann noch lange auf seinen Lippen gespürt hatte und noch spürte, musste es einen anderen Grund gegeben haben.

Aber er hatte wenigstens sofort erfahren, dass diese eindrucksvolle Frau Lois Lane war, die vor drei Jahren bei einer Reportage im Kongo verschwunden war. Sie war im Grunde genommen seine Kollegin. Doch, er hatte schon von ihr gehört gehabt, ihr Name hatte auch noch nach dieser Zeit einen guten Klang in Reporterkreisen, aber dass sie so aufregend und bildschön war, hätte er nicht gedacht.

Perry White, der Chefredakteur, war natürlich überglücklich über die Rückkehr seiner ehemaligen Starreporterin gewesen. Er hatte ihre unglaubwürdige Erklärung - „dreijähriges Koma auf einer Missionsstation, gestern erst erwacht“ - einfach zur Kenntnis genommen. Ob er ihr das wirklich abgenommen hatte, war sein Geheimnis geblieben.

Aber er hatte aus ihnen beiden gleich ein Team gemacht, denn Lois hatte die Absicht, mit seiner Hilfe eine Enthüllungsstory über Mr. Tempus zu schreiben. Ihrer Meinung nach war er eine sehr zwielichtige Person. Perry und dieser Tempus bewarben sich zurzeit um den Posten des Bürgermeisters, die Wahl war für heute Vormittag angesetzt gewesen.

Zu seiner Schande musste er sich selbst eingestehen, dass er erleichtert aufgeatmet hatte, als Lana sich verabschiedete. Sie wollten sich später nochmals wegen der Hochzeitsvorbereitungen mit ihren Eltern treffen. Denn immer wieder hatten seine Augen diese umwerfende Frau gesucht, von der er magisch angezogen wurde. Er hatte gehofft, mit ihr in Ruhe sprechen zu können und die Wahrheit über sie zu erfahren.

Und die hätte ihn fast umgehauen.

Denn Lois` kleiner Begleiter war der Schriftsteller Herbert George Wells, der aus der Vergangenheit gekommen und eigentlich zu diesem Zeitpunkt längst gestorben war. Dieser Tempus, der für die jetzigen kriminellen Zustände nach Lois` und Mr. Wells` Meinung in Metropolis verantwortlich war, kam hingegen aus der Zukunft, war also noch nicht einmal geboren. Er wollte den Status des Bürgermeisters als Sprungbrett zu Höherem benützen, um seine Machtgelüste austoben zu können. In seiner Zeit und in seiner Welt war ihm das nicht möglich gewesen oder es würde ihm nicht möglich sein. War das nicht einfach verrückt, dieses hin und her mit Vergangenheit und Zukunft?

Das Tollste war allerdings, dass Lois gar nicht die verschwundene Lois war, sondern sie war wie ihr Begleiter aus einer Parallelwelt (!) von Tempus entführt worden. Welch ein Verwirrspiel!

Das war aber immer noch nicht alles gewesen! Clark hatte von Lois erfahren, dass er in der anderen Welt auch noch einmal existieren würde. Sein Gegenpart besaß aber außer seiner Tätigkeit als Reporter noch eine zweite Identität. Als Superman setzte er in einer Art Kostüm all seine Kräfte öffentlich zum Wohle der Bevölkerung ein und wurde von ihr geachtet, vom größten Teil sogar geliebt.

Nur wusste niemand, dass Clark Kent dieser Superman war.

…Und er war mit dieser Traumfrau verlobt, auch sie wollten in Kürze heiraten, deshalb auch jene enthusiastische Begrüßung. Sie hatte einfach geglaubt, auch in dieser Welt mit ihm verlobt zu sein. Über die Empfindungen, die diese Tatsache in ihm auslöste, durfte er erst gar nicht nachdenken.

Eigentlich war dann alles ziemlich schnell gegangen. Lois war durch Tempus in Lebensgefahr gebracht und von ihm, Clark, gerettet worden. Er hatte sogar, als er ihren Hilferuf hörte, Lana und ihre Eltern einfach stehenlassen.

Nach der Rettung hatte Lois ihn auch zu solch einem Superman-Kostüm überredet, hatte es sogar für ihn genäht, damit er frei und unerkannt helfen könnte. Was ihm allerdings absolut unglaubwürdig erschienen war, dass ihn niemand erkennen würde.

In der ganzen Nacht hatte er dann in dem neuen Outfit seine Flugrunden über Metropolis in Lois` Begleitung gedreht. Er hatte sie auf seinen Armen tragen dürfen, ihre Arme waren um seinen Nacken geschlungen und er hatte ihre Nähe gespürt. Ein nie gekanntes Glücksgefühl hatte diese Situation in ihm ausgelöst.

Und überall, wo es notwendig war, hatte er eingegriffen und geholfen. Natürlich war er dabei von einigen Menschen gesehen und zu seinem Erstaunen auch anerkannt worden. Er hatte sich so toll gefühlt, wie noch nie in seinem Leben, er war zum ersten Mal einfach er selbst gewesen.

Am Morgen hatte Lana ihn in seinem Dress gesehen, von den Ereignissen der Nacht gehört und war darüber dermaßen erbost gewesen, dass sie ihn vor die Wahl gestellt hatte: „Superman oder ich!“

Lange hatte er nicht überlegen müssen, die Entscheidung war ihm noch nicht einmal so schwer gefallen. Er hatte sich für Superman entschieden! Denn er war auch jetzt noch der Meinung, dass Metropolis und die Welt ihn brauche. Lana war entrüstet davon gestürmt, seine Verlobung war somit gelöst. Eigenartigerweise hatte ihn das nur am Rande berührt.

Im Laufe des Tages konnte dann auch, wieder mit seiner Super-Hilfe, diesem skrupellosen, machtbesessenen Tempus das Handwerk gelegt werden. Vorher hatte dieser aber den staunenden Anwesenden die neue Identität Clarks mitgeteilt. Als Beweis hatte er Video-Aufnahmen von Lois` Rettung vorgeführt. Für alle Anwesenden war somit klar ersichtlich, dass er fliegen konnte. Doch mit großer Souveränität hatten Perry White, der neue Bürgermeister, und auch James Olsen, der Eigentümer des Daily Planet, sein Alter Ego akzeptiert.

Alle wussten nun, dass er unglaubliche Fähigkeiten besaß, die er in den Dienst der Gerechtigkeit und der ganzen Welt stellen wollte.

Zu seinem größten Bedauern hatten die unfreiwilligen Besucher leider wieder in ihre Dimension zurückkehren müssen. „Denn in beiden Universen ist wieder alles in Ordnung“, hatte Mr. Wells gemeint.

Das war auch jetzt noch unglaublich schwer für Clark und kaum zu ertragen. Für ihn persönlich war nämlich überhaupt nichts in Ordnung!

Denn er hatte längst bemerkt, dass er sich unsterblich in Lois verliebt hatte. Sie zu verlieren war weitaus schmerzhafter für ihn als die Entlobung mit Lana.

Aber Lois hatte ihm begreiflich gemacht, dass die Gefühle, die er für sie zu haben meinte, nur der anderen Lois aus dieser Welt galten, die ja vor drei Jahren in Afrika verschwunden war.

Von dem Schriftsteller hatte er zum Abschied ans Herz gelegt bekommen: „Sie halten eine Welt in Ihren Händen, die darauf wartet geformt zu werden. Vertrauen Sie darauf, dass Sie in einer ehemals hoffnungslosen Welt Ihre Bestimmung und Ihre Zukunft gefunden haben.“

Wehen Herzens hatte er Lois gehen lassen müssen. Insgeheim beneidete er den anderen Clark, der von ihr geliebt wurde und bestimmt inständig ihre Rückkehr erwartete. Bald würden sie heiraten! Was war sein Gegenpart doch für ein unbeschreiblicher Glückspilz!

Ihm selbst blieb jetzt nur noch seine Verpflichtung, dieser Welt und ihren Bewohnern durch seine Superkräfte Hoffnung zu geben, auch wenn er in seinen sehnsüchtigen Träumen immer wieder nur sie sehen und das Alleinsein noch so schmerzen würde.

Und er nahm sich vor, sobald die Situation hier in Metropolis es zuließe, würde er die Lois aus dieser Welt in Afrika suchen und suchen und suchen.

Da die angeblich aufgetauchte Lois wiederum verschwunden war, hatte er Perry White und James Olsen in aller Offenheit die Wahrheit über die Parallelwelt erzählt. Den beiden war aber sofort bewusst geworden, dass sie daraus keine Schlagzeile machen konnten, darum ließen sie diese Geschichte einfach auf sich beruhen.

Ja, das waren die turbulentesten und schönsten Tage für ihn gewesen. Mit seinem auf den Kopf gestellten Leben und einer mikroskopisch kleinen Hoffnung im Herzen, die Lois aus seiner Welt vielleicht doch noch zu finden, startete er seine Tätigkeit als Superman.

Er nahm seine Aufgabe sehr ernst und wollte dafür sorgen, dass Gesetz und Ordnung wieder herrschten, damit sich die Lebensqualität in der großen Stadt verbessern und die Bevölkerung von Metropolis sich bald wieder sicher fühlen könnte.


Es geht weiter!

:superman:
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Hier passt wunderbar mein Beitrag zum Adventskalender vom 19.12.2010. Weil er nur für Foren- Mitglieder zugänglich ist, poste ich ihn noch einmal. So können ihn auch Gäste lesen.

Der Traum vom Glück

Seit ihrer Rückkehr in ihre eigene Welt wusste er, dass er oft, sehr oft von ihr würde träumen müssen. Nicht direkt von ihr, nein, sie gehörte nun einmal zu seinem Gegenpart aus dem Parallel-Universum.

Doch in dieser seiner Welt hatte es ja auch eine Lois Lane gegeben, nur war sie seit dreidreiviertel Jahren in Afrika verschollen. Und wenn die Parallelen stimmten, dann gehörte sie zu ihm.

Darum hoffte er so sehr, dass ihr Verschwinden nicht endgültig war. Sie durfte einfach nicht tot sein!

Und was er befürchtet hatte trat ein. Oder hatte er sich das vielleicht sogar gewünscht? Er träumte wirklich so oft von ihr!

Es war immer derselbe Traum:

Er hatte Lois gefunden! Sie war bei ihm, er hielt sie in seinen Armen. Er konnte sie fühlen, ihre Wärme, das Schlagen ihres Herzens. Er konnte ihren femininen Duft einatmen.

Das schöne, geliebte Gesicht war ganz nah bei seinem. Seine Finger streichelten ihre Wangen, glitten in ihr seidiges Haar. Eigenartigerweise war es fast schulterlang, nicht kurz und lockig.

Ihre Augen strahlten ihn an, ihr roter Mund flüsterte zärtlich diese drei Worte, die sich Liebende nie oft genug sagen können. Dann näherten sich ihrer beider Lippen. In dem Moment, in dem sie sich berührten, fielen Tausend funkelnde Sterne auf sie herab.

Und sein Herz war zum Bersten angefüllt mit Liebe und Glück.


Trotzdem er sich jedes Mal weigerte, in die Wirklichkeit zurückzukehren, holte sie ihn stets ein.

Aber dieser Traum vom Glück gab ihm immer wieder etwas Kraft, weiter zu leben, zu agieren, weiter nach ihr zu suchen. So klein und schwach der Stern der Hoffnung auch war, er leuchtete und brachte ein wenig Licht in sein tristes Dasein!

Vielleicht, vielleicht! …Eines Tages…!

:superman: :superman:
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Re: Gestern, Morgen und zurück...

Beitragvon Gelis » Mi 5. Jan 2011, 19:54

Der Retter in der Not (3/12)

Zeit: 11. und 12. Februar 1997
Ort: Metropolis zuerst in der 2. und anschließend in der 1. Welt


Clark hatte lange im Glauben gelebt, das Problem „Tempus“ wäre für immer erledigt. Doch da sah er sich sehr getäuscht.

Denn zu seiner großen Überraschung klopfte ein Jahr nach dem unfreiwilligen Besuch plötzlich wieder dieser tote und doch recht lebendige Schriftsteller an seine Tür. Er bat eindringlich um Hilfe, denn dieser Teufel war wiederum aufgetaucht, diesmal in der anderen Welt. Er hatte sich abermals etwas Infames und wirklich Diabolisches ausgedacht und auch ausführen können.

Ihm war es gelungen, die amerikanische Bevölkerung dort derart mental zu manipulieren, dass sie ihn zu ihrem Präsidenten gewählt hatten. Und dazu hatte er noch den anderen Clark überlistet und ihn durch ein explodierendes Zeitfenster in einen Zeitstrudel ohne Vergangenheit und Zukunft verbannt. In einigen Stunden würde sich dieses Kontinuum in Nichts auflösen und er wäre unrettbar verloren.

Dann hätte dieser Zyniker endlich sein Ziel erreicht. „Utopia“, der friedliche Ort der Zukunft, ohne Ungerechtigkeit und Verbrechen, würde dann wirklich Utopie bleiben.

Vor der ganzen Menschheit lag eine grausame, dunkle Zukunft unter der Herrschaft eines skrupellosen, bösartigen Diktators. Mr. Wells sagte ihm, dass nur noch ein Superman in der Lage wäre, dieses schreckliche Schicksal von der Erde abzuwenden.

Nur zu gerne folgte Clark dem Hilferuf, denn so konnte er dem seit einigen Monaten verheirateten Paar doch auch helfen, so wie Lois ihm seinerzeit zu seiner Bestimmung verholfen hatte. …Außerdem würde er sie wenigstens wiedersehen und hoffentlich sein Gegenstück kennenlernen. Auch wenn die beiden inzwischen miteinander verheiratet waren, den Gedanken, ihr wieder zu begegnen, fand er sehr verlockend und faszinierend.

Vor der Reise ins Parallel-Universum besorgte er auf Mr. Wells` Wunsch zuerst reichlich Treibstoff für die Zeitmaschine, was mit seinem Röntgenblick kein Problem darstellte.

Das Wiedersehen mit ihr war wunderschön aber genau so schmerzhaft. Zumal er noch Clarks Eltern kennenlernte. Seine waren doch schon 20 Jahre tot! Dazu kam noch, dass Lois zuerst seinen Einsatz nicht wollte. Erst als ihr bewusst wurde, wie schwer das alles für ihn selbst war, erklärte sie sich mit ihm einverstanden.

Dank Lois` Hilfe und seiner außerordentlichen Fähigkeiten bereitete es ihm eigentlich nicht allzu viel Mühe, innerhalb eines Tages das Gedankenkontrollgerät zu finden und zu zerstören.

Dadurch wurden Tempus` üble Machenschaften beendet und er wieder festgesetzt. Sogar der verschollene Clark konnte durch H. G. Wells gerettet werden und war wieder mit seiner Ehefrau vereint. Der Zweck seiner Reise hierher in dieses Universum war zu hundert Prozent erfüllt.

Es war so weit, der kleine Schriftsteller wollte ihn, den Retter in der Not, wieder in seine Welt zurückbringen.

In der Wohnung des Paares stand er dem anderen Clark in der Stunde des Abschieds gegenüber. Welch ein eigenartiges Gefühl, dem Ebenbild ins Gesicht zu sehen. Es war wie ein Blick in den Spiegel. Seinem Gegenüber musste es sicher genau so ergehen.

„Danke, dass du mir eine Welt gibst, in die ich heimkommen kann“, bedankte sich der Gerettete und drückte ihm fest die Hand.

„Danke, dass du mir ein Vorbild warst, dem ich folgen konnte“, gab er ihm zur Antwort.

Sein Herz klopfte stürmisch, als Lois auf ihn zutrat und ihn innig umarmte: „Ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich dir bin. Ihr zwei wart wirklich wundervoll“, sagte sie mit einem dankbaren Blick auch auf Mr. Wells.

Sehnsüchtig schaute er sie an: „ Das warst …du auch!“ Ohne ihre Hilfe und Hinweise wäre es sicherlich nicht so leicht und schnell gegangen. Sehr deutlich hatte er gemerkt, wie gut und fruchtbar es war, mit einer Partnerin so intensiv zusammen arbeiten zu können. Auch das war ihm in seiner Welt durch das Verschwinden der anderen Lois nicht vergönnt.

H. G. Wells wurde etwas ungeduldig und drängte ein wenig: „Wir müssen jetzt aber wirklich gehen.“ Es sah so aus, als ob er am liebsten mit seinen Füßen gescharrt hätte.

Clark machte sich auf den Weg zur Tür, drehte sich aber nochmals zu seinem Ebenbild mit einem Blick auf Lois um: „Du bist …der glücklichste …Mann auf der Welt!“

„Ich weiß!“, wie zärtlich der junge Ehemann auf seine Frau schaute!

Sein Herz krampfte sich vor Schmerz zusammen. „Wenn meine Lois weitergelebt hätte, wäre meine Welt sicher auch eine bessere“, seufzte er und fügte etwas leiser und sehr traurig hinzu: „Ganz besonders für mich!“

H. G. Wells war ihm zur Tür gefolgt und sah ihm eindringlich in die Augen: „Das wollte ich Sie vorher schon fragen, sie ist verschollen, in Afrika, bevor Sie beide sich überhaupt trafen?“

„Was ja sehr eigenartig ist, jemanden zu vermissen, den man nie kennen gelernt hat. …Ich habe versucht sie zu finden, es ist …unmöglich“, kleine spitze Pfeile drangen tief in sein Herz.

Was war doch der andere Clark für ein außerordentlicher Glückspilz! Er besaß einfach alles! Nicht nur, dass er mit dieser faszinierenden Frau verheiratet war, (verheiratet!), auch seine Eltern lebten noch.

Wie sehr er von ihnen geliebt wurde, hatte er ja bei der Begrüßung gemerkt, als die beiden geglaubt hatten, er wäre ihr geretteter Sohn. Er spürte jetzt noch Marthas zärtliche Umarmung und Jonathans große, erleichterte Freude. Wie enttäuscht waren sie, als Lois ihnen sagte: „Das ist nicht unser Clark!“

Auf Marthas Gegenfrage: „Wenn das nicht unser Clark ist, wessen Clark ist er dann?“, hätte er am liebsten aus seinem Elend heraus geantwortet: „Ich gehöre niemandem! Keiner ist da, der mich liebt!“ Wo war sie, seine Lois? War sie wirklich tot? Nein, das durfte nicht wahr sein! Er weigerte sich, das zu glauben und sich damit abzufinden.

Er gönnte seinem Ebenbild von Herzen dessen Glück, aber sein eigenes Leben ohne jegliche Liebe erschien ihm doch schier unerträglich. Leben? Das war kein Leben, das war ein Dahinvegetieren!

Er öffnete die Tür und trat hinaus in den dunklen, kalten Abend. So sah es auch in ihm aus, dunkel und kalt. Er fühlte sich wie ein Zombie, wie ein Untoter, wie ein lebender Leichnam.

Doch in seine Verzweiflung klang Wells` Antwort: „Hä-ämm, mein Junge, ich sage niemals …unmöglich“, irgendwie verheißungsvoll in den Ohren. Es war wie ein Silberstreif an einem sehr dunklen Horizont, wie ein kleines Licht am Ende eines langen, langen Tunnels.

Die Tür fiel hinter ihnen beiden ins Schloss.

Die Zeitmaschine stand nicht weit entfernt in einer stillen Seitengasse.

Obwohl Clark ihn auf dem Weg dorthin immer wieder sehr nachdrücklich und fragend von der Seite ansah, sagte Mr. Wells aber leider keinen Ton mehr, er spielte nur leise lächelnd mit seiner Uhrkette.


Es geht weiter!

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Re: Gestern, Morgen und zurück...

Beitragvon Gelis » Mo 10. Jan 2011, 21:02

Auf nach Afrika (4/12)

Zeit: 12. Februar 1997
Ort: Im Vorland von Metropolis / 2. Welt


Sie materialisierten in seiner Welt etwas außerhalb von Metropolis im Schutz einiger Büsche und Bäume. Um diese Jahreszeit war es hier draußen recht ruhig. Einige wenige Autos fuhren langsam die Landstraße entlang.

Der kalte Wind jagte graue Wolken über den winterlichen Himmel. Dünner Schnee bedeckte die Landschaft. Auf einem Baum über ihrem Landeplatz zankten sich mit großem Gezeter einige Dohlen.

Clark fühlte nicht die niedrige Temperatur, dafür aber eine Spannung bis in die Fuß- und Fingerspitzen.

‚Hä-ämm, mein Junge, ich sage niemals …unmöglich‘!

Was hatte sein Begleiter vorhin mit diesem Satz andeuten wollen? Seine Geduld wurde sehr strapaziert, bis Mr. Wells endlich sein Schweigen beendete.

Dem Wanderer zwischen Gestern, Morgen und Heute wurde es wohl zu kalt. Er hüllte sich in eine Decke, bevor er sich ihm zuwandte. Mit großen Augen, ganz ernst und fragend schaute er ihn an: „Mr. Kent, Sie lieben Ms. Lane?“

Clark war erst einmal perplex und konnte nur stumm nicken. Seine Kehle war wegen dieser überraschenden Frage wie zugeschnürt. Noch nie hatte er mit jemandem außer mit der anderen Lois über seine Gefühle gesprochen, die er für diese Lois empfand. Es fiel ihm schwer, sein Inneres zu offenbaren. Aber Mr. Wells wandte seinen auffordernden Blick nicht von ihm ab.

Clark blickte etwas verschämt auf seine Hände hinab, betrachtete sie eingehend, als ob er sie noch nie gesehen hätte.

