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Bis dass das Leben uns scheidet...

FanFiction zur TV-Serie "Superman - die Abenteuer von Lois und Clark" (orig. "Lois and Clark - the New Adventures of Superman")

Bis dass das Leben uns scheidet...

Beitragvon Vega » Mi 13. Jan 2010, 10:50

Auf speziellen Wunsch von zwei Damen hier eine inzwischen etwas ältere Fanfic von mir aus dem Lois und Clark -Universum. Sie spielt um die Zeit von "Whine, Whine, whine (Auch Superhelden brauchen Anwälte) und "And the Answer is (Die Frage aller Fragen).

Disclaimer: Die Charaktere stammen aus der Serie Superman - Die Abenteuer von Lois und Clark. Sie gehören nicht mir und ich verdiene kein Geld an dieser Geschichte.

So, und nun wünsche ich euch viel Spaß

Bis dass das Leben uns scheidet...

Teil 1


Metropolis, Clarks Apartment, weit nach Mitternacht

Zitternd saß Lois auf Clarks Sofa und umklammerte ein Kissen. Sie starrte zum Fernseher hinüber ohne wirklich auf das Programm zu achten. Die Decke lag unbeachtet neben ihr, denn es war nicht die Temperatur, die ihr Kälteschauer über den Rücken jagte. Eine warme Decke konnte kaum gegen Einsamkeit helfen. Lois hatte Clarks Apartment schon längst verlassen wollen, aber ihr fehlte die Energie aufzustehen oder sich auch nur zu rühren.

„Verdammt noch mal, Clark, wo bist du?“ fragte sie flüsternd, weil sie wusste, dass ohnehin niemand antworten würde.

Ihre Worte waren sinnlos, aber sie verschafften ihr eine gewisse Erleichterung. Sie konnte nicht viel mehr tun als dazusitzen und zu hoffen, dass er zurückkommen würde. Allerdings würde das nicht geschehen, wie sie sich eingestehen musste. Er würde nicht kommen. Lois musste akzeptieren, dass Clark sie nicht wollte. So musste es sein, denn etwas anderes mochte Lois sich gar nicht vorstellen. Die Ängste, die in ihrem Kopf herumspukten, konnten unmöglich Wirklichkeit werden und deshalb gab es nur die Möglichkeit, dass Clark abgehauen war. Lois musste sich der Wahrheit stellen: sie würde allein bleiben. Der Mann, den sie liebte, war nicht bereit sich auf eine Beziehung mit ihr einzulassen. Und so traurig es auch war, sie liebte den Mann nicht, der sie haben wollte.

<...also was denkst du, Jason? Verhält Superman sich in letzter Zeit seltsam?>, fragte einer der Nachrichtenmoderatoren seinen Kollegen und riss Lois damit aus ihren Gedanken.

<Mhh, ich bin mir nicht sicher. Aber warum fragen wir nicht unseren Experten?>, antwortete der andere.

„Experten“, murmelte Lois verächtlich. Sie legte ihr Kissen kurz zur Seite und beugte sich vor um den Sender zu wechseln. Sie wollte nicht wissen, was so genannte Experten über Superman zu sagen hatten. Niemand hatte sie zu diesem Thema gefragt und wer kannte ihn besser als Lois Lane, einmal abgesehen von Clark?

Lois schluckte bei dem Gedanken an ihn. Sie war sich so sicher gewesen ihn zu Hause zu finden. Sie hatte sehr darauf gebrannt mit ihm zu sprechen. Es war ihr gar nicht in den Sinn gekommen war, dass er irgendwo anders sein könnte. Als ihr dann schließlich bewusst geworden war, dass er nicht da war, hatte sie auf seine Rückkehr gewartet. Das war nun vier Tage her und bislang hatte sie noch nicht mal seine Krawattenspitze zu Gesicht bekommen.

Lois konnte noch immer nicht so recht glauben, wie sehr es sie erleichtert hatte Daniel zu sagen, dass ihre Beziehung keine Zukunft hatte. Sie war aufgeregt, kribbelig vor Vorfreude darauf Clark endlich ihre Liebe zu offenbaren. Es hatte lange gedauert, bis sie aufgehört hatte zu verleugnen, was sie für Clark empfand. Lois war weggelaufen, wann immer sie konnte. Es war der unsinnige Versuch dem Moment zu entfliehen, in dem ihr nichts anderes blieb als ihn in ihr Herz sehen zu lassen. Doch nun, da Lois endlich den Mut gefasst hatte, den Tatsachen ins Auge zu sehen und daran zu glauben, das alles gut werden würde, war Clark verschwunden. Er hatte sich nicht einmal die Zeit genommen seine Sachen zu packen, er hatte sich einfach in Luft aufgelöst.

Das war natürlich ihre Schuld. Clark hatte ihr viele Gelegenheiten gegeben die drei magischen Worte zu sagen. Aber sie hatte sich immer wieder davor gedrückt, sich eingeredet dass sie jung war und mehr als genug Zeit hatte, die wahre Liebe zu finden. Sie hatte viel zu lange auf ein Zeichen gewartet, dass die Liebe, die sie für Clark empfand, ewig und unzerstörbar war. Dabei war ihr nicht aufgefallen, dass es selbst für die stärkste Liebe immer ein bisschen Wagemut brauchte.

<Das ist es, was mit Clark geschehen ist, nicht wahr, Lois?>, mokierte sich eine Stimme in ihrem Hinterkopf, der es offenbar gefiel, dass Lois sich schon wieder in einem Mann getäuscht hatte. <Sein Mut hat ihn verlassen. Er hat die Hoffnung verloren, dass du jemals zu Vernunft kommen würdest.>

„Aber er ist doch derjenige, der sich nicht auf eine Beziehung einlassen kann“, widersprach Lois flüsternd und glaubte sich doch selbst kein Wort.

Natürlich war Clark des Öfteren weggelaufen, ohne ihr eine vernünftige Erklärung dafür zu liefern. Doch er war immer wieder gekommen, ein zerknirschtes Lächeln auf seinen Lippen. Dieses Mal allerdings war es anders, denn nie zuvor war Clark seit vier Tage verschwunden gewesen. Was auch immer er für gewöhnlich tat, wenn er wegrannte, Lois glaubte nicht, dass er nur vor ihr fliehen wollte. Sie hatte immer befürchtet, dass seine Gründe nur darin bestanden, doch ernsthaft vorstellen konnte sie es sich nicht.

Aber warum um Himmels Willen war er dann dieses Mal geflohen? Sie hatte Tag und Nacht damit zugebracht, sich darauf vorzubereiten ihm zu sagen, dass sie ihn liebte. Lois hatte gewusst, dass sie sich endlich entscheiden musste, ob der Mann in ihrem Leben Daniel, Clark oder Superman heißen sollte. Dabei war der Drogenfahnder ziemlich schnell aus dem Rennen gewesen. Es war ihr nicht besonders schwer gefallen, sich von ihm zu verabschieden. Von ihm umworben zu werden hatte Lois natürlich gefallen. Aber sie war sich nicht sicher, ob sie sich nicht nur für Mayson Drake gerächt hatte. Sie vermisste Dan nicht einmal besonders. Sich zwischen Superman und Clark zu entscheiden, hatte sich schon als wesentlich schwieriger erwiesen. Und noch immer errötete Lois vor Scham, wenn sie daran dachte, was sie sich heimlich gewünscht hatte, um ihrem Dilemma zu entkommen. Die beiden Männer waren sich in vielem so ähnlich. Wie viel einfacher wäre ihr Leben, wenn Clark Superman wäre?

Die Idee war verlockend, weil sie so vieles erklärt hätte. Aber Lois wusste nun, dass sie falsch gelegen hatte. Sie hätte viel darum gegeben, wenn sie niemals so dumm gewesen wäre, auf eine so einfache Lösung für ihre Probleme zu hoffen. Es war keinem der beiden gegenüber fair gewesen und diese Erkenntnis beschämte sie zutiefst. Sie spielte mit den Gefühlen anderer und das konnte nicht gut ausgehen.

Lois hatte sich vorgestellt, wie Clark auf ihre Liebeserklärung reagieren würde, hatte sich schon in seinen starken Armen gewähnt. Er hätte ihren Mund mit seinen warmen, weichen Lippen bedeckt und sie hätte seine Atem gespürt, der ihr sanft über das Gesicht streichelte. Wenn Lois ihre Augen schloss, konnte sie fast seine Hände auf ihren Schultern spüren, das sanfte Kreisen seiner Finger. Genau so, wie er sie schon öfter berührt hatte, wenn sie angespannt gewesen war. Lois wusste, dass Clark ein begnadeter Küsser war und dass sie sich nirgends sicherer fühlen konnte, als in seiner Umarmung. Sie war darauf vorbereitet gewesen ihm zu begegnen, aber das hatte sie nicht dafür gewappnet ihn nicht zu Hause anzutreffen.

Inzwischen hatte Lois vier Tage damit zugebracht nach Clark zu suchen. Sie hatte ihn bestimmt hundert Mal angerufen, so lange, bis sein Anrufbeantworter sich weigerte noch mehr Nachrichten entgegen zu nehmen. Jedes Mal hatte ihr das Herz bis zum Hals geschlagen, wenn sie seine Stimme hörte. Ihr Puls stieg ins unermessliche, bis sie bemerkte, dass sie wieder nur mit einer Maschine sprach, die sie höflich darum bat auf Band zu sprechen. Immer wieder war Lois zu Clarks Apartment gegangen und hatte gehofft ihn doch noch zu sehen. Sie hatte den Ersatzschlüssel unter dem Blumentopf hervorgeholt und in seiner Wohnung auf ihn gewartet.

Oft hatte sie stundenlang in einem seiner Pullover dagesessen und sich vorgestellt, dass er bei ihr wäre. Sie hatte seinen Duft eingeatmet und die Fotos betrachtet, die von besseren Zeiten zeugten. Doch auch in seinen weichen Kissen zu liegen und die Augen zu schließen, um sich in seine Arme zu träumen, war kein Ersatz gewesen. Egal, wie lange sie darauf gelauscht hatte, seinen Schlüssel im Schloss zu hören und egal, wie lange sie nach Hinweisen auf seinen Verbleib gesucht hatte, es hatte nichts geändert. Er war nicht gekommen. Nicht am ersten Tag und auch nicht an den darauf folgenden Tagen. Clark erschien nicht zur Arbeit und ging nicht nach Hause.

Ihn zu finden war umso schwieriger, da sie Superman nicht um Hilfe bitten konnte. Es wäre ihm gegenüber nicht fair gewesen. Abgesehen davon war er das letzte Mal als sie ihn gesehen hatte ziemlich wütend gewesen – und von da an hatte er sich ziemlich seltsam verhalten. Das war auch Perry aufgefallen.

<Lois, ich möchte, dass sie herausfinden, was mit unserem Helden los ist>, hatte er gesagt. <Er hat noch nie nicht geholfen. Kann es etwas mit diesem roten Kryptonit zu tun haben, dass vor ein paar Wochen aufgetaucht ist?>

Lois hatte Perry verschwiegen, dass sie selbst möglicherweise die Schuldige war. Am liebsten hätte Lois abgestritten, das ihre letzte Unterhaltung mit Superman etwas damit zu tun hatte, dass ihm in letzter Zeit vieles egal zu sein schien. Aber damit hätte sie sich selbst belogen. Es hatte Zeiten gegeben, wo Lois die Aufgaben, die vor ihr lagen, eher als Herausforderung denn als Last angesehen hätte. Doch das war vor Clarks Verschwinden gewesen.

In den letzten Tagen hatte Lois so viel gearbeitet, dass Perry sie nach Hause geschickt hatte. Väterlich hatte ihr der Chefredakteur versprochen ihr bei der Suche nach Clark zu helfen und sie dazu gedrängt sich auszuruhen. Er hatte ihr sogar angeboten, dass jemand den Superman Artikel für sie schreiben könnte, obwohl er seine beste Reporterin an dem Fall haben wollte. Perry wusste nicht, dass Lois wieder einmal zu Clarks Apartment gegangen war. Dort konnte sie genauso gut schlafen, wie in ihrem eigenen Bett. Aber letztlich schlief Lois nirgendwo. Da halfen auch die weichen Kissen nichts, die seinen männlichen Geruch verströmten. Sie spendeten nur ein klein wenig Trost.

Sie hatte sogar versucht die Kents zu erreichen, nur um sich daran zu erinnern, dass sie auf einer zweiten Hochzeitsreise in Europa waren. Kurz nach Clarks Verschwinden hatten sie bei ihm angerufen und Lois hatte das Gespräch angenommen. Auch sie hatten nicht gewusst, wo ihr Sohn steckte. Aber sie hatten ihr geraten sich nicht allzu große Sorgen zu machen und ihr versichert, dass Clark immer zurückkehrte. Seitdem hatte Lois nichts mehr von Martha und Jonathan gehört und sie fragte sich, was sie ihr wohl nun sagen würden.

Jimmy hatte für sie in jedem Krankenhaus in Metropolis angerufen, aber niemand wusste etwas von einem Clark Kent. Es gab auch keine Männer ohne Namen. Die Polizei hatte ihr versprochen nach Clark Ausschau zu halten. Allerdings hatten sie ihr auch erklärt, dass Clark durchaus absichtlich verschwunden sein könnte. Und mit jedem Tag den er fehlte begann Lois mehr zu glauben, dass da etwas Wahres dran sein könnte. Kein Verrückter war aus dem Gefängnis entkommen und sie hatten an keiner gefährlichen Story gearbeitet. Weder Bobby Bigmouth noch einer ihrer anderen Kontakte wusste etwas. Lois musste der Wahrheit ins Auge blicken. Sie hatte ihn vergrault. Oder war doch eingetreten, was Lois eigentlich undenkbar fand? Sie wusste, wer Clark etwas angetan haben könnte, doch das konnte nicht sein.

<...einige Gebäude stehen immer noch in Flammen. Die Polizei konnte bisher noch nicht feststellen, wie viele Menschen bei diesem Brand ums Leben gekommen sind. Bislang werden noch sieben Menschen vermisst. Drei Personen wurden ins Krankenhaus gebracht und schweben in Lebensgefahr. Im Angesicht dieser Tragödie stellt sich einmal mehr die Frage, warum Superman nicht kam um zu helfen. Es gibt keine Berichte über ernstere Katastrophen in anderen Teilen der Welt...>

Nachrichtenfragmente kämpften sich bis zu Lois durch und lenkten sie für einen Moment von ihrem Kummer ab. Warum ließ Superman diese Menschen sterben? Sie konnte sich nur schwer vorstellen, dass der Held jemanden in der Not im Stich lassen würde, es sei denn er könnte nicht anders. Aber in letzter Zeit hatte er einige Hilferufe einfach ignoriert, wenn auch die meisten nicht annähernd so wichtig gewesen waren, wie dieser nun. Wenn er geholfen hatte, dann fast rüde. Er hatte abwesend und verärgert gewirkt. Manchmal konnte Lois sich des Gefühls nicht erwehren, dass das alles ihre Schuld war.

Aber sie konnte nicht der Grund sein. Superman ließ seine Frustration nicht an unschuldigen Menschen aus, das wäre so gar nicht seine Art. Er hatte niemals jemandem wehgetan, wie schwierig die Situation auch für ihn gewesen war. Auf der anderen Seite war es aber auch gar nicht seine Art eifersüchtig zu reagieren. Lois versuchte ihre Ängste beiseite zu schieben. Sie kannte Superman doch und es war unmöglich, dass sie sich in ihm so getäuscht haben konnte. Clark ging es gut, er war einfach nur weg gerannt. Er war nicht bereit für eine Beziehung mit ihr, so einfach war das.

Lois krallte sich noch fester in ihr Kissen und begann zu schluchzen. Wo war Clark nur? Sie brauchte ihn. Er würde ihr sagen können, was nun zu tun war. Superman war sein Freund. Lois wollte wissen, was in ihn gefahren war und welchen Anteil sie daran hatte. Sie wollte wieder gutmachen, was sie vielleicht angerichtet hatte. Früher hätte sie die Sache mit Leichtigkeit auch ohne ihren Partner in die Hand genommen. Aber im Augenblick fühlte sie sich ziemlich hilflos. An Clarks Seite war sie eine bessere Reporterin – und ein besserer Mensch.

Mit einem verärgerten Schnauben richtete sich Lois auf. Was saß sie hier auf Clarks Couch und suhlte sich in Selbstmitleid? Sie brauchte Clarks Hilfe nicht um klar zu kommen. Immerhin war sie Lois Lane, preisgekrönte Journalistin und mit Sicherheit die beste Enthüllungsreporterin die Metropolis zu bieten hatte. Sie konnte das allein in Ordnung bringen. Lois warf das nasse Kissen beiseite und stand auf. Sie war Mad Dog Lane.

<... Polizeiberichten zufolge wurde vor einer Stunde ein Toter aus der Hobbs Bay geborgen. Er konnte bislang noch nicht identifiziert werden...>

Lois erstarrte und ihr Blick wanderte unwillkürlich zum Bildschirm. Sie hatte Angst, dass sie gerade in diesem Moment die Nachrichten sah, vor denen sie sich vier Tage lang gefürchtet hatte. Ihr Herz schlug wie wild, hämmerte in ihren Ohren. *Clark*, dachte sie verzweifelt. *Oh, nein, bitte, nein. Lass das bitte nicht Clark sein!*

Lois alte Unruhe ergriff wieder Besitz von ihr. Sie konnte nicht darauf warten, dass Henderson sie anrief, um ihr die Hiobsbotschaft zu überbringen. Sie musste es mit eigenen Augen sehen, so schmerzlich es auch werden mochte. Diese alptraumhafte Warterei musste endlich ein Ende haben, so oder so. Es war Lois egal, ob sie jemanden würde aufwecken müssen. Einen Moment später hatte Lois ihre Autoschlüssel eingesammelt und war aus Clarks Wohnung gestürmt.

* * *
Metropolis, Suicide Slum, ein wenig später

In der schmalen Straße war außer dem beständigen Klatschen des Regens nichts zu hören. Alles lag im Dunklen und nur ganz wenig Licht spiegelte sich in den Pfützen am Boden. Dieser Teil von Metropolis war mit Abstand der Gefährlichste und Beängstigendste. Die Häuser, die die Straße säumten waren alt und sahen ziemlich abbruchreif aus. Allerdings hatte niemand Interesse, hier etwas anderes zu bauen. Deshalb standen die Gebäude noch immer und starrten mit glaslosen Fenstern in die heruntergekommene Gegend. Alte, mottenzerfressene Vorhänge klebten durchnässt an den Rahmen und ließen die Häuser noch ein bisschen trauriger und verlassener aussehen. Ihre einzigen Bewohner blieben die Ratten, die dort gelegentlich Schutz vor Kälte und Nässe suchten.

Ein Stöhnen beendete die Stille und erschreckte ein paar der sonst ziemlich frechen Ratten, die nach ein bisschen Futter gesucht hatten. Ein leises, metallisches Klirren vermischte sich mit einem weiteren, gequälten Laut, während ein Mann sich langsam zum Sitzen aufrichtete. Er stöhnte erneut, als er versuchte auf die Füße zu kommen. Es dauerte einen Moment, bis es ihm gelang stehen zu bleiben. Er schaute sich ängstlich und gehetzt um. Vorsichtig bewegte er sich vorwärts und griff sich stöhnend an die Seite. Mit der anderen Hand stützte sich der Mann an der nächsten Wand ab. Sein Atem kam in Stößen und er ruhte sich für einen Moment aus, bevor er den nächsten Schritt machte, nun vorsichtiger als zuvor.

Er versuchte in der Dunkelheit etwas zu sehen, aber vergebens. Sein Kopf schmerzte fürchterlich. Wo war er? Er wusste es nicht. Ehrlicherweise hätte er nicht einmal den Namen der Stadt sagen können. Er macht noch einen Schritt und bemerkte dann etwas auf dem Boden, das nicht an einen Ort wie diesen gehörte. Es sah nicht aus wie der Müll, der sonst überall herumlag. Zu seinen Füßen lag eine dunkle Gestalt, vermutlich ein Mann. Aber ohne Licht konnte er das nicht mit Sicherheit sagen. Als er sich der Gestalt näherte wurde ihm klar, dass dort tatsächlich ein Mensch auf dem Boden lag. Ein Mensch, der sich nicht bewegte. Er konnte nur hoffen, dass er noch atmete. Vorsichtig kniete er sich neben der großen Gestalt nieder.

Er wusste, dass er nun nach einem Puls suchen musste. Doch als er sich vorneigte überfiel ihn ein starkes Schwindelgefühl. Er tastet nach dem Hals des Mannes und fühlte etwas Feuchtes an seinen Fingern. Plötzlich schien seine Hand in Flammen zu stehen und der Schmerz, der durch seine Glieder schoss, war schier unerträglich. Er schnappte nach Luft und kämpfte darum nicht einfach umzufallen und dem Schmerz nachzugeben.

Er zog seine Hand weg, bevor er einen Puls hatte finden können. Seine Finger schienen voller Blut zu sein, soweit er das in der Dunkelheit beurteilen konnte. Wer auch immer der Mann war, er brauchte Hilfe. Er tastete ein zweites Mal nach dem Hals des Mannes und der Schmerz überwältigte ihn erneut mit voller Wucht. Er stieß einen gequälten Laut aus und entfernte sich auf allen Vieren von dem Körper des Fremden. So gerne er auch geholfen hätte, in seiner Nähe zu sein war einfach zu schmerzhaft. Er konnte nichts tun, jedenfalls nicht allein.

Sobald er weit genug weg war, verschwanden die Schmerzen und ließen ihn erschöpft zurück. Oder war er vielleicht von Anfang an erschöpft gewesen? Er hätte es nicht sagen können, aber das war auch ohne jede Bedeutung. Der Fremde brauchte Hilfe. Er musste einen Krankenwagen rufen. Die Nummer war 911. Konnte das stimmen? Warum war er sich nicht sicher? Vielleicht weil er höllische Kopfschmerzen hatte...

*Also gut, du rufst jetzt einen Krankenwagen*, redete er sich selbst gut zu und versuchte sich daran zu erinnern, welche Informationen er bei einen Notruf angeben musste. Seinen Standort. Wo war er überhaupt? Da würde er wohl jemanden fragen müssen. Was ist passiert? Wenn er das nur wüsste! Wie viele Menschen brauchten Hilfe? Nun, das war einfach... einer, vielleicht zwei, wenn sein Kopf nicht aufhörte so weh zu tun. Was musste er noch sagen? Ach ja, wer war der Anrufer? Er blieb wie angewurzelt stehen und rieb sich die Stirn. So angestrengt er auch darüber nachdachte, er wusste seinen Namen nicht mehr. Warum hatte er keine Ahnung wie er hieß?