Mühsam nach einem starken Räuspern artikulierte er seine Worte: „…Mr. Wells, ich habe sie vom ersten Augenblick an geliebt. Aber sie gehörte ja in das andere Universum und zu dem anderen Clark. Sie hat mir begreiflich gemacht, dass meine Liebe für die Lois aus dieser Welt bestimmt ist. Aber die ist doch verschwunden, sie ist nicht da!“

Seine Stimme war während des Sprechens zurückgekehrt. Doch ganz leise und gequetscht löste sich noch ein Nachsatz: „Ich bin so maßlos unglücklich!“

Zum Glück ging H. G. leicht über seine Verlegenheit hinweg. Weise wie ein alter Uhu nickte er mit dem Kopf: „Natürlich! In jeder Welt und in jeder Inkarnation werden sich Ihre Seelen suchen und finden! Auch in diesem Universum!“

Energisch hob er den Blick und musterte Clark aufmerksam: „Dann erzählen Sie mir bitte, was Sie über ihr Verschwinden wissen, auch das kleinste Detail ist wichtig.“

Clark starrte ohne Wahrnehmung in die allmählich einfallende Dämmerung: „Sie glauben nicht, Mr. Wells, wie oft ich in diesem Jahr, seit Sie und Lois hier waren, nach Afrika geflogen bin. Zuerst musste ich hier etwas aufräumen. Sie wissen ja, welche Verhältnisse durch Tempus herrschten. Aber auch dank Mr. Whites kluger Amtsführung als Bürgermeister wurde das Leben hier in Metropolis endlich wieder lebenswert.“

Gedankenvoll stützte er stirnrunzelnd seinen Kopf mit der Hand: „Nachdem Sie beide damals in Ihre Welt zurückgekehrt waren, erkundigte ich mich zuerst bei Perry White nach Lois Lane. Er teilte mir die Ergebnisse der Suche mit, die er seinerzeit nach ihrem Verschwinden im Februar 1993 in die Wege geleitet hatte. Sie ist damals mit einem Ehepaar Jenkins nach Abschluss der Recherchen für ihre Waffenschmuggler-Story zum Etosha- Nationalpark in Namibia geflogen. Sie wollten in einer Lodge übernachten, um von dort am nächsten Tag einen Ausflug in den Park zu unternehmen.“

Vier Jahre war das jetzt her, vier Jahre! Wie hoffnungslos sich das alles für ihn anhörte: „Kurz vor Sonnenuntergang saßen sie alle drei bei einem Drink noch draußen auf der Terrasse ihres Chalets. Mr. Jenkins wurde zum Telefon gerufen, seine Frau ging zur Toilette. Doch als sie wieder zurückkehrten, war Lois nicht mehr da. Sie war einfach wie vom Erdboden verschluckt und blieb verschwunden. Man fand nur ihren Hut nicht weit entfernt an einem Wasserloch bei einer Baumgruppe.“

Der Klang seiner Stimme wurde noch deprimierter: „Es wurde damals erzählt, dass ein verwundeter Löwe in der Nähe des Wasserlochs gesehen wurde. Vielleicht lockte ihn der Geruch des Essens an. Aber angenommen hat man letztendlich, dass die Waffenschmuggler-Gang sie aus Rache entführt, getötet und irgendwo vergraben hat. Im Nachhinein fiel dem Ehepaar Jenkins ein, dass sie an dem bewussten Abend zwei sehr suspekte Männer bemerkt hatten, doch die waren am nächsten Tag abgereist. Die angegeben Namen und Adressen waren falsch. Sie konnten nie vernommen werden. Die zuständigen Behörden und freiwilligen Helfer haben damals die ganze Gegend nach Lois abgesucht, aber gefunden wurde nichts.“

„Nichts, mein Junge, gar nichts? Kein Blut, keine Fetzen der Kleidung, keine Überreste, keine Knochen?“ Wissbegierig schaute der kleine Schriftsteller ihn mit seinen klugen Augen an. Die Spannung in seinem Gesicht war unübersehbar.

Gequält schüttelte Clark den Kopf: „Nichts, Mr. Wells, nicht das Geringste! Blutspuren ja, aber nicht von Lois, wie man feststellte. Es war zweifelsfrei das Blut eines Tieres.“

„Oh, das ist gut, das ist sogar sehr gut!“ Ein feines Lächeln begann in H. G.s Augenwinkeln, wie Clark mit Verwunderung feststellte, und breitete sich von dort in seinem ganzen Gesicht aus. „Aber erzählen Sie weiter, mein Junge.“

‚Einen eigenartigen Humor hat der Mann, was gibt es da zu lächeln‘, ging es ihm durch den Kopf. Er fuhr verzweifelt fort: „Das alles erfuhr ich damals von Perry. Sobald meine Gegenwart in Metropolis nicht mehr permanent erforderlich war, begann ich meine Suche. Immer und immer wieder flog ich zu der Lodge, suchte alles mit meinem Teleskopblick ab, schaute mit dem Röntgenblick tief ins Erdreich, doch ohne Ergebnis. Es waren ja auch schließlich mehr als drei Jahre vergangen.“

Die Erfolgslosigkeit seiner Suche entlockte ihm einen tiefen Seufzer. „…Ich sprach auch mit Bob und Kate Jenkins, die inzwischen in Kapstadt leben, doch ich erfuhr nichts anderes. Auch mit Lois` Eltern und ihrer Schwester habe ich in der Hoffnung geredet, dass sie etwas Neues wüssten, vielleicht etwas von ihr gehört hätten. Doch alles war vergeblich, es gab und gibt kein Lebenszeichen von ihr. Ist meine Lois wirklich für mich verloren?“ Seine Stimme wurde zunehmend leiser. Kraftlos fiel sein Kopf auf die Brust hinab.

„Oh, Mr. Kent, das würde ich so nicht sagen. Dank meiner Erfindung“, Mr. Wells tätschelte liebevoll die Hebel und Knöpfe vor sich, als wären sie aus Fleisch und Blut, „können wir auch die Zeit überwinden, die ja wohl das größte Hindernis bei der Suche nach Ms. Lane darstellt. Zum Glück haben wir genug Treibstoff bei uns.“

Die blauen Augen hinter der Brille funkelten Clark an: „Schöpfen Sie ruhig Hoffnung, mein Junge, wir werden es jetzt nochmals gemeinsam versuchen. Wir sollten uns am besten auf den Weg zum Ort ihres Verschwindens machen. Wir kennen ihn und wir kennen den Zeitpunkt. Oh, das ist doch alles sehr vielversprechend!“

Bei dieser Ankündigung verschwand Clarks Apathie und machte vorsichtigem Optimismus Platz. Gebannt lauschte er den weiteren Ausführungen: „Dass Sie sich inzwischen im Nationalpark und an der Lodge so gut auskennen, ist ein gewaltiger Vorteil. Ich würde sagen, Sie fliegen mich und mein Maschinchen erst einmal dorthin! Sie müssen wissen, da mir die Umgebung unbekannt ist, laufen wir Gefahr, auf einem Baum oder in einem Fluss zu erscheinen. Ach, und bitte in geziemender Entfernung von der Lodge. Also, gehen wir es an.“

Ruckartig flog Clarks Kopf bei den Worten in die Höhe. Welch ein Lichtblick! Welch eine Chance! Sein Herz begann wild zu klopfen. Es war, als ob ihm jemand ein Lebenselixier eingeflößt hätte.

Da weitere Vorbereitungen nicht notwendig waren, machte er sich gleich an die Arbeit. Mr. Wells legte sich aus Sicherheitsgründen auf den Sitz seines Gefährtes. Clark verwandelte sich in sein Alter Ego und schob fliegend die Zeitmaschine inklusive Mr. Wells dank seiner Superkraft einfach vor sich her, über den Atlantik bis auf den schwarzen Kontinent. Er hätte das am liebsten in Blitzes-Eile getan. Doch er musste Rücksicht auf seinen Mitreisenden nehmen.

Das Wetter machte keine Probleme, es gab weder Schnee noch Regen oder übermäßigen Sturm. Auch dass er in die nächtliche Finsternis hineinflog, störte ihn nicht im Geringsten.

Obwohl er sich selbst konsequent zur Ordnung rief, wurde die Hoffnung in seinem Herzen stetig größer. Sie entfaltete sich immer mehr, je näher sie ihrem Ziel kamen.

Weit entfernt von der Lodge innerhalb des Nationalparks in tiefer Dunkelheit setzte er seine Last in einem Akazienwäldchen ab. Er drehte sich in seine Privatkleidung und platzierte sich zu seinem Begleiter in das Gefährt. Dieser gab bei der diffusen Beleuchtung seiner Maschine das genaue Datum und die Uhrzeit minus zweier Stunden von Lois` Verschwinden ein.

Voller Spannung und froher Erwartung begann für Clark mit H. G. Wells die Reise in das Gestern.


Es geht weiter!

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Re: Gestern, Morgen und zurück...

Beitragvon Gelis » So 16. Jan 2011, 21:43

Clark in Afrika Teil Eins (5/12)

Zeit: 02. Februar 1993
Ort: Etosha-Nationalpark in Namibia / 2. Welt


Um sie herum lag die afrikanische Landschaft in gleißendem Sonnenlicht. Aufgescheucht von ihrem plötzlichen Auftauchen galoppierte eine Giraffenfamilie eilig davon. Dumpf verebbte das Trommeln ihrer Hufe. Langsam senkte sich der von ihnen aufgewirbelte Staub. Von überall her erklangen Schreie verschiedenster Tiere. Vogelgesang stieg in den Himmel empor, wo Geier auf der Suche nach Aas ihre Kreise drehten.

Clark sah und hörte das alles nur am Rande. Er war durch die Überwindung der Zeitbarriere unsagbar froh und wie von einem Druck befreit. Voller Erwartung überfiel er seinen Begleiter sofort mit der Frage: „Mr. Wells, wir können doch jetzt einfach zu Lois gehen, auf sie aufpassen und sie nach Metropolis zurückbringen?“ Durch den Sprung in die Vergangenheit erschien ihm die Lösung des Problems so einfach!

Sein Begleiter befreite sich zuerst von der wärmenden Decke und begann zu prüfen, ob sie zum richtigen Zeitpunkt eingetroffen waren. Seinem zufriedenen Blick zufolge mussten Datum und Uhrzeit stimmen.

Unter dem Sitz holte er eine kleine Flasche Wasser hervor. Er hielt sie Clark auffordernd hin, nach dessen dankender Abwehrbewegung nahm er selbst einen Schluck.

Dann wandte er sich mild lächelnd Clark zu: „Ich vergess` immer, mein Junge, dass Sie diese Bedürfnisse als Kryptonier nicht haben. Zurück zu Ihrer Frage! Nur Geduld, Mr. Kent! Geduld ist im Moment das Wichtigste! Ich kann mir vorstellen, wie schwer das alles für Sie ist. Aber glauben Sie mir, so einfach geht es nicht!“

Nochmals trank er etwas, ein kleiner Tropfen rann von seiner Lippe herunter. Er zauberte ein Tuch hervor, tupfte damit seinen Mund ab und sprach weiter: „Stellen Sie sich vor: Zwei wildfremde Männer kämen zu Ms. Lane und erzählten ihr, sie würde in Gefahr schweben. Die Männer geben vor, aus der Zukunft angereist zu sein. Aber ursprünglich käme der eine aus der Vergangenheit, dazu noch aus einem anderen Universum. Der andere wäre ein Außerirdischer mit Superkräften. Sie haben Lois Lane doch etwas kennengelernt. Was meinen Sie, wie würde sie reagieren? …Na? …Sie würde uns für zwei entflohene Irre halten und bestimmt nicht unseren Ratschlägen folgen!“

Clark nickte betroffen aber zustimmend. Ja, das würde ihrer Mentalität entsprechen!

Der Schriftsteller sprach sehr ernst weiter: „Und dieses ist noch viel wichtiger! Sie müssen eines bedenken, im Grunde genommen bewegen wir uns auf äußerst gefährlichen Pfaden. Das Raum-Zeit-Gefüge ist überaus empfindlich, eine winzige Kleinigkeit genügt um es zum Einsturz zu bringen. Wir könnten ein Chaos anrichten!“

Fast hypnotisch war der Blick, mit dem H. G. Wells ihn fixierte: „Wir müssen uns strikt an das halten, was in der Zukunft von jetzt aus gesehen bis zu dem Tag, an dem wir unsere Zeitreise begonnen haben, passieren wird. Ich versuche mal, es Ihnen anders zu erklären, auch wenn ich Ihnen weh tun muss. Ihre Eltern sind seinerzeit bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Sie, Mr. Kent, haben den Unfall, wenn auch weiter entfernt, miterlebt. Sie haben die Leichen gesehen, Sie waren bei dem Begräbnis dabei.“

Mit einer zarten Geste berührte er Clarks Hand, während sein Kopf sich ihm zuneigte und sich seine Stimme senkte: „Auch wenn wir zurück reisen würden um zu versuchen, den Unfall zu verhindern, wäre das sinnlos. Ihre Eltern würden doch kurze Zeit später wieder zu Tode kommen. Sie sind tot, mein Junge, keine Macht der Welt kann diese Tatsache ändern.“

Clark bekam einen dicken Kloß im Hals und musste mehrere Male angestrengt schlucken. Wie anders, um wieviel schöner und leichter wäre sein Leben verlaufen, wenn seine Eltern nicht gestorben wären! Der andere Clark hatte seine noch!

Durch Mr. Wells` kleine Gestalt ging ein Ruck. Er richtete sich kerzengerade auf und sprach kräftiger weiter: „Bei Ms. Lane sind die Voraussetzungen ganz andere. Man hat keinerlei Hinweise auf ihren Tod gefunden. Wir wissen, dass sie am heutigen Tag…“ er zückte einmal mehr seine Taschenuhr und schaute nach der Uhrzeit, „in etwa einer Stunde verschwindet. Wie und warum wissen wir nicht, obwohl …“, ein verschmitztes Lächeln huschte über sein Gesicht, „ach, lassen wir das besser erst mal. Seit heute wird sie nicht mehr gesehen und Mr. Kent, sie bleibt bis in Ihre Gegenwart verschwunden.“

Sehr bestimmend und nachdrücklich formulierte er die nächsten Sätze: „ Das ist Fakt und daran dürfen wir nicht rütteln. Als Tempus Lois Lane und mich vor einem Jahr aus der anderen Dimension zu Ihnen brachte, ward diese Lois schon seit drei Jahren nicht mehr gesehen und auch in der Folgezeit tauchte sie nicht auf. Wir können und wir dürfen sie nicht einfach in diese …bereits …vergangene …Zeit …hinein …zaubern.“ Zur Bestätigung seiner Aussage schlug er bei jedem dieser letzten Worte mit der Hand auf seine Armaturen, dass es nur so schallte.

Während dieser Erläuterungen, denen er hochkonzentriert lauschte, wurde Clark immer deprimierter. Warum so kompliziert? Er wäre doch am liebsten auf der Stelle losgeblitzt um Lois zu suchen, sie in seine Arme zu nehmen und mit ihr weit fort zu fliegen.

H. G. beherrschte anscheinend nicht nur die Zeit, sondern konnte auch noch Gedanken lesen: „Nur Mut, nur Mut und Geduld, Mr. Kent. Ich glaube, es nimmt alles ein gutes Ende! Sie dürfen ja gleich in die Nähe der Lodge fliegen. Beobachten Sie dort, was geschieht und greifen Sie letztendlich helfend ein. Nur müssen Sie unbedingt, ...hören Sie, unbedingt …darauf achten, dass Sie von niemandem, außer Ms. Lane natürlich, gesehen werden.“

Clark konnte nur bestätigend nicken, da der Schriftsteller langsam und eindringlich weiter sprach: „Und eines ist noch überaus wichtig! Sie wird in Gefahr geraten, in sehr große Gefahr! Ich nehme sogar an, in Lebensgefahr! Sie dürfen erst im wirklich allerletzten Moment einschreiten, auch wenn es Ihnen noch so schwer fällt. Bitte halten Sie sich daran. Sie sind so schnell, mein Junge, es wird ihr nichts geschehen!“

Lois in Lebensgefahr? Bei ihm sträubte sich jedes einzelne Körperhärchen.

Wells war immer noch nicht fertig: „Sie muss definitiv merken, dass der Tod ohne Ihr Eingreifen unausweichlich gewesen wäre, sonst wird sie die folgenden Ereignisse nicht akzeptieren. Sie zu retten wird einfach sein, sie aber von dem zu überzeugen, was dann auf sie zukommt, wird gewiss weitaus schwieriger werden. Denn sie darf nicht zu ihren Freunden zurück!“

Wieder ein Schluck. Soviel geredet hatte der Schriftsteller bestimmt schon lange nicht mehr!

Weiter gingen dessen Erklärungen: „Sie müssen sich immer vor Augen halten, dass sie bereits seit vier Jahren verschwunden ist beziehungsweise verschwunden sein wird! Für uns ist diese Zeit bereits vergangen und Ms. Lane ist in ihr für uns nicht in Erscheinung getreten. Das …ist …das …Ausschlaggebende!“ Auch diesmal betonte er die Wichtigkeit seiner Worte mit kleinen Schlägen.

Er lächelte Clark zu: „Zum Schluss etwas Schönes für Sie, Mr. Kent. Nach ihrer Rettung bringen Sie sie hierher, aber geben Sie ihr etwas Zeit. Fliegen Sie mit ihr durch die afrikanische Nacht. Teilen Sie ihr nur die notwendigsten Fakten mit. Sie muss erst die Geschehnisse der nächsten, beziehungsweise dann der vergangenen Stunde verkraften, bevor sie mit noch weitgreifenderen konfrontiert wird.“

Clarks Herz machte einen Sprung und erhöhte sofort die Schlagfrequenz. Mit Lois in den Armen über den Park fliegen! Er würde sie fühlen können und….

Aber bevor er sich diese Situation weiter gebührend in allen Einzelheiten ausschmücken konnte, verlangten die weiteren Ausführungen seines Begleiters seine ganze Aufmerksamkeit.

Der redete immer weiter: „Sie wird Tatsachen akzeptieren müssen, die ihr zuerst unglaublich erscheinen werden. Dadurch, dass Sie ihr dann das Leben gerettet haben werden, wird sie unseren Argumenten aufgeschlossener gegenüber stehen. Wir haben die ganze Nacht Zeit, ihr alles zu erklären. Der Park wird bei Sonnenuntergang geschlossen und erst wieder bei ihrem Aufgang geöffnet. Bis dahin wird Ms. Lane sich selbst entschieden haben müssen, wie es mit ihr innerhalb der gegebenen Möglichkeiten weitergehen soll.“

Ein fester Druck seiner Hand auf Clarks Arm und ein überaus freundliches Blinzeln seiner blitzeblauen Augen begleitete seine letzten Worte: „Haben Sie Vertrauen. Es wird alles gut! …Und jetzt; auf geht`s, Mr. Superman.“

Das war ein richtiges Fanfarensignal für Clark! Endlich, endlich konnte er aktiv werden. Wie lange hatte er darauf gewartet! Und welch eine Aussage von Mr. Wells! Hoffnungsvoller ging es doch gar nicht mehr! Geschwind rotierte er sich in den Superman-Dress.

Doch als er den Zeitreisenden so in seinem Gefährt sitzen sah, durchfuhr ihn ein Schreck. Mr. Wells allein hier? Schutzlos mitten in der Wildnis? Überall lauerten wilde Tiere! Zur Bestätigung seiner Befürchtungen erklang in der Nähe das hässliche Lachen einer Hyäne. Der Schriftsteller war doch hier nicht sicher!

Auf seine diesbezügliche Frage antwortete dieser aber schmunzelnd: „Doch, doch, mein Junge, bei meinen Zeitreisen weiß ich ja nie, was mich beim Materialisieren erwartet. Darum habe ich einen kleinen Apparat mit Materialien aus der Zukunft gebastelt, der durch elektronische Wellen die Tiere abhält. Sie haben einen viel besseren Instinkt als die Menschen und werden einen großen Bogen um diese Stelle machen. Sie können mich also unbesorgt hier zurück lassen.“

Clark war beruhigt. Ja richtig, kein Tier hatte sich bisher in ihrer Nähe blicken lassen!

Er lächelte seinem Begleiter noch einmal froh und dankbar zu. In einem fulminanten Tempo machte er sich dann schleunigst auf den Weg zu der Lodge und damit endlich auch zu seiner Lois.


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Re: Gestern, Morgen und zurück...

Beitragvon Gelis » Do 20. Jan 2011, 16:43

Clark in Afrika Teil Zwei (6/12)

Zeit: 02. Februar 1993
Ort: Namibia, an einer Lodge am Rande des Etosha-Nationalparks / 2. Welt


Die Sonne näherte sich allmählich dem Horizont. Clark saß versteckt in den Bäumen oberhalb des Wasserlochs. Er hatte es sich auf einem dicken Ast gemütlich gemacht. Dank seiner besonderen Sehkraft war es für ihn einfach, durch das Blättergewirr die Gäste-Lodge zu beobachten.

Außer von einigen unvorsichtigen Moskitos, die sich bei ihm nur ihren Stechrüssel abbrachen, wurde er nicht belästigt. In einiger Entfernung tobten zwar ein paar Affen in den Bäumen herum, aber bis jetzt hielten sie noch respektvollen Abstand. Die Hitze machte ihm natürlich nichts aus, sie entlockte ihm auch nicht den kleinsten Schweißtropfen.

Von seinen vorherigen Besuchen kannte er diese Örtlichkeit recht gut, darum richtete er seine volle Aufmerksamkeit auf die Umgebung der kleinen Chalets. Doch in dem Außengelände ließ sich kein Mensch blicken.

Sein Herz klopfte stürmisch. Es war so weit, in kurzer Zeit würde er sie sehen, seine Lois. Seine, das hörte sich schon so besitzergreifend an. Ach, er wäre ja schon froh, wenn sie nicht auf Dauer verschwinden würde. Wie würde sich alles lösen? Mr. Wells` Bemerkung ‚Es wird alles gut‘! sollte ihn eigentlich mit Zuversicht erfüllen.

Er mahnte sich selbst zur Geduld. Doch jetzt, wo sie so nah war, wurde die Sehnsucht nach ihr größer und größer. Jede Faser seines Herzens zog ihn zu ihr hin.

Um seine Ungeduld etwas einzudämmen und weil noch eine geraume Zeitspanne bis zu ihrem Verschwinden vergehen musste, zwang er sich, an das vergangene Jahr zurückzudenken.

Vor dem unfreiwilligen Besuch verlief sein Leben überschaubar und … ja, langweilig. Wäre es ihm lieber gewesen, wenn Lois aus dem Parallel-Universum nicht aufgetaucht wäre? Wenn er sie nicht kennen und lieben gelernt hätte? Wenn er nicht von dieser seiner Lois erfahren und seine Liebe auf sie fokussiert hätte?

Dann wäre er längst mit Lana verheiratet. Er hätte nie diesen Gefühlssturm, diese überwältigenden Empfindungen kennengelernt. Obwohl ihm diese Liebe bisher fast nur Schmerz gebracht hatte, hergeben wollte er sie nie und nimmer!

‚Lana!‘ Nach der Entlobung war sie schnell aus seinem Leben verschwunden! Wie er vor einiger Zeit erfahren hatte, war sie inzwischen in Smallville mit Pete, einem Freund aus der Jugendzeit, verheiratet. Sie musste ihn auch ziemlich rasch vergessen haben.

Sie hatte immer betont, dass er der am besten aussehende Junge sei, den sie kannte. Vielleicht war er nur ein Eroberungsstück für sie gewesen. Nie hatte Lana so richtig verstanden, dass er mit der letzten Intimität aus Verantwortungsgefühl bis nach der Hochzeit warten wollte. Jetzt im Nachhinein war er von Herzen froh über seine damalige Entscheidung.

Heute waren die Gründe seiner Verlobung mit ihr für ihn ein großes Rätsel. Als er sie nach seinen Wanderjahren in Smallville wieder getroffen hatte, war sie wahrscheinlich für ihn nur eine Erinnerung an seine glückliche Kindheit gewesen, die abrupt mit dem Tod seiner Eltern ihr Ende gefunden hatte.

Wie es auch gewesen sein mochte, dieses Kapitel seines Lebens namens ‚Lana‘ war schon lange für ihn abgeschlossen.

Er lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf die Lodge und auf das Ziel seiner Sehnsucht und Träume, das seit einem Jahr ‚Lois Lane‘ hieß. Der Zeitpunkt ihres Verschwindens rückte immer näher.

Ganz vorsichtig begann er nochmals den Außenbezirk der vor ihm liegenden Lodge zu durchleuchten. In die Chalets wollte er nicht hineinschauen, die Intimsphäre der Besucher musste gewahrt bleiben.

Auf einer Terrasse hatte ein Paar Platz genommen, doch Lois konnte er immer noch nicht entdecken. Gespannt beobachtete er weiter den gesamten Lodge-Bereich.

Seine Betrachtungen wurden jäh unterbrochen. Ein Holzstückchen traf ihn an seinem Kopf. Ein besonders mutiger Affe hatte sich an ihn herangepirscht und bewarf ihn mit kleinen Ästen. Das fehlte ihm gerade noch, dass er hier mit Tarzans Verwandtschaft spielen musste!

Er vertrieb diesen Vorwitz mit ein bisschen eisigem Atem. Kreischend nahm gleich die ganze Bande Reißaus.

Zum Glück! Denn als er wieder zu der Lodge hinüber schaute, wollte sein Herz fast stehen bleiben. Da war sie endlich! Zum ersten Mal konnte er sie wahrhaftig sehen! Die Lois Lane aus dieser Welt! Seine Lois! Die in Kürze für mindestens vier Jahre verschwinden würde!

Sie trat aus einem der Bungalows auf die Terrasse und setzte sich zu dem Paar, das er als das jünger aussehende Ehepaar Jenkins identifizierte. Er kannte die beiden ja schon aus der Vergangenheit. Oh nein, jetzt war es ja die Zukunft.

Angeregt plauderte sie mit ihnen. Sie hielt ein Glas in der Hand, an dem sie ab und zu nippte.

Er vermied es geflissentlich, dem Gespräch zu lauschen. Dafür waren seine Augen ganz auf sie fixiert. Nach Herzenslust konnte er sie mit seinem Teleskop-Blick betrachten.

Sie war so schön und so schlank wie ihr Gegenstück aus der anderen Dimension, nur etwas jünger. Wie in seinem Traum, den er so oft gehabt hatte, waren die dunklen seidenglänzenden Haare nicht kurz, sondern fielen fast bis zur Schulter. Sie trug einen dieser bequemen hellen Safari-Anzüge, kurze Stiefelchen an den Füßen, ihr Hut lag neben ihr auf dem Tisch.

Voller Bewunderung staunte er sie an. Er sah das schöne Gesicht mit diesen lebhaften, dunklen Augen, umrahmt von dichten Wimpern, die feinen, geschwungenen Augenbrauen, ihre roten, verführerischen Lippen, die kleine Nase, deren Spitze diesen süßen Kick nach oben hatte. Graziös wurde ihr Kopf von dem schlanken Hals getragen.

Clark war bezaubert. Einfach hingerissen! Am liebsten hätte er auch auf die kleinste Stelle seine Lippen gedrückt.

Unwillkürlich strömte sein kryptonisches Blut bei dieser Vorstellung und dem heißersehnten Anblick dort hin, wo er es jetzt gar nicht gebrauchen konnte. In seinem Kopf war es vonnöten! Er hatte den schlimmen Verdacht, dass er vor lauter Sehnsucht und Liebe nicht mehr in der Lage war, klar und logisch zu denken.

Alles sang und klang in ihm und voll Sehnsucht flüsterte er: „Komm, meine Lois, komm! Komm endlich zu mir. Wie lange habe ich doch schon auf dich gewartet.“

Ein paar Webervögel waren in seiner Nähe gelandet, beäugten ihn misstrauisch und verkündeten laut ihren Prostest über seine Anwesenheit. Aber das nahm er nur am Rande wahr und beachtete auch kaum, dass Bob und Kate Jenkins nacheinander den Tisch verließen.

Er konnte sich einfach nicht an Lois satt sehen. Er inhalierte, saugte ihren Anblick förmlich auf.

Mit Erstaunen und Freude sah er zu, wie sie abrupt aufstand, ihren Hut auf den Kopf setzte und zu dem offenen Teil des Hufeisens ging. Sie blieb stehen, schaute auf die afrikanische Landschaft und kam dann tatsächlich in seine Richtung.

Clark starrte sie gebannt an. Sie kam wirklich zu ihm, es war zu schön! Als ob sie das Rufen seines Herzens gehört hätte!

Doch urplötzlich stieg heiß ein warnendes Gefühl in ihm hoch. Um Himmelswillen, war ihr Hut nicht an diesem Wasserloch gefunden worden? War sie nicht um diese Zeit verschwunden? Wie konnte er nur seine Aufgabe so vernachlässigen!

Er riss sich von ihrem Anblick los und mit seinen scharfen Augen suchte er jetzt endlich das Terrain um sie herum ab.

Und da sah er ihn. Ein großer Löwe mit einer mächtigen Mähne kroch langsam auf dem Bauch durch das Gras. Kroch hin zu Lois und zu einer kleinen Gazelle, der sie gerade ein paar abgerissene Halme anbot. Er war schon in Schlagdistanz!

Und in diesem Moment musste auch Lois das Raubtier erblickt haben.

Innerhalb von Sekunden geschah alles auf einmal. Mit wahnwitzigen Sprüngen schoss die Gazelle davon. Der Löwe erhob sich und schnellte mit einem Satz auf Lois zu. Die stand zuerst da wie eine Salzsäule. Dann wankte sie und kippte langsam in Richtung Boden. Doch bevor sie ihn berührte und die gewaltigen Pranken des Löwen sie erreichen konnten, war Clark bei ihr, riss sie in seine Arme und flog mit der ohnmächtig Gewordenen davon.

Er bemerkte noch die blutige, schwärende Wunde an der Flanke des Raubtieres, das enttäuscht ohne Beute zurück auf die Erde prallte. Wilderer hatten es wohl wegen seiner herrlichen Mähne gejagt und angeschossen. Deshalb suchte es die Nähe der Menschen, um sich dort sein Futter leichter zu ergattern. Wahrscheinlich würde es in der nächsten Zeit seinen Verletzungen erliegen.

Besorgt schaute er auf Lois hinab. Wie ein kleines Kind lag sie in seinen Armen. Ihr Kopf ruhte an seiner Brust. Aber sie atmete regelmäßig, ihr war nichts geschehen. Erleichtert atmete Clark auf. Er hatte sie gefunden. Er hatte sie gefunden und gerettet. Die Lois aus dieser Welt! Seine Lois! Am liebsten hätte er seine Freude und Erleichterung hinaus gejubelt!

Die Sonne versank in einer roten Farbsinfonie, alles färbte sich rot und purpurn. Sofort wurde es dunkel. Doch Clark hatte kein Auge für dieses farbenprächtige Naturschauspiel. Er blickte nur auf die Gestalt in seinen Armen. Zärtlich hielt er sie umfangen und schwebte langsam mit ihr in den nächtlichen Himmel hinauf, darauf wartend, dass sie wieder zu sich käme.


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Re: Gestern, Morgen und zurück...

Beitragvon Gelis » Mo 24. Jan 2011, 17:08

Ganz dringend muss ich an dieser Stelle noch einmal ein großes "Dankeschön" los werden. Es gilt meiner unermüdlichen Beta-Leserin Magss! Ich glaube, das ist die dritte oder vierte Version meiner FF, die ihr zurzeit zum Nachgucken vorliegt. Sie macht das mit Engelsgeduld und hat immer wieder neue tolle Tipps für mich. Vielen Dank!!


Die afrikanische Nacht Teil Eins (7/12)

Zeit: 02. Februar 1993
Ort: Namibia, zuerst über dann im Etosha-Nationalpark / 2. Welt


Mit einem Sprung kam der Löwe auf sie zu.Wie in Großaufnahme bemerkte sie noch seine blutige Seite und mächtige Pranken. Aus dem weit aufgerissenen Maul mit den großen Reißzähnen kam ihr ein stinkender Atem entgegen. Luftholen ging nicht mehr. Ihr wurde schwarz vor den Augen. Sie fühlte nur noch wie sie gepackt wurde, dann war jedes Empfinden ausgelöscht.


Sie konnte fliegen. Lois hob einfach ihre Arme, bewegte sie, als ob es Schwingen wären und segelte durch die Lüfte. Ein sanfter Wind hob sie hoch und sie tanzte zu seinem Lied.

Dieser sanfte Wind begleitete sie auch auf dem langsamen Weg ins Bewusstsein. Ein flatterndes Geräusch vernahm sie als erstes. Sie fühlte sich sicher, geborgen und sehr behaglich. Sie empfand weder Schmerz noch Kälte, weder Hunger noch Durst.

Mit Macht stürzte die Erinnerung auf sie ein. Ganz klar sah sie das Wasserloch und den auf sie zuspringenden Löwen vor sich.

„Ich bin also tot! Aber wenn das der Tod ist, wieso fürchten wir Menschen uns bloß so vor ihm?“, dachte sie verwundert.

Ganz vorsichtig öffnete sie die Augen. Es war dunkel, aber im Glanz der vielen Sterne sah sie das lächelnde Gesicht eines Mannes über sich.

Leider konnte sie keine Details erkennen. Aber sie merkte, dass sie langsam auf seinen Armen durch die Luft getragen wurde. Alles fiel ihr ein, was sie, besonders als Kind, von dem Leben nach dem Tod gehört hatte. Darum konnte ihre jetzige Feststellung sie beileibe nicht erschüttern. Musste das nicht so sein, wenn man gestorben war? Und wie es aussah hatte er sogar den richtigen Kurs eingeschlagen.

Aber vergewissern musste sich die Neugier in Person doch: „Du Engel, du bringst mich doch hoffentlich in den Himmel?“, fragte sie zaghaft.

Der Engel gab ein leises, heiteres Lachen von sich und sie hörte eine sehr sympathische Stimme mit einem warmen Timbre: „Hallo, Lois, Verzeihung, Ms. Lane, ich hoffe, mit Ihnen ist alles in Ordnung? …Und nein, ich bin bestimmt kein Engel.“

Ganz langsam verarbeitete sie das Gehörte. Na also, er kannte sogar ihren Namen! Was hatte er gefragt? Ob mit ihr alles in Ordnung wäre? Und er behauptete kein Engel zu sein?

„Oh, für eine Tote geht es mir recht gut. Ein Löwe hat mich gefressen, das weißt du ja sicher. Und bleib ruhig bei Lois! Aber wieso bist du kein Engel? Machst du Scherze? Du musst ein Engel sein, du fliegst doch! Ich höre deine Flügel rauschen. Außerdem kennst du sogar meinen Namen! Und wie heißt du? Bist du Michael oder vielleicht Seth?“

Sie spürte eine Erschütterung seines Körpers, die sich wieder als das angenehme Lachen herausstellte, nur etwas kräftiger als beim ersten Mal: „…Glauben und vertrauen Sie mir bitte, Lois, Sie sind wirklich nicht tot! Ich habe Sie dem Löwen vor dem Rachen weggeschnappt. Die Flügel, die Sie hören, sind mein Cape, das ich jetzt um Ihre Schultern legen werde.Ich bin wirklich kein Engel! Mein Name ist Clark Kent und eigentlich bin ich Ihr Kollege beim Daily Planet.“

Wenn er sie nicht so fest gehalten hätte, wäre sie jetzt sicher zur Erde gestürzt. Sie kniff sich in den Arm.Tatsächlich, der Schmerz war nicht zu verleugnen. Also war sie doch nicht tot?

„Mein Kollege beim Planet? Ich kenne dich doch gar nicht. Wieso kannst du fliegen, wenn du kein Engel bist und woher kennst du mich dann und was machst du hier und wo bringst du mich denn hin, wenn ich nicht gestorben bin? Und wenn du mich schon gerettet hast, dann lass doch bitte dieses förmliche Sie weg.“ Lois wusste nicht, wo ihr der Kopf stand und während des Redens wurde ihre Stimme immer forscher und lauter.

Die, die ihr antwortete, war ruhig und klang frohgestimmt: „Das sind aber viele Fragen auf einmal, Lois. So schnell werde ich sie dir nicht beantworten können. Ich werde dir unglaubliche Dinge erzählen müssen, aber akzeptiere sie einfach. Sie entsprechen wirklich der Wahrheit.“

Na, was mochte da wohl kommen, sie war aber sehr gespannt!

Der Engel, der angeblich keiner war, redete weiter: „Also, …fliegen kann ich, weil ich von einem fremden Planeten namens Krypton stamme, meine Zell- und Molekularstruktur ist eine ganz andere als die der Erdenmenschen. Außerdem kann ich noch andere sehr außergewöhnliche Dinge. Aus diesem Grund nennt man mich in Metropolis auch …Superman.“

Was erzählte er da? „Superman? Superman? Clark, so heißt du, ja? Also Clark, warum habe ich dann noch nie von dir gehört? Ein Superman, das wäre doch die Schlagzeile! Das müsste ich doch wissen! Ich wohne doch auch in Metropolis und wir sind angeblich Kollegen?“

Was war bloß in der kurzen Zeit ihrer Abwesenheit in Metropolis geschehen?

Sie konnte zwar seinen intensiven Blick nicht sehen, aber sie spürte ihn. Ein zarter Druck seiner Arme unterstrich seine eindringlichen Worte: „Lois, habe bitte Vertrauen, du wirst alles verstehen. Hab` keine Angst, erschreck` nicht und glaub` mir einfach, auch wenn es dir noch so schwer fällt.“

Kleine Pause! Tief holte er Luft. Sie vermeinte zu spüren, wie sie in seine Lungen strömte. Er verstärkte noch mehr den Griff, mit dem er sie hielt. Hatte er Sorge, dass sie vor Schreck aus seinem Arm springen könnte? Welche Unglaublichkeiten würden dann wohl aus seinem Mund kommen?

„Lois, …ich kam mit einem Freund aus der …Zukunft hierher um dich zu suchen. Wir schreiben in meiner Gegenwart das Jahr …1997, …12. Februar 1997. Du bist seit vier Jahren verschollen. Man hat dir sogar einen Grabstein errichtet. Niemand weiß, wo Du geblieben bist.“

Jedes Wort traf sie wie ein Hammerschlag. …Zukunft, …1997, …vier …Jahre, ...verschollen, ...Grabstein!

Lois starrte ungläubig in das kaum erkennbare Gesicht über sich. Ihre Gedanken schlugen Purzelbäume. Was erzählte dieses seltsame Wesen? Dabei musste es einem ja schwindlig werden. Ihr scharfer Verstand rebellierte. Aus der Zukunft? Unmöglich! Es gab doch keine Zeitreisen!

Aber sie schwebte auf den Armen eines Mannes, der angeblich von einem anderen Planeten stammte, durch den nächtlichen afrikanischen Himmel. Ein fliegender Außerirdischer! Das gab es ja eigentlich auch nicht! Es war aber eine unumstößliche Tatsache!

Welch ein Chaos! Ihr schwirrte der Kopf. Zuerst hatte sie geglaubt, sie wäre tot, doch sie war es nicht, aber die Menschen in Metropolis waren schon seit Jahren davon überzeugt: „Ich glaube, Clark, im Moment reicht es, mehr kann ich zurzeit nicht verkraften. Sage mir bitte nur noch, wo du mich jetzt hinbringst. Zurück zu Kate und Bob?“

Er wurde noch langsamer und leiser: „Lois, aus einem bestimmten Grund darf ich dich nicht zur Lodge zurück bringen. Ich weiß, wir werden deinen Freunden sehr weh tun. Sie werden dich verzweifelt suchen. Mir tut das selbst sehr leid, aber ich kann es wirklich nicht ändern.“ So bedauernd klang seine Stimme nun auch wieder nicht: „Hab´ bitte keine Angst, wir fliegen zu meinem Begleiter, der auf uns wartet. Dort wirst du alles weitere erfahren.“

Angst? Nein, Angst hatte sie nicht, nicht bei diesem vertrauenerweckenden Beschützer. Darum gab sie sich erst einmal mit seiner Auskunft zufrieden. Sie hatte das Riesenbedürfnis, in Gedanken ein Resümee zu ziehen.

Das Wichtigste: Sie war nicht tot! Clark Kent, ein Kollege vom Planet, hatte sie vor dem heran springenden Löwen in Sicherheit gebracht. Das war ja schon mal sehr beeindruckend, aber dann ging es erst so richtig los. Sie wusste nicht, was ihr am merkwürdigsten erschien.

Dass er ein Außerirdischer mit Superkräften war? Welche Superkräfte besaß er? Eine erlebte sie zurzeit mit ihm. Er konnte fliegen wie ein Vogel! Sogar ohne Flügel!

Dass er aus der Zukunft kam um sie zu suchen? Dazu noch mit einem Begleiter!

Dass die Leute in Metropolis glaubten, sie wäre seit vier Jahren verschwunden und tot? Oh, Mutter, Dad und Lucy! Glaubten sie das auch?

Dass er ihren Namen kannte?

Dass er zur rechten Zeit am rechten Ort war um sie vor dem Löwen zu retten?

Das waren zu viele Absonderlichkeiten auf einmal. Wie würde es weitergehen? Was hatte er gesagt?
„Wir fliegen zu meinem Begleiter, der auf uns wartet. Dort wirst du alles weitere erfahren.“

Was das wohl sein würde, das weitere?

Er war sehr langsam geworden, fast stand er in der Luft. „Geht es dir wirklich gut, Lois?“, hörte sie ihn fragen.

Machte er sich Sorgen um sie? Wie nett!

Sie lächelte zu ihm hoch: „Danke, mir geht es wirklich gut! Ich musste nur über alles etwas nachdenken.“

Sie hatten sich kontinuierlich dem Boden genähert. Er landete und stellte sie sanft auf ihre eigenen Füße. Direkt vor ihr stand ein ausgesprochen eigenartiges Gefährt. Diffuses Licht ging von ihm aus. Es sah aus wie eine seltsame Kutsche ohne Räder oder wie ein umgebauter Schlitten. Komischerweise war es mit einem großen Teppich ausgelegt. Die Rückfront war ein riesiges Zifferblatt. So etwas Seltsames war ihr im ganzen Leben noch nicht begegnet. Das Ding musste alt sein, sehr alt. Modern war es jedenfalls nicht!

Bei ihrer Ankunft stieg ein kleiner, etwas älterer Herr aus, dessen Gesicht ein Schnurrbart zierte und dem sie ihre ganze Aufmerksamkeit schenkte. Er nahm seinen altmodischen Hut ab, unter dem eine genau so altmodische Mittelscheitelfrisur zum Vorschein kam und blickte sie lächelnd durch seine ebenfalls altmodische Brille an.

Doch seine vielen Lachfalten machten sein Gesicht sehr ansprechend. Seine Stimme war tief und kraftvoll, passte so gar nicht zu seiner Statur: „Ms. Lane, ich freue mich unendlich, Sie zu sehen. Geht es Ihnen gut? Unser Freund hier hat seine Sache doch wohl ordentlich gemacht?“

Lois wunderte sich gar nicht mehr, dass sie wieder mit ihrem Namen angesprochen wurde. Sie nahm die ihr entgegen gestreckte Hand und schaute fragend auf ihr Gegenüber: „Danke, es geht mir gut, Mr. …?“

„Oh Verzeihung, Ms. Lane, mein Name ist Wells, Herbert George Wells.“ Er machte eine kleine Verbeugung und schwenkte seinen Hut etwas zur Seite.

„…Wells? …H. G. Wells?“ Ihre Gedanken überschlugen sich: „Bei Recherchen habe ich mal etwas über einen Schriftsteller gelesen, der so hieß. Er hat utopische Romane auch über …Zeitreisen verfasst. Sind Sie das? …Aber das ist doch unmöglich! Der ist doch schon lange …tot?“ Wieder einmal verlor sie ihre Fassung.

„Oh, das Wort …unmöglich ist mir außerordentlich unsympathisch! Aber ich bin dieser Schreiberling, nur ist es klein wenig anders. Davon aber später. Und manchmal bin ich sogar tot.“ Er kicherte vergnügt vor sich hin, seine Lachfalten entwickelten ein interessantes Eigenleben. Seine Hände spielten die ganze Zeit mit einer goldenen Kette, die ihm waagerecht über seine Weste hing.

Lois fühlte sich einfach überrollt. Eine Unwahrscheinlichkeit jagte die andere, was käme noch auf sie zu? „Dann ist dieses merkwürdige Gerät Ihre Zeitmaschine? Clark erzählte, dass Sie mit ihm aus der Zukunft gekommen wären.
Doch was geschieht jetzt mit mir? Er sagte mir nämlich auch, dass ich nicht zur Lodge zurück kann, warum nicht?“

„Ja, er hat recht! Aber es ist, habe ich den Eindruck, alles etwas zu viel auf einmal für Sie, mein Kind“, antwortete H.G. Wells besorgt, „ich weiß nicht, was ich Ihnen noch zumuten kann.“

Das war doch die Höhe! „Oh, was auch immer, Mr. Wells! Ich wurde fast von einem Löwen gefressen. Ich flog mit einem Engel, der sagt, dass er gar kein Engel ist, sondern ein Außerirdischer. Ich treffe auf einen Schriftsteller, der eigentlich in seinem Grab liegen müsste, …oh Verzeihung. Hier steht seine Erfindung, mit der er durch die Zeit reist, …was sollte mich da noch erschüttern?“ All diese Unglaublichkeiten sprudelten wie ein Wasserfall in immer kräftiger werdenden Kaskaden nur so aus ihr heraus. Bei diesem Ausbruch zog der kleine Schriftsteller seinen Kopf ein und schrumpelte noch etwas mehr in sich zusammen.