Das war wirklich beängstigend. Er konnte sich nicht erinnern, wann er jemals so erschrocken war. Andererseits konnte er sich an rein gar nichts erinnern, das mehr als ein paar Minuten zurücklag. Er zwang sich dazu weiter zu gehen um Hilfe zu suchen. Er wusste nicht genau, was er jetzt tun sollte, aber eines war sicher. Der Mann, der blutend in der dunklen Straße lag, hatte ernstere Probleme als er. Immerhin würde er nicht sterben.

Zu dem schmerzhaften Pochen in seinem Kopf gesellte sich ein unangenehmes Stechen in seiner Seite, das mit jedem Schritt stärker wurde. Er schaute an sich herunter und sah ein zerrissenes Hemd, das vor langer Zeit einmal weiß gewesen sein musste. Nun war es mit Dreck und Blutspuren überzogen. War es sein eigenes Blut oder das des Fremden? Er wusste nicht, was im lieber war, wirklich nicht.

Der Mann zwang sich dazu, sich wieder auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Er musste ein Telefon finden. Ein schneller Überblick über seine Umgebung zeigte ihm, dass - wo auch immer er sich befand - nicht der beste Platz war, um zu verweilen. Und irgendwie bezweifelte er, dass es einfach sein würde in dieser Gegend ein Telefon zu finden. Er musste weiter suchen in der Hoffnung, dass er schnellstmöglich etwas wieder erkennen würde. Etwas musste seine Erinnerung doch zurückbringen. Es war nicht normal, dass er nicht einmal seinen Namen kannte. Mit ein bisschen Anstrengung musste es doch möglich sein sich alles, was er über sich wusste, wieder ins Gedächtnis zu rufen. Leider erreichte er damit nicht mehr, als dass sich seine Kopfschmerzen verstärkten. Sein Kopf blieb komplett leer.

Die Erschöpfung drohte ihn zu übermannen, als er seine schnelle Geschwindigkeit beibehielt. Es dauerte nicht lange, bis er sich wieder ausruhen musste. Alles um ihn herum schien verlassen. Er fing an daran zu zweifeln, dass er überhaupt irgendwo ein Lebewesen finden würde. Aber würde er dann den Weg zurück zu dem Fremden finden? *Fremder*. Er wusste selbst nicht mal seinen eigenen Namen und nannte einen anderen Mann Fremder! Die Ironie ließ ihn lächeln, aber dieses Lächeln verschwand sofort, als er wieder über seine eigene Situation nachdachte.

Wusste er wirklich nichts mehr, nichts, was ihm wenigstens einen Hinweis geben konnte? Aber sein Kopf blieb leer. Er entschied, dass seine beste Möglichkeit darin bestand jemanden zu finden, der ihnen beiden helfen konnte – ihm und dem verletzten Fremden. Er ging weiter. Zu seiner großen Erleichterung sah er Lichter, nachdem er noch ein paar Schritte gelaufen war. Schnell ging er auf sie zu, wissend, dass Licht andere Menschen bedeuten musste. Aber warum wusste er das, wenn er doch sonst alles vergessen hatte? Das war einfach zu sonderbar.

Er ging weiter. Leise Stimmen und das Brummen vorbeifahrender Autos verrieten ihm, dass die Lichter zu einer Straße gehörten. Die Häuser um ihn herum waren definitiv in einem besseren Zustand, als die in der dunklen Gasse. Ein paar Minuten später trat er aus dem Schatten der Häuser auf eine hell erleuchtete Straße. Ein paar Menschen liefen herum, viele von ihnen offenbar obdachlos. Ihre Kleider hingen in Fetzen von ihren Körpern und sie sammelten sich um ein einsames Fass, in dem ein Feuer brannte. Eine Familie ging über die Straße, sie schienen nervös. Sie flüsterten, aber einige Worte waren laut genug, so dass er sie hören konnte.

„Wir sind hier falsch, gib doch zu, dass du dich verlaufen hast“, zischte eine verärgerte Frau dem Mann neben ihr zu.

„Ich geb’s ja zu, aber nun lass uns zusehen, dass wir hier verschwinden.“

Er blinzelte verwirrt. Sie sprachen kein Englisch, aber er konnte sie trotzdem verstehen. Es war Deutsch, da war er sich ziemlich sicher. Aber warum verstand er Deutsch? Und warum war ihm bewusst, dass diese Leute im westlichen Teil dieses Landes wohnen mussten? Das war wirklich verrückt. Die Erkenntnis verblüffte ihn dermaßen, dass er seinen eigentlichen Plan ein Telefon zu finden vergaß. Dann kam ihm ein neuer Gedanke – war er vielleicht in Deutschland?

Okay, darüber musste er nachdenken. Erstens, die Sprache in der er dachte, war Englisch. Das reduziere die möglichen Orte von denen er stammen konnte nur unwesentlich. Viele Menschen sprachen Englisch als Muttersprache. Sein Akzent war sicherlich amerikanisch. Zur Jahreszeit fiel ihm sofort das Wort ‚Fall’ ein. Hatte er ‚Autumn’ je benutzt? Aber wie sollte er sich da sicher sein?

Ärgerlich schüttelte er den Kopf und beschloss, sich lieber auf die drängenden Fragen zu beschränken. Die Familie hatte deutsch gesprochen. Das konnte bedeuten, dass er in diesem Land war oder in Österreich oder in der Schweiz vielleicht. Aber auf der anderen Seite hieß deutsch zu hören, nicht notwendigerweise, dass er sich in einem anderen Land befand. Diese Deutschen könnten genauso gut Touristen sein. Und da die Familie nicht genau zu wissen schien, wo sie waren, handelte es sich eher um Touristen. Er brauchte mehr Informationen. Ohne zu wissen, wo er sich befand, konnte er nicht herausfinden, welche Nummer er für den Notruf wählen musste. Er war sich sicher, dass 911 keine internationale Nummer war.

Er schaute herüber zu den Obdachlosen. Ihre Sprache zu hören, würde ihm sicher einen Hinweis darauf geben, wo er war. Sie waren nicht gerade dafür bekannt ständig über den großen Teich zu reisen, oder? Er näherte sich ihnen langsam. Er nahm an, dass sie ihn in seinem jetzigen Zustand wahrscheinlich für einen von ihnen halten würden. Aber was sollte er sie fragen? Wo er war? Könnte er ihnen erzählen, dass er einen schlimmen Kater hatte und den Weg nach Hause vergessen hatte? Aber alles was sie ihm sagen würden, wäre der Name der Straße und er wusste nicht, ob diese Information eine große Hilfe sein würde.

Fang erstmal mit der Sprache an, ermahnte er sich und überquerte die Straße, immer darauf bedacht auf Gespräche um ihn herum zu achten. Plötzlich hörte er das Quietschen von Bremsen und die Geräusche eines Autos. Er sprang zurück und landete auf seinem Hintern. Die Scheinwerfer blendeten ihn und er bedeckte seine Augen mit der Hand, die nicht auf seine immer noch schmerzende Seite gepresst war. Eine Autotür wurde zugeworfen und er hörte wie sich jemand näherte.

„Sind Sie okay?“ fragte eine weibliche Stimme besorgt. Als sie begriff, dass er nicht sterben würde, schrie sie wütend, „Können Sie nicht schauen, bevor Sie die Straße überqueren?“ Auf einmal war es still und die Frau griff nach seiner Hand und zog sie von seinem Gesicht weg. „Oh mein Gott, Clark!“ flüsterte sie.

Fortsetzung folgt...

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Vega
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Bis dass das Leben uns scheidet... Teil 2/14

Beitragvon Vega » Do 14. Jan 2010, 19:03

Teil 2

Italien, ein kleines Straßencafe in der Toscana, am späteren Morgen

Jonathan hatte nun zum siebten Mal nach seiner Tasse Kaffee gegriffen. Das wäre ja nicht ungewöhnlich gewesen, hätte er wenigstens einen Schluck davon getrunken. Stattdessen spielte er damit, schob sie von einer Seite auf die andere, um sie dann loszulassen und das Spiel wieder von vorne zu beginnen. Martha beobachtete ihn und lächelte innerlich, während sie an all die Male dachte, in denen Jonathan Clark ermahnt hatte, seine Mutter nicht unnötig zu ängstigen. Ihr Ehemann würde lieber nach Metropolis ziehen als zuzugeben, dass er wegen Clark beunruhigt war.

Gut, sie selbst war auch etwas nervös. Es war nun der vierte Tag, an dem sie nicht mit Clark sprechen konnten. Er ging nicht ans Telefon. Aber auf der anderen Seite wusste Martha, dass ihr Sohn oft damit beschäftigt war Superman zu sein. Da sie durch einen großen Ozean und sechs Stunden Zeitverschiebung getrennt waren, hatte es sie nicht weiter überrascht, dass sie ihn nicht erreicht hatten. Außerdem konnten sie ihm keine Nummer hinterlassen, die er zurückrufen konnte.

„Ich bin sicher, dass es ihm gut geht, Schatz“, sagte Martha und bedeckte seine ruhelose Hand mit ihrer.

„Ich weiß, Martha“, antwortete Jonathan. „Warum auch nicht? Er ist Superman. Ich meine, er ist unverletzlich und nichts kann ihm schaden…“

Das Wort Kryptonit blieb ungesagt, und doch war ihnen so als wäre der tödliche, grün glühende Stein auf einmal wie durch Zauberhand auf dem Tisch erschienen. Es war ein verrückter Gedanke und sie beide wussten, dass Clark nicht automatisch in Gefahr war, nur weil sie ihre zweite Hochzeitsreise im Ausland verbrachten. Aber die kurze Unterredung mit Lois hatte es nicht geschafft, ihre ohnehin schon angekratzten Nerven zu beruhigen.

„Er ist sicher damit beschäftigt Lois zu umgarnen. Wer weiß, vielleicht werden sie ihre Verlobung verkünden, wenn wir wieder nach Hause kommen.“ Martha grinste, auch wenn ihr nicht danach war. Sie konnte es nicht ändern, aber sie hatte Angst. Auf einmal sah der Tag nicht mehr so sonnig aus.

„Möchtest du ihn anrufen?“ fragte Jonathan.

„Es ist gerade Nacht in Metropolis, wenn Clark nicht gerade schläft, macht er seine Kontrollen. Nicht nötig ihn aufzuwecken“, sagte Martha und hob ihre Tasse, um ihre Nervosität in etwas Tee zu ertränken.

***

Metropolis, Suicide Slum, gegen halb zwei Uhr morgens

Clark blickte zu der Frau auf. Immer noch blinzelte er wegen des grellen Lichts. Sie war hübsch, soviel konnte er sagen. Er starrte sie an, sprachlos und unfähig zu atmen. Er brachte es nicht fertig etwas Zusammenhängendes zu sagen und so schwieg er. Ihr Gesicht faszinierte ihn, zog ihn an und ließ seine Knie weich werden. Das hieß, wenn sie nicht schon längst schwach gewesen wären. Sie hatte lange braune Haare und die faszinierendsten Augen, die er je gesehen hatte. Ihre Lippen sahen zart aus und er wünschte sich sehnlichst ihre Lippen mit den seinen zu berühren. Sie erwiderte seine Blicke zärtlich. Das Atmen schien ihm immer schwieriger zu werden. Sein Herzschlag beschleunigte sich und er drohte in der Tiefe ihrer braunen Augen zu ertrinken. War es nur Wunschdenken oder spürte sie die Magie dieses Augenblicks ebenfalls?

Clark konnte sich kaum davon abhalten den Abstand zwischen ihnen Beiden zu überbrücken, um sie zu küssen. Aber er wusste, es wäre nicht richtig. Für einen kurzen Augenblick glaubte er dasselbe Verlangen, das ihn verrückt zu machen drohte, in ihren Augen zu sehen. Still bat er sie seine Fantasie wahr werden zu lassen. Aber warum sollte sie ihn küssen? Er schalt sich dafür überhaupt davon zu träumen. Offensichtlich hatte er nicht nur sein Gedächtnis verloren sondern auch seinen Verstand. Dass sie ihm einen Namen gegeben hatte, kämpfte sich langsam durch den Nebel in seinem Kopf. Sie hatte ihn Clark genannt. Er war sich ziemlich sicher, dass sie ihn damit angesprochen hatte.

Die faszinierende Frau legte einen Arm um seine Schulter, um ihm aufzuhelfen. „Clark, wo bist du gewesen? Ich habe dich tagelang gesucht. Ich dachte, dass du mich verlassen hast. Ich dachte, du wärst weggelaufen.“ Sie studierte aufmerksam seinen Körper als er stand. „Du bist nicht weggelaufen, oder?“ sagte sie leise, so als wäre sie über diesen Umstand erstaunt.

Sorge war ihr ins Gesicht geschrieben. Ihrem Ausdruck nach zu urteilen musste er schlimm aussehen. Kein Wunder, dass sie ihn nicht geküsst hatte, dachte er ironisch. Wütend auf sich selbst, zwang er sich in der Realität zu bleiben. Nun war nicht der richtige Zeitpunkt, um von Frauen zu träumen. Er versuchte sich daran zu erinnern, was sie ihn gefragt hatte, aber er war zu abgelenkt gewesen um richtig zuhören zu können. Aber egal was es gewesen war, eine Antwort würde sicher passen.

„Ich… ich weiß nicht“, antwortete er. Seine Stimme klang fremd in seinen Ohren. Hatte er sie jemals zuvor gehört? Er war sich nicht einmal sicher, ob es seine eigene war.

„Du weißt es nicht?“, fragte die Frau überrascht.

Sie betrachtete ihn und ihr Blick wanderte langsam über seinen Körper. Er fühlte sich verletzlich, fast nackt. Es war als würde sie durch ihn hindurch sehen, bis in sein Innerstes. Er überlegte, ob sie seine Gedanken lesen konnte. Stand ihr Mund offen, weil ihr die Leere in seinem Kopf bewusst wurde? Oder aufgrund seiner unangebrachten Gedanken? Clark entschied, dass er sich Dinge einbildete.

„Du bist verletzt!“, stellte sie erschrocken fest. „Clark, was ist mit dir passiert?“

Er starrte sie an, und sein Hirn wurde völlig leer. Oder war es immer noch leer? Er konnte es nicht mit Sicherheit sagen. Schmale Hände berührten seine Schultern, Brust und Bauch. Er zuckte zusammen, als sie über seine schmerzende Seite glitten. Er konnte einen Aufschrei nicht zurückhalten als sie sein Hemd hochzog, um besser sehen zu können. Sie schnappte nach Luft und eine Welle besorgte, gemurmelte Worte verließen ihre Lippen. Er verstand nichts davon. Alles was er sehen konnte, war eine wunderschön Frau, die ihn zu kennen schien, die sich um ihn kümmerte. Und plötzlich kamen die Erinnerungen an den Mann in der Gasse wieder hoch.

„… muss helfen“, sagte er heiser, er traute seiner eigenen Stimme nicht. „Jemand liegt..., blutend… Gasse dort drüben.“ Er zeigte in die ungefähre Richtung und war sich nicht sicher, ob er den Weg zurück finden würde. Aber er würde es versuchen, egal wie. „Komm mit…“ Er nahm die Hand der Frau, die ihn Clark genannt hatte, und zog sie in die Richtung aus der er gekommen war.

„Clark, warte!“, protestierte sie und hielt ihn mit einer Kraft zurück, die er von so einer zierlichen Frau nicht erwartet hatte. Oder war er so schwach? „Sag mir, was passiert ist!“ forderte sie. Obwohl ihre Stimme relativ sanft klang, sagte etwas in ihrer Haltung ihm, dass sie bis zum Äußersten angespannt war. Was auch immer sie so sehr beunruhigte, ihre Anspannung war nur leicht abgeflaut seitdem er ihr ins Auto gerannt war. Er spürte, dass sie nicht in der Stimmung war mit ihm zu diskutieren. Er hatte keine Ahnung warum, aber instinktiv wechselte er in den Abwehrmodus.

„Bitte…“ er machte eine Pause, wo er sonst ihren Namen gesagt hätte. Egal wie intensiv er in ihre Augen blickte, er konnte sich nicht an ihren Namen erinnern. „Hilf mir“, sagte er weiter. „In dieser Gasse dort ist ein Mann. Er wird sterben, wenn wir nichts unternehmen“, versuchte Clark ihr zu erklären und hoffte, dass er sie gerade mit Dackelaugen ansah. Es schien zu wirken, denn ihr Ausdruck wurde weicher. Für einen Moment schien sie in einem inneren Kampf gefangen zu sein, aber sie entspannte sich sichtlich.

„Zeig mir den Weg“, sagte sie und folgte ihm als er loslief.

Auf dem Weg zurück kam ihm nichts bekannt vor. Alle Häuser sahen alt und beschädigt aus, eines ähnelte dem anderen so sehr, dass er nicht fähig war zu sagen, wann er in eine der kleineren Straße abbiegen musste. Es gab Schilder mit Straßennamen, aber diese waren mit Schmutz bedeckt und es war unmöglich die Namen zu lesen. Es hätte ihm so oder so nicht geholfen. Er hatte keine Ahnung wie die Gasse hieß. Sein Orientierungssinn war unter Wellen und Wellen von Schwindelgefühl vergraben. Und je länger er lief, desto schlimmer wurde es. Er kämpfte mit der Übelkeit und fühlte sich ausgelaugt wie noch nie zuvor. Seine Seite tat höllisch weh und sein Kopf hämmerte immer noch. Er musste zugeben, dass es sinnlos war. Er schwankte auf seinen Füßen und sank gegen eine Wand, um nicht umzufallen. Er versuchte verzweifelt weiter zu gehen, aber er rang nach Atem.

„Clark“, rief die Frau entsetzt und war sofort bei ihm. Er fühlte ihre Hand auf seiner Stirn und schloss seine Augen während die Welt sich um ihn drehte. Kalter Schweiß bedeckte seine Haut und er zitterte in der kühlen Luft

„Muss helfen“, flüsterte er, genervt von seiner eigenen Schwäche und sein Gewissen forderte ihn auf weiterzumachen, und zu retten wer auch immer in dieser Gasse war. „Muss helfen“, wiederholte er und stöhnte frustriert. Er bemerkte kaum, dass die Frau ihm aufmunternd auf die Schulter klopfte und anfing in ihrer Handtasche zu wühlen.

„… Henderson? Ja, hier spricht Lois… Ich habe Clark gefunden…. Ja…. Ich weiß nicht… er ist verletzt, aber es scheint nicht allzu schlimm zu sein. Er sagt, dass eine verletzte Person in einer Gasse im Suicide Slum liegt. Aber er ist nicht in der Verfassung mir den Weg zu zeigen. Ich gehe mit ihm nun zurück zu meinem Auto und bringe ihn ins Krankenhaus“, sagte die Frau, die offensichtlich Lois hieß, in ihr Handy. Sie beendete hastig ihr Gespräch und griff nach ihm gerade als seine Beine drohten unter ihm nachzugeben.

„Clark, kannst du mich hören?“ fragte sie besorgt und wartete bis er sein Schwindelgefühl weggeblinzelt hatte und ihren Blick traf. „ Lass uns zurück zum Wagen gehen. Ich habe jemanden angerufen, der dem Mann in der Gasse helfen wird. Nun bist du derjenige, der Hilfe braucht. Komm schon, großer Mann, wir bringen dich in ein Krankenhaus“, meinte sie fürsorglich.

Clark war sich sicher, dass sie das schon einmal gesagt hatte, aber er hatte die Bedeutung dieser Worte offenbar nicht begriffen. Nun, da sie sie wiederholt hatte, fing sein Herz plötzlich an wie wild zu rasen. Sein Atem wurde flach und sein Magen schien sich zu verknoten. Er fühlte Übelkeit aufkommen. Sein Körper begann zu zittern und es konnte nicht mehr lange dauern bis er ohnmächtig werden würde. Eine erneute Welle des Schwindels überkam ihn, anders als die, die er zuvor gespürt hatte.

„Nein“, flüsterte er und kämpfte gegen den Zwang sich zu übergeben an. „Nein, nein, kein Krankenhaus.“

Seine eigenen Worte überraschten ihn mehr als er sagen konnte. Er hatte keine Ahnung warum das pure Worte Krankenhaus so eine Panik in ihm hervorrief. Es war ja nicht so als wären da schlechte Erinnerungen, die hochkamen als Lois das Krankenhaus erwähnte. Keine Schläuche, keine Spritzen, kein Skalpell oder ähnliches was seine Angst erklären würde. Um die Wahrheit zu sagen, sein Kopf war komplett leer. Außer den Zitteranfällen, die seinen Körper schüttelten gab es nichts Greifbares, was seine Angst erklärt hätte. Aber dieses Gefühl war überzeugend genug, um ihm das Herz in die Hose rutschen zu lassen.

„Mir geht’s gut“, verteidigte er sich und schaffte es mit einiger Mühe seine Stimme lauter klingen zu lassen als ein heiseres Flüstern.

„Clark, du bist verrückt“, sagte Lois mit ihrer Keine-Dummheiten-Stimme, die sicher ausgereicht hätte, jeden anderen ohne weitere Fragen gehorchen zu lassen. Es half aber nicht den angstgeplagten Clark umzustimmen.

Er tat ihre Worte achselzuckend ab. „Es ist nichts, Lois, wirklich.“ Der Gedanke an den verletzten Fremden drängte ihn immer noch mit Macht dazu, zurück zu der Gasse zu gehen. Er wusste längst, dass er sie nicht finden würde, aber das half ihm wenig. Tatsächlich würde er nicht einmal mehr die Kraft besitzen sich dagegen zu wehren von Lois ins Krankenhaus gebracht zu werden, wenn er weiter versuchen würde, den armen Kerl zu finden. Seine Müdigkeit führte einen unnachgiebigen Kampf mit seinem Wunsch zu helfen bis sein schmerzender Körper schließlich gewann. „Bring mich nur nach Hause, bitte“, murmelte Clark geschlagen.

Für einen kurzen Moment dachte Clark, dass er sich verraten hätte. Vielleicht wusste diese Frau nicht wo sein Zuhause war, wenn er überhaupt eines hatte. Er durfte sie nichts über seine gegenwärtige Situation wissen lassen. Wenn sie dachte, dass er sich am Kopf verletzt hatte, würde sie ihn gegen jeden Protest ins Krankenhaus schleppen. Das konnte er nicht riskieren, nicht wenn er plante diesen Tag ohne Herzinfarkt zu überleben. Um ihrer Sturheit etwas entgegenzusetzen, versuchte er ihr einen strengen Blick zuzuwerfen, oder zumindest das, was er dafür hielt. Niemand brauchte ihm erst sagen, dass die Frau wusste was sie wollte. Und er war sich sicher, dass sie es normalerweise auch bekam.

Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte er bei dem Versuch seinen Willen durchzusetzen wahrscheinlich verloren. Aber Angst war ein starker Verbündeter, jedenfalls in diesem Fall. Andererseits lähmte sie ihn und er wünschte sich, dass die Frau namens Lois ihn bei der Hand nehmen würde. Er würde ihr überall hin folgen, solange es nicht das Krankenhaus war.

Lois’ Augenbrauen waren gerunzelt als sie ihn ansah und er war sich darüber im Klaren, dass sie sich nicht wohl damit fühlte ihn nach Hause zu bringen. Er konnte ihr praktisch dabei zusehen, wie sie mit sich rang. Das war seltsam, denn er hatte sie doch gerade zum ersten Mal getroffen, sozusagen. Sie suchte verzweifelt nach einem Weg um ihn dazu zu bewegen ins Krankenhaus zu gehen, aber da war noch etwas anderes. Sie schien froh zu sein ihn zurück zu haben. Oder bildete er sich das ein? Wahrscheinlich tat er das; er kannte sie noch nicht mal.

‚Laß sie mich nur nach Hause bringen’, betete er still, sein Schicksal erwartend.

* * *

Lois wusste nicht, was sie denken sollte. Sie war gefangen in einem Sturm von Emotionen und sie konnte es nicht begreifen, was geschehen war. Clark war verletzt, was sie traurig machte und wütend auf die Person, die ihm das angetan hatte. Sie hatte vier Tage damit verbracht nicht zu wissen, ob sie wütend auf ihn war oder nicht. Sie war sich diesbezüglich immer noch nicht sicher. Er sah aus als hätte er eine harte Zeit gehabt, was aber nicht bedeutete, dass er komplett unschuldig war. Aber hier stand er nun, zitterte wie Espenlaub und bat sie ihn nach Hause zu bringen. Sie hatte ihn nicht vergrault. Er wollte mit ihr zusammen sein und er hatte sie um Hilfe gebeten.

Ihr Gewissen protestierte, als sie sich freute zu sehen, dass es Clark nicht gut ging. Es war nicht so, dass sie wollte, dass er litt. Sie würde ihn lieber lächeln sehen und nicht so verwirrt wie er jetzt zu sein schien. Aber solange er nicht verschwunden war, wusste sie, dass sie mit allem anderen leicht fertig werden konnte. Wenigstens dachte sie das. Aber Lois konnte seine Angst fühlen – er strahlte sie aus, so stark, dass sie förmlich auf sie überging.

Er sah nicht so aus, als wäre er allzu schwer verletzt. Lois beobachtete ihn genauer und versuchte herauszufinden, ob er irgendwelche Schmerzen vor ihr verbarg. Alles was sie sah, war ein verängstigter Mann. Sie konnte ihn nicht hier lassen und sie würde ihn nicht ins Krankenhaus bringen, nicht, wenn er das so offensichtlich nicht wollte. Sie hatte mehr als genug Fehler mit ihm gemacht. Es würde ihm nicht schaden, wenn sie ihn zurück in sein Apartment brachte. Nach einer Tasse Tee und einer netten heißen Dusche könnte sie ihn immer noch zu einem Arzt bringen.

„Komm schon, Clark. Lass uns zurück zum Auto gehen“, sagte sie und gab ihm einen sanften Stups in die richtige Richtung.

„Wirst du mich nach Hause bringen?“ fragte er und der beunruhigte Ton in seiner Stimme war Mitleid erregend. Selbst wenn sie ihn immer noch ins Krankenhaus hätte bringen wollen, hätte sie es nicht gekonnt. Was auch immer Clark widerfahren war, es musste ein Alptraum gewesen sein. Er brauchte einen Freund und das war nichts, was er in einer Notaufnahme bekam.

„Ja“, antwortete sie beruhigend und drückte leicht seine Hand.

Sie gingen schweigend zurück zum Auto. Lois bemerkte, dass er wiederholt nach hinten über seine Schulter blickte. Sein Ausdruck hatte etwas schier Verzweifeltes an sich und Lois erkannte, dass er darunter litt nicht zurück zu dem Mann in der Gasse zu kommen, von dem er ihr erzählt hatte. Wie war es möglich, dass sie nie gesehen hatte wie nett und fürsorglich dieser Mann war? Warum hatte sie ihn naiv genannt, wenn er doch nur ein gutes Herz hatte?

„Henderson wird ihm Hilfe besorgen“, versuchte Lois ihn zu überzeugen und klopfte auf seinen Arm als er das Tempo verringerte. Clark drehte sich abermals um, so als wollte er immer noch zurück. „Der Rettungsdienst wird ihn sicher finden, Clark. Sorg dich nicht soviel um ihn. Du hast alles getan, was du konntest. Er wird in guten Händen sein.“

Clark erwiderte ihren Blick. Sein Ausdruck sah verzweifelt aus wie ein stiller Schrei nach Hilfe. Lois wollte ihn umarmen und ihn trösten. Clark war irgendwie nicht er selbst, wenigstens nicht die optimistisch immer lächelnde Version, die sie inzwischen so lieb gewonnen hatte. Und doch war es er. Genauso wie sie ihn so oft gesehen hatte, immer auf der Suche nach Menschen, denen er helfen konnte. Sogar wenn er genug eigene Probleme hatte, kümmerte er sich immer noch um andere. Das war ein weiterer Grund warum sie sich ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen konnte. Lois erinnerte sich daran, was er getan hatte, um sie vor Lex Luthor zu retten, auch wenn sie damals alles andere als dankbar für seine Mühen gewesen war.

Sie musste ihn nur ansehen, um zu wissen wie sehr sie diesen Mann liebte. Er humpelte und hielt sich seine Seite. Sein Gesicht wirkte merkwürdig verkrampft, als würde er vor Schmerz die Zähne zusammenbeißen. Trotz allem wollte er zurück um jemand anderem zu helfen. Sie hatte ihn so sehr vermisst. Hatte sie ernsthaft geglaubt, dass er weggelaufen wäre, weil er ihre Gefühle nicht erwiderte? Sie hatte falsch gelegen, so unglaublich falsch. Ein Knoten bildete sich in ihrer Kehle, der ihr förmlich den Atem zu nehmen schien, als sie bloß darüber nachdachte, wie ein Leben ohne Clark Kent aussehen würde. Es war als hätte sie eine zweite Chance bekommen.

Impulsiv drehte Lois sich um. Verunsichert ging Clark einen Schritt zurück. „Ich hab dich so sehr vermisst, Clark. Ich dachte, du hättest mich verlassen“, flüsterte sie atemlos.

Langsam ging sie einen Schritt näher auf ihn zu, umarmte ihn und lehnte ihren Kopf an seine breite Schulter. Es fühlte sich so gut an in seinen Armen zu sein, viel besser als in der Erinnerung. Sie könnte mit ihm dort für immer stehen. Lois blickte auf und sah das leichte unsichere Lächeln auf seinen Lippen. Ein wenig unbeholfen fuhr er mit der Hand durch ihr Haar, ließ eine Strähne durch seine Finger gleiten, bis er ihre Wange berührte. Seine Hand glitt ihre Wange hinunter über ihren Hals, wanderte über ihre Schultern, ihren Rücken, bis sie schließlich an ihrer Taille zur Ruhe kam. Das war alle Ermutigung die Lois benötigte. Ihr Herz pochte gegen ihre Brust und schien vor Glück zerspringen zu wollen.

*Er ist wieder da, er ist wieder da*, flüsterte es mit jedem Schlag.

Lois ging auf die Zehenspitzen und berührte seine wundervollen Lippen mit ihren.

* * *

‚Spiel mit’, dachte Clark ‚sp…’

Er konnte noch nie zuvor so geküsst worden sein. Daran müsste er sich sicher erinnern. Nie im Leben könnte er diese Lippen vergessen. Clark fühlte sich wie im Himmel. Vergessen war die Angst und die Unsicherheit der letzten Minuten. Es fühlte sich einfach richtig an, als wäre diese Frau für ihn gemacht. Plötzlich schien es nicht mehr von Bedeutung zu sein, dass alles was er von sich wusste mit einer dunklen Gasse begann. Er brauchte keinen anderen Erinnerungen, als diese eine. Sie duftete wie eine Rose an einem warmen Sommertag. Er konnte sie direkt vor sich sehen, die Blüten von Tau bedeckt. Die ersten Sonnenstrahlen, brachen sich darin und funkelten in tausend verschiedenen Farben. Lois zu küssen, war wie nach Hause zu kommen und gleichzeitig doch das aufregendste Abenteuer, das er sich vorstellen konnte.

Sie zog sich zurück, viel zu schnell. „Ich bringe dich nun nach Hause“, sagte sie und wurde rot. Ein bezauberndes Lächeln umspielte ihre Lippen.

Clark hätte gerne die drei magischen Worte gesagt. Ich liebe dich. Aber er wusste nicht, ob das eine gute Idee war. Sie hatte sie auch nicht gesagt. Er konnte sich nicht erklären, warum eine Frau einen Mann so küssen sollte, wenn sie nicht in ihn verliebt war. Aber in diesem Moment hatte er keine Vorstellung davon, welche Konsequenzen diese einfachen Worte haben würden. Solange er nicht wusste, was für ein Mann er war, dürfte er nichts sagen, was er vielleicht später bedauern würde. Er war sich beinahe sicher, dass er es nicht bereuen würde. Er hatte sich von dieser Frau vom ersten Moment an angezogen gefühlt. Er glaubte, dass er sich in sie verliebt hatte, Hals über Kopf. Es kam ihm zu früh vor, hatte er sie doch eben erst getroffen. Und trotzdem war es so als würde er sie schon sein ganzes Leben lang kennen.

Er überlegte welche Art von Beziehung sie hatten. Sie hatte ihn richtig geküsst, also musste da etwas sein. Freundschaft? War sie seine feste Freundin? Könnte sie seine Frau sein? Sein Herz raste bei dieser Vorstellung. Wie wunderbar wäre es mit dieser Frau verheiratet zu sein? Er starrte auf seine Hände. Dort war kein Ring. Clark seufzte still vor sich hin. Sie war nicht seine Frau. Wie schade.

Er folgte ihr zurück zum Auto. Sein Kopf tat immer noch weh, genauso wie seine Seite. Für eine kurze Zeit war der Schmerz vergessen gewesen, so als hätte sie ihn einfach weggeküsst. Aber nun merkte er wie müde er war. Er hatte keine Ahnung welchen Weg er gehen sollte. Sorgsam achtete er darauf, ihr nicht von der Seite zu weichen. Clark war erleichtert darüber, dass sie es aufgegeben hatte ihn ins Krankenhaus bringen zu wollen. Er war sich nicht mehr so sicher, ob er die Kraft dazu hätte sich gegen sie zu wehren. Vor allem deshalb nicht, weil die Erinnerung an ihren Kuss immer noch in seinem Kopf herumspukte. Clark hatte das Gefühl, dass sie ihn zu so ziemlich allem überreden konnte, wenn sie ihn so küsste. Wusste sie welche Macht sie über ihn besaß, wie sehr er ihr eigentlich ausgeliefert war? Es war beinahe beängstigend.

Ein Teil von ihm schwebte immer noch auf Wolke Sieben, doch dieses angenehme Gefühl vermischte sich immer wieder mit den grausamen Bildern des blutenden Mannes in der Gasse. Er wollte ihm so gerne helfen. Aber er musste akzeptieren, dass er das nicht konnte und das brachte ihn fast um den Verstand. Die Erleichterung, die er bei der Begegnung mit Lois empfunden hatte, war in dem Moment verschwunden, in dem er merkte, dass er den Rückweg in die Gasse nicht finden würde. Seine eigene Schwäche so vor Augen geführt zu bekommen war beinahe das Schlimmste. Aber warum glaubte er, dass er stärker hätte sein müssen? Warum konnte er sich nicht damit abfinden, dass er versagt hatte?

Er konnte gar nicht sagen, wie frustrierend es war, nichts über sich selbst zu wissen. Aber er traute sich nicht die Frau neben sich zu bitten ihm mehr zu erzählen. Immer noch hatte er Angst, dass sie ihn ins nächste Krankenhaus bringen würde, wenn er zugab, dass er sein Gedächtnis verloren hatte. Er verfluchte sich selbst für seine dumme Feigheit. Es wäre so einfach zu erfahren, was er so verzweifelt wissen wollte. Und wie konnte er erwarten sie einfach so weiter täuschen zu können? Sie musste doch merken, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Wahrscheinlich kannte sie ihn besser als er sich selbst.

Sie erreichten das Auto, bevor seine Müdigkeit wieder die Oberhand gewinnen konnte. Clark war nicht sicher, ob er erleichtert sein sollte. Einerseits war er froh sich eine Weile hinsetzen zu können und die Augen zu schließen. Andererseits bekümmerte es ihn, dass er nicht wusste, ob jemand den verletzten Mann finden würde und ihm helfen konnte. Lois öffnete die Tür und wartete bis er eingestiegen war. Einen Moment später saß sie auf dem Fahrersitz und startete den Wagen. Das Brummen des Motors ließ die Entscheidung endgültig werden. Sie würden diese Gegend verlassen. Clark lehnte sich gegen die Kopfstütze und schloss die Augen.

Ihm wurde bewusst, dass er keine Ahnung hatte, wie es nun weitergehen sollte. Er versuchte so zu tun, als ob er alles über sein Leben wusste. Das konnte doch eigentlich nur in die Katastrophe führen. Er wollte Lois nicht anlügen, aber hatte er eine Wahl? Es war unfair. Sie hatte ihm bedingungslos geholfen und er dankte es ihr, indem... Aber es ging nicht nur darum. Er verabscheute Lügen im Allgemeinen, allein die Vorstellung machte ihn ganz krank. Und dennoch tat er genau das einer Frau an, die doch offensichtlich so wichtig für ihn war. Er konnte nur hoffen, dass Lois nicht allzu neugierig war und nicht zu viele Fragen stellte. Aber er wollte nicht darauf wetten, dass er dieses Glück hatte.

„Es tut mir so leid, Clark“ sagte Lois und klang dabei so traurig, dass Clark sich noch schuldiger fühlte. Sie bogen auf eine belebte Straße ab, die offenbar zu einem besseren Teil der Stadt gehörte. Clark hatte noch immer keine Idee in welcher Stadt er sich befand. Er wusste nur, dass es irgendwo in den USA sein musste. Lois hatte ebenfalls einen amerikanischen Akzent. Okay, verglichen damit wie die Nacht für ihn begonnen hatte, hatte er also etwas dazugelernt.

„Was tut dir Leid?“ fragte er unsicher. Er nahm an, dass es sich um eine sichere Frage handelte.

„Dass ich dir nicht vertraut habe. Ich dachte, du hättest mich verlassen. Ich hätte es besser wissen müssen. Was ist passiert, was hast du in Suicide Slum gemacht? Wer hat dich verletzt? Ich kann mir nicht vorstellen, warum dir irgendjemand etwas antun sollte. Ich meine, Lex Luthor ist immer noch im Gefängnis und soweit ich weiß gibt es niemand anderen, der einen Grund hätte dich anzugreifen. Außer vielleicht Superman … aber das kann eigentlich nicht sein. Ich kenne ihn, das würde er nicht… du bist sein Freund und …“ Ihre Stimme verstummte. Verzweiflung stand Lois ins Gesicht geschrieben, so als hätte sie Angst.

Es war unnötig zu sagen, dass er nicht wusste worüber sie eigentlich gerade sprach. Keiner der beiden Namen, die sie gerade erwähnt hatte, kam ihm irgendwie bekannt vor. Er konnte nicht verstehen warum jemand sich selbst Superman nennen konnte. Aber er war nicht so dumm sie danach zu fragen. Vor allem nachdem sie erwähnt hatte, dass er mit jenem mysteriösen Mann befreundet war. Und selbst wenn er da etwas falsch verstanden haben sollte, so war doch ziemlich offensichtlich, dass jeder andere Bescheid gewusst hätte. Jemand der Superman hieß, konnte nicht besonders schüchtern sein. Es war anzunehmen, dass dieser Mann sehr bekannt war. Clark hatte keine Vorstellung davon, wer dieser Superman sein sollte. Sein Name klang so, als stamme er aus einem Comic. Aber das ergab keinen Sinn, also musste Superman jemand anderes sein. Warum sollte dieser Superman sich für jemanden wie ihn interessieren? Oder sogar sein Freund sein, wenn Lois die Wahrheit gesagt hatte.

„Ich habe keine Ahnung wie ich im Suicide Slum gelandet bin“, sagte Clark und hoffte, dass dieser Funke Wahrheit genügen würde, um sie für den Moment zufrieden zu stellen. Er war nicht in der Stimmung zu diskutieren, ob sie ihm vertrauen konnte oder nicht. Besonders da er selbst nicht wusste, ob sie das konnte. Vielleicht hatte er wirklich versucht sie zu verlassen. Woher sollte er das wissen? Clark dachte an den Kuss. Wenn er wirklich in der Lage war eine Frau wie sie zu verlassen, dann hatte er mit Sicherheit nicht mehr alle Tassen im Schrank.

Lois warf ihm einen besorgten Blick zu, schaute dann aber schnell wieder auf die Straße. Der Verkehr wurde mit jeder Meile, die sie von der schrecklichen Gasse trennte, dichter. Lois schwieg für eine Weile und Clark nutzte die Gelegenheit sich seine Umgebung anzuschauen. Er untersuchte jeden neuen Häuserblock, an dem sie vorbeifuhren, in der Hoffnung irgendetwas zu erkennen. Aber alle Straßen ähnelten sich vollkommen und es gab nichts was ihm bekannt vorkam. Vielleicht lag es daran, dass es draußen dunkel war. Aber so langsam verlor er die Hoffnung auf eine schnelle Lösung seines Problems.

‚Du wirst nicht so einfach aufgeben’, ermahnte er sich selbst und versuchte sich einzureden, dass seine Erinnerungen zukommen würden, sobald er dort ankam, wo er wohnte.

„Clark, sag mir bitte…“ begann Lois und wurde dann wieder still. Sie fuhren langsamer und schon bald parkten sie am Straßenrand. „Wir sind da“, stellte sie beinahe überrascht fest. Für Clark war es eine mehr als willkommene Abwechslung. Lois würde nun für einige Zeit abgelenkt sein. Das bedeutete, dass sie ihm keine Fragen stellen konnte, zu denen er eigentlich die Antwort kennen sollte. Er befand sich auf gefährlichem Terrain und das gefiel ihm gar nicht. Vielleicht konnte er Lois dazu überreden, dass sie ihn bis zum nächsten Tag alleine ließ, indem er ihr sagte, dass er schlafen müsste. Obwohl, wenn er ehrlich war, war das gar kein Vorwand. Er hatte Schwierigkeiten die Augen offen zu halten.

Clark stieg aus dem Wagen, sicherlich langsamer als sonst. Die Schmerzen in seiner Seiten waren nicht geringer geworden, doch wenigstens seinem Kopf ging es besser, wenn auch immer noch nicht gut. Er überlegte, wie er Lois dazu bringen sollte als erste zu seinem Apartment zu gehen. Sie würde sicher bemerken, dass er den Weg nicht kannte. Er versuchte nicht zu verdächtig zu erscheinen und bewegte sich verlegen zu der Tür hin, die der Eingang des Apartmenthauses sein mochte. Zu seiner großen Erleichterung folgte ihm Lois und schon bald lief sie voraus und stieg die Treppen viel schneller hoch als er. Die Treppe erschien ihm irgendwie endlos. Clark fragte sich, warum er sich ausgerechnet für die oberste Wohnung eines Gebäudes entschieden hatte, das keinen Aufzug besaß. Offensichtlich hatte nie zuvor darüber nachgedacht, was passieren würde, wenn er jemals verletzt sein sollte.

Als er oben ankam, war er außer Atem. Lois wartete schon ungeduldig vor der Tür auf ihn. Clark hatte den Eindruck, dass sie schon hinein hatte gehen wollen, sich aber nicht getraut hatte. Er durchsuchte seine Kleidung nach einem Schlüssel, aber seine Taschen, oder das was davon noch übrig war, waren leer. Er zuckte hilflos mit den Schultern und murmelte leise vor sich hin. Es waren keine Worte, die dazu gedacht waren, verstanden zu werden. Clark hoffte nur, dass sie nicht nachfragen würde. Lois verdrehte die Augen und für einen Moment glaubte er, sie würde ihn ausschimpfen, weil er die Schlüssel verloren hatte.

„Also wirklich, Clark“, rief sie aus und schüttelte ungläubig den Kopf. „Sag jetzt ja nicht, dass du dumm genug bist einen Ersatzschlüssel unter einem Blumentopf zu verstecken und es dann zu vergessen. Wann wirst du lernen, dass du in Metropolis bist und nicht mehr in Smallville?“ Sie schnaubte verächtlich und griff nach dem Schlüssel. „Lass uns reingehen. Aber du solltest wirklich vorsichtiger mit deinem Apartment sein“, belehrte sie ihn.

„Wenn ich das wäre, könnten wir jetzt wohl kaum hineinkommen“, neckte er sie, überrascht, dass er einen Streit mit ihr riskierte.

Er grinste vorsichtig als sie ein übertriebenes Stöhnen von sich gab und ihn danach anlächelte. Es war so als hätte jemand ein Licht in der Dunkelheit angeschaltet. Sie küsste nicht nur wie eine Göttin, sie hatte auch noch ein unglaubliches, verzauberndes Lächeln. Wenn er bei ihr bliebe, bräuchte er wahrscheinlich sein ganze Leben lang, um wieder zu Verstand zu kommen. Warum fühlte er eine so starke Anziehung zu einer Frau, die er kaum kannte? Lois zog ungeduldig an seinem Ärmel und er folgte ihr gehorsam. Er hätte nicht sagen können warum. Die Erklärung, dass es sich einfach richtig anfühlte, schien ihm mehr als schwach. Aber es war nun einmal Tatsache, dass er auf einmal nicht mehr so nervös war. Vielleicht waren die Dinge einfacher als er dachte. Mit Lois schien man gut zu Recht zu kommen.