Von Clark, der während des Gesprächs neben ihr gestanden hatte und sie durch einen Griff an ihrem Ellenbogen immer noch etwas stützte, kam ein halblautes Kichern: „He, he, he, Lois Lane, wie sie leibt und lebt!“

Was war das doch alles seltsam! Sie wandte sich ihm zu: „Das ist auch so mysteriös, woher kennst du mich überhaupt, Clark?“

Ihre Augen weiteten sich überrascht, als ihr Blick auf ihn fiel. Seit dem sie auf dem Erdboden stand, hatte sie sich nur Mr. Wells gewidmet. Sie trat zwei Schritte zurück, um Clark besser betrachten zu können.

Durch einige Lichtkugeln auf der Zeitmaschine, neben der sie standen, war die nächste Umgebung etwas erleuchtet. Leider konnte sie immer noch nicht die Feinheiten seines Gesichts unterscheiden. Die Augen schienen dunkel zu sein, was sonst erkennbar war, wirkte regelmäßig und sympathisch, eigentlich sehr sympathisch.

Doch seine Körperstatur war einigermaßen gut zu erkennen. Vor ihr stand ein größerer, junger Mann. Sie schätzte ihn auf etwa achtundzwanzig bis dreißig Jahre. Sein Körper war muskulös, aber sehr wohlgeformt gebaut. Und wie wohlgeformt! Er trug einen hauteng anliegenden blauen Anzug aus einem sehr elastischen Material. Auf seiner Brust prangte ein rot-gelbes Emblem in Form eines geschwungenen S. Von seinen Schultern fiel ein rotes Cape. Seine Beine steckten in halbhohen roten Stiefeln. Über dem Anzug trug er noch eine kurze rote Hose mit einem gelben Gürtel.

Oh Himmel, was sie da sah war ja außerordentlich bemerkenswert. Was für ein Body! Was für eine Präsenz! Lois konnte ihre Augen nicht mehr von ihm abwenden. All die Ungeheuerlichkeiten der letzten Stunde waren plötzlich wie weggeblasen! Sie starrte ihn an, als ob er das achte Weltwunder wäre.

„Hä-ämm, Ms. Lane, bevor wir Sie mit weiteren Enthüllungen erschrecken, sollten wir uns etwas stärken. Sie haben doch bestimmt auch Hunger und Durst?“, holte Wells sie aus ihrer Versunkenheit. Schade, sie musste sich von diesem überwältigenden Anblick losreißen!

„Durst? Hunger? Jetzt, wo Sie das sagen. Ich habe ja noch kein Abendbrot essen können, fast wäre ich eins geworden. Aber wo haben Sie denn hier Proviant versteckt, oder gibt es darin einen Kühlschrank?“, neugierig zeigte Lois auf diese eigenartige Konstruktion.

„Oh, Sie werden schon sehen, unser junger Freund hier wird sich mit Freuden darum kümmern. Sie essen doch gerne Chinesisch, mein Kind?“

„Woher wissen Sie das denn schon wieder?“ Lois stutzte einen Moment und sagte dann leiser, sich die Lippen
leckend: „Noch lieber wäre mir allerdings ein großes Schokoladeneis, das würde mir sehr helfen, das alles zu verkraften.“

Sie warf Clark schnell einen verstohlenen Blick zu. Der lächelte sie vergnügt an. Dann machte er eine blitzschnelle Drehung und mit einem eigenartigen Geräusch, das wie „Wwusch“ klang, verschwand er im Sternenhimmel.

Lois starrte hinter dem Entrückten her und dachte kurz über die Ereignisse seit ihrem Erwachen aus der Ohnmacht in seinen Armen nach. Sie wunderte sich selbst über ihre Passivität. War das Lois Lane? Aber sie hätte doch überhaupt nichts tun können, in der Luft schon gar nicht! Sollte sie jetzt vielleicht im Nationalpark weglaufen, nachts, inmitten all der wilden Tiere? Nein, bestimmt nicht! Außerdem, welche Richtung sollte sie einschlagen? Und warum auch, sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihr von den beiden etwas Böses drohte, nein, im Gegenteil!

Außerdem musste sie unbedingt wissen, wie dieses Abenteuer enden würde und ganz besonders interessant fand sie ihren außergewöhnlichen Lebensretter. Ein Außerirdischer, der fliegen konnte, mit einem überirdischen Körper, Wahnsinn! Sie fühlte sich absolut nicht gefährdet und wollte einfach abwarten, was noch geschehen würde.

Mit dem Ergebnis ihrer kurzen Überlegung war sie sehr zufrieden. Sie folgte der Einladung Mr. Wells, der sie mit einer Handbewegung bat, in dem Gefährt Platz zu nehmen.

Auch jetzt in der Nacht vernahm man Tierstimmen und -rufe, alles klang so fremd und exotisch! Noch hatte sie den Angriff des Löwen nicht vergessen. Auf ihre bange Frage beruhigte Mr. Wells sie, dank seiner Schutzwellen würde sich kein Tier in ihre Nähe trauen.

Er ließ sich von ihr kurz die Ereignisse in und an der Lodge berichten. Und schon landete ihr Engel mit diversen Päckchen im Arm und gesellte sich zu ihnen in die Maschine. Wie hatte er das bloß so schnell geschafft?

Als er einige von diesen Päckchen öffnete, entströmte ihnen der Duft von exotischen Gewürzen. Sofort lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Und das, was er dann offerierte, war einfach köstlich! Noch nie hatte sie solch schmackhafte Gerichte zu sich genommen, hmm! Auf ihre Frage erfuhr sie, dass er sie mal eben in Shanghai geholt hatte, unglaublich! Mal eben! Shanghai! Sie waren hier in Namibia!

Langsam und genießerisch verspeiste sie die ihr angebotenen Speisen, auch ihren Begleitern schien es zu schmecken. Das Wasser war herrlich kühl und zum Schluss reichte Clark ihr tatsächlich einen nicht kleinen Eisbecher.

„Wieso ist das Eis noch so kalt?“, wollte sie wieder einmal verwundert wissen, „kannst du das auch, Clark?“

Wieder einmal lachte er leise. War er eigentlich immer so gut drauf? Er begann aufzuzählen: „Röntgen-, Teleskop- und Hitzeblick, Supergehör, eisiger Atem aus überdimensionalen Lungen, die Überwindung der Schwerkraft, Unverwundbarkeit, Super-Speed und außerordentliche Kräfte sind die Markenzeichen eines auf der Erde lebenden Kryptoniers.“ Er schien sich selber köstlich über die Anzahl und Art seiner Fähigkeiten zu amüsieren.

„Wow“, konnte Lois nur noch sagen. Das war sowieso das Wort, das sie in der letzten Stunde permanent von sich hätte geben können. Sie kam einfach aus dem Staunen und Wundern nicht mehr heraus. Sie fühlte sich wie in einem Film oder Traum. In dieser kurzen Zeit seit ihrer Ohnmacht hatte sie mehr Absonderlichkeiten erlebt als in ihrem ganzen bisherigen Leben.

Aber das Eis lockte! Sie wandte sich ihm zu. Es war sehr lecker, so richtig schokoladig. Es füllte ihren Mund mit süßer cremiger Frische. Wo er das wohl wieder her hatte, in Shanghai gab es bestimmt kein so vorzügliches italienisches Eis, oder doch? Wie auch immer!

Staunend sah sie zu, wie Clark aus der Maschine ausstieg und sich mit einer rasanten Rotation in ganz normale Kleider drehte und eine Brille aufsetzte. Wieso trägt er eine Brille, wenn er doch so gut sehen kann und wo hat er die andere Kleidung her? In normal geschnittenen Hosen und dem Hemd wirkte er jünger und alltäglicher, nicht so extravagant und aufreizend wie in seinem Dress.

Er nahm wieder neben ihr Platz. Ihr Blick fiel auf seine Hände. Während des Essens hatte sie sich diese in aller Ruhe betrachten können. Sie waren genau so, wie sie Hände mochte, schmal mit langen, feingliedrigen Fingern. Wie mochte sich das anfühlen, wenn sie zärtlich ihr Gesicht berührten? Als ihr dieser Gedankengang bewusst wurde, rief sie sich sofort energisch zur Ordnung.

Clark sorgte innerhalb des Gefährts für Sauberkeit. Lois wandte sich Mr. Wells zu: „Jetzt möchte ich aber wirklich wissen, was mit mir geschehen soll und auch, wieso Sie mich so gut kennen.“

Der Angesprochene zückte mal wieder seine Taschenuhr, die an der goldenen Kette hing und starrte auf das Zifferblatt: „Wie es mit Ihnen weitergeht, das entscheiden Sie ganz allein, mein Kind. Mr. Kent hat Ihnen sicher erzählt, dass Sie unmöglich zu Ihren Freunden zurück können!“

Das fand Lois ausgesprochen schleierhaft: „Und warum kann ich das nicht?“

Dieser Erklärung sah sie aber sehr spannungsgeladen entgegen!

Es geht weiter!

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Re: Gestern, Morgen und zurück...

Beitragvon Gelis » Fr 28. Jan 2011, 21:11

Die afrikanische Nacht Teil Zwei (8/12)


Zeit: 02. und 03. Februar 1993
Ort: Namibia, im Etosha-Nationalpark / 2. Welt


Einige Moskitos mussten wohl gegen die elektronischen Abwehrwellen immun sein. Sie tummelten sich um die Kugellampen der Zeitmaschine und zwei ganz gierige ließ sich auf H. G. Wells` Hand nieder. Clark atmete einmal fest aus und schon waren sie und auch alle anderen vom Winde verweht.

H. G. Wells schaute zu ihm hinüber und nickte ihm dankbar zu. Er wandte sich Lois zu und schaute ihr zwingend in die Augen: „Warum Sie nicht zu Ihren Freunden zurück können? Ganz einfach, Ms. Lane, weil Sie seit heute verschwunden sind! Angenommen, wir würden Sie wieder zu der Lodge zurück bringen, käme unweigerlich eine andere Gefahr auf Sie zu. Soweit ich weiß, hatten Sie es mit Waffenschmugglern zu tun. Sie sind wahrscheinlich jemandem gewaltig mit Ihren Ermittlungen und deren Folgen auf die Füße getreten, der jetzt auf Rache sinnt. Es kann gut sein, dass Ihre Entführung und noch Schlimmeres geplant ist. Vielleicht wartet schon ein Mörder in der Lodge auf Sie. Nein, mein Kind, Sie können wirklich nicht zurück! Das Risiko ist einfach zu groß!“

Mit einem Schaudern realisierte sie seine Worte. Ein Mörder wartete eventuell auf sie? Was war das für eine furchtbare Perspektive! Schutzsuchend griff sie unwillkürlich nach Clarks Arm. Die Wärme, die von dort durch ihre Hand in den Körper strömte, beruhigte sie sofort. Es fühlte sich gut an, sehr gut sogar. Als ob er ihr etwas von seiner physischen und psychischen Kraft abgeben würde. Mit Bedauern zog sie langsam ihre Hand zurück. Ein Blick zu ihm zeigte ihr, dass er sie auch während dieser kleinen Episode lächelnd anschaute.

Der Zeitreisende räusperte sich vernehmlich und fuhr fort: „Hä-äm, meiner Meinung nach gibt es nur zwei Möglichkeiten. Die erste wäre: Ich müsste Sie irgendwo in der Welt unterbringen, sozusagen verstecken, damit sie fern jeder Bedrängnis sind und zwar bis zum 13. Februar 1997, dann kann ich Sie nach Hause zurück bringen. Wenn Sie eine Beziehung in Metropolis haben, würde ich---."

Lois schüttelte energisch den Kopf: „Da gibt es niemanden.“ Eigenartigerweise hörte sie bei ihrer Antwort einen kleinen Seufzer der Erleichterung neben sich.

Mr. Wells fuhr fort: „Die Alternative wäre…“

„...Sie nehmen mich mit in Ihre Gegenwart“, fiel Lois ihm ins Wort.

Er neigte nachdrücklich sein Haupt und sah sie eindringlich an: „Ja, Sie sagen es, mein Kind, so ist es! Doch nicht in meine, das würde Ihnen als emanzipierte Frau überhaupt nicht gefallen! Aber in Mr. Kents, wir würden dadurch jeglicher Gefahr, die noch irgendwo auf Sie lauert, aus dem Wege gehen. …Und damit wäre dann auch das große Rätsel Ihres Verschwindens gelöst.“

Lois atmete zum x-ten Mal tief durch. Verwundert bemerkte sie, dass Clark sich völlig konsterniert an den Schriftsteller wandte. Sein Gesicht war ein einziges Fragezeichen: „Das haben Sie die ganze Zeit gewusst, Mr. Wells? So verblüffend einfach ist die Erklärung? Lois` Verschwinden haben wir verursacht, nein“, er schüttelte verwirrt den Kopf, „...verursachen wir?“

Mit einem feinen Lächeln schaute der Zeitreisende wieder zu Clark hinüber: „Ja, als Sie mir erzählten, dass nichts gefunden wurde, was auf Ms. Lanes Tod hindeutete, war mir eigentlich schon alles klar. Weil immer noch etwas Unvorhergesehenes hätte geschehen können, habe ich meine Vermutung für mich behalten.“

Er wurde ganz ernst. Sein Blick bohrte sich in Clarks weit aufgerissene, erstaunte Augen: „Vergessen Sie nicht, im Rückblick ist sie seit heute verschwunden. Wenn wir nicht dafür verantwortlich sind, wird es hundertprozentig jemand anderes sein! Und das würde bestimmt nicht gut ausgehen, glauben sie mir! Also dann doch lieber wir!

Clark schüttelte mit offensichtlicher Fassungslosigkeit seinen Kopf.

Angespannt drückte Lois sich in die Lehne des Sitzes. Ihre Hände verkrampften sich. So viele Fragen türmten sich in ihr auf. Sie sollte einfach vier Jahre ihres Lebens wegwerfen? Aber wenn das wirklich so wäre und in der Lodge schon ein Mörder auf sie wartete? Wollte sie vielleicht die Probe aufs Exempel machen? Die beiden hatten immer wieder versichert, dass sie vier Jahre verschwunden gewesen wäre oder sein würde. Nein, was war das alles kompliziert!

Aber das, was sich in ihrem Kopf projiziert hatte, war viel wichtiger! Aus tiefer Sorge heraus sah sie beide nachdenklich und ein wenig furchtsam an: „Was würde mich dort in 1997 erwarten, wie geht es denn meiner Familie?“

Clark hatte sich inzwischen wieder gefangen und freute sich sichtlich, ihr gute Nachrichten geben zu können: „Lois, keine Angst, deiner Familie geht es sehr gut. Auf meiner Suche nach dir war ich natürlich auch bei ihnen. Lucy ist inzwischen verheiratet, sie haben eine kleine Tochter von acht Monaten und leben in Kalifornien. Deine Eltern sind zu ihnen in die Nähe gezogen. Sie wollten bei ihrem Enkelkind sein, du warst ja nicht mehr da. Die Kleine ist sogar nach dir benannt.“

„Oh, dann bin ich schon Tante einer kleinen Lois und allen geht es gut. Das ist ja wunderbar!“ Freude und Erleichterung überwältigten sie. Dankbar presste sie die Hände gegen ihre Brust.

Aber was hatte er da gerade gesagt? ‚Auf meiner Suche nach dir‘! ‚Suchen‘ hatte sie doch vorhin schon einmal gehört. Warum hatte er sie gesucht?

Sie saßen eng beieinander in der Zeitmaschine. Lois war umrahmt von den beiden Männern und schmiegte sich andeutungsweise in Clarks schützenden Arm. Der beobachtete mitunter aufmerksam die Umgebung. Aber meistens fühlte sie seinen Blick auf sich ruhen. Sie bemerkte schon die ganze Zeit mit Wohlbehagen einen schwachen, herb-männlichen Duft, der ihn umgab. War es sein Rasierwasser, sein Duschgel oder sein Shampoon? Wie auch immer, er passte zu ihm und war äußerst angenehm.

Sie musste sich eingestehen, dass er bereits in der kurzen Zeit ihrer Bekanntschaft die einzige Konstante, der Fels in der Brandung in diesem fürchterlichen Tohuwabohu für sie geworden war. Ihr fiel ein Artikel über Verhaltungsforschung bei Tieren ein. In ihm wurde berichtet, dass ein frischgeschlüpftes Küken dem lebenden Wesen folgt, dass es als erstes nach dem Verlassen der Eierschale wahr nimmt. Genau so empfand sie. Durch seine Gegenwart verspürte sie seit ihrem Erwachen aus der Ohnmacht ein Wahnsinnsgefühl an Geborgenheit und Schutz.

Aus dieser Sicherheit heraus wollte sie jetzt aber auch den Rest hören: „Mr. Wells, heraus mit der Sprache, womit schocken Sie mich noch? Etwas haben Sie doch noch in Petto. Außerdem weiß ich immer noch nicht, woher Sie mich kennen und warum Sie und Clark mich eigentlich gesucht haben.“

Die nachfolgende Erklärung war ja wirklich der Gipfel von allem, Lois traute ihren Ohren nicht. Es machte sie für eine Weile sprachlos und das wollte bei ihr wirklich etwas heißen!

„Ms. Lane, es gibt eine Dimension, eine Zwillingsrealität, die mit der hiesigen kooperiert, verborgen durch einen Vorhang von Zeit und Raum, 1.000 Details sind gleich, aber es gibt auch 1.000 Unterschiede“, so begann der Schriftsteller.

Er und Clark erzählten ihr im Wechsel von der Parallelwelt, von ihren Gegenstücken darin und deren Erlebnisse. Sie berichteten von der anderen Lois` unfreiwilligem Besuch in dieser Welt, durch den Clark erst über ihr Geschick informiert worden war und von den letzten Ereignissen, die zu dieser Zeitreise geführt hatten.

Clark hatte seine Berichte selbst erlebt, der Schriftsteller auch einige. Aber das meiste wusste er eigenartigerweise aus zukünftigen Geschichtsbüchern, wie er sagte.

Lois hörte staunend zu und konnte das alles fast nicht begreifen. In ihrem Reporterdasein hatte sie schon viel gehört und erlebt. Das war allerdings die tollste Story, die ihr je zu Ohren gekommen war. Doch Zweifel an der Richtigkeit dieser futuristischen Geschichten kam nicht in ihr auf.

Durch Clarks Existenz, durch seine außergewöhnlichen Fähigkeiten hatte sie zu deutlich gemerkt, dass sie hier mit ihrer Schulweisheit am Ende war. Ein Außerirdischer, der im Superspeed fliegen konnte und noch andere sensationelle Fähigkeiten besaß; ein Zeitreisender, der aus dem vergangenen Jahrhundert stammte und eigentlich schon tot war; warum dann nicht auch eine Parallelwelt mit Parallelexistenzen?

Das Schicksal von Clarks und ihrem Gegenstück erweckte ihre größte Anteilnahme. Das war ja katastrophal, was die beiden in den dreieinhalb Jahren von ihrer ersten Begegnung bis zu der dann endlich stattgefundenen Hochzeit auf einem Hügel im Abendlicht und auch noch danach hatten durchmachen müssen! Acht Monate mit schrecklichen Erlebnissen mussten vom ersten geplatzten bis zum zweiten tatsächlichen Hochzeitstermin vergehen. Entführung, Klone, Gedächtnisverlust, Schrumpfen, Kryptonier, die Clark haben wollten, sein Kampf mit einem von ihnen und dazu noch dieses teuflische Kryptonit; nein, die Armen, was mussten die beiden alles überwinden!

Inzwischen hatte sie ihre Sprache wiedergefunden und machte eine diesbezügliche Bemerkung über diese fast vier Jahre dauernden Verstrickungen. Das veranlasste H. G. zu der Erklärung:

„Ja, in dieser Dimension wäre von Anfang alles etwas einfacher gewesen. Hier gibt es kein Versteckspiel, jeder weiß inzwischen, wer Superman ist. Ihre Eltern haben sich nicht scheiden lassen, Ms. Lane. Ihr Vater hat sie nicht verlassen und dadurch sind Sie nicht so verletzlich und misstrauisch geworden."

Diesmal jagte er eigenhändig mit seinem Hut ein paar Moskitos in die Flucht.

Er führte weiter aus: „Bisher sind hier weder Kryptonit noch die Kryptonier aufgetaucht. Und Lex Luthor sitzt irgendwo in den Bergen in seinem Schloss und zählt sein Geld wie Onkel Dagobert. Er hat sie, Ms. Lane, ja überhaupt nie kennengelernt.“

Lois erinnerte sich: „Ja, ich habe Mr. Luthor mehrere Male um ein Interview gebeten, aber mehr als Ablehnungen seitens seines Vorzimmers habe ich nicht bekommen!“

Wells lächelte: „Gut so, gut so!“ Ernster fuhr er fort: „Nur unser junger Freund hier ist in diesem Universum doch sehr benachteiligt worden. Er hat durch den frühen Tod seiner Eltern, als er zehn Jahre alt war, entschieden schlechtere Voraussetzungen gehabt. Sie sehen, Ms. Lane, feine Unterschiede, die aber durchaus einen Einfluss auf ein Leben haben.“

Die Mitteilung des frühen Todes von Clarks Eltern berührte Lois sehr. Sie griff nach Clarks Hand und drückte sie mitfühlend: „Oh, das tut mir aber sehr leid. Hattest du Pflegeeltern oder bist du in einem Heim aufgewachsen?“

„Ach, ich bin einfach nur so herumgezogen. Das macht nichts, es ist lange vorbei“, versuchte er mit einem sanften Lächeln dem Gehörten den Schrecken zu nehmen.

Aber eine Lois Lane gab sich doch damit nicht zufrieden!

Sie schaute ihn durchbohrend an: „Was heißt das, Clark? Herumgezogen! Du warst doch erst zehn Jahre alt?“

Sein Blick rückte in weite Ferne: „Meine Fähigkeiten waren damals schon im Ansatz da, einige mehr, andere weniger. Immer wieder hatten meine Eltern mich zur Vorsicht gemahnt. Wenn irgendjemand davon Wind bekäme, sagten sie, hätte ich keine ruhige Minute mehr. Das habe ich mir sehr zu Herzen genommen. Deshalb bin ich nach ihrem Tod von Land zu Land, von Kontinent zu Kontinent gewandert, nein geflogen. So habe ich viel von der Welt gesehen und viele Sprachen gelernt.“

Er lächelte in Erinnerung: „Natürlich habe ich auch sehr nette Menschen getroffen, die gut zu mir waren. Aber aus Vorsicht bin ich nirgends sehr lange geblieben. Menschen sind aus Geldgier zu vielen Dingen fähig, das wollte ich nicht riskieren. Die Zeit verging so schnell! Nach einiger Zeit fing ich an, meine Erkenntnisse in diesen Wanderjahren, wie ich sie nenne, zu Papier zu bringen und an Zeitungen zu verkaufen. Dadurch wurde mir bewusst, dass Schreiben der richtige Beruf für mich ist. Als Erwachsener kehrte ich nach Smallville zurück. Letztendlich bin ich in Metropolis beim Daily Planet gelandet.“

Lois schwieg betroffen, dieser Lebenslauf wurde leicht erzählt, aber er war es gewiss nicht. Wie einsam musste er in seiner Jugend gewesen sein. Er hatte damals keinen Menschen, dem er sich hätte anvertrauen und mit dem er über seine Probleme hätte sprechen können. Wie mag es wohl heute damit stehen? Dieser Superman mit diesem Aussehen müsste doch längst in festen Händen sein! Angenehm fand sie den Gedanken nicht.

Clark schien seine damalige Situation heute wirklich nichts mehr auszumachen. Nach seiner Erklärung blickte er zu Mr. Wells und fragte interessiert nach, ob dessen Gegenstück in dieser Welt auch Zeitreisen unternommen hätte.

Leider gab es da nichts Gutes zu hören: „Oh, nein, er wurde wegen seiner phantastischen Bücher ausgelacht, verhöhnt, diskriminiert, verlor jegliche Motivation und starb früher“, antwortete der Gefragte. „Aber wie immer hat alles Schlechte auch sein Gutes“, führte er weiter aus, „so konnte er auch nicht diesen Erzbösewicht Tempus aus der Zukunft holen, einer ist schon mehr als genug!“

Clark lachte kurz auf: „Da haben Sie sehr recht, Mr. Wells! Wie viele Scheußlichkeiten, Schrecken und Ängste hat dieser Mann doch schon verursacht! …Und dich, Lois, möchte ich auch unbedingt etwas fragen. Es beschäftigt mich schon die ganze Zeit“, er lehnte sich nach vorne, legte seine Hände auf die Ablage und blickte sie direkt an: „Aus welchem Grund hast du die Lodge verlassen und dich dadurch in Gefahr gebracht? Obwohl, es konnte niemand ahnen, dass gerade da ein hungriger Löwe auf Futtersuche war.“

Sie schaute mit gekrauster Stirn gedankenvoll in den Nachthimmel: „Ja, warum? Ich weiß nicht, es war sehr seltsam! Etwas zog mich einfach hinaus, …es war, als ob mich jemand …gerufen hätte.“

Voller Entsetzen blickte Clark über sie hinweg zu H. G.: „War ich das, hab ich…? Kann das sein, dass iiich…?“

Dieser wusste anscheinend sofort, um was es ging, schüttelte aber beruhigend den Kopf: „Nein, Mr. Kent, das kann man nicht mit Gewissheit sagen was Ursache und was Wirkung war. Die Gelehrten werden sich noch in tausend Jahren darüber streiten, wer zuerst da war, das Ei oder die Henne …die Henne oder das Ei. Vielleicht ist Ms. Lane gerade dadurch, dass sie die Lodge verlassen hat, aus einer anderen Gefahr gerettet worden. Vielleicht lauerte schon in einem der Chalets ein Mörder. Wir werden es nie erfahren!“

Lois verstand überhaupt nichts von der Unterhaltung der beiden. Doch bevor sie nachfragen konnte, ging ohne Vorwarnung die Sonne auf. Sie schob sich über den Horizont und plötzlich war alles in helles Licht getaucht.

Endlich konnte sie das Gesicht ihres jungen Nachbarn in allen Einzelheiten klar erkennen. Voller Spannung nahm sie jedes Detail in Augenschein.

Die schwarzen Haare waren kurz geschnitten und fielen ihm mit einer kleinen Locke in die Stirn.
Darunter bemerkte sie ein sehr anziehendes Männerantlitz. Trotz des kraftvollen Kinns hatte es einen weichen Ausdruck. Dieser wurde durch die Sanftheit seiner Augen hervorgerufen. Je nach Lichteinfall schimmerten sie hinter den Brillengläsern wie dunkelgoldener Honig oder wie schokoladenbrauner Samt. Sie wurden überschattet von markant geformten schwarzen Brauen. Die Lippen waren voll und fast zu schön für einen Mann. Nur seine Nase war nicht perfekt. An den Nasenflügeln war sie etwas …knubbelig, aber das machte sein Gesicht sehr individuell. Und gerade dieser kleine Schönheitsfehler berührte sie sehr. Während ihrer Musterung lächelte er sie mit einem überaus rätselhaften Gesichtsausdruck an und schneeweiße Zähne blitzten auf.

Dieser Blick und dieses Lächeln trieben ihr die Röte ins Gesicht. Sie fühlte es siedend heiß in sich aufsteigen. Der Puls schnellte in die Höhe. Ihr Herz zog sich auf sonderbar schmerzhafte Weise zusammen und in ihrem Hals bildete sich ein großer Kloß. Sie konnte kaum schlucken oder atmen.

Verlegen senkte sie die Augen und schimpfte selbst innerlich mit sich, weil sie Clark so unverschämt angestarrt hatte.
Angestrengt überlegte sie: Gehörte auch Gedankenlesen zu seinen Fähigkeiten? Bloß nicht!

H. G. Wells tat so, als ob er dieses kleine Intermezzo nicht bemerkt hätte und sagte energisch nach einem wiederholten Blick auf seine Taschenuhr: „So, liebes Kind, wir müssen fort! Die Sonne ist da, die Eingangstore zum Park werden geöffnet. Bald erscheinen die ersten Ausflugs-Jeeps. Was machen wir mit Ihnen?“

Dieses Problem schwirrte schon geraume Zeit in Lois` Kopf umher. Jetzt stellte sie sich ihm. Aber die in Frage kommende Entscheidung war doch wirklich alternativlos! Besonders als sie sich nochmals ihren Retter betrachtete und fast wieder in seinem unerklärlichen Blick aus Honigaugen versunken wäre. Musste man nicht einfach Vertrauen zu ihm haben? Ihm könnte sie überall hin folgen. Und was sollte sie irgendwo allein in der Welt und wenn es auch in einem Inselparadies wäre? Nein, das war eine klare Angelegenheit!

„Da gibt es doch nur eine Möglichkeit! Natürlich komme ich mit Ihnen, auch wenn ich fast vier Jahre meines Lebens verliere. Ich hoffe, dass mein Schutzengel mir weiterhin zur Seite stehen wird, schließlich komme ich in eine mir fremde Zeit“, war ihre Antwort mit einem fragenden Blick auf Clark. Dessen Gesicht begann sofort noch mehr zu strahlen.

Aber es war der zufrieden nickende Mr. Wells, der ihr antwortete: „Oh nein, Ms. Lane, Sie verlieren durch diesen Zeitsprung absolut keine Lebensjahre. Ihr Körper wird in demselben biologischen Zustand, in dem er sich jetzt befindet, wieder materialisieren. Es ist so, als ob Sie über eine Brücke gehen, hier ist 1993, am jenseitigen Ufer liegt das Jahr 1997. Sie werden eher vier Lebensjahre gewinnen. Sie werden hinten angehängt!“

So war das also auch zu ihren Gunsten geklärt. Etwas Kurioses kam ihr in den Sinn: „Oh, dann ist Lucy ja jetzt die ältere von uns beiden. Wie soll ich ihr das beibringen?“ Der Gedanke amüsierte sie sehr. Die kleine Schwester wurde plötzlich zur großen und umgekehrt!

Doch das Lächeln verging ihr, als sie Clarks etwas panische Stimme hörte: „Lois, das hätte ich fast vergessen! Deine Angehörigen haben seinerzeit deine Wohnung aufgelöst, als sie nach Berkeley gezogen sind. Einige Dinge haben sie mit sich genommen, die sie sicherlich noch haben, aber ansonsten…“, verlegen brach er den Satz ab, runzelte die Stirn und fuhr mit den Fingern durch seine Haare.

Laut redete er weiter: „Bis du etwas neues gefunden hast, würde ich dir gerne Obdach gewähren. Es sei denn, du ziehst ein Hotel vor.“

Lois empfand diese Mitteilung wie einen Schlag vor den Kopf. Sie stutzte etwas und begriff plötzlich, was 'Wohnungsauflösung' für sie bedeutete. Das konnte doch nicht wahr sein! „Dann, …dann habe ich ja überhaupt nichts mehr, nichts zum anziehen, nur was ich hier am Leibe trage, nichts, was eine Frau so benötigt ...und auch keinen einzigen Cent“, stellte sie entsetzt mit einer immer lauter werdenden Stimme fest.

Aber ihr Fels in der Brandung wusste auch hier Rat. „Kein Problem, Lois, mach dir keine Sorgen! Meine Kreditkarten stehen dir zur Verfügung“, beruhigend nickte er ihr zu, „manchmal hat es auch einen Vorteil, Superman zu sein. Ich habe in Alaska ein kleines Claim entdeckt. Das Gold wurde als Treibstoff für die Zeitreisen benötigt, der Flux-Konverter schluckt nichts anderes. Doch für diesen Zweck ist es gerade richtig.“

Sein Lächeln verstärkte sich: „Deine Kleidungsstücke wären ja auch nach vier Jahren nicht mehr die modernsten, die Kosmetika bestimmt verdorben und außerdem bin ich für dich verantwortlich. Vielleicht bin ich doch an allem schuld.“

Wieder konnte sich Lois keinen Reim auf die letzte Bemerkung machen, doch seine Argumentation beruhigte sie fürs erste. In Metropolis würde sie sich intensiver um dieses Problem kümmern können. Und schließlich waren ja auch noch die Eltern da! Was werden sie und Lucy wohl sagen, wenn sie nach vier Jahren so einfach wieder auftauchen wird?

Wells begann damit, an den Knöpfen seiner Maschine zu hantieren: „Nun denn, alles ist geregelt, meine Lieben! Es wird Zeit, wir müssen uns sputen. Da ich mich in Metropolis auskenne, können wir direkt dorthin reisen“, er stellte umständlich unter Gemurmel die Koordinaten ein.

Lois atmete tief ein und klammerte sich jetzt einfach an Clarks Arm. Egal was er dachte, sie brauchte diesen schützenden Kontakt. Zum letzten Mal blickte sie in die lichterfüllte Savanne. In der Nähe bemerkte sie eine Horde Elefanten, die genüsslich mit ihren Rüsseln Zweige von den Bäumen brachen. Als sie die anlaufende Maschine hörten, sahen sie erstaunt zu ihnen herüber und gaben einige Trompetenstöße von sich.

Der Flux-Konverter wurde immer lauter, steigerte sich zu einem infernalischen Heulen. Die Umgebung löste sich in einen Strudel von Farbe und Licht auf. Ihr Körper und die ihrer Begleiter wurden mit in den Wirbel hinein gezogen, wurden ein Teil von ihm. Alles verschwand um sie herum. So verließ sie den afrikanischen Kontinent und das Jahr 1993.


Es geht weiter!

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Re: Gestern, Morgen und zurück...

Beitragvon Gelis » So 6. Feb 2011, 21:52

Wieder in Metropolis (9/12)

Zeit: 12. Februar 1997
Ort: Metropolis / 2. Welt


Das Heulen des Flux-Konverters ebbte ab, der Wirbel wurde langsamer, die Konturen deutlicher. Sein Körper und die seiner beiden Mitreisenden formten sich in die ursprüngliche Gestalt. Jede einzelne Zelle fand ihren angestammten Platz.

Afrika und 1993 waren Vergangenheit. Sie waren wieder in Metropolis. In seiner Stadt, in seiner Zeit! Und welch ein Wunder: Lois, seine Lois war bei ihm.

Paradox war ja nur, dass Mr. Wells und er selbst ihr Verschwinden verursacht hatten. All die Verzweiflung, das Elend, ja, die Schmerzen des vergangenen Jahres hatte er sich im Grunde genommen selber zugefügt. Während er sich in Sehnsucht nach ihr verzehrte, war sie in einem Zeitstrom verschwunden. Für sie selbst dauerte der Zeitsprung nur einen kurzen Moment, für alle anderen lange vier Jahre!

Aber dass sie tatsächlich lebendig, gesund und äußerst munter hier bei ihm war, dafür würde er jederzeit dieses Schreckensjahr noch einmal auf sich nehmen.

Die Aussage des Zeitreisenden ließ ihn immer noch erschauern: „Wenn wir nicht für Ms. Lanes Verschwinden verantwortlich sind, wird es hundertprozentig jemand anderes sein! Und das würde bestimmt nicht gut ausgehen!“ Er war von Herzen froh, dass es letztendlich diese Lösung gewesen war.

Wie glücklich war er gewesen, als sie in seinen Armen erwacht war. Seitdem schwebte er wie auf Wolken. Er sah die Welt nur noch durch eine rosarote Brille. Alles, was ihn ein Jahr lang beschwert hatte, war wie weggeblasen. Sein Glück manifestierte sich als dauerhaftes Lächeln in seinem Gesicht, sodass er schon befürchtete, Lois würde ihn für einen immer grinsenden Trottel halten.

Trottel auch deshalb, weil er so einfältig gewesen war und nicht hatte erkennen können, dass diese logische Erklärung für ihr spurloses Verschwinden so naheliegend war. Er schämte sich immer noch wegen seiner Ahnungslosigkeit. Nur war er wegen ihrer Einfachheit nicht auf diese Idee gekommen. Lois hatte es auf Anhieb gewusst! Was musste sie nur von ihm denken! Doch das sollte sein Hochgefühl erst einmal nicht mindern.

Mr. Wells hatte sie im Centennial-Park materialisieren lassen. Clark stieg als erster aus und war Lois mit Freuden behilflich. Sie dehnte und reckte sich zuerst und ging zwei Schritte zur Seite. Interessiert schaute sie sich um. Er folgte ihren Blicken.

Auf den Wegen und dem Rasen lag noch kein Schnee wie im Vorland, aber sein Duft lag in der Luft. Der West River hatte als kleinen Willkommensgruß Nebel in den Park geschickt. In einiger Entfernung konnte man im Licht der nebelverschleierten Laternen das Becken des Springbrunnens erkennen. Natürlich war er um diese Jahreszeit nicht in Betrieb.

Es wurde gerade dunkel, niemand war im Blickfeld. Nur etwas weiter entfernt ertönte Hundegebell. Gedämpft erklangen die Geräusche der pulsierenden Stadt.

Der etwas kleingeratene Beherrscher der vierten Dimension erforderte seine Aufmerksamkeit, denn er ergriff in 1997 als erster das Wort: „So, das wäre geschafft, hä-ämm, sehen Sie, Mr. Kent, ich sage nie …unmöglich, ich mag das Wort einfach nicht!“ Der Schalk in seinem Gesicht war unübersehbar.

„Es war so …so …einfach mit Ihrer Hilfe, Mr. Wells, so einfach, fast kann ich es nicht glauben. Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll, ich finde keine Worte.“ Strahlend vor Glück nahm er die Hände seines Gegenübers und drückte sie vorsichtig. Impulsiv umarmte er dann die ganze kleine Gestalt.

Erstaunt vernahm er die geflüsterten Worte: „Recht so? Berkeley wär auch gegangen!“ Sein Bundesgenosse in Sachen Liebe klopfte ihm freundlich auf den Rücken, löste sich und sagte laut: „Mein Junge, Sie haben sich das verdient! Glauben Sie mir, wirklich verdient. Ich freue mich sehr, dass alles so gut gegangen ist. Machen Sie und Ms. Lane das Beste daraus. …Wir werden sehen!“ Ein verschwörerisches Lächeln begleitete seine Worte. Clark verschluckte sich fast, denn das war ja sehr eindeutig!

Ein schneller Blick zu Lois zeigte ihm, dass sie mit spitzen Ohren Mr. Wells und ihn beobachtete. Hoffentlich hatte sie die geflüsterten Worte von Mr. Wells nicht verstanden. Ihre Neugier hatte offensichtlich durch den Zeitsprung keinerlei Schaden gelitten.

Doch dann bemerkte er, wie sie vor Kälte schauderte. Die feuchte Februar-Kälte musste wohl ihre noch aufgewärmte Haut erreicht haben. Hier waren es mindestens fünfundzwanzig Grad weniger als in Namibia. Wie konnte er nur so unachtsam sein. Sie hatte doch nur ihren dünnen Safari-Anzug an. Das war wieder eine Angelegenheit für Superman.

Als er Arm und Cape um sie legte, merkte er mit Freude, dass sie sich ein wenig an ihn ankuschelte. Sie kam ihm vor wie ein kleines Kätzchen, so weich und so anschmiegsam. Und genau wie ein solches wollte er sie nicht durch unerwünschte Zuwendung verscheuchen. Er hielt ganz still und nahm ihr Zutrauen dankbar an.

Und doch, welch Glück geliebt zu werden und lieben, Götter, welch ein Glück“, deklamierte H.G. laut. „Nicht von Wells, von Goethe. Nicht jeder auf der Welt hat dieses Glück! Manche reisen allein, durchs Leben und durch die Zeit. Ach ja…!“

Und ausgerechnet jetzt musste dieser Zeitenbummler unbedingt etwas von Liebe heraus posaunen! Obwohl dieser Vers sehr schön und zutreffend war! Aber was sollte Lois bloß denken! Ein vorsichtiger Blick zu ihr zeigte ihm, dass sie betont gleichmütig auf die Zeitmaschine schaute.

Nach dem tiefen Seufzer ging ein Ruck durch die zierliche Figur des Zeitreisenden: „…Aber ich muss jetzt wieder los, mir ist vielleicht die Lösung für ein anderes Problem eingefallen. Ich wünsche Ihnen viel Glück, Ms. Lane. Und keine Sorge! Sie sind in den besten Händen!“ Tatsächlich, er gab sich die größte Mühe, sie beide zu verkuppeln!

Zum Abschied reichte Mr. Wells Lois seine Hände und gönnte ihnen beiden ein sehr freundliches Lächeln. Alle seine Gesichtsfalten gerieten wieder einmal in Aufruhr. Lois verabschiedete sich ebenso freundlich aber stumm von ihm. Sie schien immer noch ein wenig überwältigt von den Ereignissen zu sein, die in den letzten Stunden auf sie eingestürmt waren.

Mit einem letzten verschmitzten Augenzwinkern drehte H. G. sich um und war schon wieder in seiner Maschine. Er murmelte noch etwas von „Menschen den Göttern gleich“ und „Utopia“ und drehte an den zahlreichen Knöpfen und Hebeln. Der Flux-Konverter begann sein Lied erst zu singen, dann zu heulen …und in Sekundenschnelle löste sich der Schriftsteller mitsamt seinem Gefährt erst in silbrigen Nebel dann in Nichts auf. Voller Dankbarkeit starrte Clark noch kurze Zeit auf die Stelle, an der sein Begleiter verschwunden war. Wohin mochte er gereist sein?

Er hatte Lois vor dem Start etwas zur Seite gezogen. Aus sicherer Entfernung konnten sie beide dem Phänomen zuschauen. Lois gab ein bewunderndes „Wow“ von sich.

Wie ging es jetzt weiter? Er musste ihr die Entscheidung überlassen. Hotel oder sein Appartement?

Verlegen ging er mit seinen Fingern durch sein Haare und schaute fragend zu ihr hinab: „Bring ich dich jetzt zu mir, oder…?“ ‚Bitte komm zu mir‘, dachte er flehentlich.

Lois lachte herzhaft: „Was …oder?“ Sie schüttelte den Kopf und ließ ihre dunkle Haarseide fliegen. Wie gerne würde er die durch seine Finger gleiten lassen!

Immer noch lächelnd erfüllte sie ihm seine gedanklich formulierte Bitte: „Natürlich zu dir, ich möchte duschen, etwas trinken und schlafen, nichts als schlafen.“ Sie wollte zu ihm, in sein Appartement. Wie herrlich, das zu hören! Gelernt hatte sie auch schnell, denn sie stellte sich zum Aufheben vor ihn hin.

Seine Freude und Erleichterung zogen seinen Mund von einem Ohr zum anderen. Er hob sie auf seine Arme und flog behutsam in die Höhe. Sein Hochgefühl über ihre Gegenwart so nah an seinem Körper versuchte er mit diesen Worten zu kaschieren: „Willkommen in 1997, Lois Lane. Der neue Chefredakteur wird sich freuen, dass er die ehemalige Starreporterin wieder hat.“

„Natürlich, das hast du ja erzählt, Perry ist jetzt Bürgermeister, aber…“, sie machte plötzlich so eine heftige Bewegung, dass sie fast aus seinen Armen geglitten wäre. Schnell fasste er sie etwas fester. „Meine Story, meine schöne Waffenschmuggler-Story, für die ich überhaupt erst in den Kongo geflogen bin, die ist verloren!“ Ihr Frust war mehr als deutlich zu erkennen.

War das schön, ihr etwas Gutes erzählen zu können: „Nein, nein, auch da kann ich dich beruhigen. Bob Jenkins hat sie mit deinen Sachen hierher geschickt. Der Rest ist gedruckt worden mit einem schwarzumrandeten Bild von dir und einem grandiosen Nachruf. Ich habe mir das alles herausgesucht, nachdem…, du weißt schon. …Ach ja, du hast sogar den Kerth Award dafür bekommen, posthum versteht sich.“

Sie lächelte ihn an: „Posthum, wie sich das anhört, ich fühle mich doch äußerst lebendig!“ Ja, zum Glück war sie es. Er spürte zufrieden ihren gleichmäßigen Herzschlag als ob er sein eigener wäre.

Der Nebel hatte sich in dem Häusergewirr verflüchtigt. Langsam flog er über das nächtliche Metropolis, hielt sie in seinen Armen. Tief atmete er ihren Duft ein. Er trug sie jetzt etwas höher als in Afrika, sie hatte ihre Arme um seinen Nacken gelegt. Ein besonderer Zauber lag für ihn in diesem Flug. Sie war so nah! So verführerisch nah. Wie gerne hätte er sie geküsst! Aber nein, nie durfte er solch eine Situation ausnützen. Denn das Vertrauen, das sie ihm offensichtlich entgegen brachte, empfand er als ein besonderes, großes Geschenk.

Als kleinen Ersatz schaute er sie immer wieder an, ab und zu trafen sich ihre Augen. Doch er vermied es, sich in ihrem Blick zu verlieren. Denn sonst hätte er seinen Vorsatz, sie nicht zu küssen, bestimmt gebrochen.