***

Metropolis, Suicide Slum, eine halbe Stunde später

Inspektor Henderson fluchte verhalten, als er seinen Wagen neben einem Streifenwagen parkte. Er hatte keine Ahnung, was ihn geritten hatte Lois Lane anzubieten, dass sie ihn jederzeit telefonisch erreichen konnte. Er kannte sie und hätte wissen müssen, dass sie ihn mitten in der Nacht anrufen würde. Und nun hatte sie ihn auf eine wilde Suche nach einer verletzten Person im Suicide Slum geschickt. Es war wie eine Nadel im Heuhaufen zu suchen.

„Hallo Inspektor“ grüßte ihn einer der jungen Polizisten. Er erwiderte den Gruß mit einem kurzen Nicken. „So, wo starten wir die Suche nach dem ominösen verletzten Mann?“ fragte der junge Kollege.

Henderson zuckte mit den Schultern. „Miss Lane hat mir gesagt, dass sie Kent hier gefunden hat. Das ist alles, was wir haben, fürchte ich. Vielleicht sollten wir Superman um Hilfe bitten, mh? Aber wir wissen ja nicht wo er steckt, oder? Egal, lassen sie uns das Beste aus dieser schlimmen Situation machen. Wenn Clark Kent eine verletzte Person gesehen hat, war eine dort und wir werden Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um sie oder ihn zu finden. Es könnte nur etwas länger dauern.“ Er seufzte theatralisch.

Henderson äußerte sich nicht zu dem Gesichtsausdruck seines jungen Kollegen, der offensichtlich nicht davon überzeugt war, dass sie überhaupt erfolgreich sein könnten. Wenn er ehrlich war, dachte Henderson ganz ähnlich. Suicide Slum trug den Namen nicht umsonst. Es war reiner Selbstmord dort nach jemanden zu suchen, der nicht gefunden werden wollte. Und eine verletzte Person hatte aus nahe liegenden Gründen einige Schwierigkeiten bei ihrer eigenen Suche mitzuhelfen.

„Lasst es uns hinter uns bringen, damit ich noch ein paar Stunden Schlaf bekommen kann“ sagte Henderson und dachte an all die Arbeit, die auf seinem Schreibtisch auf ihn wartete. Wenigstens einer dieser Fälle wäre erledigt, sobald er Kent gehörig die Meinung gesagt hatte. Es gehörte sich einfach nicht, seine Partnerin vor Sorge halb wahnsinnig werden zu lassen.

Der Polizist nickte. Er schaltete die Taschenlampe an und versicherte sich, dass seine Waffe noch immer da war, geladen und bereit gezogen zu werden. Dann gingen sie die ersten Schritte in die Dunkelheit des Suicide Slums. Die anderen Polizisten taten dasselbe und folgten dem Ersten. Schon bald gingen sie in verschiedene Richtungen, verteilten sich über das Areal, um jemanden zu finden, der vermutlich Hilfe brauchte.


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Vega
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Bis dass das Leben uns scheidet...Teil 3/14

Beitragvon Vega » So 17. Jan 2010, 15:29

Teil 3

Metropolis, Clarks Apartment, etwa zur selben Zeit

Clark war überrascht als er sein Apartment sah. Das Innere sah um einiges einladender als das Apartmentgebäude selbst. Es gefiel ihm gut. Die breiten Bücherregale an der Wand zogen seine Blicke wie magisch an. Also mochte er offensichtlich Bücher. Alles war aufgeräumt und nur auf dem Sofatisch prangte ein wenig Chaos. Lois hatte seinen Blick bemerkt und deutete in Richtung Tisch.

„Es tut mir leid. Ich habe hier auf dich gewartet und habe nicht aufgeräumt…“ sie wollte hinüber gehen, um die Kartons aus dem chinesischen Fastfood Restaurant wegzuräumen. Clark hielt sie zurück.

„Es ist in Ordnung, Lois. Ich kann das morgen machen.“ Er sah auf die Uhr, die auf einem der Bücherregale stand. „Ähm, ich meine später. Ich bin wirklich müde.“ Er gähnte, wie um seine Worte zu unterstreichen. Dann schaute er sich in seinem Apartment um, auf der Suche nach dem Schlafzimmer. Oder sollte er besser mit dem Bad anfangen? Diese Idee war sogar noch verlockender. Ein wenig unentschlossen welche Tür er zuerst ausprobieren sollte, blieb Clark im Wohnzimmer stehen.

„Du kannst jetzt noch nicht ins Bett gehen, Clark. Schau dir mal deinen Bauch an! Du blutest immer noch ein wenig. Die Wunde muss gesäubert und verpflastert werden“, bestimmte Lois und schob ihn die Richtung, in der wahrscheinlich das Bad lag. Wenig später ließ sie ihn auf der Toilette Platz nehmen, nachdem sie den Deckel geschlossen hatte und suchte nach Verbandsmaterial. „Verrätst du mir, wo du deine Pflaster aufbewahrst?“ fragte sie, nachdem sie den Medizinschrank mit einem ratlosen Schulterzucken geschlossen hatte. Clark wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte doch sicher so etwas, oder?

Lois wartete nicht auf seine Antwort. Sie grummelte verärgert und murmelte: „In der Küche vielleicht?“ Dann war sie verschwunden.

Clark starrte auf die Tür, die hinter ihr ins Schloss gefallen war. Es war ein komisches Gefühl wieder alleine zu sein und er merkte, dass er bereits angefangen hatte sich sehr auf Lois zu verlassen. Dabei hatte er sie doch eben erst kennen gelernt. Für einen Moment saß er reglos da und wusste nicht, was er tun sollte. Natürlich konnte er warten bis Lois zurückkam. Aber warum sollte er so etwas Dummes tun? Er war ein erwachsener Mann, auch wenn es ihm so vorkam als wäre er kaum eine Stunde alt. Clark schüttelte den Kopf, genervt von seiner eigenen Hilflosigkeit. Er konnte für sich selbst sorgen. Mit einem sehnsüchtigen Blick schaute er zur Dusche. Seine Haut war bedeckt von Staub und Schweiß. Es würde soviel einfacher sein zu schlafen, wenn er wieder sauber wäre. Er unterdrückte ein Gähnen und entschied, dass er mit dem Schlafen noch etwas warten konnte.

Clark fing an die Überreste seines Hemds aufzuknöpfen, während er sich im Spiegel musterte. Was immer auch mit dem Rest seines Körpers geschehen war, sein Gesicht hatte davon wenig abbekommen. Die Haut war unverletzt und nur die dunklen Ringe unter seinen Augen zeugten davon, dass er in letzter Zeit wohl wenig Schlaf bekommen hatte. Clark fragte sich, ob ihm seine Züge wohl bekannt vorkamen. Er sah nicht das Gesicht eines Fremden, doch die Geschichte des Mannes, den er anblickte, wollte ihm immer noch nicht einfallen.

Enttäuscht wandte er sich vom Spiegel ab und lauschte auf Geräusche, die von Lois stammen könnten. Wo auch immer sie gerade war, sie näherte sich auf jeden Fall nicht dem Badezimmer. Ein wenig überrascht bemerkte Clark wie durchweicht seine Kleidung war. Warum war ihm das nicht vorher aufgefallen? Es fühlte sich richtig gut an sie loszuwerden. Er stand auf und zog seine Hose aus. Das war deutlich schwieriger, als mit dem Hemd fertig zu werden. Ein scharfer Schmerz in seiner Seite erinnerte ihn daran, dass er vorsichtig sein musste. Clark flucht leise, als er aus seinen Boxershorts stieg. Dann schaute er an sich herunter. Seine linke Seite sah schlimm aus, verdreckt und von getrocknetem Blut völlig verkrustet. Soweit Clark sehen konnte, handelte es sich um eine hässliche Schnittwunde. Ein paar kleinere Glasscherben stecken darin und er versuchte vorsichtig sie zu entfernen. Flüche murmelnd und vor Schmerz zusammen zuckend gelang es ihm, sie zu entfernen ohne sich dabei erneut zu schneiden. Der Schnitt blutete nun heftiger und für einen Moment fragte er sich, ob duschen überhaupt eine gute Idee wäre. Clark entschied, dass es einen Versuch wert war. Er könnte immer noch aufhören, falls es zu schmerzhaft sein sollte.

Er stieg in die Dusche, stellte das Wasser an und genoss die Wärme auf seinem wunden Körper. Aber er merkte bald, dass es nicht nur angenehm war. Als das Wasser über den Schnitt rann, konnte er sich nur mühsam einen Aufschrei verkneifen. Rasch drehte er sich um, damit das Wasser hauptsächlich seinen Rücken traf. Er wusch sich so schnell wie möglich und trocknete sich sofort mit einem frischen Handtuch ab. Clark fand es merkwürdig, dass Lois noch nicht zurückgekommen war. Seine Küche konnte doch nicht so groß sein. Nicht, dass er es nicht schätzte im Moment allein zu sein. Zur Sicherheit schlang er das Handtuch um seine Hüfte falls Lois zurückkam.

Clark betrachtete seine Seite etwas genauer. Es sah gar nicht mehr ganz so schlimm aus, nachdem der Dreck verschwunden war. Clark hatte keine Ahnung, wo er sich an Glas geschnitten hatte. Er konnte sich nicht erinnern, dass welches dort gelegen hatte, wo er aufgewacht war. Auf der anderen Seite fiel denken ihm im Moment wirklich schwer. Blut sickerte aus der Wunde und Clark griff nach einem zweiten Handtuch, um es auf seine Seite zu pressen. Nun war er soweit, um Lois in der Küche zu suchen. Vielleicht konnte er saubere Sachen auf dem Weg dorthin finden. Er setzte seine Brille wieder auf. Es war wahrscheinlich einfacher alles zu finden was er brauchte, wenn er sie trug.

„Lois?“ fragte er als er aus dem Badezimmer trat.

Er bekam keine Antwort und er hörte auch keine Geräusche, die so klangen als würde jemand in der Küche nach etwas suchen.

„Lois?“ wiederholte er ein wenig lauter.

Vielleicht hatte Lois ihn nicht gehört oder er hatte einfach nur Angst vor der Stille an diesem fremden Ort. Es dauerte nicht lange bis er die Küche gefunden hatte. Aber Lois war verschwunden. Clark war verwirrt und fragte sich, ob sie gerade eben erst gegangen war. Hatte er etwas falsch gemacht? Oder vielleicht war es eine Angewohnheit von ihr zu verschwinden ohne zu sagen warum. Es war eine Möglichkeit, obwohl er nicht daran glaubte. Sie war zu sehr darauf bedacht ihm zu helfen. Sie hatte sicher ihre Gründe ihn alleine zu lassen.

Clark ging aus der Küche zurück ins Wohnzimmer. Er schaute sich um. Wenigstens konnte er etwas mehr über den Mann herausfinden, der er gewesen war, bevor er das Gedächtnis verloren hatte. Lois würde ihn sicher fragen, warum er sich die Fotos, die auf den Regalen standen oder an der Wand hingen, so genau anschaute. Aber sie war nicht da, und konnte ihn nicht beobachten. Er sah ein älteres Paar, wahrscheinlich seine Eltern. Die beiden waren auf den meisten Fotos abgebildet. Mal standen sie neben einem Teenager, mal umarmten sie ein Kind oder einen erwachsenen Clark. Neben seinen Eltern schien Lois eine wichtige Rolle in seinem Leben zu spielen, obwohl er nicht sagen konnte welche. War sie eine gute Freundin oder war da mehr als das? Er wollte jedenfalls, dass sie mehr als das war. Sie sah auf den Fotos so glücklich aus. Clark hätte sie für immer anschauen können, aber die Fotos verschwammen vor seinen Augen. Er konnte ein weiteres Gähnen nicht mehr unterdrücken. Resigniert stellte er das letzte Foto wieder an seinen Platz und suchte sein Schlafzimmer.

Clark musste zugeben, dass er Angst hatte. Seit ihrem Kuss träumte er davon sie noch mal zu küssen. In der Tat wollte er viel mehr als das tun. Aber nach allem was er wusste, konnte Lois auch seine Schwester sein. Es war recht unwahrscheinlich, da sie auf keinem der Fotos mit seinen Eltern war. Außerdem würde eine Schwester ihn nicht so küssen, würde sie? Aber es war, nichtsdestotrotz, möglich. Er musste vorsichtig sein, wenn sie zurückkam. Er wollte seine Zukunft nicht zerstören, weil seine Vergangenheit ihm ein Rätsel war.

Als er um eine Ecke kam, fand er sein Schlafzimmer. Die Aussicht auf frische Kleider und auf ein Bett erfreute ihn über alle Maßen. Er öffnete mehrere Schubladen seines alten Schranks auf der einen Seite des Raums und kurz danach trug er ein Paar Boxershorts. Clark betrachtete das T-Shirt, das er aufs Bett gelegt hatte, aber er fühlte sich zu schwach, um es auch noch anzuziehen. Mit einem Seufzer legte er sich aufs Bett und schloss seine Augen. Er kümmerte ihn nicht, ob Lois gleich zurückkam oder ob sie wegblieb. Wenn er doch nur, diesen Alptraum verschlafen könnte. Er fühlte wie er langsam wegdriftete und sein letzter Gedanke war die Hoffnung, dass alles wieder normal sein würde, wenn er nur erst geschlafen hatte. Clark hörte nicht mehr, wie Lois zurückkam.

* * *

Lois hatte nichts in seiner Küche gefunden, um die Wunde zu verbinden. Das war seltsam. Sie hatte gedacht, dass ein Mann, der beim Anblick seines eigenen Blutes fast ohnmächtig wurde, so etwas zu Hause hatte. Für einen Junggesellen war er zwar ordentlich aber leider ziemlich schlecht organisiert. Glücklicherweise gab es eine Drogerie in der Nähe, die rund um die Uhr geöffnet hatte. Als sie gehört hatte, wie er unter die Dusche ging, war sie aufgebrochen, um dort alles zu kaufen, was sie brauchte. Es hatte jedoch länger gedauert als sie gedacht hatte. Trotz der späten Stunde war dort eine beachtliche Anzahl an Kunden in dem Laden gewesen.

„Clark?“ fragte sie als sie ins Wohnzimmer lief und die Tür hinter sich schloss.

Die Dusche lief nicht mehr, aber er antwortete ihr nicht.

„Clark“ wiederholte sie.

Bei dem Gedanken, dass Clark jederzeit nur mit einem Handtuch bekleidet aus der Dusche kommen könnte, fing ihr Herz an zu rasen. Lois fühlte wie sie allein schon bei der Vorstellung rot wurde. Sie erinnerte sich an diesen Augenblick als wäre es erst gestern gewesen. Sogar Wochen nach diesem Morgen war sie noch damit beschäftigt ihre Reaktion zu rechtfertigen. Sie hatte sich eingeredet, dass es nur die normale Reaktion einer Frau auf so einen gut aussehenden Mann war. Aber das war so nicht richtig. Clark war nicht der einzige Mann, den sie mit freiem Oberkörper gesehen hatte. Aber sie konnte sich nicht daran erinnern, dass einer der anderen sie so aus der Fassung gebracht hätte.

Ein leises Atemgeräusch kam aus seinem Schlafzimmer und Lois fand ihn auf seinem Bett liegend. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht unter die Decke zu schlüpfen und er trug immer noch seine Brille. An seiner linken Seite lag ein blutverschmiertes Handtuch. Er hatte es sicherlich an seine Seite gedrückt, bevor er eingeschlafen war. Schlafend sah er so friedlich aus, dass Lois nicht wusste, ob sie es übers Herz brachte ihn aufzuwecken. Es wäre besser, das war ihr klar. Er brauchte einen erholsamen Schlaf und den würde er so auf seinem Bett liegend nicht bekommen. Ihn aufzuwecken, erschien ihr trotzdem als grausam.

Sie konnte nicht anders als seinen perfekten Körper zu bewundern. Seine gut geformte Brust und sein Bauch senkten und hoben sich bei jedem Atemzug. Für einen Moment starrte Lois ihn einfach nur an, voller Ehrfurcht. Dann schüttelte sie genervt ihren Kopf. Ihn so anzugaffen erschien ihr oberflächlich. An Clark gab es soviel mehr bewundernswertes, als nur seinen Körper. In diesem Moment jedoch erfasste sie ein Gefühl von dem sie dachte, dass es tief in ihr vergraben wäre und niemals wieder erwachen würde – Verlangen.

Lois setzte sich neben ihn, aber er rührte sich nicht. Sie ließ ihre Hand über seine Wange streichen und bemerkte seinen Bart. Es sollte sie nicht überraschen, dass er unrasiert war. Er war vier Tage verschwunden gewesen und so müde wie er jetzt war, hatte er wohl kaum einen Gedanken an sein Äußeres verschwendet. Obwohl Lois Clark mit glatter Haut vorzog, sah der Bart an ihm irgendwie sexy aus. Ihr fiel auf, dass sie ihn noch nie zuvor unrasiert gesehen hatte. Es war eine komplett neue Erfahrung.

Es war ihr vorher nie in den Sinn gekommen sich darüber zu wundern. Meistens sah sie früher oder später, wie ein Mann sich rasierte, wenigstens wenn sie soviel Zeit mit ihm verbrachte wie mit Clark. Sie hatte sogar Perry mal mit einem elektrischen Rasierer im Büro überrascht. Es passierte manchmal, dass er im Planet schlief, weil er dachte, dass die Zeitung nicht ohne ihn auskam. Lois hatte erstaunt festgestellt müssen, dass sogar Jimmy sich rasierte. Sie hatte ihn dabei gesehen als sie eine Nacht in seinem kleinen Apartment verbracht hatte. Manchmal vergaß sie, dass er kein Kind mehr war. Aber obwohl sie mehrere Nächte mit Clark in dem einen oder anderen Hotelzimmer verbracht hatte, war auf seine Wangen niemals auch nur der Schatten eines Barts zu sehen gewesen. Und das obwohl sie sich im Nachhinein nicht an Rasierzeug im Bad erinnern konnte.

Clark drehte seinen Kopf zu ihr und murmelte etwas Unverständliches vor sich hin. Langsam wurde er wach und öffnete seine Augen. Er blinzelte im hellen Licht. Als er sie so nah neben sich sitzen sah, fuhr er zusammen. Lois war noch mehr davon überzeugt, dass ihm etwas Schlimmes widerfahren war. Er weigerte sich darüber zu sprechen und sie würde ihn nicht dazu zwingen, bevor er etwas geschlafen hatte. Es wäre nur fair und Lois dachte daran wie geduldig er mit ihr war, wenn sie wieder mal einen schlechten Tag hatte.

„Lois?“ fragte er und versuchte sich aufzusetzen, aber sie drückte ihn sanft wieder zurück in die Kissen. „Du bist noch da?“ Er klang etwas überrascht, so als ob er nicht daran geglaubt hatte, dass sie zurückkommen würde.

Er sollte sie wirklich besser kennen, dachte Lois, aber sie war nicht sauer. Sie hatte ihn oft zurückgewiesen. Vielleicht verdiente sie sein Misstrauen? Sie sollte ihm sagen, dass Dan und Superman nicht mehr Teil ihres Lebens waren. Das würde sie würde auch bei Gelegenheit tun. Aber nun war nicht der richtige Zeitpunkt. Clark brauchte Schlaf.

„Ich habe Verbandsmaterial gekauft“, erklärte Lois. „Du bist entweder ein Held oder wirklich dumm, Partner“, zog sie ihn auf. „Ist dir nie in den Sinn gekommen, dass du dich verletzen könntest?“

Er starrte sie einfach an, so als ob er Probleme damit hatte zu glauben, was sie gerade gesagt hatte. Lois kicherte als sie seinen überraschten Ausdruck im Gesicht sah. Er war wirklich süß, wenn er müde war. Aber das war nichts, was sie ihm unbedingt auf die Nase binden wollte.

„Was ist so lustig, Lois“ fragte er, doch Lois beschloss seine Frage zu ignorieren.

„Komm, lass mich einen Blick auf deine Wunde werfen“, befahl sie. Clark, der zusammenzuckte, als er die Position wechselte, hatte offenbar beschlossen, ihr lieber zu gehorchen, als mit ihr zu diskutieren.

Lois entfernte vorsichtig das Handtuch und sah mit Erleichterung, dass die Wunde nicht mehr blutete. So wie es jetzt aussah, würde Clark eine Narbe an seiner Seite zurückbehalten. In einem Krankenhaus hätte ein Doktor die Wunde nähen können, so dass nur ein feiner Strich Clark an diese Nacht erinnert hätte. Vielleicht war es noch nicht zu spät dafür? Lois hatte keine Ahnung wie lange eine Wunde genäht werden konnte. Aber wenn sie so darüber nachdachte – sie konnte ihn nicht transportieren. Clark war zu schwer für sie, um ihn ins nächstgelegene Krankenhaus zu schleifen. Und wenn sie bedachte, wie er reagiert hatte, als sie ihn zu einem Arzt bringen wollte, würde er sie wahrscheinlich dafür hassen, wenn sie jetzt einen Krankenwagen rief. Letzten Endes war es ihr egal, ob er eine Narbe hatte oder nicht. Sie würde ihn trotzdem lieben.

„Ich muss das desinfizieren.“ Sie deutete auf seinen Bauch und öffnete den Verschluss der Jodlösung. „Es könnte ein wenig brennen“, fügte sie hinzu und klang dabei viel unbeschwerter, als sie sich fühlte. Sie wusste, dass es teuflisch wehtun würde. Aber sie wollte nicht, dass er Fieber bekam nur weil er zu stur war heute Nacht einen Arzt aufzusuchen.

„Au!“ keuchte Clark und setzte sich auf als die Lösung in Kontakt mit seiner Verletzung kam.

„Beiß die Zähne zusammen und lieg still. Es war deine Idee nicht ins Krankenhaus zu gehen“, entgegnete Lois erbarmungslos, damit ihr selbst nicht die Tränen kamen.

Clark entspannte sich etwas, obwohl sein Gesichtsausdruck immer noch angespannt war. Seine Augen wurden schmal und er atmete langsam ein und aus, um gegen den Schmerz anzukämpfen. Aber er sagte nichts mehr weiter. Sie hörte ihn vor Erleichterung seufzen als sie mit der Prozedur fertig war und anfing die Wunde zu verbinden. Ein leises Stöhnen entwich seinen Lippen als ihre Hände aus Versehen seine Seite streiften. Aber er blieb still liegen. Als sie fertig war, beugte Lois sich über ihn und küsste ihn auf die Stirn, um ihn für seine Tapferkeit zu belohnen.

„Danke“, murmelte er leise.

„Wofür?“ fragte sie und grinste ihn an. Sie wusste, was er meinte. Danke, dass sie ihm geholfen hatte. Aber sie würde so viel lieber etwas anderes hören.

„Dafür, dass du mich geküsst hat, natürlich“, antwortete er und ihr Herz begann wie wild zu schlagen. Er hatte es gesagt, er hatte es wirklich gesagt. „Ich bin kein Masochist, Lois. Ich weiß, dass du dein Bestes gegeben hast, um mir zu helfen. Aber denke ja nicht, dass ich es genossen habe. Das andere, hmm….“ Er streichelte mit seiner Hand über ihre Wange und strich dabei eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Das war viel besser…“ Er verstummte, schloss seine Augen und schon bald hörte Lois ihn tief und ruhig atmen.

Sie hätte ihn gerne noch mal geküsst, leidenschaftlich und aus ganzem Herzen. Aber sie wollte ihn nicht aufwecken, nicht wenn er so friedlich aussah. Sie zog ihre Schuhe aus und legte sich neben ihn, legte ihre Hand auf seine Brust und atmete die angenehme Wärme seines Körpers ein. Sie fühlte seine Hand auf ihren Schultern, als er sie unbewusst an sich drückte.

‚Nur noch einen Augenblick’, dachte Lois, als sie die Augen schloss. ‚Ich möchte ihm nur noch für einen Augenblick so nahe sein.’

Doch der Tag, der hinter Lois lag hatte ihr viel abverlangt und so schlief sie an Clarks Seite rasch ein. Es dauerte nicht lange und sie begann zu träumen.

<<<<>>>>

Lois ging unruhig durch ihr Apartment, unfähig auch nur für einen Moment still zu sitzen. Sie war nervös wie noch nie zuvor. Clark jedoch saß auf ihrem Sofa als würde ihn nichts aus der Ruhe bringen können. Sein Anblick machte sie nur noch nervöser. Wie konnte er bloß so ruhig dasitzen, fragte sie sich grummelnd während sie weiterhin auf und ab lief. Sie freute sich keineswegs auf dieses Geständnis und wünschte, sie hätte es bereits hinter sich. Warum musste sie diese Entscheidung treffen? Es war schmeichelhaft gewesen von gleich drei Männern umworben zu werden. Aber dieser Zustand war keinem von ihnen gegenüber fair. Doch nun endlich wusste Lois mit welchem der drei sie ihr Leben verbringen wollte. Sie hatte sich schon von Dan verabschiedet und es war einfacher gewesen als sie gedacht hatte.

Nun musste sie Superman sagen, dass eine Beziehung zu ihm in ihrem Leben keinen Platz hatte. Die Ironie hätte sie zum Schmunzeln gebracht, wenn sie sich nicht so schäbig fühlen würde. Vor einem Jahr war er es gewesen, der ihr das gesagt hatte. Und sie hatte es zuerst geglaubt. Aber so verzweifelt der Mann aus Stahl auch versuchte ihr klar zu machen, dass er nicht interessiert war – das Knistern zwischen ihnen war einfach unleugbar. Superman fühlte sich zu ihr hingezogen, egal was er behauptete. Das Lächeln eines zufriedenen Gewinners umspielte Clarks Lippen, während sie einen Weg suchte Superman die Neuigkeiten möglichst schonend beizubringen. Sie konnte es ihm nicht verdenken. Clark hatte geduldig auf sie gewartet. Er hatte jedes Recht seinen Moment des Triumphes auszukosten. Ihn so glücklich zu sehen, wenn sie sich so mies fühlte, brachte sie trotzdem zur Weißglut.

Ein sanfter Luftzug kündigte Supermans Ankunft an. Die Vorhänge bauschten sich auf und Lois hörte, wie seine Schuhe den Boden berührten. Der Held sah beeindruckend aus wie immer. Seine Arme hatte er vor der Brust verschränkt und er schaute ernst aber nicht unfreundlich. Mit einem Nicken grüßte er Clark und widmete sich dann Lois. Ihr Mund wurde trocken als Superman sie so voller Wärme anlächelte, dass ihre Knie weich wurden. Wie um Himmels Willen konnte sie ihn zurückweisen? Und wie würde sie Clark erklären, dass dieser Mann immer noch Eindruck auf sie machte, obwohl sie sich gegen ihn entschieden hatte?

„Du wolltest mich sehen, Lois?“ fragte Superman und seine tiefe Stimme ließ wieder einmal einen wohligen Schauer über ihren Rücken laufen. Sie liebte diesen Klang und für einen Moment war sie versucht zu schweigen, um seine warme Stimme noch einmal zu hören.

„Ja…“ antwortete sie schwach und brach nach diesem ersten Wort ab, als wäre es schon zuviel für sie gewesen. „Superman…“ fing sie noch einmal an, aber ihre Stimme verstummte, als sie nach den richtigen Worten suchte. „Ich… ich bin in Clark verliebt“, sprudelte es auf einmal aus ihr heraus, so als ob die Spannung, die sich in ihr aufgebaut hatte, sich nun auf einmal entladen wollte.

Seine Augenbrauen zogen sich etwas zusammen. Superman musterte sie eingehend als wolle er herausfinden, ob sie tatsächlich meinte, was sie soeben gesagt hatte. Nach einem kurzen Moment begann er zu lachen.

„Guter Witz“, sagte Superman und grinste. „Fast hätte ich dir geglaubt.“ Dann wurde er wieder ernst. „Du kannst nicht in ihn verliebt sein. Ehrlich Lois, schau ihn dir doch an. Kann er dich zu den Sternen fliegen? Ich meine, ich kann dir den Mond vom Himmel holen, falls du das möchtest. Du kannst ihn nicht wirklich wollen, Lois. Wer ist Clark verglichen mit mir? Ein Idiot mit Brille!“

„Ich meine es so“, erwiderte Lois fast trotzig und fühlte einen riesigen Knoten in ihrem Hals. „Ich liebe Clark!“

Supermans Miene wurde ernst, unnachgiebig. Seine Brauen zogen sich noch etwas enger zusammen und in seinen Augen stand ein Ausdruck der unheimlich an Mordlust erinnerte. Sie hatte alles erwartet, aber nicht diese Reaktion. Es sah Superman gar nicht ähnlich so verletzend zu sein. Ängstlich blickte Lois hinüber zu Clark, der längst nicht mehr so entspannt aussah, wie zuvor. Wut stand ihm ins Gesicht geschrieben und instinktiv wusste Lois, dass er sich darauf vorbereitete um sie zu kämpfen. Clark ging aggressiv auf den Mann aus Stahl zu. Superman wich keinen Zentimeter zurück und machte damit deutlich, dass er den schwächeren Mann nicht schonen würde. Ganz im Gegenteil, er grinste selbstsicher, so als ob er wüsste, dass Clark ihn nicht angreifen würde. Lois wünschte, dass er in diesem Punkt Recht behielt. Sie wollte Clark nicht verlieren, weil er auf verlorenem Posten kämpfte. Sie hatte Superman nie zuvor so wütend gesehen. Angesichts seines Benehmens fragte sie sich, warum sie sich jemals in ihn verliebt hatte. Sie wusste, dass Liebe blind machte, aber wie hatte sie diese Seite an ihm übersehen können?

Während ihr Herzschlag in ihren Ohren dröhnte, konnte sie nicht anders als Clark für seinen Mut zu bewundern. Es war dumm, aber trotz allem das Netteste was jemals jemand für sie getan hatte. Clark richtete sich auf und wirkte noch größer als er sowieso schon war. Obwohl er verglichen mit dem Mann in dem leuchtend roten Cape immer noch klein wirkte. Sie flehte Clark im Stillen an es nicht zu weit zu treiben und legte einen Arm um seine Schulter, um ihn zurückzuhalten. Er würde einen Kampf mit Superman nicht überleben, so wie der ihn gerade anschaute.

Eine plötzliche Erkenntnis flackerte in den Augen des Helden auf, als er das Band zwischen Lois und Clark bemerkte. Für einen kurzen Moment hielt Superman inne, so als wäre er nicht sicher, ob er aufgeben oder es zu Ende bringen sollte. Lois fühlte wie ihr Herz beim Anblick von Clark und Superman einen Schlag aussetzte. Die Zeit verging so langsam, dass jede Sekunde ihr wie eine Ewigkeit vorkam. Beide Männer standen still und musterten einander geringschätzig wie die Feinde beim Show-down eines Western. Plötzlich schoss Supermans Hand nach vorne und griff Clarks Hals.

„Fahr zur Hölle, du Bastard!“ brüllte er wütend. „Sie gehört mir! MIR!“ betonte er. Lois sah zu, wie Clark gegen den tödlichen Griff ankämpfte, wie sein Körper erschlaffte als Superman ihn brutal schüttelte.

„Neeeeein!“ schrie sie.



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Vega
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Bis dass das Leben uns scheidet...4/14

Beitragvon Vega » Di 19. Jan 2010, 13:19

Teil 4

„Neeeeein!“ Lois’ Aufschrei und ihr Arm, der hart auf seiner Brust landete, reichten, um Clark aus dem Schlaf zu reißen.

Einen Moment lang hatte er keine Ahnung wo er war. Doch die Erinnerung an die letzten Stunden kam schnell zurück, als jemand ihn trat. Clark grunzte und rieb sein Bein. Ihr Tritt war nicht sehr hart gewesen, aber einigermaßen unerwartet. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Lois in seinem Bett schlafen würde. Ihr Aufschrei war zu einem unruhigen Atmen geworden und die Frau neben ihm wälzte sich von einer auf die andere Seite. Es war erstaunlich, dass sie nach diesem markerschütternden Schrei noch schlafen konnte.

Aber Lois war immer noch in ihrem Alptraum gefangen. Und gemessen an ihrem ängstlichen Gemurmel musste er ziemlich furchtbar sein. Ein wenig unbeholfen zog er sie näher zu sich. Er war sich nicht sicher, ob das richtig war, aber sie wurde in seiner Nähe sofort ruhiger. Clark schob seine Bedenken für einen Moment beiseite und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn bevor er ihren Namen rief.

„Lois, wach auf, du hast einen Alptraum.“ Er musste das ein paar Mal sagen und sie leicht schütteln, bevor sie endlich ihre Augen öffnete. Vor Schreck sprang sie beinahe aus dem Bett und stieß Clark dabei am Kopf und kam auch an seine Verletzung.

„Au“, stöhnte er und ließ sie los. Er sog den Atem zwischen den Zähnen ein und fiel zurück aufs Bett. Mit verkniffenem Mund wartete er darauf, dass der Schmerz nachließ.

„Clark“ flüsterte Lois schockiert, drehte sich zu ihm um und untersuchte ihn vorsichtig. „Oh mein Gott, es tut mir leid“, murmelte sie aufgeregt und wich dann von ihm zurück. „Ich hätte nicht hier... ich hätte wissen müssen, dass ich dir...“ Soweit Clark das in der Dunkelheit erkennen konnte, sah sie ziemlich bestürzt aus. Sie hatte sich aufgerichtet und war nun dabei aus dem Bett zu klettern.

Clark griff nach ihrer Hand, hielt sie zurück und streichelte sie mit seinem Daumen. „Mir geht es gut“, versicherte er flüsternd. „Bitte beruhige dich und erzähl mir von deinem Traum. Es muss ja ein schlimmer Alptraum gewesen sein.“

„Traum?“ murmelte sie irritiert. „Ich habe nicht geträumt.“

Ihre Worte kamen viel zu schnell, und Clark wusste, dass sie die Sache herunterspielen wollte. Sie versuchte so verzweifelt ihn nicht anzuschauen, dass Clark ihr den vergessenen Traum nicht abnahm. Aber aus irgendeinem Grund wollte sie es ihm nicht erzählen und er würde es nicht erzwingen. Das brächte sie auch nicht weiter und Clark war sich sicher, dass sie abblocken würde, wenn er zu viele Fragen stellte. Er entschied sich mitzuspielen und so zu tun, als glaubte er, dass sie sich nicht erinnerte.

„Doch hast du. Warum sollte ich sonst aufgewacht sein? Du hast geschrieen als ob jemand dir nach dem Leben trachtet“, sagte Clark sanft und nahm sie wieder in die Arme. „Du kannst dich also nicht erinnern?“ fragte er und fühlte wie sie nickte. Er strich tröstend über ihren Arm. „Es ist vorbei. Schließ deine Augen. Es gibt nichts, wovor du Angst haben musst.“ Lois entspannte sich ein wenig in seinen Armen, während er mit ihr sprach. Langsam legte sie sich wieder hin. Aber da war immer noch eine fast greifbare Anspannung in ihr, die es ihr nicht erlaubte zur Ruhe zu kommen. Sie konnte nicht neben ihm liegen bleiben.

„Clark, es tut mir leid, ich wollte dich nicht stören“, sagte sie niedergeschlagen. Clark spürte, dass sie wieder aufstehen wollte. „Ich werde auf dem Sofa schlafen“, fuhr sie fort.

Die Aussicht, dass sie ihn nun endgültig verlassen würde, gefiel Clark nicht. Er war überrascht gewesen, als er neben ihr aufgewacht war. Obwohl er immer noch nicht wusste, was für eine Rolle sie in seinem Leben spielte, konnte er sich nichts Schöneres vorstellen als das Bett mit ihr zu teilen. Sie in seinen Armen zu halten war himmlisch und er dachte nicht daran sie so leicht gegen zu lassen. Natürlich zog er es vor nicht noch einmal getreten zu werden, aber sogar das wäre nicht so schlimm wie allein gelassen zu werden.

„Geh nicht“, bat er sie. „Nicht meinetwegen, Lois.“

„Aber…“ widersprach sie.

„Um was geht es hier, Lois? Mein Bett ist groß genug und nun da ich wach bin, kann ich auf die eine Seite rutschen und du kannst die andere haben. Welche ist dir lieber?“ Er blickte ihr in die Augen und trotz der Dunkelheit konnte er die Zweifel darin sehen. Sie schien nicht zu wissen, wie sie sich entscheiden sollte und er konnte fast sehen, wie sie mit sich rang. Alles an ihrer Haltung zeigte Clark, dass sie ihn nicht wirklich verlassen wollte. Aber scheinbar kam ihr das unvernünftig vor. Ihre Finger nestelten an der Decke während ihr Herz mit ihrem Verstand kämpfte. Es gab keine Möglichkeit vorauszusagen welche Seite gewinnen würde.

„Ich…“ Sie brach ab, als hätte sie nur gedacht ihr innerer Kampf sei vorbei, als gerade die erste Schlacht gewonnen war.

„Ich werde nichts tun, was du nicht auch möchtest“ sagte er und hoffte ihr damit zu helfen. Eigentlich war er auch viel zu müde um an diesem Abend irgendetwas anderes zu tun, als zu schlafen. Allerdings war er sich nicht ganz sicher, was geschehen würde, wenn sie ihn tatsächlich darum bat, sie zu halten und zu lieben. Er konnte sich nicht erklären, warum er so empfand. Alles, was er wusste war, dass er mit ihr zusammen sein wollte. Auch wenn sie ihn wegen eines Alptraum zusammenschlug. „Also, welche Seite möchtest du?“

„Die rechte Seite“, antwortete Lois schüchtern und in der Dunkelheit konnte er gerade so erkennen, dass sie den Kopf gesenkt hatte. Mit einem Nicken rutschte er auf die linke Seite. Clark bemerkte, dass seine Füße kalt waren. Mit einem Seufzer schlüpfte er unter die Decke und hob die andere Seite an, damit Lois auch darunter kriechen konnte.

Es dauerte einen Moment und Clark vermutete, dass sie ihre Hose ausgezogen hatte und jetzt nur noch ihr T-Shirt und ihre Unterwäsche trug, als sie sich auf das Bett setzte. Er fühlte eine gewisse Erregung in sich aufsteigen, als sie sich hinlegte. Sie verstärke sich noch als Lois näher kam. Clark konnte sein Glück gar nicht fassen als er sie an seiner Schulter spürte, wie sie ihn sanft streichelte. Sie räusperte sich ein paar Mal neben ihm.

„Würdest…. Würdest du mich in deinen Armen halten?“ brachte sie schließlich hervor, ihre Frage war leise, klang fast erstickt, so als hätte sie sie eigentlich nicht stellen wollen.

„Natürlich“, murmelte Clark.

Als sie ihren Kopf an seine Schulter legte, konnte er spüren, wie sich ihre Brust hob und senkte. Ihr schlanker Körper erschien ihm so zierlich, so zerbrechlich. Aber er spürte, dass der Schein trog. Diese wundervolle Frau in seinen Armen war viel stärker als es den Eindruck machte. Sie konnte sich behaupten. Sie war faszinierend und irgendetwas an ihrem Temperament zog ihn magisch an. Zufrieden grinsend, schlief Clark wieder ein. Das Traumland erschien ihm noch einladender als zuvor. Er hatte ein paar schöne Dinge von denen er träumen konnte.

* * *

Obwohl seine Wärme sie durchdrang, konnte Lois schlecht einschlafen. Nach ihrem Alptraum fühlte sie sich immer noch so aufgewühlt wie nach einer Achterbahnfahrt. Nicht mal Clarks beruhigende Umarmung schaffte es, dass sie sich wirklich wohl fühlte. Es war zwar schon besser geworden, seit sie aufgewacht war, aber noch nicht so gut, dass es ihr gelang wieder einzuschlafen. Sie konnte nicht glauben, dass sie so einen Mann gefunden hatte, einen richtigen Märchenprinzen. Er war nett und sorgte sich um sie. Er hatte nicht mal versucht sie zu verführen, obwohl sie ihm die Möglichkeit gegeben hatte seinen Vorteil aus der Situation zu ziehen.

Eine einzelne Träne lief an ihrer Wange herab als sie sich vorstellte, was passiert wäre, wenn sie nicht durch Zufall Clark über den Weg gelaufen wäre. Oder war er in sie hineingerannt? Sie war sich nicht mehr sicher, aber eigentlich war es auch nicht mehr so wichtig. Er war bei ihr und es ging ihm gut. Da sie ihn nun wieder hatte, würden sich all die Sorgen der letzten Tage bald in Luft auflösen. Sobald Clark sich ausgeruht hatte, konnten sie sich daran machen herauszufinden, was mit Superman los war. Es war einfach nicht seine Art Hilferufe zu ignorieren, oder so eifersüchtig zu reagieren. Lois dachte mit Schaudern an ihre letzte Begegnung mit Superman. Es musste eine Erklärung für sein merkwürdiges Verhalten geben und sie würde sie finden – mit Clarks Hilfe.

Sie musste Clark sagen, dass sie ihn liebte. Das hatte sie schon tun wollen, als sie feststellen musste, dass er verschwunden war. Aber sie wusste immer noch nicht wie sie es anstellen sollte. Da waren ein paar Dinge zu gestehen, wenn sie ernsthaft vorhatte den nächsten Schritt in ihrer Beziehung zu gehen. Sie war sich noch nicht sicher, ob sie vor Clark zugeben konnte wie dumm sie gewesen war. Aber die Antwort auf diese Frage musste sie nicht mehr in dieser Nacht finden, entschied sie müde. Von Clarks ruhigen Atemzügen eingelullt, schloss Lois ebenfalls ihre Augen.

***

Clark schlief längst nicht so ruhig, wie es den Anschein hatte. Er warf sich zwar nicht im Bett herum, aber das war mehr seiner Erschöpfung zuzuschreiben, als schönen Träumen. So warm und sicher sein Bett auch war, trug es doch nicht dazu bei, seine Umgebung angenehmer zu machen. Clarks Gedanken hatten ihn an einen fremden und Angst einflössenden Platz gebracht, an dem die Mauern um ihn herum scheinbar immer näher kamen.

<<<<>>>>

Ihm war kalt. Clark lehnte seinen Kopf an die Wand, versuchte etwas Schlaf zu bekommen. Er wollte nicht von der Angst übermannt werden, die ihn in diesem engen Raum, in dem er gefangen war, unwillkürlich fest im Griff hatte. Es gab gerade genug Licht, um ihn daran zu erinnern wie klein der Raum war. Jedes Mal, wenn er die Augen öffnete, kam ihm der Raum noch etwas kleiner vor. Er wusste nicht wie er hierher gekommen war, ohne Kräfte und völlig erschöpft. Er konnte sich nur an einen Telefonanruf erinnern, eine Quelle, die ihn alleine treffen wollte.

Aber Clark hatte umsonst auf eine Quelle gewartet. Statt Informationen zu erhalten, war er von einer allzu vertrauten Schmerzattacke begrüßt worden. Sie hatte ihn unvorbereitet getroffen und ihn daran gehindert davonzulaufen. Sehr bald war alles um ihn herum in tiefer Schwärze versunken. Als es Clark endlich wieder gelungen war seine Augen zu öffnen, hatte er sich in diesen Mauern wieder gefunden.

Bis jetzt hatte noch niemand sich die Mühe gemacht ihm zu erklären, weshalb er eigentlich hier war. Es hatte keine Drohungen gegeben, keine Abmachen und keine Erpressungsversuche. Clark hörte nichts weiter als seine Atemzüge. Sie hatten keuchend geklungen, als er versucht hatte die schwere Tür zu öffnen und waren schnell und flach geworden, seitdem die Klaustrophobie ihm das Leben schwer machte. Abgesehen davon hatte sich nichts geändert.

Plötzlich hörte er Schritte von draußen. Die bloße Vorstellung, dass gleich jemand die Tür öffnen würde, ließ seine Zelle noch ein wenig mehr schrumpfen, als sowieso schon. Clark wusste nicht, ob er sich auf diesen Moment freuen sollte. So sehr er es auch hasste gefangen zu sein, er wollte eigentlich gar nicht wissen, was die Person auf der anderen Seite mit ihm vorhatte.

Die Tür öffnete sich und ein schmaler Schlitz ließ ein wenig Licht ein. Es war ein Furcht erregendes grünes Leuchten, das in seine Zelle kroch und nach ihm zu greifen schien. Mit einem Stöhnen versank Clark in einer erneuten Welle aus Schmerz.


<<<<>>>>

Clark erwachte in Schweiß gebadet. Sein Atem ging stoßweise. Er versuchte sich daran zu erinnern, was ihn so erschreckt hatte. Vage sah er eine tiefe Dunkelheit vor seinem inneren Auge, die plötzlich von einem grünlichen Licht durchflutet worden war. Aber je mehr er versuchte die Erinnerungen zu greifen, sie festzuhalten und zu betrachten, desto verschwommener wurden sie. Er legte sich wieder hin und schloss die Augen in der Hoffnung mehr zu sehen und Licht ins Dunkle zu bringen. Aber was auch immer da gewesen war, war schon wieder verschwunden.

Neben ihm atmete Lois gleichmäßig. Clark konnte ihre Wärme neben sich spüren und entspannte sich, seine Erschöpfung gewann die Oberhand und lullte ihn in den Schlaf. Er schloss die Augen und vergaß den Traum, der von weit schöneren Fantasien ersetzt wurde.