Immer noch erschien ihm ihre Gegenwart wie ein Wunder. Monate lang hatte er sich nach ihr gesehnt, Monate lang hatte er sie gesucht, nun war sie wirklich und wahrhaftig hier. Im Grunde genommen war ihr Auffinden durch die Überwindung der Zeitschranke dank Mr. Wells Maschine ein Kinderspiel gewesen.

Ihm war aufgefallen, wie ähnlich sie der anderen Lois in ihrer Mentalität und ihren Reaktionen war. Der einzige Unterschied, den er bisher feststellen konnte, bestand darin, dass diese Lois eine Spur sanfter und zutraulicher war.

Und wie bewunderungswürdig hatte sie all das, was auf sie eingestürmt war, angenommen und verkraftet. Keine hysterischen Anfälle, keine Panik, nicht jede Frau wäre dazu in der Lage! Immer hatte er ihr ansehen können, wie sie nachdachte und abwägte.

Wie vertraut sie ihm schon war. Er hatte mit Freude zur Kenntnis genommen, wie intensiv sie ihn in Augenschein genommen hatte. Erst beim Eintreffen an der Zeitmaschine und dann später, als die Sonne aufging. Sie war rot geworden und hatte den Blick gesenkt. Durfte er das als ein gutes Zeichen betrachten?

Ach, jede einzelne Sekunde ihrer Anwesenheit wollte er mit vollen Zügen genießen. Der Frage, wie es weitergehen sollte, wich er einfach aus. Eine Weile würde sie wohl bei ihrer Familie bleiben. Mr. Wells hatte es gut gemeint, sie nach Metropolis zu bringen. Doch es gab keinen Grund, sie noch länger hier zu behalten. Morgen wollte er sie nach Berkeley bringen. Oh ja, das musste er ihr unbedingt gleich sagen. Aber sie käme sicherlich nach Metropolis zurück, um wieder beim Planet zu arbeiten.

Er hatte sie gefunden, sie war hier in seinem Leben! Sie war nicht in einem anderen Universum und sie gehörte zu niemandem. Das war das Wichtigste! Bei allen Gesprächen, die er mit ihrer Familie, Freunden und Bekannten über sie geführt hatte, war ihm von einer festen Beziehung nichts erzählt worden. Trotzdem war er sehr erleichtert gewesen, als er es aus ihrem eigenen Mund gehört hatte.

Die weiteren Ereignisse musste er gelassen abwarten. Wenn sie wieder hier war, sollte sie ihn erst einmal richtig kennenlernen und irgendwann würde sie ihn vielleicht, vielleicht lieben können. Hoffnungsvoll dachte er an die Anziehungskraft, die ja auch zwischen der anderen Lois und ihm bestanden hatte. Hier war jetzt einfach Geduld angesagt.

Während des Fluges fühlte er manchmal ihr Herz heftiger schlagen. Es war ihr hoffentlich nicht unangenehm, so von ihm getragen zu werden? Sie hatte doch wohl keine Angst? Doch weil sie nichts sagte, wollte er diesen Zauber, der über sie beide schwebte, durch seine Fragen nicht brechen. Diese Minuten waren voller Magie und hatten eine unwirkliche Atmosphäre. Um den ganzen Erdball hätte er so mit ihr fliegen mögen.

Leider war der Weg zu seiner Wohnung nicht weit. Er setzte sie mit großem Bedauern auf seiner Terrasse ab.


Es geht weiter!

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Re: Gestern, Morgen und zurück...

Beitragvon Gelis » Sa 12. Feb 2011, 11:38

…im Heute findet Clark sein Glück (10/12)

Zeit: 12. Februar 1997
Ort: Metropolis / 2. Welt


Lois Lane, die Enthüllungs- und Starreporterin des Daily Planet hatte einen Zeitsprung von vier Jahren gemacht! ‚Wow‘! Nein, zehnmal, ach was, hundertmal ‚Wow‘!

Was für ein Erlebnis! Aber konnte sie darüber einen Artikel schreiben mit einer tollen Schlagzeile? Bestimmt nicht, wenn sie nicht Gefahr laufen wollte, am nächsten Tag von zwei kräftigen Männern in eine Zwangsjacke gesteckt zu werden!

Also, wieder nichts mit einem pulitzerverdächtigen Beitrag. Aber auch ohne diese Aussicht fand sie das Geschehene überwältigend. Wie ihren außergewöhnlichen Retter von einem anderen Stern, von dem sie hoch über Metropolis zu seinem Appartement geflogen wurde.

Ihre Arme lagen um seinen Hals. Eigentlich brauchte sie sich nur etwas näher an ihn heranziehen und sein schöner Mund wäre ganz nah bei ihrem, sogar auf ihrem. Oh, Himmel, was für Einfälle hatte sie nur! Wie lange kannte sie diesen Mann? Nach Stunden ihrer Bekanntschaft gemessen war er eigentlich ein Fremder. Aber er war ihr alles andere als fremd!

Denn wenn sie heimlich sein Gesicht musterte, war sie erstaunt, wie vertraut ihr doch schon seine Züge erschienen. Und immer wenn sein Blick sie streifte, fühlte sie ihr Herz laut und vernehmlich schlagen. Das machte sie etwas unsicher und verlegen. Ein Zustand, der ihr normalerweise fremd war. Am liebsten hätte sie ihm hundert Fragen gestellt. Sie wollte alles von ihm und über ihn wissen. Natürlich auch, was Mr. Wells ihm zugeflüstert hatte. Doch er sagte nichts mehr, darum war sie auch still.

Aber aufgeschoben war nicht aufgehoben! Sie hoffte, dass sie später in seiner Wohnung Gelegenheit haben würde, ihm einige bestimmte Fragen zu stellen.

Wie schon bei ihrem Erwachen und später in der afrikanischen Nacht fühlte sie auch jetzt wieder dieses unbedingte Sicherheitsgefühl und das Wohlbehagen in seiner Nähe. Der Flug hätte für sie Stunden dauern können. Von ihr aus könnte er immer weiter fliegen!

Doch da landete er schon auf einer Terrasse. Sanft wurde sie wieder einmal von ihm abgesetzt.

In dem Appartement war es nur noch ein wenig warm. Er war ja, wie sie wusste, viele Stunden fortgewesen. Sofort kümmerte er sich um ihr Wohlbehagen. Mit einer seiner Super-Fähigkeiten, dem Hitzeblick, sorgte er für ein hell aufloderndes Kaminfeuer. Durch einen Knopfdruck an seinem Radio zauberte er etwas Schmusemusik in den Raum.

„Ich möchte gleich die Nachrichten hören“, lächelte er ihr zu. Ja, sie wusste, dass er noch einen verantwortungsvollen Job sein Eigen nannte. Er wollte bestimmt hören, ob sein Hilfe irgendwo auf dem Globus benötigt wurde.

Oldies waren im Programm, Frank Sinatra hauchte gerade den Schluss seiner Interpretation von ‚Yesterday‘. Eine Geige schluchzte die letzten Töne.

Lois schaute sich als erstes neugierig im Wohnraum um. Hier lebte er also. Es sah sehr heimelig und gemütlich aus. Die Couch lud zum Ausruhen ein. Viele Bücher standen in ordentlichen Reihen im Regal. Ein hübscher Teppich schmückte den Fußboden. Und wie ein vertrauter Gruß schwebte über allem sein Duft.

Es war sauber und penibel aufgeräumt, sogar die Küchenzeile glänzte. So sah doch normalerweise keine männliche Single-Wohnung aus? War das vielleicht das Werk einer Frau? Wie bei ihren Überlegungen in der afrikanischen Nacht berührte dieser Gedanke sie mehr als unangenehm.

Sehr passend zu ihrem Gedankengang ertönte inzwischen im Radio die markante Stimme von James Brown: ‚This is a man's world; this is a man's world‘!

War auch in Supermans Welt alles bedeutungslos ohne eine Frau? Gab es eine? Wer und wie mochte sie wohl sein? Sie merkte, wie sich ihre Hände verkrampften und sie ihre Zähne zusammenbiss.

Hoffentlich kam sie nicht gleich zur Tür herein! Oder bestand die Möglichkeit, dass er jede Nacht in einem anderen Bett verbrachte? Ihm wurden bestimmt von vielen Frauen Avancen gemacht. Sie schüttelte entschieden den Kopf. Nein, das konnte und wollte sie von ihm nicht glauben!

Clark musste sich während ihrer Wohnungsbesichtigung in seine Zivilkleider gedreht haben. Er trug wieder Hose und Hemd, als er ihr etwas zurief und sie zu ihm schaute: „Setz dich einen Moment hin, bevor du unter die Dusche gehst, ich hole dir etwas zum Trinken. Übrigens, sobald wir morgen die nötigsten Dinge für dich besorgt haben, bringe ich dich zu deiner Familie nach Kalifornien. Was für eine Freude wird das für sie sein, zu sehen, dass du lebst.“

Er blickte vom Kühlschrank zu ihr herüber und redete weiter: „Du kannst auch gleich bei Lucy anrufen, die Nummer habe ich notiert. Sie und deine Mutter werden dir dann auch sicher gerne beim Einkaufen helfen. Was wirst du ihnen erzählen, die Wahrheit, die wie eine Science Fiction-Story klingt oder dieses Märchen vom langjährigen Koma?“

Sie achtete nicht mehr auf das Kreischen und Schreien von Mr. Brown. Nach dieser Ankündigung musste sie Clark ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenken: „Oh, Clark, wundervoll, dass du mich morgen nach Berkeley bringen willst. Weißt du, ich vergess das immer. Sie haben ja vier Jahre nichts von mir gehört! Für mich waren es doch nur knappe drei Wochen. Hoffentlich kriegen sie keinen zu großen Schock, wenn ich plötzlich wieder da bin. Was ich ihnen erzählen werde?“

Langsam hatte sie sich der Couch genähert und machte es sich auf ihr bequem: „…Doch, es wird die Wahrheit sein, natürlich! Die Menschen haben sich durch dich bestimmt an die phantastischsten Dinge gewöhnt. So wie ich!“ Er kam mit einem gefüllten Glas auf sie zu. Nachdenklich blickte sie ihm entgegen. Was war ihr in den letzten Stunden alles widerfahren! Durch seine Existenz war es ihr möglich gewesen, diese Unwahrscheinlichkeiten zu akzeptieren.

Dankbar schaute sie ihn an, als er ihr den Saft reichte. Wieder versank sie in einem seiner unerklärlichen Blicke. Sie fühlte Röte in ihr Gesicht aufsteigen und blickte ganz schnell weg. Ein unverfängliches Thema musste her:

„Du Clark, ich weiß nicht, was in den letzten vier Jahren in der Welt geschehen ist! Wer ist unser Präsident geworden? Ist es wieder Charlton Heston?“ Wie eine Fruchtbombe explodierte das Getränk angenehm kühl in ihrem Mund.

Clark stand inzwischen an der Küchenzeile und werkelte dort blitzschnell herum. Grün, Rot und etwas Helles konnte sie ausmachen.

Mit einem großen Sandwich, aus dem Salatblätter herausschauten, stand er schon wieder vor ihr und hielt ihr den Teller auffordernd hin: „Du musst unbedingt etwas essen, Lois. Ja, Chuck hat die zweite Wahl haushoch gewonnen. Er ist ein hervorragender Präsident. Es wird schon über eine Verfassungsänderung geredet, damit er noch einmal gewählt werden kann.“

Sie nahm mit einem Lächeln den Teller entgegen. Hatte er Sorge, sie würde vom Fleisch fallen? Clark redete weiter: „Und wegen der sonstigen Geschehnisse informieren wir uns am besten beim Planet. Staunen wirst du, wie sich die Technik in dieser Zeit entwickelt hat! Du wirst dich an viele neue Errungenschaften gewöhnen müssen.“

Wenn er ihr dabei helfen würde, dürfte es kein Problem geben!

Sie biss genüsslich in das Sandwich hinein. Hmm, saftige Tomaten, Salat und Schinken konnte sie herausschmecken. Und so köstlich gewürzt. Hervorragend! Konnte er wirklich alles?

Er stand immer noch zwei Meter von ihr entfernt und wartete auf eine Antwort. So, der Mund war leer: „Na, das wird doch bestimmt abgeschmettert! Ich meine die Verfassungsänderung. Der 22. Zusatzartikel ist doch aus ganz bestimmten Gründen hinzugefügt worden. Und unser guter Chuck und seine Lydia werden auch immer älter! Sie sollten sich den Ruhestand gönnen.“

Clark nickte nur und wandte sich dem Radio zu, denn statt Musik war die sachliche Stimme eines Nachrichten-Sprechers zu hören. Er lauschte angespannt. Während Lois mit Appetit das Sandwich verspeiste, hatte sie ausreichend Gelegenheit, seine vollkommene Kopfform zu bewundern. Er war wirklich ein Bild von einem Mann! Jedes Mal, wenn sie ihn betrachtete, blieb ihr ein wenig die Luft weg. Sie konnte dann nicht richtig atmen, etwas schnürte ihr die Brust ein.

Es war ja nicht nur seine äußere Erscheinung, die sie so ansprach, wie bisher bei keinem anderen Mann. Genauso entscheidend war doch sein Inneres, sein Charakter. In ihrem ganzen Leben war ihr noch nie ein Mensch begegnet, der so gütig und uneigennützig war wie er. Ausgestattet mit diesen außerordentlichen Kräften, mit denen er eigentlich über die ganze Welt hätte herrschen können, kam er überhaupt nicht auf die Idee, sie zu seinen Gunsten anzuwenden. Nur das Wohl der anderen war ihm wichtig. Das hatte sie klar aus dem erkannt, was sie von den beiden in der afrikanischen Nacht gehört hatte.

Sie versuchte die Augen von ihm zu lösen, denn die Nachrichten waren vorbei. Doch es gelang ihr nicht. Mit einem zufriedenen Nicken wandte Clark sich ihr zu. „Keine Vorkommnisse, bei denen ich helfen muss. Möchtest du weiter Musik hören?“, wollte er wissen. Er schien sehr erleichtert zu sein und sich zu freuen, dass seine Hilfe nicht benötigt wurde. Nein, sie hätte es auch nicht schön gefunden, wenn er hätte wegfliegen müssen.

Doch er hatte nach der Musik gefragt! Justin Hayward hatte soeben mit ‘The Moody Blues‘ ihren Hit ‚Nights in white satin’ begonnen. Lois schüttelte schnell den Kopf. Oh nein, lieber nicht. Das fehlte noch, dass wer weiß wie oft das ‚Yes, I love you! Oh, I love you‘! hier im Raum ertönte.

Es sah so aus, als ob er über ihren Wunsch froh wäre. Aufatmend brach er postwendend mit einer Fingerbewegung den sentimentalen Gesang ab.

„Möchtest du noch etwas essen?“, wollte er wissen. Sie überlegte ganz kurz. Oh ja, für ihr Vorhaben hatte sie jetzt diesen zarten süßen Schmelz sehr nötig: „Hast du ein Stückchen Schokolade?“

Kaum hatte sie das ausgesprochen, stand er verständnisvoll lächelnd schon mit einem Doppelriegel vor ihr: „Aber sicher!“ Genießerisch ließ sie ein Stückchen im Munde zergehen. Ja, diese den ganzen Mund ausfüllende Süße tat sehr gut! Die hatte sie gebraucht.

Sie verfolgte ihn mit ihren Blicken, denn er war schon wieder unterwegs. Sein Gang war lässig aber voll verhaltener Kraft. Sie beobachtete das Spiel seiner Muskeln unter dem weichfließenden Hemd, als er seinen Schrank öffnete. „Heute Nacht kannst du ja irgendwas von mir anziehen, ein T-Shirt oder so. Hier müsste eins sein, das nicht ganz so groß ist.“ Er begann in dem Schrank herum zu suchen.

Lois bekam allmählich den Eindruck, als ob er ihr etwas verlegen aus dem Weg gehen und immer wieder nach einer neuen Beschäftigung suchen würde.

Aber sie musste unbedingt diese eine Sache geklärt wissen, die ihr nicht mehr aus dem Kopf ging. Sie war ihr einfach zu wichtig und beschäftigte sie zu sehr. Dreimal war sie auf diese Frage gestoßen. Er würde sie hoffentlich nicht als zu indiskret empfinden. Vor innerer Anspannung hatte sie das Schokoladenpapier zu einer winzigen Kugel zusammengepresst.

Der süße Inhalt aber hatte ihr Mut verliehen, darum folgte sie ihrem Gastgeber zu dem Schrank. Immer noch wühlte er konzentriert darin herum.

„Cla-ark“, sagte sie zögernd, ihre Stimme hob sich am Ende des Namens etwas in die Höhe, „ich muss dich etwas fragen.“ Sie gönnte sich noch eine kleine Pause: „…Gibt es in deinem Leben eine Frau? Hast du eine Beziehung?“

Langsam drehte er sich zu ihr um. Stumm schaute er sie mit seinen jetzt im elektrischen Licht ganz dunklen Samtaugen an. Ihn schien diese Frage ziemlich unvorbereitet getroffen zu haben. Sie konnte ihm ansehen, wie es in ihm arbeitete. Langsam färbte sich sein Gesicht. Es glühte, als er sanft seine Hand an ihre Wange legte und seine Finger in ihre Haare glitten. So fühlte es sich also an, wenn seine schönen Hände ihr Gesicht berührten. Einfach himmlisch! Ihre Augen schlossen sich,sie wollte dieses Gefühl ganz auskosten.

Sie öffnete sie aber ganz schnell wieder. Denn er hatte zu sprechen begonnen, mit einer dünnen, etwas heiseren Stimme. „Lois, …ja, …es gibt eine Frau in meinem Leben! Eine Frau, die ich seit Monaten liebe! Von der ich Tag und Nacht träume! Eine Frau, die für mich die ganze Welt ist!“

Ihr Puls raste in ungeahnte Höhen. Gebannt hingen ihre Augen an seinen Lippen, die solche wunderschönen Worte formten: „…Lois, …diese Frau bist …du. Durch deine Gegenwart ist für mich der Himmel blauer, die Sonne leuchtender, die Sterne strahlender.“

Der Ausdruck seiner Augen hatte plötzlich nichts Unerklärliches mehr. Fast atemlos hörte sie ihm weiter zu: „Bevor ich dich fand, war mein Leben trostlos, ich habe nicht gelebt, sondern nur agiert. Ich fühlte mich wie, …wie ein …Zombie, wie ein lebender Leichnam. Das einzige, was mich noch anspornte, war das, was ich für Metropolis und die Welt tun konnte und ein winziges Stückchen Hoffnung, dich doch noch zu finden.“

Sie stand starr und stumm da, nicht fähig, ein einziges Wort zu artikulieren. Dafür sprach er weiter. Seine Stimme hatte inzwischen ihre Festigkeit und Tiefe wieder erlangt: „Als ich in dem Baum an dem Wasserloch gewartet habe, musst du meine Sehnsucht gespürt haben und deshalb aus der Lodge heraus gekommen sein.“

Hatte sie nicht tatsächlich so ein Gefühl gehabt, als ob sie von jemandem gerufen würde? Auch dieses Rätsel war gelöst!

Sein Blick wurde noch weicher,das Timbre vor Zärtlichkeit noch wärmer und tiefer: „Ich liebe dich so sehr und wünsche mir nur, du könntest mich auch eines Tages lieben. Sicher, du kennst mich erst seit gestern. Lerne mich kennen, nimm dir Zeit wie viel auch immer, aber bitte, bleib in meinem Leben.“

Langsam nahm er seine Hand von ihrer Wange. Er stand vor ihr mit einem bangen Gesichtsausdruck und kraftlos herabhängenden Armen. So mussten die Gladiatoren im alten Rom dagestanden haben. Daumen oben oder unten, Leben oder Tod! Befürchtete er, sie würde ihn auslachen und davonlaufen?

Aber nein, das würde sie gewiss nicht tun! Denn jedes Wort dieses leidenschaftlichen Bekenntnisses war tief in ihr Herz gedrungen. Gehörte es ihm nicht schon von dem Moment an, als sie ihn das erste Mal beim Aufgehen der Sonne hatte richtig sehen können? Oder sogar noch eher? Was war es denn, was ihr schon die ganze Zeit den Atem nahm, ihr Herzklopfen verursachte und schwer in ihrer Brust lag, wenn sie ihn nur ansah?

Sie stand immer noch bewegungslos vor ihm und starrte ihn an. Die Gedanken rasten durch ihren Kopf.

Hatte H. G. Wells nicht von Seelenverwandtschaft gesprochen, die ihre Gegenstücke aus der anderen Welt verband und dass, in welcher Inkarnation auch immer, sie sich überall suchen und finden würden? Das galt doch hundertprozentig auch für sie beide hier in diesem Universum ! Und hatte sie nicht schon in Afrika den Wunsch verspürt, ihm überall hin zu folgen?

‘Ich liebe dich so sehr‘! Das war jedoch das Allerschönste! Wie groß musste seine Liebe sein, dass sie sein Sehnen bereits in der Lodge gespürt hatte und zum Wasserloch hinausgegangen war. Im Grunde genommen war es ihr schier unmöglich, ihn nicht wiederzulieben!

Noch nie vorher in ihrem Leben war sie sich einer Sache sicherer gewesen. Sie hatte das Empfinden, als ob sie nach einem langen Weg endlich nach Hause gekommen wäre. Alles schien ihr auf einmal so einfach und so klar. Es gab keine Fragen und keine Bedenken. Nicht eine einzige Sekunde ihrer gemeinsamen Zukunft wollte sie jetzt noch verschenken.

Tief holte sie Luft, blickte ihm eindringlich in seine dunklen Augen und sagte so zärtlich, wie sie nur konnte: „Aber ich kenne und …liebe dich doch schon so lange, …seit 1993!“ Dabei nahm sie sein fragendes, banges Gesicht in ihre beiden Hände.

Ihre Knie zitterten, ihr Herz klopfte in einem Wahnsinns-Rhythmus, das Blut rauschte durch ihren Körper als ihre Arme in seinen Nacken glitten und sie seinen Kopf zu sich herunter zog. Aber sie musste jetzt unbedingt diesen Mund haben, unbedingt. Vom ersten Betrachten an hatte sie sich das doch schon brennend gewünscht. Endlich! Endlich trafen sich ihre Lippen.

Er stand im ersten Moment ganz bewegungslos da, als ob er nicht glauben könne, was sie gesagt und getan hatte. Aber dann erwiderte er heiß den Druck ihres Mundes.