***

Lois regte sich bei den ersten Sonnenstrahlen, die ihr Gesicht trafen und müde blickte sie dem neuen Morgen entgegen. Einen Moment dachte sie noch darüber nach ihre Augen wieder zu schließen und weiter zu schlafen. Sie war noch nicht ganz wach und die letzten Tage waren Kräfte zehrend gewesen, um es milde auszudrücken. Aber irgendetwas irritierte sie, war nicht Teil ihrer Schlafgewohnheiten und hielt sie deshalb wach. Eine leichte Berührung an ihrer Seite erinnerte sie daran, dass sie nicht alleine im Bett war. Genau in der Sekunde in der sie aus dem Bett springen wollte, erinnerte sie sich, dass Clark neben ihr lag und sie entspannte sich wieder.

Clark grunzte leise als sie sich neben ihm bewegte und zog sie sanft näher an sich. Sein Daumen strich langsam an ihrem Oberarm entlang und die zärtliche Berührung half ihr, sich noch weiter zu entspannen. Lois konnte sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal in den Armen eines Mannes aufgewacht war, der selbst im Schlaf so liebevoll mit ihr umging. Nach den Nächten, die sie mit Paul oder Claude verbracht hatte, hatte sie das Bett neben sich meist verlassen gefunden, eine kurzen Dankesnotiz auf dem Nachttisch. Das war alles was sie bekommen hatte, wenn überhaupt.

Im Gegensatz dazu hatte Clark nicht mal versucht sie zu verführen. Er hatte sie nur gehalten, nichts weiter und er war noch hier. Jeder andere Mann wäre nicht so geduldig gewesen und hätte etwas von ihr erwartet von dem sie nicht wusste, ob sie schon bereit war es zu geben. Ein wenig beschämt stellte sie fest, dass sie Clark praktisch einen Freifahrtschein gegeben hatte die Situation auszunutzen. Sie hatte gar nicht darüber nachgedacht, was es für ihn bedeuten könnte, wenn sie ihre Hosen auszog. Sie war einfach nur müde gewesen und wollte es sich etwas bequemer machen. War er nur der perfekte Gentleman, weil er sie nicht wollte? Der Gedanke nagte an ihr und weigerte sich zu verschwinden. Lois biss sich auf die Lippen, um nicht vor Verzweiflung laut aufzuschreien. Sie wollte nicht zurückgewiesen werden, nicht noch einmal, nicht so und nicht von diesem Mann. Wer, wenn nicht er, sollte der Mensch sein, die sie vervollständigte?

Sie kuschelte sich in seine Umarmung und sog den maskulinen Duft seiner Haut ein. Wärme durchflutete sie und ließ sie vor Freude erzittern. Ihre Lippen prickelten vor Verlangen ihm einen Kuss auf die Brust zu hauchen und der plötzliche Impuls erschreckte sie. Was war bloß in sie gefahren? Vor nicht allzu langer Zeit hatte Lois sich nicht mal vorstellen können in den Armen eines richtigen Mannes zu liegen. Nach all den schlechten Erfahrungen mit Männern hatte sie nie wieder eine Beziehung haben wollen. Bis zu dem Tag, an dem Clark sie um ein Date gebeten hatte, hätte sie nie gedacht, dass sich das in naher Zukunft ändern würde. Selbst während ihrer Verlobung mit Lex Luthor hatte sie diese Vorstellung weit von sich geschoben. Solange das Problem nicht aufgetreten war, musste sie auch keine Lösung dafür finden.

Lois musste feststellen, dass sie nicht an die Konsequenzen gedacht hatte, die eine Nacht in Clarks Bett nach sich zog. Er hatte sein Versprechen gehalten und sich ihr nicht aufgedrängt. Stattdessen fuhr er fort sie zu streicheln, so sanft, dass seine Hände ihre Haut kaum berührten. Dennoch schwirrte ihr der Kopf und ihr Atem flog bei jeder federleichten Bewegung seiner Hand. Ihre Finger prickelten vor Verlangen danach, die Konturen seiner muskulösen Brust nachzuzeichnen und seine Zärtlichkeit zu erwidern. Sie wollte ihr Gesicht in seiner Nackenbeuge vergraben und seinen Duft genießen. Lois wünschte, er würde mehr streicheln, als nur ihren Arm. Auf einmal schien ihr der Gedanke, weiter zu gehen überhaupt nicht mehr beängstigend.

Sie schluckte schwer und bevor Lois wusste, was sie tat, schmeckte sie seine weichen Lippen unter ihren. Clark rührte sich leicht, als er schließlich ihrem Drängen nachgab und seine Mund ein wenig öffnete. Seine Zunge begrüßte ihre sanft und zögerlich, spielte mit ihr und neckte sie zärtlich. Lois hatte ihn schon früher geküsst, aber auf diesem Kuss lag der Hauch des Verbotenen und vielleicht schmeckte er deshalb so besonders gut. So mutig und unvernünftig war Lois zumindest auf dem Gebiet der Liebe nie zuvor gewesen. Sie hatte keine Liste angefertigt, hatte nicht überlegt, was dafür oder dagegen sprach Clark zu küssen. Sie hatte nicht diskutiert, sondern es einfach getan. Während Lois so oft der Gefahr offen ins Auge geblickt hatte, hatte sie sich nicht getraut der Liebe auch nur die Tür zu öffnen.

Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als Lois spürte wie Clark unter ihrer Berührung langsam erwachte. Seine streichelnde Hand wanderte von ihrem Arm zu ihrem Rücken. Er seufzte wohlig, als sie einem plötzlichen Impuls folgend begann an seinem Hals zu knabbern. Von diesem Gefühl könnte sie süchtig werden, dachte Lois. Sie hatte keine Ahnung was passieren würde, wenn Clark richtig wach wurde. Der Gedanke machte sie etwas nervös, weil sie nicht sicher war, wie weit sie am Ende bereit war zu gehen. Im Moment war sie noch diejenige, die die Entscheidungen traf. Aber wie lange noch?

„Lois?“ fragte Clark verschlafen und er öffnete blinzelnd die Augen. Noch einmal verschloss sie seinen Mund mit dem ihren, aber er hielt sie zurück. Sanft strich er mit der Hand über ihre Wange, so wie er es schon einige Male getan hatte. Er lächelte sie voller Wärme an und dieses Lächeln wirkte so entspannt und glücklich, dass Lois Herz vor Aufregung wild zu klopfen begann.

Es war als hätte ihr jemand endlich einen Stoß gegeben. Sie konnte ohne jede Mühe über die Grenze gehen, vor der sie so lange zurückgeschreckt war. Lois wandte den Kopf ein wenig, bis sie seine Handfläche an ihre Lippen gebracht hatte. Sie hauchte einen Kuss auf die warme Haut und schaute dem wunderbaren Mann neben ihr tief in die Augen. Er schien an diesen Ort zu gehören, seine Brust unter der ihren. Alle Zweifel, die sie vielleicht einmal gehabt hatte, waren wie weggewischt. An ihre Stelle war nun eine unglaubliche Zufriedenheit getreten. Sie schmeckte seine leicht salzige Haut. Hatte sie jemals männliche Hände gespürt, die so weich waren, wie die von Clark? Sie konnte sich nicht erinnern. Er musste ein zärtlicher Liebhaber sein und Lois war versucht, das herauszufinden.

Langsam fuhr er mit dem Zeigefinger über ihren Mund, zeichneten ihn nach, als wollte er nicht ein Detail außer Acht lassen. Ihre Lippen prickelten erwartungsvoll, als er sie langsam an sich zog. Kurz bevor sie sich in einem Kuss berührten, hielten sie inne und sahen einander lange an. Sie versanken in den Augen des anderen, ihre Gesichter kaum einen Zentimeter von einander entfernt. Es dauerte nicht länger als einen Augenblick, um sich davon zu überzeugen, dass ihre Gefühle auf Gegenseitigkeit beruhten. Es würde keine Reue und keine Vorwürfe geben. Clark überbrückte die letzten Zentimeter die noch fehlten. Seine Berührung war sanft, beinahe schüchtern. Seine Zunge streifte ihren Mund kurz, um dann zwischen ihren leicht geöffneten Lippen zu verharren, bevor sie schließlich ihren Weg fortsetzte. Lois begrüßte den zärtlichen Eindringling mit einem kehligen Stöhnen. Sie spürte, wie er sie streichelte und bald bewegten sich ihre Zungen in einem langsamen, verführerischen Tanz.

Lois sehnte sich nach Clark, wollte mehr von ihm fühlen, als nur seine Lippen an ihren. Ihre Hände begannen seine Brust zu erkunden. Sie fühlte, wie sich die Muskeln unter ihren Fingern spannten, als er begann ihren Rücken zu streicheln. Seine warmen Hände fühlten sich auf ihrer Haut so gut an. Sie seufzte wohlig, während Clark immer mutiger und wacher wurde.

Als Lois sich von dem Kuss löste, rang sie um Atem. Doch auch wenn die kurze Trennung notwendig war, so ließ sie Lois mit dem Verlangen nach erneuter Berührung zurück. Clark entschlüpfte ein enttäuschtes Grummeln, was Lois zum Lächeln brachte, weil es ihr sagte, dass er ähnlich empfand. Sie legte einen Finger auf seinen Mund, um ihn zum Schweigen zu bringen. Doch so warm und weich sich seine Lippen unter ihren Fingern auch anfühlten, es war kein Vergleich zu dem Kuss, den sie zuvor geteilt hatten. Sanft begann Clark an ihren Fingerspitzen zu saugen und Lois schloss dabei unwillkürlich ihre Augen. Sie genoss das zärtliche Spiel seiner Zunge, fühlte ein sanftes Prickeln, das sich von ihren Fingerspitzen ausbreitete.

Mit einem leisen Seufzen leckte sich Lois die Lippen, die sich immer noch nach der Aufmerksamkeit sehnten, die Clark nun ihren Fingern zuteil werden ließ. Für eine Weile genoss Lois die Behandlung, stellte sich hinter ihren geschlossenen Lidern vor, wie Clark sie anschaute. Lag vielleicht dieser träumerische Ausdruck in seinen Augen, mit dem er sie so leicht hypnotisieren konnte? Doch sie wollte die Augen nicht öffnen, um es zu sehen. Sie hatte ein wenig Angst, dass die Realität sie enttäuschen könnte. Doch vielleicht wäre sie Clark nach einem Blick auch nur noch hoffnungsloser verfallen.

Lois zog ihre Finger zurück und bedeckte seinen Mund erneut mit einem Kuss, hungriger diesmal. Der kurze Moment der Trennung hatte trotz aller Bedenken ihren Appetit nur verstärkt. Sie fühlte sich wie ein Sturm, kraftvoll und wild, so ganz anders als in den vergangenen Tagen. Clark erwiderte ihn leidenschaftlich, so als hätte er Angst, dass es der letzte Kuss sein könnte. Doch was auch immer Clark in den vier Tagen seiner Abwesenheit geschehen war, sie würde nicht zulassen, dass noch etwas zwischen sie trat. Und falls sich die Zukunft ihnen doch in den Weg stellen wollte, so würde sie jedenfalls diesen Moment vollends auskosten. Beide waren atemlos, als sie sich wieder voneinander trennten.

„Ich liebe dich“, hauchte Lois, das Kinn an seiner Brust. Sie erschrak fast, als sie sich dieses Geständnis machen hörte. Unsicher sah sie zu ihm auf, sah das Lächeln, dass seine Lippen umspielte. Doch da war ein Zug um seinen Mund, der nicht nach vollkommenem Glück aussah. Was war in sie gefahren?

Nur einen Augenblick zuvor war sie sich nicht sicher gewesen, ob sie tatsächlich den Mut haben würde es ihm zu sagen. Es war nichts Neues, das sie ihn liebte. Lois wusste das schon seit dem Tag, an dem sie im Hochzeitskleid vor dem Spiegel gestanden hatte. Sie hatte versucht zu verstehen, was es bedeutete Lex Luthor zu heiraten. Obwohl sie schon vor einiger Zeit ihre wahren Gefühle für Clark entdeckt hatte, war sie nicht bereit sie offen zuzugeben, weil sie sich vor den Konsequenzen fürchtete.

Ein lautes Klingeln unterbrach sie rüde, bevor Clark irgendetwas sagen konnte. Sie stöhnten, wie aus einem Mund und setzten sich im Bett auf, Lois um einiges schneller als Clark. Sie griff nach dem Telefon neben dem Bett, doch erinnerte sich plötzlich daran, dass dies nicht ihr Apartment war. Unschlüssig blickte sie zu Clark hinüber, der ihr bedeutete abzuheben. Mit einem erleichterten Nicken nahm sie den Hörer, neugierig, wer Clark wohl so früh am Morgen sprechen wollte. Oder sie, wenn man bedachte, dass sie in den letzten Tagen fast jede freie Minute hier verbracht hatte.

„Lois Lane“, meldete sie sich.

„Lois, hier ist Jimmy. Hast du schon die Nachrichten gesehen?“ gab Jimmy zurück. Seine Stimme zitterte und er klang ein bisschen so, als hätte er geweint.

„Was ist los, Jimmy?“ fragte Lois besorgt. Es musste etwas Schlimmes passiert sein, wenn es Jimmy so aus der Fassung gebracht hatte. Sie kannte ihn als starken, optimistischen jungen Mann. Es war nicht leicht ihm die Stimmung zu verderben und noch wesentlich schwerer, ihn zum Weinen zu bringen. „Sag schon“, drängte sie ihn und sah Clark etwas ratlos an. Er zuckte mit den Schultern und gab ihr damit zu verstehen, dass auch er nicht wusste, was dieser Anruf zu bedeuten hatte.

„Du...das musst du selbst seh...sehen...es...es...“ seine Stimme versagte, als er weiter sprechen wollte „Schalt einfach die Nachrichten an“, murmelte er dann und gab den Versuch auf, etwas zu erklären, wofür es offenbar keine Worte gab.

„Ist ja gut, Jimmy, ich mache es. Welcher Sender?“ wollte sie wissen, als sie aufstand, um in Clarks Wohnzimmer zu gehen.

„Egal“, war die kurze Antwort, bevor Jimmy wieder still wurde.

Lois konnte im Hintergrund leise die Nachrichten im Daily Planet hören. Aber es war nichts zu verstehen. Im Grunde war es erstaunlich, dass sie überhaupt etwas hörte. Die Redaktion war der geschäftigste Ort, den Lois kannte, einmal abgesehen vielleicht von der Wall Street. Und in diesem Moment war es dort beängstigend leise, bis auf die Stimme des Nachrichtensprechers.

Lois’ Herz schlug ihr bis zum Hals und dröhnte in ihren Ohren. Sie hatte keine Ahnung, was Jimmy so weit gebracht hatte, dass er mit den Tränen kämpfte. Aber was auch immer es war, es musste etwas Grauenvolles und Undenkbares sein. Etwas, dass auf allen Kanälen lief, musste schon gewaltige Ausmaße haben.

Bilder einer dunklen Gasse erschienen auf dem Bildschirm und Lois konnte rote und blaue Lichter der Rettungsfahrzeuge sehen, die die Dunkelheit periodisch erhellten. Einige Männer trugen einen Leichnam auf einer Bahre, der mit einem Tuch bedeckt war. Lois schnappte nach Luft, als ihr bewusst wurde, dass Jimmys Verzweiflung mit dem Toten in der Gasse zu tun haben musste. Sie erkannte die schmale Straße nur allzu gut wieder. Plötzlich, als hätte jemand den Ton aufgedreht, konnte sie die Stimme des Sprechers hören.

„...wurde die Leiche eines Mannes in Suicide Slum gefunden, nachdem die Polizei Hinweise von einem Bürger der Stadt Metropolis erhalten hatte. Bisher wurde der Mann noch nicht offiziell identifiziert. Doch der Pressesprecher der Polizei bestätigte, dass vieles dafür spricht, dass es sich um Superman handelt. Der vorläufige Bericht des Leichenbeschauers steht noch aus. Eine Pressekonferenz wurde für heute Mittag angesetzt.“

Lois merkte nicht einmal, wie ihr der Hörer aus der Hand glitt und auf den Boden fiel. Sie stand nur da, mit offenem Mund und starrte auf den Fernseher, als dieselben Bilder immer wieder und wieder über den Bildschirm flackerten. Die Bahre in der dunklen Gasse, der Leichenwagen, ein Interview mit einem Polizisten... Unwillkürlich versuchte Lois den Fehler zu finden, das Detail, das nicht ins Bild passte. Falsch, alles falsch, schoss es ihr durch den Kopf, während sie hektisch nach einer Erklärung suchte, die die Botschaft des Nachrichtensprechers Lügen strafen würde. Aber an den Bildern gab es wenig zu deuten und so sehr Los sich auch bemühte die Nachricht umzudeuten - die Botschaft blieb dieselbe.

Superman war tot.


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Vega
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Bis dass das Leben uns scheidet... 5/15

Beitragvon Vega » Di 19. Jan 2010, 17:19

Teil 5

Natürlich bestand immer noch die Möglichkeit, dass der Tote ein Doppelgänger war. Doch im selben Atemzug, mit dem der Nachrichtensprecher dies verkündete, bestätigte er, dass keiner der registrierten Doppelgänger vermisst wurde. Jemand hatte einige kurze Filmsequenzen aus dem Archiv gegraben, die einen vor Gesundheit strotzenden Superman zeigten, der über Metropolis hinweg flog. Die Menschen winkten ihm zu und riefen seinen Namen voller Jubel, als er mit einem breiten Lächeln vor ihnen landete.

‚Das darf nicht wahr sein’, sagte Lois sich immer wieder in Gedanken. ‚Er kann nicht tot sein, er ist Superman. Nichts und niemand kann ihn verletzen.’

Aber sie wusste es besser. Sie hatte gesehen, wie er sich vor Schmerzen wand, als er mit einer Kugel in der Schulter auf dem Boden eines Hotelzimmers gelegen hatte. Das fürchterlich grüne Leuchten dieses Kristalls hatte sie zu der Erkenntnis geführt, dass Trask sich diesen tödlichen Stein nicht nur eingebildet hatte. Sie wusste, dass Superman viel verwundbarer war, als die meisten Menschen es sich vorstellen wollten.

* * *

„Oh, mein Gott“, hauchte Clark, als er neben Lois trat.

Er schaute auf den Bildschirm und wusste nicht, was ihn mehr schockte. Zuerst einmal erkannte er die Gasse wieder und das musste in seinem gegenwärtigen Zustand schon etwas heißen. Allerdings machte ihn diese Tatsache nicht glücklich. Im Gegenteil, ihm wurde ganz anders, als er die Männer mit der Bahre sah. Sein Magen verkrampfte sich schmerzhaft, als die Bilder unmissverständlich enthüllten, was mit dem Fremden in der Gasse geschehen war. Es war zu spät gewesen, um ihn zu retten und Clark konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass das seine Schuld war. Er hätte mehr tun können, um den Mann zu helfen. Er hätte seine Zähne zusammenbeißen sollen, er hätte den Weg zurück in die Gasse finden müssen. Eine leise Stimme in seinem Hinterkopf erinnerte Clark daran, dass er nicht wusste, ob der Mann in der Gasse überhaupt noch gelebt hatte, als er vergeblich nach seinem Puls getastet hatte. Doch Clark hörte nicht zu.

Die Bilder des fliegenden Manns in dem bunten Kostüm fand er nicht weniger verstörend. Der Kerl flog! Wenn er nicht die Nachrichten schauen würde, Clark hätte es für eine unrealistische Serie über einen übermenschlichen Superhelden gehalten, dem Männer wie er nicht das Wasser reichen konnten. Auch Lois schien wie vom Donner gerührt, doch Clark vermutete, dass ihre Gründe nicht dieselben waren wie seine.

Aus dem Hörer, der den Sturz wie durch ein Wunder überlebt hatte, drang eine dumpfe Stimme, die sich am anderen Ende der Leitung über irgendetwas beschwerte. Langsam, als würde sie aus einem Traum erwachen, bückte sich Lois um das Telefon aufzuheben. Sie sah es etwas unschlüssig an, jedenfalls kam es Clark so vor. Erst als der Mann am anderen Ende ihren Namen brüllte, hielt sie den Hörer ans Ohr.

„Jimmy?“ fragte sie und wartete auf seine Antwort. Die Unterhaltung war nur kurz und einseitig. Clark konnte Lois nur nicken sehen. Manchmal murmelte sie etwas Zustimmendes. Dann sagte sie:„ Bis später“, und legte auf. Lois war sehr blass, als sie Clark anschaute. Er wusste nicht, ob das noch von den Nachrichten herrührte, oder von etwas, dass Jimmy ihr erzählt hatte.

„Wir müssen uns fertig machen“, flüsterte sie rau. „Perry braucht uns.“ Ihr Blick wanderte zum Bildschirm zurück und sie zwang sich zuzuschauen und der Wahrheit ins Auge zu sehen. „ Ich kann es nicht glauben...“ murmelte sie leise und klang dabei sehr verzweifelt.

Der Tod des Mannes in dem bunten Kostüm schien Lois sehr mitzunehmen. Den Bildern nach zu urteilen war er etwas Besonderes gewesen, nicht nur für Lois. Er schien so etwas wie ein Volksheld gewesen zu sein und Clark fand das Angesichts seiner beeindruckenden Fähigkeiten nicht allzu verwunderlich. Ihm wurde schlecht bei dem Gedanken, dass er diesen Mann hatte sterben lassen. Was würde wohl Lois dazu sagen, wenn sie sich erst einmal von ihrem Schock erholt hatte und genauer über die Umstände nachdachte?

Seine Hand zitterte, als er sie auf ihre Schulter legte. Er wusste nicht genau, ob er sie damit trösten wollte, oder ob es der erste Ansatz zu einem Geständnis war. Wie von selbst begann sein Daumen ihre Schulter sanft zu massieren. Lois drehte sich zu ihm um. Ihr Gesicht war blass und ihre Lippen zitterten, bewegten sich unablässig in einem stummen Gespräch, das sie offenbar mit sich selbst führte. Doch sie wurde ruhiger, wenigstens ein bisschen, als sie sich an ihn lehnte. Mit einem Seufzen nahm sie die Umarmung an, die er ihr unabsichtlich angeboten hatte.

„Ich hätte ihm helfen müssen“, murmelte Clark und seine Stimme klang in seinen eigenen Ohren hohl. Das Herz schlug ihm bis zum Hals und seine Kehle war wie zugeschnürt, während er darauf wartete, was sie erwidern würde.

„Du hast getan was du konntest“, flüsterte sie kehlig an seiner Schulter. Dann blickte sie zu ihm auf und blinzelte eine Träne weg. „Oh Clark, er hat dir doch genauso viel bedeutet, wie mir“, murmelte sie und ihre Hand strich beruhigend über seine Brust. Sie sprach für ihn in Rätseln. Es fühlte sich gut an, getröstet zu werden, auch wenn es eine unerwartete Reaktion war. Clark fragte sich, ob verstanden hatte, worum es ihm wirklich ging. Doch ihr Mund öffnete sich zu einem stummen *Oh* und die plötzliche Erkenntnis stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Mein Gott, du fühlst dich für seinen Tod verantwortlich“, formulierte Lois aus, was er nur gedacht hatte. „Aber Clark“, fuhr sie fort. „Du hättest nicht zurück laufen können. Und selbst wenn du ihn gefunden hättest, weißt du sicher ob du rechtzeitig gekommen wärst?“ sagte sie mit erstickter Stimme.

Clark wusste es nicht. Er hatte keine Ahnung, ob der Mann in der Gasse noch gelebt hatte, als Clark neben ihm aufgewacht war. Doch das änderte wenig an seinen Schuldgefühlen. Im Laufe der vergangenen Nacht jedenfalls war der Mann gestorben und Clark war die ganze Zeit in seiner Nähe gewesen. Diese Tatsache änderte sich nicht, was Lois auch sagen mochte.

* * *

Lois wusste, dass ihre Worte niemals ausreichen konnten um Clark zu beruhigen. Er war mit Superman befreundet gewesen, auch wenn sie die beiden fast nie zusammen gesehen hatte. Doch Superman war während der Sache mit der Hitzewelle bei Clark geblieben. Clark hatte diese merkwürdige Verbindung zu dem Helden und konnte ihn rufen, wann immer er ihn braucht. Auch wenn Clark bestimmt niemals mit Superman getanzt hatte, würde er seinen Freund sicherlich nicht weniger vermissen, als sie.

Plötzlich wurde ihr mit aller Macht bewusst, dass sie Superman verloren hatte. Diese Erkenntnis schien sie förmlich zu erdrücken und nahm ihr den Atem. Ein dicker Kloß bildete sich in ihrem Hals und sie presste ihr Gesicht gegen Clarks Schulter um nicht zu stark zu zittern. Bedächtig und liebevoll streichelte seine Hand ihren Rücken. Lois hätte nicht sagen können, wer wem Halt gab. Clark war genauso erschüttert, wie sie. Mehr denn je fühlte Lois, dass es richtig gewesen war, sich für Clark zu entscheiden. Er war da für sie, auch wenn sie oft das Gegenteil behauptet hatte. Nun musste sie auch für ihn da sein.

„Es ist nicht deine Schuld“, flüsterte Lois. „ Wenn jemand Schuld hat, dann bin ich es“, fügte sie leise hinzu, während sie ihr Gesicht in Clarks Hemd vergrub. Sie wusste, dass er sie nicht hören konnte, und wenn sie ehrlich war, dann war es ihr lieber so. Konnte sie Clark gegenüber wirklich zugeben, dass Superman vielleicht noch leben würde, wenn sie sich dem Helden nicht gar so an den Hals geworfen hätte? Wenn sie sich niemals gestritten hätten?

Warum hatte sie nur jemals angenommen, dass es eine einfache Lösung gab? Als sie sich plötzlich gezwungen sah, sich zwischen Clark und Superman zu entscheiden, hatte sie Verbindungen gesehen, wo niemals welche gewesen waren. Clarks Apartment an jenem Abend verlassen vorzufinden, war ihr nur wie ein weiteres Puzzleteil vorgekommen, dass sie so interpretiert hatte, wie es ihr passte. Sie war überzeugt, dass er unterwegs war um jemanden zu retten. Es hatte sie in eine geradezu euphorische Stimmung versetzt. Lois hatte die Hoffnung gehegt, dass sie sich am Ende gar nicht entscheiden musste, dass sie beide Männer haben konnte.

Sie dachte mit Unbehagen an den Tag zurück, an dem sie Superman das letzte Mal getroffen hatte. Sie war sich so sicher gewesen, dass Clark Superman war. Es gab so viele Dinge, die zu merkwürdig waren, um bloßer Zufall zu sein. Wie zum Beispiel Clarks Fähigkeit Superman zu holen, wann immer er wollte. Die Art und Weise, wie er seine Brille beschützte und sie nicht einmal abnahm um sich die Augen zu reiben, oder etwas ähnliches. Und trotz seiner Essgewohnheiten sah er aus, wie Mr. Universum. Clark hatte sogar gehumpelt an dem Tag nachdem Superman von Johnny Corben verletzt worden war.

Eine oder zwei schlaflose Nächte hatte sie darüber nachgedacht, was sie wohl tun würde, wenn ihre Vermutung nicht stimmte. Doch schließlich wusste sie, dass sie es nicht bereuen würde, wenn sie den Rest ihres Lebens mit Clark verbrachte. Ihr bester Freund bedeutete ihr mehr, als Superman. Mit Clark hatte sie die besten und die schlimmsten Momente der vergangenen Jahre geteilt und sie konnte sich nicht vorstellen ohne ihn zu leben. Doch auch Superman war ihr nicht aus dem Kopf gegangen, vor allem, weil er ganz allein war und Clark doch Freunde und eine Familie hatte.

Ihr war klar, dass sie Clark nicht bitten konnte, Superman für sie zu holen. Also hatte sie gewartet, bis der Held wieder einmal vorbei kam. Eineinhalb Tage nachdem sie Clark das letzte Mal gesehen hatte, war es endlich soweit gewesen. Es waren eineinhalb Tage voller Rettungsaktionen gewesen, was ihre Theorie nur untermauerte. Sie hatte sich schon ausgemalt, wie Superman reagieren würde, wenn sie ihm sagte, dass sie in Clark verliebt war. Er würde sich einfach in Clark verwandeln und alles würde von diesem Moment an ganz wundervoll sein.

Nur war alles ganz anders gekommen.

Statt froh darüber zu sein, dass sie ihn liebte, den Mann unter der Verkleidung, war Superman ärgerlich und beleidigend geworden. Er hatte sie ausgelacht und gesagt, dass sie das doch nicht ernst meinen konnte.

‚Was kann er dir schon bieten, Lois? Würdest du nicht gern mit mir fliegen? Clark kann sich kaum das Flugticket leisten’, hatte Superman gezischt. ‚Du hast mich geküsst. Wie kannst du da behaupten in ihn verliebt zu sein. Keine Frau, die bei Verstand ist würde einen Schwächling wie ihn mir vorziehen!’ sagte er verächtlich.

‚Aber ich liebe Clark“, hatte Lois sich verteidigt, abgestoßen von der Arroganz, die Superman an den Tag legte. ‚Ich suche nach mehr, als nur nach einem Weg möglichst billig zu fliegen. Du bist für mich mehr als das, Superman. Aber es ist Clark mit dem ich alt werden möchte’, murmelte sie zärtlich und der Gedanke an eine Zukunft mit dem Mann, den sie nun so sehr liebte, erfüllte sie mit Sehnsucht.

‚Wenn alt werden alles ist, wovon du träumst, Lois, dann werde glücklich mit ihm’, hatte er mit einem boshaften Lächeln gesagt.


Mit einem lauten Fluch, den Lois nicht wiederholen würde, war Superman schließlich davon geflogen. Lois war zitternd vor Erstaunen, Verärgerung und Schock in ihrem Apartment zurückgeblieben.

Hätte ihr jemand erzählt, dass Superman so reagieren würde, Lois hätte es nicht geglaubt. Nun wusste sie es besser. Lois fühlte sich immer noch ein wenig schuldig, wenn sie an den Streit dachte. Die Erinnerung war nicht weniger schrecklich, als die Auseinandersetzung selbst. Sie wusste nicht, was an jenem Tag in Superman gefahren war. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es pure Eifersucht gewesen war, die ihn so hatte reden lassen. Es musste mehr dahinter stecken.

Lois schaute sich Clark genauer an. Er wirkte immer noch sehr müde und hielt sich die Seite, als hätte er Schmerzen. Sein Bart war dichter geworden und ohne seine Brille sah er nicht mehr wirklich wie Clark aus. Bei seinem Anblick bereute Lois es, ihm von Perrys Bitte erzählt zu haben. Sie kannte Clark, er würde zur Arbeit gehen, weil er gebraucht wurde und keinen Gedanken an seine Gesundheit verschwenden. Genauso war es gestern Abend gewesen, als er versucht hatte jemandem zu helfen, obwohl er selbst kaum gehen konnte.

„Geht es dir gut, Clark?“ fragte Lois besorgt und suchte nach einem zwingenden Grund ihn wieder ins Bett zu schicken.

„Wie könnte es das?“ antwortete er mit einer Gegenfrage. „Aber was ist mit dir? Das muss hart für dich sein. Ich weiß, wie viel Superman dir bedeutet hat.“ Aus seinen Augen leuchtete Verständnis, aber auch eine gewisse Unsicherheit, die Lois nicht so recht deuten konnte. Er senkte die Lider und entzog sich damit ihrem forschenden Blick.

Ja, er wusste wohl, wie viel Superman ihr bedeutet hatte. War es ihre Trauer, oder ihr schlechtes Gewissen, das ihr solchen Kummer bereitete? Lois hätte es nicht sagen können.

„Es ist eine Katastrophe“, murmelte sie und dachte dabei daran, dass sich die Katastrophe auf so viel mehr Ebenen abspielte, als nur auf der Offensichtlichen. „Aber das weißt du schließlich genauso gut, wie ich“, fügte sie etwas hastig hinzu, bevor Clark auf die Idee kommen konnte, ihre Worte zu hinterfragen. Wie sollte sie nun mit Clark glücklich werden, wenn sie diese Glück auf dem Tod eines anderen errichtete? Was auch immer in der Gasse geschehen war, Lois hatte das dumpfe Gefühl, dass es letztlich ihre Schuld war.

Sie wurde aus ihren trüben Gedanken gerissen, als sie bemerkte, wie blass ihr Partner geworden war. Ob es daran lag, was mit Superman geschehen war, oder ob er unter seiner Verletzung litt, konnte Lois nicht ausmachen. Doch was es auch war, es wäre nicht richtig ihn mit in den Daily Planet zu schleppen. Er war nicht in der Verfassung gemeinsam mit ihr der Frage nachzugehen, was mit Superman geschehen war. Er sah schon besser aus, als am Abend zuvor. Vielleicht sollten sie die Jagd erst nach einem ausgedehnten Frühstück beginne, falls er überhaupt daran teilnehmen würde. Lois wusste, dass sie im Notfall auch allein herausfinden konnte, was passiert war. Clark konnten ein paar Tage Ruhe nur gut tun, damit er wieder zu Kräften kam. Doch wie Lois vermutete, würde ein untätiger Clark nur beginnen sich noch schuldiger für etwas zu fühlen, für das er gar nicht verantwortlich war.

Superman... Clark hatte keinen eifersüchtigen Superman erwähnt. Also konnte seine Verletzung doch eigentlich nichts mit dem Helden zu tun haben. Diese Angst hatte an ihr genagt seit sie Clark verschmutzt und zerlumpt wieder gefunden hatte. Lois fragte sich, ob der Verletzte, den Clark in der Gasse gefunden hatte, tatsächlich Superman gewesen war. Doch wie viele Verletzte hatten in der vergangen Nacht wohl in Suicide Slum gelegen? Andererseits, warum sollte Clark neben Superman aufwachen? Das ergab alles keinen Sinn, doch Lois wollte sich darüber nicht länger den Kopf zerbrechen. Solange die beiden Männer in ihrem Leben keinen unfairen Kampf geführt hatten, war sie glücklich. Der bloße Gedanke, dass Superman Clark aus Eifersucht etwas angetan haben könnte, hatte sie vor Angst ganz wahnsinnig gemacht.

„Clark, was ist in dieser Gasse eigentlich passiert?“, stellte Lois die Frage, die bisher unbeantwortet geblieben war. „Was ist zwischen dir und Superman vorgefallen?“ wurde sie deutlicher und hoffte, dass all ihre Befürchtungen unbegründet waren.

„Lois, ich wusste nicht mal, dass das Superman war“, gab Clark zurück. „Meine Erinnerung an diese Gasse ist ziemlich verschwommen.“ Er richtete seinen Blick auf seine Füße. Offenbar war ihm das Gesprächsthema unangenehm. „Sollten wir uns nicht fertig machen? Ich dachte Perry braucht unsere Hilfe.“

„Oh, ja.“ Lois nickte, doch sie rührte sich nicht von der Stelle.

Sie war nie weniger motiviert gewesen zur Arbeit zu kommen, obwohl sie ihren Partner nun wieder hatte. Der Teil in ihr, dem andere den Namen Mad Dog Lane gegeben hatte, wollte endlich Ermittlungen starten und sich in Arbeit vergraben um nur ja nicht an den Mann denken zu müssen, den sie verloren hatte. Doch da war auch der Teil von Lois, der befürchtete, dass Supermans Tod nur noch wirklicher wurde, wenn sie sich näher damit beschäftigte.

„Ja, wir sollten uns anziehen“, murmelte Lois heiser und bewegte sich noch immer nicht. Eine Träne rollte über ihre Wange. „Wir sollten...“

Ihr Hals schwoll zu, machte es ihr unmöglich weiter zu sprechen. Die einzelne Träne, die sich von ihren Lidern gelöst hatte, obwohl Lois mit aller Macht dagegen ankämpfte, war lediglich die Vorhut gewesen. Und bald war es so, als wäre ein Damm gebrochenen. Haltlos begann sie zu schluchzen.

„Schhhh, ist ja gut, Lois“, sagte Clark sanft. Tröstend strich er mit der Hand über ihren Rücken. „Weine ruhig.“ Seine Stimme war warm, seine Schulter so stark, dass Lois gar nicht anders konnte, als sich an ihn zu lehnen. Er gab ihr Halt im schlimmsten Sturm, das war schon immer so gewesen.

Während ihre Tränen auf seine Brust fielen, massierte er sanft die verspannten Muskeln in ihrem Nacken. Ansonsten rührte er sich nicht, sagte nichts weiter, sondern hielt sie einfach nur fest. Wie konnte er nur so stark für sie sein, wenn er doch selbst so tiefe Trauer empfinden musste, dachte Lois beklommen. Fast schämte sie sich dafür, dass sie ihren Tränen so freien Lauf ließ.

Aber da war auch noch etwas anderes, dass ihr die Schamesröte ins Gesicht trieb.
Lois spürte, dass Trauer nicht das einzige war, was sie zu verschlingen drohte. Es gab noch etwas anderes, etwas, dass sie erschreckte. Wie konnte sie sich in Clarks Armen nur so wohl fühlen? Superman verdiente es, dass sie ihm den Respekt erwies ihn ordentlich zu betrauern. Etwas anderes dürfte da einfach keinen Platz haben. Zwei Jahre lang war er ihr Freund gewesen und hatte sie niemals im Stich gelassen. Was immer auch zu seinem merkwürdigen Verhalten geführt hatte, Lois war sicher, dass ihn keine Schuld traf. Doch ihre Gedanken waren nicht nur bei Superman.

Sie genoss es Clarks Brust zu spüren und atmete seinen Duft ein. Seine Hände wanderten über ihren Rücken und beruhigten ihren zitternden Körper. Lois fühlte sich seltsam sicher, auch wenn die Welt um sie herum auseinander zu brechen drohte. Es war, als gäbe es nichts wichtigeres, als diesen liebevollen Mann, der sie in seinen Armen hielt. Ihre Lippen begannen zu prickeln als die Erinnerung an seine Küsse in ihr Bewusstsein zurückdrängte. Lois hoffte, dass Clark nicht merkte, worum ihre Gedanken gerade kreisten. Am liebsten hätte sie ihn aufs Bett geworfen um in seinen Küssen vergessen zu finden. Doch das war falsch.

„Es tut mir Leid“, murmelte Lois und löste sich aus der Umarmung. „Ich sollte das nicht... wir sollten das nicht...“

„Glaubst du er würde nicht wollen, dass wir uns in so schlimmen Zeiten, wie dieser gegenseitig trösten?“ fragte Clark sanft.

„Aber es ist nicht nur... wir...“ ihre Stimme brach. Sie konnte es ihm nicht sagen. Clark würde nicht verstehen, dass sie in diesem Moment ein solches Verlangen nach ihm spürte.

„Was ist los, Lois?“ Er wischte die nassen, salzigen Überbleibsel der Tränen von ihren Wangen. Es schien sie zu verstören, dass sie nicht länger Weinen konnte, um ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen. Ihre Unterlippe zitterte und sie erinnerte mehr an ein Kind, als an die starke Frau, die ihn ein paar Stunden zuvor gerettet hatte.

„Ich... du...“, murmelte Lois, verärgert über ihre Unfähigkeit ihre Gedanken in Worte zu fassen. „Ich sollte mich in deinen Armen nicht so wohl fühlen.“ Schuldbewusst blickte sie zu Boden.

„Oh“, antwortete Clark und ging einen Schritt zurück, um sie besser betrachten zu können. Er streckte seine Hand aus, legte seine Finger unter ihr Kinn und brachte sie liebevoll dazu ihn wieder anzusehen. „Darüber machst du dir Sorgen. Du hast Angst, dass wir etwas Unangebrachtes tun könnten, nicht wahr?“

Lois nickte langsam und sie merkte selbst, wie dumm das klang. Superman hätte sich nicht daran gestört, dass sie Clark umarmte. Doch sie konnte sich nicht helfen, ihre Gefühle waren hoffnungslos durcheinander. Clarks Frage machte die Sache fast noch schlimmer. Würde er sie auslachen und ihr sagen, wie dumm sie doch war? Doch er sagte nichts in der Richtung.

„Du bist nicht die einzige, die sich in dieser Situation unwohl fühlt“, sagte er und strich eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. „Für mich ist das alles genauso schwierig wie für dich. Alles was ich tun möchte, ist dir zu helfen. Wenn du einen Freund brauchst, bin ich für dich da. Ich möchte für dich da sein, in welcher Rolle auch immer ich dir helfen kann.“ Sanft glitt sein Daumen über ihre Haut, bis ihre Wange in seiner Handfläche ruhte.

Lois hob ihre Hand, um seine zu bedecken. „Danke“, flüsterte sie. „Danke, dass du so bist, wie du bist, Clark. Ich habe dich so sehr vermisst“, fügte sie leise hinzu, und die Sehnsucht, die ihr die letzten vier Tage so schwer gemacht hatte, schwang in ihrer Stimme mit.

* * *

Clark schluckte schwer, als er ihre wärmende Berührung spürte und ihre liebevollen Worte hörte. Wie konnte er ihr jemals wieder ins Gesicht blicken, wenn er ihr nicht bald die Wahrheit erzählte, fragte er sich. Doch sein Herz setzte beim bloßen Gedanken daran ihr seine Lügen zu gestehen bereits einen Schlag aus. Aber es half nichts, er musste ihr die Wahrheit erzählen, jetzt oder nie. Sie würde ihm den Hals umdrehen, wenn er sie länger über seinen Gedächtnisverlust im Unklaren ließ. Vielleicht würden ein paar tiefe Atemzüge ihm helfen endlich den Mut zu finden, ihr alles zu sagen.

„Wir müssen uns fertig machen“, unterbrach Lois seine Gedanken. Ihre Stimme zitterte, versagte ihr immer wieder, als sie sprach. „Das heißt, wenn du bereit bist.“ Noch einmal betrachtete sie Clark gründlich und ihre Augen glitten viel sagend über den weißen Verband an seiner Seite. Es war unverkennbar, woran sie dachte.

„Es geht mir gut“, erwiderte Clark mit einem Nicken. „Wenn wir die Sache langsam angehen, werde ich schon klar kommen.“ Er fühlte sich wie ein Narr. Was tat er da? Da gab es gewisse Dinge, die er ihr endlich sagen musste. Stattdessen versprach er, dass er klar kommen würde, ohne wirklich zu wissen, wovon er da redete. Was für eine Art Job hatte er eigentlich? Er erinnerte sich, dass Lois etwas von einem Daily Planet erzählt hatte. Der Name klang wie der einer Zeitung. Waren sie vielleicht Reporter?

„Also gut...“ sagte Lois langsam und er konnte sehen, dass sie schluckte. „Wir... wir werden herausfinden wer Superman so etwas angetan hat und warum...“ Ihr versagte die Stimme und sie sah ihn unsicher an. „Ich möchte wissen, warum er sich in den letzten Tagen so merkwürdig verhalten hat...“ Sie ließ das Ende des Satzes verklingen, als hätte sie eigentlich weiter sprechen wollen. „Da muss etwas passiert sein“, murmelte sie schließlich heiser und räusperte sich.

„Wir werden es herausfinden“, versicherte Clark, weil er das Gefühl hatte, dass sie das hören wollte.

„Du gehst dich anziehen und ich mache Frühstück“, bestimmte Lois und als Clark sich nicht gleich umdrehte um ins Bad zu gehen, fügte sie hinzu: „Ich kann Frühstück machen, wirklich.“

„Das bezweifle ich nicht“, gab Clark zurück. Er nickte ihr etwas irritiert zu und machte sich auf den Weg ins Badezimmer.

„So?“ fragte Lois erstaunt und hob eine Augenbraue. „Das hört sich sonst aber ganz anders an“, meinte sie und zwinkerte ihm zu.

Clark brummte etwas vor sich hin und hoffte, dass Lois es so interpretieren würde, wie es ihr passte. Er hatte keine Ahnung, worauf sie mit ihrer Anspielung hinaus wollte. Ihm war nur eines klar – nämlich, dass in Lois’ Nähe sehr viele Fallstricke für ihn aufgestellt waren. Tief in seinem Inneren war ihm klar, dass es keinen Sinn hatte, ihr seine Amnesie noch länger zu verschweigen. Doch sein Magen verknotete sich schmerzhaft bei dem Gedanken daran, ihr die Wahrheit zu gestehen.

„Meinst du, du könntest mir endlich mal erzählen, wo du die letzten vier Tage gesteckt hast?“ rief Lois ihm hinterher, offenbar in der Hoffnung ihn endlich zum sprechen zu bringen. Ihm war natürlich klar, dass sie keine der offenen Fragen beantworten konnten, wenn er weiterhin schwieg. Doch wo würde es sie denn hinführen, wenn er ihr alles erzählte?