Mit einem erleichterten Aufstöhnen, als ob ihm Zentnergewichte von seinem Herzen fallen würden, umfasste er erst ihren Kopf. Dann spürte sie seine Arme, die sie umfingen und seine warmen Hände auf ihrem Rücken. Plötzlich schwebten sie in der Luft. Er hatte im wahrsten Sinne des Wortes den Boden unter den Füßen verloren.

Der Himmel berührte die Erde. Tausend funkelnde Sterne fielen auf sie herab!


~*~*~*~*~



Zeit: 12. Februar 1997
Ort: Metropolis , Hyperion Ave. 348 / 1. Welt



H.G. Wells stand noch an der offenen Tür.

Seine blauen Augen funkelten hinter der Brille, als er laut zu dem bereits hinausgegangenen Clark sagte: „Hä-ämm, mein Junge, ich sage niemals … unmöglich!“ Er zwinkerte dem endlich wieder vereinten Paar zu und schloss die Tür hinter sich.

Endlich waren sie allein. Sofort umarmte Lois innig ihren fast verloren gegangenen Ehemann: „Ich glaube, ich lass dich nie wieder los!“

„Ich hoffe, dass du das nicht tust“, mit einem glücklichen Auflachen schlang Clark seine Arme um sie, drückte sie an sich. Ihre Lippen verschmolzen.

Er löste sich einen Moment und wies mit dem Kopf zu der geschlossenen Tür: „Weißt du, er hat recht, ich bin wirklich der glücklichste Mann auf der Welt!“

„Und ich die glücklichste Frau, …und wie rücksichtsvoll von deinen Eltern, heute im Hotel zu übernachten.“ Lois hüpfte fast in seine Arme und suchte schon wieder seinen Mund.

Er fing sie auf und war blitzschnell mit ihr in Richtung Schlafzimmer verschwunden.


Einige Zeit später

Sie hatten sich geliebt. Mit allen Sinnen mussten sie sich immer wieder davon überzeugen, dass sie wirklich beieinander waren, dass die Gegenwart des anderen nicht nur ein Wunschtraum war.

Sie schwebten engumschlungen in dem von sanftem Licht erhellten Raum. Sie weigerten sich zu schlafen, um dieses bewusste Beisammensein nicht zu beenden. So wollten sie die Verzweiflung, die Ängste und die Nöte der vergangenen zwei Tage auslöschen. Leise sprachen sie über das Erlebte, unterbrochen von immer neuen Liebkosungen.

Lois knabberte gerade zärtlich an seinem rechten Ohrläppchen, als Clark den Kopf etwas anhob und mit diesem typischen, abwesenden Blick in die Ferne lauschte.

Lois umfasste ihn demonstrativ ganz fest mit beiden Armen. Nein, sie wollte ihn nicht weglassen, nicht schon wieder. Sie brummte enttäuscht: „Nein, Clark, heute nicht, bitte nicht jetzt. Was ist es, ein Eisenbahnunglück, ein Brand, ein Überfall, eine Explosion?“

Er zog sie beruhigend noch mehr an sich heran: „Keine Sorge, Schatz, nichts von alledem. Heute ist nur Clark gefragt, nicht Superman.“

Mit einer leichten Bewegung strich er ihr die etwas wirren Haare aus dem Gesicht: „Du weißt doch seit der Geschichte mit Zara, Ching und Lord Nor, dass die Kryptonier auf telepathischer Ebene miteinander kommunizieren können. Aber außer mir vermag das sonst hier niemand.“

Ein strahlendes Lächeln ging über sein Gesicht: „Soeben habe ich allerdings ein so jubelndes Glücksgefühl empfangen, keine Worte …nur Gefühl. …Das kann einfach nur von Clark aus der anderen Welt stammen. Er muss…, nein, er hat definitiv seine Lois gefunden und strömt über vor Seligkeit. Und diese Empfindung hat alle Dimensionen gesprengt!“

Er runzelte die Stirn, sein fragender Blick traf Lois: „Aber wieso so schnell? Er ist doch vorhin erst mit…“. Hier stockte er und gleichzeitig sagten beide wie aus einem Mund: „H. G. und seine Zeitmaschine!“

Lois strahlte wie die Sonne an einem Frühlingstag als sie hinzufügte: „Wie wunderschön, dann ist er endlich auch nicht mehr allein. Er hat doch so unsagbar gelitten. Oh Clark, sie sollen so glücklich werden wie wir beide!“

:superman:

Hier endete ursprünglich meine „Alt-Clark-findet-Alt-Lois“-Story. Aber mir war das nicht genug, ich musste Clark noch viel, viel tiefer in sein Glück stürzen. Darum:

Es geht noch weiter!


:superman:

zum FDK

:superman:
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Re: Gestern, Morgen und zurück...

Beitragvon Gelis » Di 15. Feb 2011, 17:33

Der nächste Morgen (11/12)


Zeit: 13. Februar 1997
Ort: Metropolis / 2. Welt


Im Grunde genommen war es ihr verhasst, in einer fremden Wohnung und in einem fremden Bett aufzuwachen. Es war manchmal von dem Gefühl begleitet, einen großen Fehler begangen zu haben.

Doch heute war alles ganz anders.

Seltsamer Vogelgesang hatte sie aus dem Schlaf geholt. Es waren die Stimmen der großen Stadt: Lärm von vielen Automotoren, der Klang der Hupen und dazwischen Sirenen von Polizei- und Rettungsfahrzeugen. In der Ferne ertönte eine Kirchenglocke.

Beim Erwachen war sie ganz erfüllt von einem so wundervollen Gefühl. Mit immer noch geschlossenen Augen kuschelte sie sich tiefer in das Bett hinein. Es war zweifelsfrei nicht ihr eigenes, das spürte sie sofort, doch ein seltsam vertrauter Duft ging von ihm aus. In jüngster Zeit hatte sie sowieso berufsbedingt nicht in ihrem eigenen Bett schlafen können. Das letzte Mal war sie ja bei Kate und Bob Jenkins in Brazzaville wach geworden und wollte mit ihnen nach Namibia fliegen.

Namibia…? Weit riss sie die Augen auf, als die Erinnerung mit aller Macht auf sie einstürzte.

Namibia, …Löwe, …Clark! Clark, dieser außergewöhnliche Mann mit sensationellen Fähigkeiten.In seinen Armen am afrikanischen Nachthimmel war sie das letzte Mal erwacht, nicht in Brazzaville. Nachdem er sie gesucht, gefunden und gerettet hatte.

Mit ihm und diesem wunderlichen Schriftsteller war sie durch die Zeit gereist. Vier Jahre hatte sie einfach übersprungen und war am Abend des 12. Februar 1997 hier in Metropolis gelandet. Das war gestern Abend gewesen. Und die Nacht hatte sie in Clarks Apartment, in seinem Bett verbracht.

Aber vorher war dieses Wunderbare geschehen! Voller Staunen führte sie sich noch einmal den Moment vor Augen, in dem Clark ihr seine Liebe gestanden hatte. Wiederum war sie bezaubert von seiner leidenschaftlichen Erklärung.

„Lois, ja, es gibt eine Frau in meinem Leben! Eine Frau, die ich seit Monaten liebe! Diese Frau bist… du. Durch deine Gegenwart ist für mich der Himmel blauer, die Sonne leuchtender, die Sterne strahlender.“

Dieser einzigartige, dieser wundervolle Mann, er war es im wahrsten Sinne des Wortes, liebte sie und war seit einem Jahr auf der Suche nach ihr. Und auch sie hatte ihn tatsächlich von dem berühmten ‚Ersten Augenblick‘ an geliebt. Jede Zelle ihres Körpers war angefüllt mit diesem Gefühl. Vor lauter Liebe konnte sie kaum atmen.

Clark! Sie sah ihn vor sich, sein Gesicht, das sich so in ihr Herz gebrannt hatte. Sein Körper, diese Formen, bei deren Anblick in ihr heiße Wünsche wach geworden waren. …Und sie waren es immer noch…!

„Lois!“ Wieder einmal musste sie sich selbst zur Ordnung rufen.

Ihr erster Kuss! Nur die Vorstellung von ihm reichte aus und schon wieder fühlte sie das Beben ihrer Knie, das Klopfen ihres Herzens und endlich verstand sie, was es bedeutete, Schmetterlinge im Bauch zu haben.

In Namibia auf der Terrasse des Bungalows hatte sie sich noch gefragt, ob sie den Richtigen jemals finden würde… und eine Stunde später war er schon in ihrem Leben!

Nein, für sie gab es nicht den geringsten Zweifel. Sie beide waren füreinander bestimmt!

Wo mochte er sein? Trotz angestrengten Lauschens konnte sie kein Geräusch aus den anderen Räumen wahr nehmen.

So streckte sie sich wieder ganz bequem in seinem Bett aus. Wie immer, wenn etwas ihr Bewusstsein so sehr beherrschte, musste sie in Ruhe darüber nachsinnen. Und im Moment konnte sie an gar nichts anderes mehr denken als an diesen Mann und die letzten Geschehnisse.

Gestern Abend war sie eigentlich sehr müde gewesen. Es war auch zu viel, was in den vergangenen Stunden auf sie eingestürmt war und was sie hatte verkraften müssen.

Doch als sie nach diesem ersten zauberhaften Kuss wieder auf dem Boden angelangt waren, hatte sie als Allererstes ihre Schwester in Berkeley angerufen.

Clark hatte sie erinnert. Sein Kopf war an ihren gelehnt, sie hatte seinen Atem an ihrer Stirn gespürt, als er gesagt hatte: „Komm, mein Liebes, du musst dich bei deinen Angehörigen melden. Sie müssen wissen, dass du lebst und dass es dir gut geht!“

Sie immer noch im Arm haltend, hatte er Lucys Nummer gewählt und ihr den Hörer in die Hand gedrückt.

Mit „Hartland“ hatte Lucy sich gemeldet. Im Hintergrund war ein Kinderstimmchen zu hören gewesen, das Stimmchen ihrer kleinen Nichte, die ihren Namen trug. Die Tränen waren Lois vor Freude in die Augen geschossen. Sie konnte nur stammeln: „Lucy, bitte nicht erschrecken. Ich bin es, Lois!“

Atemloses Staunen auf der anderen Seite, dann ein kleiner Aufschrei: „Lois, du bist es? Lois, ist das wahr?“ Dann flossen erst einmal hier wie dort haltlos die Tränen. Bloß gut, dass Clarks Arme dagewesen waren, die sie festhielten und sein Mund, der ihr ganz zart die Tränen wegküsste.

Was war das für eine Freude gewesen! Lucy hatte sich gar nicht beruhigen können. Es hatte eine Weile gedauert, bis sie realisiert hatte, dass die Totgeglaubte gesund und munter aus Metropolis anrief.

Natürlich hatte Lucy den Grund des vierjährigen Schweigens ihrer Schwester wissen wollen. Sie hegte persönlich die wildesten Vermutungen. Es ging über Gedächtnisverlust, hilfloses Herumirren und Koma bis zu Entführung und Gefangenschaft in einem orientalischen Harem.

Lois hatte da herzlich lachen müssen. „Lucy, du hast immer noch eine blühende Phantasie. Nichts von alledem. Es ist eine lange Geschichte“, hatte sie ihrer Schwester gesagt. „Ich will sie nicht zweimal erzählen, dafür ist sie zu lang!“ Und durch viele Zwischenfragen, durch viele „Aahs“ und „Oohs“ würde sie bestimmt noch länger werden.

Die Schwestern hatten vereinbart, ihren Eltern diese sensationelle Neuigkeit nicht am Telefon zu verkünden. Sie sollten es erfahren, sobald Lois in Kalifornien war. Lucy sollte sie nur schon auf eine unglaubliche, riesige Überraschung vorbereiten.

Und über Clark hatte Lois bei dem Telefonat auch nur die kleine Andeutung gemacht, dass er sie gefunden hätte. Sie wäre bei ihm und er würde sie morgen nach Kalifornien bringen. Klar, dass Lucy vor Neugierde bald platzen würde. Auch Schwesterherz hatte diese Krankheit von Mutter geerbt!

Nach dem Gespräch mit Lucy hatte Lois endlich aus ihren Sachen heraus gemusst. Das Duschen war eine Wohltat gewesen, die sie sehr genossen hatte. Clark hatte ihr etwas von sich zum Anziehen hingelegt. Es war zwar alles etwas groß, aber frisch und sauber und das war vorrangig. In seinem Bademantel eingepackt hatte sie hinterher noch eine Weile mit ihm geredet.

Es waren einige Dinge, die sie unbedingt von ihm wissen musste. Sonst hätte sie trotz ihrer Müdigkeit vor lauter Neugier nicht schlafen können. Auf seiner gemütlichen Couch hatte sie in seinem Arm gesessen, ihre Hände fest ineinander verschlungen.

Er hatte ihr ein wenig aus seinem Leben erzählt. Zuerst von seiner ehemaligen Verlobten Lana, die kein Verständnis für sein kryptonisches Erbe hatte.

Doch dann hatte er ihr gebeichtet, dass er sich seinerzeit zuerst in die Lois aus der anderen Welt verliebt hatte, diese Liebe aber eigentlich ihr galt. Aus diesem Gefühl heraus hatte er sie seit damals gesucht, so verzweifelt gesucht. Und um mehr von ihr zu erfahren, hatte er wiederholt mit ihrer Familie und auch mit allen Kollegen gesprochen, die sie gekannt hatten.

Jetzt am Morgen lächelte sie vor sich hin. Wahrscheinlich war er nun genauer über ihr Leben informiert als sie selbst. Kollegen und besonders Kolleginnen wussten doch immer viel besser über und von allem Bescheid!

Natürlich hatte sie ihn auch frech weg gefragt, was H. G. Wells ihm zugeflüstert hatte. Clark hatte gelacht und sie gestreichelt: „Er wusste, wie sehr ich dich liebe. Er war mein Verbündeter, er hat alles getan, um mir zu helfen. Darum hat er so viel von unseren Parallel-Existenzen erzählt. In allem, was er berichtet hatte, war ein Hintergedanke verborgen. Du solltest erkennen, dass wir beide in diesem Universum auch zusammengehören. Immer wieder hat er so eigenartige Bemerkungen gemacht.“

Ja, sie sollten das Beste daraus machen. Dann hatte er einen eindeutigen Vers aus Goethes ‚Willkommen und Abschied‘ rezitiert. Und noch gesagt, sie wäre bei Clark in guten Händen. Das hatte sie sowieso von Anfang an geahnt und jetzt wusste sie es!

Trotz seiner ausführlichen Antwort hatte sie keine Ruhe gegeben! „Und, was hat er dir zugeflüstert?“ Neugier konnte auch eine Plage sein!

Clark hatte seine Finger durch ihre Haare gleiten lassen: „Wortwörtlich? Es war:‚Recht so? Berkeley wär auch gegangen‘! Er hätte dich sofort zu deinen Eltern bringen können! Aber der gute Mr. Wells wollte uns eine Chance geben. Die wir ja auch dank deiner Frage genutzt haben!“

An dieser Stelle hatte es erst einmal wieder eine Pause gegeben. Eine Pause für einen langen, zärtlichen Kuss. Sein Mund! Vor Sehnsucht seufzte sie tief auf. Wie gerne würde sie ihn jetzt wieder auf dem ihren spüren!

In seiner Fürsorge und Aufmerksamkeit hatte er bald gemerkt, wie erschöpft sie war. Ihre Nerven bedurften der Ruhe. Er hatte sie noch zu Bett gebracht, sanft zugedeckt und hatte sich mit einem innigen Gute-Nacht-Kuss verabschiedet. Doch dann war er leider hinaus gegangen. Mit einem Lächeln und einer Kusshand von der Tür aus hatte er den Raum verlassen.

Sie hätte ihn nicht weggeschickt, wenn er geblieben wäre. Nein, bestimmt nicht! Die Signale ihres Körpers waren sehr eindeutig, eigentlich hätte sie ihn festhalten müssen.

Aber allein in seinem Bett hatten die überwältigenden Ereignisse der letzten Stunden ihren Tribut gefordert. Ziemlich schnell war sie eingeschlafen.

Clark! Eine Welle von Zärtlichkeit überflutete sie. Wie lange kannte sie ihn schon… oder erst?

Es kam ihr tatsächlich wie vier Jahre vor, so hatte er in den vergangenen Stunden ihr Leben dominiert. Und war das überhaupt wichtig, wie lange sie ihn kannte? Hatte sie ihn nicht schon ihr Leben lang gesucht?

Langsam richtete sie sich auf. Ihr Blick wanderte durch sein Schlafzimmer. Auch hier war alles aufgeräumt und sauber. Sein Sinn für Ordnung wurde ihr allmählich unheimlich.

Aber wo war er nur? Sie sehnte sich nach ihm. Aus den anderen Räumen kam kein Geräusch, das auf die Gegenwart eines anderen Menschen hingewiesen hätte. Eines anderen Menschen? Er war gar kein Erdenmensch. Im Verständnis des Wortes war er ein Alien. So ein Schwachsinn! Für sie war Clark der menschlichste aller Menschen, für sie war er der ‚Homo Superior‘ schlechthin.

Nach dem Verlassen des Bettes bewegte sie sich auf die Tür zum Wohnraum zu und öffnete sie vorsichtig. Er war weder zu sehen noch zu hören.

Doch auf dem Tisch entdeckte sie einen großen Zettel, beschwert mit einem Buch:

„Mein Liebes, mein Herz! Superman musste nach dem Rechten schauen. So schnell wie möglich bin ich wieder bei Dir!
Ich war gestern noch kurz in Berkeley bei Lucy. Sie hat mir geholfen, die nötigsten Dinge für Dich zu besorgen. Im Bad stehen Pflegemittel, etwas Unterwäsche liegt auch dort (schon gewaschen) und im Schrank hängen ein Hosenanzug, eine Jeans, Shirts und zwei Pullover, hoffentlich passt alles.
In Liebe, Dein Clark!“


„Du wunderbarer Mann, mein Clark“, flüsterte Lois und wieder einmal bildete sich ein dicker Kloß in ihrem Hals.

An was er alles dachte! Und was bei ihm kurz hieß, konnte sie sich sehr gut vorstellen. Wahrscheinlich war über dem Kontinent nur ein rot-blauer Blitz zu sehen gewesen, wenn überhaupt. Auf jedem Radarschirm war wohl nur ein Pünktchen erschienen, das so schnell wieder verschwunden war, wie es aufgetaucht war. Wie schnell er sein konnte hatte sie ja im Etosha-Nationalpark erlebt, als er nur mal eben nach Shanghai geflogen war, um chinesisches Essen zu holen.

Unwillkürlich stieg ein Kichern in ihr hoch, sie konnte es nicht unterdrücken. Die Unterwäsche gewaschen? Lucy hatte ihm sicher erzählt, dass sie neue Unterwäsche nicht so anziehen mochte. Dann musste er das ja wohl eigenhändig gemacht haben! Vielleicht mit seinem Hitzeblick getrocknet? Sehr amüsant, dieser Gedanke!

Die echte Evastochter fand es notwendig, ganz schnell die neue Garderobe anzuprobieren. Natürlich passte alles wie angegossen! Sie nahm die Jeans und einen von den Pullis und ging ins Bad um fertig angezogen zu sein, wenn er wieder zurück käme.

Mit großer Freude bemerkte sie all die Fläschchen, Tuben und Döschen, die ihren Weg von Berkeley hierher gefunden hatten. „Danke, Lucy!“ Ja, die inzwischen ältere Schwester wusste genau, was eine Frau benötigte. Sogar ein Lippenstift war vorhanden. Und ein Haarfön lag bereit.

Lois genoss es, sich wieder richtig pflegen zu können. Selbstverständlich hatten auch BH und Slip die richtigen Größen. Es gab sie gleich in doppelter Ausfertigung. Ob Clark Lucy gesagt hatte, dass ihre Schwester dieselbe Figur hatte wie vor vier Jahren? Hatte Lucy dann nicht gefragt, woher Clark das wissen konnte? Schließlich hatten sie beide sich vor vier Jahren hier in Metropolis noch gar nicht kennenlernen können. Oder vermutete Schwesterchen etwas ganz anderes? Wie auch immer, schon heute würde sie ihre Familie wiedersehen, ihr alles erzählen und damit jedes Rätsel lösen können.

Aber jetzt freute sie sich erst einmal sehr auf Clark. War er schon zurück?

Voller Wohlbehagen durch ihre Morgentoilette verließ sie das Badezimmer. Beim Öffnen der Tür stieg ihr frischer Kaffeeduft in die Nase. Die milde Wintersonne schien in den Raum und ließ Goldflitter tanzen.

Und da war er tatsächlich! Er stand in legerer Freizeitkleidung mit dem Rücken zur Küchenzeile, rührte sich nicht vom Fleck, schaute sie nur intensiv an.

Lois wurde von seinem Blick magisch angezogen. Sie sah nur noch seine vor Glück und Liebe strahlenden Augen. Während sie langsam auf ihn zuging, genoss sie bewusst jeden einzelnen Schritt, der sie zu ihm führte. So musste sich eine Braut fühlen, die auf ihren am Altar wartenden Bräutigam zuging.


Es geht noch weiter!

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Gelis

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Re: Gestern, Morgen und zurück...

Beitragvon Gelis » Sa 19. Feb 2011, 13:00

Am Ende der Sehnsucht (12/12)

Zeit: 13. Februar 1997
Ort: Metropolis / 2. Welt


In der Morgendämmerung drehte er seine Runde über Metropolis.

Aber es war ein ganz anderes Fliegen als sonst. Er erwischte sich dabei, dass er einen Salto nach dem anderen drehte. Am liebsten hätte er all sein Glück in die weichende Nacht hinaus gejauchzt.

Die Stadt unter ihm war mit einem weißen Tuch bedeckt. Es hatte geschneit. Er hatte ja gestern bei der Ankunft schon den Schnee riechen können. Die Wolken waren inzwischen weiter gezogen. Die Sonne ließ ihr Erscheinen durch einen immer heller werdenden Rand am Horizont erahnen.

Seine Gedanken gingen von allein zu der vergangenen Nacht zurück. Wie hatte er sie genossen! Immer noch hatte er das Gefühl, vor Liebe und Glück bersten zu müssen.

Sie liebte ihn, seine Lois liebte ihn. Es war zu schön! Es erschien ihm wie ein Traum. „Aber ich kenne und… liebe dich doch schon so lange, seit… 1993!“ Diese ihre Worte und ihr erster Kuss, dem später noch einige gefolgt waren, hatten das Tor zum Paradies weit für ihn geöffnet.

H. G. Wells hatte mit seinen Worten ja so recht. Ganz gleich in welchem Universum, in welcher Inkarnation, in welcher Zeit; ihre Herzen würden sich immer und überall suchen und finden! Sie schlugen im selben Takt, in ihnen klang dieselbe Melodie, sie waren zwei Teile eines wunderbaren Ganzen.

So groß sein Elend und seine Verzweiflung in dem letzten Jahr auch gewesen waren, seit gestern waren sie Geschichte! Das Glücksgefühl, das ihn jetzt erfüllte, war weitaus größer.

Tief atmete er die kalte Februarluft ein. Immer noch konnte er es kaum fassen. Sie war hier! Hier bei ihm in Metropolis, in seinem Apartment.

Gestern hätte er am liebsten die ganze Nacht mit ihr geredet, aber er hatte gemerkt, dass sie sehr müde gewesen war. Kein Wunder, nach all diesen Ungeheuerlichkeiten, die auf sie eingestürmt waren. Außerdem hatten sie ja alle drei die Afrika-Nacht im Gespräch verbracht. Abgesehen von der kurzen Ohnmacht hatte sie also mehr als vierundzwanzig Stunden keinen Schlaf bekommen. Auch ihre Nerven mussten sicherlich durch all diese unglaublichen Belastungen aufs Äußerste angespannt gewesen sein.

So hatte er sie ins Bett gebracht und allein gelassen. An ihren fragenden Augen hatte er gut erkennen können, dass sie gegen sein Bleiben keine Einwände gehabt hätte. Ja, gerne hätte er sich zu ihr gelegt, doch mit der größten Selbstbeherrschung hatte er sich von ihr verabschiedet.

Denn was damals für ihn bei Lana wichtig war, galt jetzt im höchsten Maße für Lois. Die letzte Intimität durfte es erst nach einer Heirat mit ihr geben. Bevor er sie zu seiner Gefährtin, zu seiner Frau machen würde, sollte sie es vor Gott, vor aller Welt und auch dem Gesetz sein. Mit allen Rechten wollte er das Liebeslager mit ihr teilen. Das hatte er sich selbst geschworen! Ihm war klar, dass er in der heutigen Zeit in der Beziehung ein Exot war, aber war er es nicht in jeder Hinsicht?

Nachdem er sie verlassen hatte, war Lois recht schnell eingeschlafen. Dank seines Supergehörs hatte er es an ihrem ruhigen, gleichmäßigen Atem gemerkt. Ihre Bedürfnisse waren im Moment für ihn das Wichtigste, er musste sich dringend um sie kümmern. Darum hatte er sich sofort bei Lucy telefonisch vergewissert, dass er noch zu ihr kommen konnte. Sie war sehr erstaunt über seinen Wunsch gewesen. Aber die Argumente, die er anführte, hatten sie sofort überzeugt. Lois und nichts anzuziehen, nein, das ging nun wirklich nicht! In Berkeley war es durch die Zeitzonen noch drei Stunden früher am Tag, so war sein Kommen kein Problem.

Außerdem war er kein Fremder für sie. Bei seiner Lois-Suche hatte er auch die Familie mehrere Male aufgesucht. Bestimmt hatten sie sich sehr über das Interesse gewundert, das Superman an ihrer verschollenen Tochter und Schwester zeigte. Er hatte es seinerzeit damit zu erklären versucht, dass ihn ihr Schicksal sehr berührte, denn sie war ja eigentlich seine Kollegin.

Er wollte damals unbedingt mit den Menschen reden, die ihr am nächsten standen. Er wollte Lois so besser kennenlernen, von ihren Vorlieben und Neigungen wissen. Auf eine subtile Art fühlte er sich mit ihrer Familie verbunden.

Selbst in der Redaktion hatte er mit jedem gesprochen, der sie gekannt hatte, um mehr von ihr zu erfahren. Die ergiebigste Quelle war Perry White gewesen, dessen Starreporterin sie seinerzeit gewesen war. Aber je mehr Clark über sie und von ihr erfuhr und sie dadurch immer besser kennenlernte, desto größer wurde der Schmerz, den ihre Abwesenheit bei ihm verursachte. Doch dieser Schmerz war dem Glück ihrer Gegenwart gewichen!

Vor seinem gestrigen Abstecher zu Lucy war er noch zum Daily Planet geflogen. Morgen war doch Valentinstag, der Tag der Verliebten. Zwei Tage Urlaub wollte er gerne haben, um mit Lois in Berkeley bleiben zu können. Dann käme noch der freie Samstag dazu. Er wollte einfach bei ihr sein, sie nicht schon wieder entbehren müssen.

Sein Wunsch war auch weiter kein Problem, denn Superman wurden gewisse Freiheiten gewährt. Bei der Gelegenheit hatte er auch gleich James Olsen, dem Eigentümer des Blattes mitgeteilt, dass diesmal die richtige Lois Lane wieder aufgetaucht wäre und in Kürze ihre Tätigkeit aufnehmen würde. Jimmy, der ihm in diesem Jahr ein Freund geworden war, hatte gegen Lois` Rückkehr keine Einwände gehabt. So war auch das geregelt.

Anschließend war er per Super-Super-Speed an die Westküste gedüst. Mit Lucys Hilfe konnte er die nötigsten Dinge für Lois besorgen. Lucy musste er versprechen, ihre Schwester so bald wie möglich zu ihr zu bringen. Sie wusste ja schon durch das Telefonat, dass er Lois gefunden hatte, aber wo und auf welchem Wege sollte sie von ihrer Schwester selbst erfahren. Er wollte Lois nicht vorgreifen. Lucy musste sich notgedrungen mit seiner knappen Auskunft zufrieden geben.

Wieder ertappte er sich bei einem Looping. Auch sein Herz machte einen Sprung, voller Freude kam ihm seine nächste Aktion ins Bewusstsein.

Seit er gestern Abend das Wort ‚Heirat‘ gedanklich formuliert hatte, war es ihm nicht mehr aus dem Sinn gegangen. So hatte er nach seinem Besuch in Berkeley einfach noch einen Juwelier in Frisco aufgesucht. Wann er Lois die Frage aller Fragen stellen würde, darüber machte er sich keine Gedanken. Er war sicher, dass sich das von ganz allein ergeben würde.

Nach seiner Rückkehr hatte er die gekauften Kleidungsstücke und die Pflegemittel in der Wohnung deponiert.

Lucy hatte ihm erzählt, dass Lois neue Unterwäsche nicht ungewaschen anziehen mochte. Darum hatte er die beiden Garnituren kurz durchgewaschen und mit Windstärke acht sowie klein wenig Wärmeblick getrocknet. Für ihn war das kein Abbruch seiner Männlichkeit, wichtig für ihn war nur Lois`Wohlbehagen. Allerdings hatte er es strikt vermieden, sich ihren Körper in die zarten Dessous hineinzudenken.

Die Nachricht von einem Vulkanausbruch auf Sumatra hatte ihn während dieser Tätigkeit ereilt. Ein Dorf wurde durch Lavamassen bedroht. Bei all seinem Glück durfte er seine Aufgabe nicht vernachlässigen. Weil er nicht wusste, wann er wieder zurück sein würde, schrieb er einen großen Zettel für Lois, damit sie alles finden konnte.

So hatte er auch die Möglichkeit, ihr schriftlich etwas von seinen Gefühlen mitzuteilen. Schon vermisste er sie sehr. Zuerst hatte er etwas gezögert, doch dann setzte er mutig ‚Dein Clark‘ als Unterschrift unter seine Zeilen.

Ihm war Marthas Frage eingefallen: „Wessen Clark ist er dann?“ Jetzt wusste er die Antwort!

So hatte er sich auf den Weg nach Indonesien gemacht. Es gelang ihm, den Lavastrom umzuleiten. Ohne Schaden anzurichten konnte dieser nach einem längeren Weg ins Meer stürzen. Keine Person war verletzt worden.

Das war nicht bei all seinen Rettungsmaßnahmen der Fall. Auch bei seiner Schnelligkeit und Stärke konnte es geschehen, dass seine Hilfe zu spät kam. Die schmerzliche Last dieser Fehlschläge hatte er immer allein tragen müssen. Hatte er sich auch aus diesem Grund immer so einsam gefühlt und sich so sehr nach Lois gesehnt? Er war sich sicher, dass er durch ihre Liebe diese Misserfolge viel besser würde verkraften können. Wie viel Seelenstärke und Motivation würde sie ihm geben!

Heimgekehrt von dieser gelungenen Aktion auf Sumatra drehte er nun seine gewohnte Runde über Metropolis. Er hatte kein Auge zugetan, aber er hätte heute Nacht sowieso nicht schlafen können. Dazu war er viel zu aufgewühlt. Schließlich fand man nicht täglich die Frau seines Lebens!

Das Bremsenkreischen eines großen Fahrzeuges ließ ihn aufmerksam werden. Dort wurde er jetzt dringend gebraucht.

~*~*~*~*~

Mit noch warmen, köstlich duftenden Bagel und Croissants in der Tüte und dem Bewusstsein, einigen Menschen das Leben gerettet zu haben, war er heimgekehrt.

Im Anflug hatte er schon voll sein Supergehör auf das Apartment fixiert. Lois war im Bad, er hörte das Wasser rauschen.

Der Sonnenschein fiel in den Raum und erfüllte ihn mit goldenem Licht. Ihm fiel sein Vergleich ein, als er die Kälte und die Dunkelheit beim Abschied von der Parallelwelt mit seinem eigenen Leben in Verbindung gebracht hatte. Nun war es durch Lois` Liebe genau so hell und golden wie seine Wohnung.

Als Zombie, als lebender Leichnam hatte er sich gefühlt! Ihr Kuss hatte ihn mit pulsierendem Leben erfüllt.

Langsam bediente er die Kaffeemaschine und ließ den Kaffee durchlaufen. Was würde sie essen wollen? Nach ihrer Figur zu urteilen äußerst wenig, konstatierte er, bestimmt nur einen Bagel oder Croissant. Falls sie Würstchen oder Spiegeleier bevorzugte, hätte er diese in Sekundenschnelle mit seinem Hitzeblick fertig.

Immer wieder schaute er sehnsüchtig hinüber zur Badezimmertür. Es dauerte für ihn schon eine kleine Ewigkeit, bis sie sich endlich öffnete und Lois heraustrat. Es war kein Wunschtraum, sie war wirklich und wahrhaftig hier! Und wie wunderschön sie war! Ihr Anblick ließ ihn vor Staunen die Luft anhalten.

Ihre Blicke trafen sich und saugten sich aneinander fest.

Überwältigt von einem Wahnsinns-Glücksgefühl stand er da und war nicht in der Lage, ihr entgegen zu gehen. Der stärkste Mann der Welt hatte plötzlich keine Kraft mehr in seinen Beinen.

Dafür kam sie ganz langsam auf ihn zu, Schritt für Schritt. Ihre liebevollen Augen waren auf ihn gerichtet, bis sie vor ihm stand. Alle seine Sinne wurden von ihr gefangen genommen: Zu diesem zauberhaften Anblick, der sich ihm bot, hörte er ein zärtliches „Guten Morgen.“ Er fühlte ihren weichen, warmen Körper in seinen Armen, schmeckte ihre süßen Lippen, inhalierte ihren femininen Duft. Glück, das ihm den Atem nahm.

Doch er musste sich leider von ihrem Mund lösen, denn einige wichtige Fragen waren zu klären: „Wie hast du geschlafen? Passt alles? Du siehst bezaubernd aus! Brauchst du noch ganz dringend etwas, das nicht bis Kalifornien warten kann? Hast du mich vermisst? Trinkst du auch Kaffee oder lieber Tee? Möchtest du deftige Sachen zum Frühstück oder bevorzugst du etwas Süßes? ...Liebst du mich noch?“

Sein Redeschwall wurde wieder durch einen dieser süßen Küsse gestoppt, er hörte ihre lachende Stimme und fühlte ihre Hand an seiner Wange: „Doch nicht alles auf einmal, Clark. Dank dir, alles passt bestens. Geschlafen habe ich prächtig. Zum Frühstück möchte ich einfach nur ein Bagel, etwas Marmelade und Kaffee. Der duftet ja schon so gut. Und ja, ich habe dich vermisst und ja, ich liebe dich sehr! Ich habe dich schon mein ganzes Leben lang geliebt!“

Schnell musste er ihr mit noch einem Kuss danken. Innig und zärtlich war ihr Blick, wahrscheinlich ein Spiegelbild seines eigenen. Blitzschnell hatte er den Tisch gedeckt und ihr erstes gemeinsames Frühstück konnte beginnen.

Noch nie waren die Bagel so knusprig, die Marmelade so fruchtig, der Kaffee so aromatisch! Er genoss jeden noch so kleinen Bissen.

Er erzählte ihr auf ihre Bitte hin von seinem Kurzbesuch bei Lucy, die Lois` Ankunft kaum erwarten konnte. Auch von seinem Superman-Einsatz wollte sie alles wissen. So bekam sie von seinem Engagement auf Sumatra und hier in Metropolis bei einem großen Verkehrsunfall zu hören. Ein Tanklaster war heute Morgen auf einer glatten Straße ins Schleudern gekommen und umgekippt. Das ausbrechende Feuer hatte er früh genug mit seinem eisigen Atem löschen können. Zum Glück waren auch hier keine Menschen zu Schaden gekommen.

Lois hatte während seines Berichtes langsam ein halbes Croissant verspeist, jetzt brauchte die wissbegierige Reporterin unbedingt Aufklärung über eine wichtige Sache: „Clark, das habe ich mich schon in Afrika gefragt. Wieso trägst du eine Brille, du sagtest doch …oder nein, du kannst doch so unheimlich gut sehen?“

Er küsste ihr ein wenig Himbeermarmelade von ihrem Mund bevor er antwortete: „Schatz, das ist doch der wunde Punkt. Ich will die Kraft durch sie dämpfen. Die Brille hat Gläser mit einem Bleigehalt und wirkt wie ein kleiner Deckel, der die Stärke etwas reduziert. Und…, will meine neugierige Liebste noch etwas wissen?“

Mit einem schelmischen Lächeln kam die nächste Frage: „Das ist für mich das größte Rätsel, Clark. Wo lässt du bitte deine Privatkleidung, wenn du Superman bist? Du kannst sie unmöglich unter deinem Dress tragen. Wie man deutlich erkennen konnte, ist er so eng, da hat doch kein Anzug mehr Platz?“ Oh, sie musste sich seinen Körper aber ganz genau angeschaut haben!

Als Antwort rotierte er sich blitzschnell in sein Superman-Outfit und drehte ihr den Rücken zu. „Lois, hebe einfach mal das Cape in die Höhe“, forderte er sie auf. Dadurch bestand für sie die Möglichkeit das Päckchen zu sehen, das oben unter den drapierten Falten befestigt war. „Während der Rotation zieh ich meine Kleidung ein oder aus und packe sie in diese Tasche. Unter den Falten kann man sie nicht sehen. Den Dress selbst trage ich als Privatperson unter dem Anzug, deshalb sind meine Jacketts auch immer ein bisschen weiter und meine Schuhe etwas größer.“ Ob ihre Neugier dadurch gestillt war?

Nein! Auf ihren Wunsch berichtete er noch von anderen Dingen. Immer wieder kam von ihr ein Impuls, eine kleine Frage, eine treffende Bemerkung. Es war so leicht, viele kleine Begebenheiten fielen ihm ein. Er konnte sich nicht erinnern, sich jemals mit jemandem so gut unterhalten und so viel gelacht zu haben.

Doch auch ihr erstes gemeinsames Frühstück hatte ein Ende, auch wenn sie es noch so hinauszögerten. Die Kaffeekanne war leer, die letzten Krümel verspeist. Bedauernd schob Clark seine Tasse zurück.

Seine Bemerkung: „War das schön!“ wurde ergänzt durch die ihre: „So müsste es immer sein!“

Dieser Satz stand plötzlich im Raum. Er lauschte den Worten nach und blickte Lois an. Verlegen schaute sie auf den Tisch, als ob ihr jetzt erst bewusst geworden wäre, was sie da so impulsiv gesagt hatte.

‚So müsste es immer sein‘! Ja, es könnte immer so sein, wenn…!

Jetzt oder nie, dachte er sich, erhob sich langsam mit einem Wahnsinnsherzklopfen, das er bis in den Kopf spürte. Er ließ sich vor seiner Traumfrau auf die Knie nieder und versank tief in ihren Augen.

Wieder legte er ihr seine ganze Liebe und sein Herz zu Füßen: „Lois Lane, du weißt, dass ich dich liebe! Willst du meine Frau werden, willst du bei mir bleiben, dein Leben lang? Willst du mich zum glücklichsten Menschen in diesem Universum machen?“

Fast atemlos, mit großen, sehr überraschten Augen hatte sie ihm zugehört. Nach seiner Frage schloss sie diese eine Zeitlang, die Gedanken und Überlegungen mussten hinter ihrer Stirne hin und her jagen. Doch dann wurde ihr schönes Gesicht durch ein zärtliches Lächeln noch schöner, voller Liebe schaute sie ihn an. Während sie sich erhob, wurde er von ihr zu sich hoch und heran gezogen. Wieder fühlte er ihre streichelnde Hand in seinem Gesicht und hörte dann die wunderbaren Worte: „Ja, Clark, ich will, ich kann mir nichts Schöneres vorst…!“

Er konnte sich nicht beherrschen, er musste sie an sich ziehen und küssen. ‚Ja‘! Sie hatte ‚Ja‘ gesagt! Sie wollte ihn heiraten, sie wollte seine Frau werden!

Aber wann? Sofort dachte er weiter: „Was meinst du, mein Liebling, wie lange du brauchst? Reichen zwei Monate …oder vielleicht nur sechs Wochen?“ Seine Stirne lehnte an der ihren, er bog sich etwas zurück, um ihre Augen sehen zu können. Denn um ganz ehrlich zu sein fügte er leiser und gequetscht hinzu: „Ich weiß nicht, ob ich viel länger warten kann!“

Wieder konnte er zusehen, wie sie überlegte. Zu gerne hätte er diese Gedanken gelesen. Ihr Gesicht überzog sich mit einer feinen Röte und ihre Augen bekamen einen etwas verlegenen Ausdruck, als aus ihrem Mund diese unglaublichen Worte kamen: „Du, Clark…, wenn du das auch möchtest, …dann flieg auf dem Weg nach Berkeley über Las Vegas. Warum sollen wir lange warten? Ich brauche keine große Hochzeit, …ich brauche dich!“

Wie erstarrt stand er da, schaute sie nur gebannt an. Konnte das wahr sein, sie sollte ihm heute noch gehören, heute noch? Er hätte Wochen auf sie gewartet, auch wenn es ihm sehr, sehr schwer gefallen wäre.

Fortuna schüttete ihr gesamtes Füllhorn über ihn aus. Was ihm an Glück seit dem Tode seiner Eltern zwanzig Jahre verwehrt worden war, bekam er nun an einem einzigen Tag.

Sein Herz hämmerte bis in den Kopf hinauf. Er fühlte, wie sein Hals ganz eng wurde, er konnte nur noch mit einer heiseren, zittrigen Stimme sprechen: „Und ob ich das möchte, Lois, aber weißt du was das bedeutet? Bist du dir sicher? Für jede Frau ist doch sicherlich eine große Hochzeit mit Familie und Freunden wichtig! Das will doch vorbereitet sein.“

Aber diese erstaunliche Frau ließ seinen Einwand nicht gelten, fegte seine Argumentation mit immer noch geröteten Wangen einfach hinweg: „Clark, du bist mir viel wichtiger und du hast keine Familie. Das tut mir immer so weh. Wir können eine kleine Feier mit der meinen organisieren, wenn wir bei ihnen sind, und später nach unserer Rückkehr dann hier beim Planet.“ Da musste ihr aber etwas mit Schrecken in den Sinn gekommen sein, sie zuckte zusammen: „…Oh, die wissen ja noch gar nicht, dass ich wieder da bin!“

Was sie doch immer für Gedankensprünge machte! Bloß gut, dass er sich darum gekümmert hatte. Wie er es liebte, ihre Probleme beseitigen zu können. „Doch, sie wissen es. Ich war gestern noch dort, ich habe mich für zwei Tage abgemeldet. Jimmy Olsen und der Chefredakteur erwarten deinen Arbeitsbeginn, wann immer du möchtest! Ihnen ist klar, dass der Besuch bei deinen Angehörigen vorrangig ist. Sie haben dich vier Jahre nicht gesehen.“ Schuldbewusst strich er zärtlich über ihre Wange: „…Und ich nehme dich ihnen gleich wieder weg.“

Ein Gedanke tauchte langsam in seinem Kopf auf und nahm Form an: Er würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, damit sie heute noch ihre Familienhochzeit bekam. Schließlich war er Superman und für ihn würde es ein Leichtes sein, ihre Lieben rechtzeitig nach Vegas zu bringen. Und Jimmy mit seinem Privatflugzeug war auch noch da! Oh, er müsste gleich mit der Organisation anfangen!

Doch ganz heiß fiel ihm etwas anderes ein: „…Aber hier habe ich noch etwas für dich, mein Liebling!“

Vor lauter Seligkeit hatte er den Ring vergessen! Schnell holte er ihn aus seiner Hosentasche und während er ihr inbrünstig die Hand küsste und sein Blick in ihrem versank, steckte er ihr den Ring auf den Finger.

„Duuu!“ Voller Liebe strömte das schönste aller Wörter aus ihm heraus.

Lois hob langsam ihre Arme und legte sie um seinen Hals. Ihre Gesichter näherten sich im Zeitlupentempo. In Erwartung des Kusses schlossen sich seine Augen von ganz allein. Dann fühlte er ihre Lippen auf den seinen. War dieses Gefühl noch zu übertreffen? Ja, heute Abend, heute Nacht! Dann würde sie wirklich seine Lois werden. Dann würden auch ihre Körper, nicht nur ihre Herzen, in Liebe vereint sein.

Dann hätte er das Ende all seiner Sehnsucht erreicht.

Was er sich auch in dem vergangenen Jahr in seiner Einsamkeit und Verzweiflung erträumt hatte, die Gefühle, die er nun empfand, lagen weit jenseits all seiner Vorstellungskraft. Golden und verheißungsvoll lag die kommende Zeit vor ihm.

Dieser leidenschaftliche Kuss aber ließ ihn für den Moment Vergangenheit und Zukunft, Gestern und Morgen vergessen. Er genoss voller Intensität das Heute, das Glück der Gegenwart!


E N D E

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