So antwortete Clark nicht, drehte sich nicht einmal um. Er tat so, als hätte er sie nicht gehört und fühlte sich schlecht dabei. Ihr musste doch längst aufgefallen sein, dass er sich merkwürdig verhielt, seit sie ihn in Suicide Slum aufgegabelt hatte. Er konnte einfach nicht mehr derselbe sein. Das war völlig ausgeschlossen, angesichts der Tatsache, dass er keine Ahnung hatte, wer er war. Mit dem Mut der Verzweiflung hoffte Clark, dass ein ruhiger Moment im Bad die Antwort vielleicht hervorzaubern könnte.

Doch zwanzig Minuten später war Clark der Wahrheit kein Stück näher gekommen – genauso wenig, wie seinem Frühstück. Er war mehrmals vom Bad ins Schlafzimmer gegangen und wieder zurück. Lois war längst angezogen und stand in der Küche. Wann immer er einen Blick auf sie erhascht hatte, wartete sie ungeduldig darauf, dass er endlich kam. Aber er konnte ihr so nicht gegenüber treten. Wie sollte er ihr etwas erklären, dass ihm selbst ein Rätsel war? Clark blickte in den Badezimmerspiegel und seufzte. Er betrachtete erst seinen Bart und dann den Rasierer in seiner Hand.

Er hatte ihn gefunden nachdem er das Bad zweimal durchsucht hatte und auch da hätte er ihn beinahe übersehen. Wer versteckte seinen Rasierer als wäre es ein kostbarer Schatz? Mal abgesehen davon konnte man mit der Klinge höchstens erfolgreich Selbstmord begehen. Das rostige Ding würde ihm wahrscheinlich eine Blutvergiftung einbringen, ohne dass er damit auch nur ein einziges Barthaar gekürzt hätte. Was die ganze Sache noch eigenartiger machte, war, dass er so aussah, als würde er sich regelmäßig rasieren. Aber warum war er dann noch am Leben? Die Antwort wäre ihm vermutlich einfacher erschienen, wenn er nicht bereits sein Bad und sein Schlafzimmer auf den Kopf gestellt hätte. Wo sonst konnte er seinen Rasierer aufheben? Vielleicht in der Küche, dachte er mit grimmigem Humor. Das musste ein ziemlich interessanter Raum sein, den er sich bei Gelegenheit einmal gründlich anschauen würde.

Clark starrte den Mann an, der aus dem Spiegel zurückblickte und versuchte ihn zu ergründen. Er hatte keine Pflaster im Haus, rasierte sich möglicherweise mit dem Küchenmesser und war mit fliegenden Helden befreundet.

„Wer bist du?“ murmelte Clark und betrachtete sein Gesicht, als ob darin die Antwort läge. Das Spiegelbild blieb stumm und schien sich nur über ihn lustig zu machen.

Doch plötzlich schien der Spiegel in einem Blitz zu zerspringen und für einen Augenblick sah Clark einen engen, dreckigen und dunklen Raum.

„Es wird Zeit, dass ich die Sache in die Hand nehme, findest du nicht auch?“ fragte jemand neben ihm mit leiser Stimme. „Du hattest deine Chance, nun bin ich an der Reihe.“

Der Mann neben ihm war in blau und rot gekleidet. Groß und beeindruckend stand er vor Clark, der den Kopf in den Nacken legen musste um mehr zu sehen, als ein Paar muskulöser Beine. Sein Gegenüber grinste breit und boshaft.

Mit einem grausamen Lachen wandte er Clark den Rücken zu. „Ich wünsche einen angenehmen Tod.“


Das Bild verschwand so plötzlich, wie es gekommen war. Zurück blieb nur eine vage Erinnerung und das Spiegelbild eines unrasierten Mannes. Clark blinzelte, doch alles blieb, wie es war. Er konnte nur mehr sich selbst sehen. Er konnte die Vision nicht festhalten, sie entzog sich unaufhaltsam seinem Bewusstsein.

„Clark?“ rief Lois aus der Küche. „Ist alles in Ordnung?“ fragte sie besorgt.

„Ja“, antwortet Clark und seufzte frustriert.

Er würde sein Bartproblem nicht lösen können, nicht wenn er sein kleines Geheimnis noch länger für sich behalten wollte. Lois würde ihm nicht abkaufen, dass er keine Ahnung hatte, wo sein Rasierer war. Er musste sich etwas anderes ausdenken. Clark warf die todbringende Klinge weg und straffte seine Schultern um Lois gegenüber zu treten. Er zuckte zusammen, als seine Seite gegen die Bewegung protestierte und versuchte seiner Miene einen Stell-ja-keine-dummen-Fragen-über-meinen-Bart-Ausdruck zu geben. Er war vermutlich nicht sonderlich erfolgreich dabei, doch es musste reichen, um Lois zu überzeugen. Clark wandte sich um und ging in die Küche zurück. Vielleicht würde ja ein gutes Frühstück den Morgen noch retten können.

Als Clark in die Küche trat, runzelte Lois die Stirn. Sie ließ keinen Zweifel daran, dass sein Versuch einschüchternd zu wirken ganz offenbar fehlgeschlagen war. Lois hielt ihm einen Becher Kaffee hin und fuhr mit der anderen Hand über seine Wangen. Clark spürte ein angenehmes Kribbeln auf seiner Haut. Doch er hatte das Gefühl, dass das für längere Zeit alles war, was ihm an dieser Situation gefallen würde.

Lois hob eine Braue und warf einen bedeutungsvollen Blick auf die Uhr.

„Zwanzig Minuten im Bad und du hast dich nicht einmal rasiert?“ fragte sie ungläubig. „Du weißt, dass ich hier die Frau bin, oder Clark?“

Clark räusperte sich peinlich berührt. „Ich...ich wollte mal was Neues ausprobieren“, stammelte er und verfluchte sich selbst. Kein Lügner, der etwas auf sich hielt, würde so einen Mist erzählen. Je mehr er über sich erfuhr, desto schlimmer wurde es. Er war offenbar ein verrückter Adrenalinjunkie, dem es einen Kick gab sich mit einer Antiquität zu rasieren, die wahrscheinlich aus dem Besitz von Thomas Jefferson stammte. Einen anderen Grund konnte es kaum geben, dass das Ding so gut versteckt gewesen war. Und als wäre das nicht genug, war er der Welt schlechtester Lügner. Lois schien an seine unterirdischen Fähigkeiten bereits gewöhnt. Sie hob die andere Braue, nur um sie dann wieder zusammen zu ziehen, bis eine niedliche kleine Falte über ihrer Nase erschien.

„Du weißt, dass Jimmy von einem Ohrring sprach. Er meinte nicht...“, sie deutete in Richtung seiner stoppligen Wangen, als fehlten ihr die Worte seinen kratzigen Drei-Tage Bart zu beschreiben.

„Es gefällt dir nicht?“ fragte Clark und gab sich Mühe enttäuscht zu klingen. Zumindest gelang ihm das einigermaßen.

* * *

Lois zuckte nur mit den Schultern und nahm Clark den Becher aus der Hand, trank den Kaffee aus und stellte die Tasse in die Spüle. Sie gab Clark einen sanften Stups in Richtung Wohnzimmer und murmelte, dass sie nun wirklich aufbrechen müssten. Sie würde ihm nicht erzählen, dass er immer noch zum Anbeißen wäre, wenn er in Lumpen ginge. Sie störte sich nicht an dem Bart, auch wenn sie ihn lieber rasiert sehen würde.

„Hey, was ist mit dem Frühstück?“ protestierte Clark.

„Wir holen etwas auf dem Weg zur Arbeit“, erklärte Lois mitleidlos, obwohl sie selbst gerne ein paar von diesen wundervollen Croissants gehabt hätte, die Clark öfter mit ins Büro brachte. Aber sie hatten keine Zeit sich kulinarischen Feinheiten zu widmen. Perry rauchte vermutlich schon vor Zorn. Er war nicht gerade der geduldigste Chefredakteur. Und angesichts der größten Story seit Supermans Ankunft in Metropolis, würde er bestimmt keine Croissant-Entschuldigung akzeptieren.

Lois merkte, dass sie dabei war zu Mad Dog Lane zu werden und sie fühlte sich schuldig. Sie wollte Clark nicht das Leben schwer machen, nachdem er gerade erst wieder aufgetaucht war und nicht so recht er selbst zu sein schien. Er verhielt sich nicht so wie sonst und das lag zumindest zum Teil sicherlich an dem Schock, den er erlitten hatte. Lois war sich allerdings nicht sicher, ob sie alles dadurch erklären konnte. Clark war distanzierter als vorher. Sie hatte das nach einigen wunderschönen Verabredungen und dem ein oder anderen Kuss nicht erwartet. Vor allem nachdem sie ihm jetzt endlich ihre Liebe gestanden hatte, wollte sie, dass sich ihre Beziehung veränderte. Clark war immer noch freundlich und fürsorglich. Aber er hatte aufgehört ihr diese verliebten Blicke zuzuwerfen, oder aber er versteckte sie sehr erfolgreich. Lois hatte Angst, dass sie letzten vier Tage etwas zerstört hatten. Doch sie wollte ihrem Gefühl nicht trauen. Vielleicht reagierte sie nur über, vielleicht gab es eine einfache und völlig logische Erklärung, etwas, dass Clark ihr bisher nicht erzählt hatte.


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Vega
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Bis dass das Leben uns scheidet...6/14

Beitragvon Vega » Mi 20. Jan 2010, 19:30

Teil 6

Metropolis, eine Straße auf dem Weg zum Daily Planet, ein bisschen später an diesem Morgen

Das Tageslicht weckte nicht mehr Erinnerungen, als die Dunkelheit. Clark war davon nicht mehr wirklich überrascht. Trotzdem fühlte er die Enttäuschung, denn er war der ganzen Geheimnisse die sein Leben umgaben schon überdrüssig geworden. Aber er hatte auch Angst vor dem, was er finden würde, wenn er erst genug Zeit hatte, sich sein Leben genauer zu betrachten. So, wie es im Moment aussah, war es schon seltsam genug und Clark wusste nicht, ob er mehr ertragen konnte. Tatsächlich war er kurz davor Lois zu erzählen, was mit ihm los war, auch wenn er sich nicht gerade darauf freute. Er war sich beinahe sicher, dass sie verstehen würde, wie verängstigt er war. Aber sich beinahe sicher zu sein, reichte nicht aus um den Mut zu finden die Worte endlich auszusprechen.

Während er nach etwas Ausschau hielt, dass ihm bekannt vorkam, beobachtete Clark die Menschen auf der Straße. Einige Menschen standen in Gruppen beieinander und hielten sich bei den Händen. Kleine Bilder von Superman, der nur an den bunten Farben seines Kostüms zu erkennen war, standen an vielen Straßenecken. Kleine Schwarze Bänder, die um eine Ecke geschlungen waren, zierten die meisten. Vor den Bildern waren Blumen und Kerzen aufgestellt. Die Menschen betrauerten den Tod ihres Helden.

Andere liefen durch die Straßen und hatten die Köpfe eingezogen. Es schien als erwarteten sie, dass die Welt auseinander fallen würde, nun da Superman nicht mehr da war. Alles kam ihm ein wenig dunkler und verhangener vor, obwohl Clark nicht hätte sagen können warum. Schließlich konnte er sich an keinen Tag erinnern, mit dem er diesen hätte vergleichen können.

„Es ist gespenstisch“, murmelte Lois angespannt und warf einen kurzen Blick zu Clark hinüber. „Ich habe die Bewohner von Metropolis noch nie so angsterfüllt gesehen. Sie schauen sich um, als ob sie jeden Moment jemand erschlagen würde.“

„Alles wegen Superman“, sagte Clark und irgendwie gelang es ihm, etwas weniger ungläubig zu klingen, als er in Wirklichkeit war.

Er biss sich auf die Lippen, denn je mehr er sagte, desto wahrscheinlicher verriet er seine Unwissenheit. Oder sollte er seine Tarnung aufgeben und ihr endlich alles erzählen? Lois verdiente es die Wahrheit zu erfahren, immerhin hatte sie ihn gerettet und ihm geholfen. Auch wenn es ihm nicht gelungen war, Supermans Tod zu verhindern, ohne sie wäre es vielleicht noch schlimmer gekommen. Und er würde ihr auch alles erzählen, so bald wie nur möglich.

Sie verdiente das, weil sie dafür gesorgt hatte, dass dieser Tag zu wundervoll begonnen hatte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass etwas angenehmer sein konnte, als von dieser Frau wach geküsst zu werden. Sie war der erste Mensch, der ihn je angelächelt hatte. Das mochte objektiv gesehen nicht stimmen, aber für ihn war es so.

Wie er es auch betrachtete, es gab keinen vernünftigen Grund ihr die Wahrheit zu verschweigen. Er konnte Lois nicht in die Augen sehen, weil er wusste, das er nicht ehrlich zu ihr war. Und es wurde immer schwieriger für ihn sich selbst weiszumachen, dass es nichts mit Lügen zu tun hatte gewisse Dinge für sich zu behalten. Er würde es ihr erzählen, doch solange sie fuhr, sollte er besser nicht mit solchen Geständnissen kommen. Also beschloss Clark noch zu warten. Lois hingegen hatte nicht die Absicht zu schweigen.

„Ich verstehe es einfach nicht“, rief sie aus. „Ich meine, ich weiß, dass Superman viele Feinde hatte. Aber warum hätte ihn jemand töten sollen? Er war der Inbegriff der Güte...“ Ihr versagte die Stimme und eine Träne rollte über ihre Wangen. Verstohlen wischte sie sie weg, doch Clark hatte sie trotzdem gesehen. „Und er hat jeden Kriminellen aufgehalten, dessen er habhaft werden konnte“, fügte sie leise hinzu. „Ich argumentiere nicht sehr vernünftig, oder?“

Clark lächelte schwach und voller Mitgefühl. Langsam schüttelte er den Kopf. „Nein, tust du nicht, aber das ist glaube ich völlig normal.“ Wieder machte er sich klar, dass er Lois die Wahrheit nicht nur erzählen sollte, sondern musste. Wie sollte er denn der Frau helfen, die er doch angeblich liebte, wenn er nicht einmal wusste, was eigentlich los war und um wen sie trauerte? „Ich bin auch nicht ganz ich selbst“, murmelte er verhalten. Lois schien ihn nicht gehört zu haben.

Sie parkte den Wagen an der Seite eines großen Gebäudes, dass der Daily Planet sein musste. Clark schluckte, als er auf einmal eine unerwartete Hitze in sich aufsteigen fühlte, die ihn zu verzehren drohte. Sein Blick wanderte hinunter zu seinen Knien. Lois’ Hand ruhte verführerisch nah an seinem... Nein, darüber würde er jetzt nicht nachdenken, sonst würde er sich noch lächerlich machen und das war das Letzte, was er jetzt brauchen konnte. Er balancierte längst auf Messers Schneide und er hatte kein Verlangen danach abzurutschen.

‚Konzentrier dich’, tadelte er sich wortlos. Aber das war gar nicht so einfach, denn Lois hatte begonnen sanft über sein Bein zu streicheln und Clark fiel es zunehmend schwerer gleichmäßig zu atmen. Verzweifelt fragte sich Clark, ob Lois wusste, dass sie mit dem Feuer spielte. Er versuchte weiter sich auf das Gespräch zu konzentrieren, doch Lois hatte offenbar keine Lust mehr sich zu unterhalten.

„Ich bin so froh, dass ich dich wieder habe“, sagte sie und hauchte einen zärtlichen Kuss auf seine Wange.

Die sanfte Berührung war süß und unschuldig. Kein Passant hätte ahnen können, dass darin ein stilles Versprechen lag, ein Vorgeschmack auf mehr, viel mehr. Clark hatte das Gefühl, dass seine Wangen längst die Farbe einer reifen Aubergine angenommen hatten. Er schluckte erneut, als er ihre Finger über sein Gesicht streifen fühlte, die ihn sanft dazu brachten, sie anzusehen. Liebevoll blickte Lois ihn an und wenn sein Herz nicht bereits so schnell geschlagen hätte, wie es nur konnte, dann wäre es spätestens in diesem Moment so weit gewesen.

„So froh...“, murmelte sie und beugte sich ein wenig vor.

Der Abstand zwischen ihren Lippen schrumpfte rasch zusammen. Clark fragte sich einen Augenblick lang, wie es möglich war, dass er aus der traurigen Stadt an diesen märchenhaften Ort katapultiert worden war. Aber wer auch immer ihn hierher gebracht hatte, verdiente seinen tiefen Dank. Als ihre Lippen die seinen berührten, rann ein wohliger Schauer seinen Rücken hinunter. Ihre Zunge schnellte sanft hervor, liebkoste seine kurz. Die Begegnung war rasch vorbei, nicht jedoch das Verlangen, dass sie in ihm geweckt hatte. Er sehnte sich nach mehr, doch Lois zog sich zurück und blickte schüchtern zu Boden. Clark verstand sie. Sie waren in der Öffentlichkeit und hier war einfach kein Raum für leidenschaftliche Küsse.

Doch da war noch etwas anderes in ihrem Blick, das er nicht recht einordnen konnte. Etwas in ihren Augen schien ihn anzuflehen ihr zu versichern, dass er genauso fühlte wie sie, dass es wirklich geschah. Doch Clark schob den Gedanken beiseite. Sein leerer Kopf musste ihm streiche spielen, denn warum sollte eine Frau einen Mann so küssen, wenn sie befürchten musste, dass die Gefühle einseitig waren? Warum sollte eine Frau wie Lois an seiner Liebe zweifeln? Kein Mann, der noch bei Verstand war, wäre in der Lage ihr zu widerstehen. Clark wünschte sich an einen anderen Ort. Er wollte ihr so gerne zeigen, wie sehr er sie begehrte. Mit einem Seufzen stellte er fest, dass Lois schon dabei war aus dem Wagen zu steigen. Wie sollte er nur den Tag überleben, wenn er ständig von Erinnerung an einen solchen Kuss heimgesucht wurde?

Clark stieg ebenfalls aus dem Wagen und hoffte, dass seine Beine noch ihren Dienst tun würden, nachdem Lois’ Berührung sie wirkungsvoll in Wackelpudding verwandelt hatte. Er wusste nicht, ob es ihm gelingen würde bei Verstand zu bleiben, wenn Lois so weiter machte. Jeder Blick von ihr würde ihn nur an diesen Morgen erinnern. Wie war er nur früher damit klar gekommen? Wenn es stimmte, was Lois ihm gesagt hatte, dann arbeiteten sie als Partner. Er musste schon eine ziemliche Selbstbeherrschung besessen haben, denn als Partner musste er zumindest einen Teil der Arbeit erledigt haben. Das war schon ein Wunder, denn im Augenblick war es schon schwer genug auch nur gedanklich bei der Sache zu bleiben.

* * *
Italien, eine Straße in der Toscana, am späten Nachmittag

„Irgendwo muss doch ein Dorf sein!“ brummelte Jonathan ungeduldig und fuhr weiter. Hin und wieder hatte er Probleme mit der Gangschaltung des Mietwagens, an die er sich immer noch nicht richtig gewöhnt hatte. Dass er sehnsüchtig auf ein Schild wartete, dass ihn zu einem öffentlichen Fernsprecher führte, machte die Sache nicht einfacher. Und außer Weinbergen und endlosen Feldern gab es rein gar nichts, das ihm hätte helfen können.

Die Straße war kurvenreich und die Sonne blendete ihn, als sie sich immer weiter dem Horizont näherte. Es war noch nicht spät, doch die Tage wurden langsam kürzer. Alles um sie herum schimmerte in dem sanften, honiggoldenen Licht und die Hügel glühten in der Abendsonne. Der endlose Himmel war tiefblau. In einem ruhigeren Augenblick hätten Martha und Jonathan den Anblick sicher genossen und sich an der Schönheit dieses italienischen Landstrichs erfreut. Die Toscana hatte sie fasziniert, seit sie die Bilder im Reiseführer entdeckt hatten.

Martha sah kurz auf die Uhr, die anzeigte, dass es endlich spät genug war, um in Metropolis anzurufen. Sie konnte sich nicht erinnern ihren Mann jemals so nervös gesehen zu haben und sie musste zugeben, dass seine Angst ansteckend war. Die Jahre, in denen sie sich keine Sorgen um die Gesundheit ihres Sohnes gemacht hatten, waren vorbei. Die Kriminellen von Metropolis schienen eine geheime Quelle für all die Dinge zu haben, die ihrem Sohn schaden konnten, wie Kryptonit oder dieses seltsame Schallgerät. Außerdem hatten sie feststellen müssen, dass Kugeln zwar Superman nichts anhaben konnten, Clark Kent jedoch schon.

Martha versuchte sich auf ihre innere Stimme zu konzentrieren, die ihr sagte, dass es Clark gut ging. Aber das bloße Gefühl, dass ihm nichts Schlimmes geschehen war, reichte nicht länger um sie zu überzeugen. Genau wie Jonathan begann sie nach einer Telefonzelle oder etwas Ähnlichem Ausschau zu halten. Beinahe bereute sie, dass sie an diesem Morgen das Hotel verlassen hatten, auch wenn sie sich auf diesen Teil der Route schon seit Tagen gefreut hatte.

Mit einem tiefen Atemzug brachte Martha sich wieder dazu der Landschaft Beachtung zu schenken. Sie sah die Weinberge zu beiden Seiten der Straße. Die Ernte war vorüber und das Weinlaub hatte begonnen seine Farbe zu verändern. Hin und wieder schmiegte sich ein Winzergut zwischen die Felder. Die meisten sahen wesentlich beeindruckender aus, als ihr Farmhaus, allerdings auch weniger gemütlich. Es dauerte nicht lange und sie musste wieder an Clark denken.

Die Zeit schien sich endlos auszudehnen, bis sie schließlich ein Dorf erreichten. Sofort verspürte Martha Angst bei der Vorstellung, dass es keine Möglichkeit geben würde ihren Sohn anzurufen. Und was, wenn er wieder nicht abnahm, was wenn der Anrufbeantworter immer noch keine Nachrichten aufzeichnen konnte, weil er so überfüllt war?

* * *
Metropolis, Daily Planet Gebäude, ein paar Minuten, nachdem Lois einen Parkplatz gefunden hat

Jedes Fenster des Gebäudes zeigte Clark das Logo des Daily Planet. Es dauerte nicht lange und er stand unter dem echten Globus, der mächtig über dem Eingang des Redaktionsgebäudes prangte. Sein Anblick schien wie ein stilles Versprechen dafür, die Welt verändern zu können, wenn er nur durch die Türen gehen würde. Doch Clark war nicht nur fasziniert, er hatte auch Angst vor dem, was ihn dort drinnen erwarten würde. Unter dem Globus kam er sich klein und unbedeutend vor, er schüchterte ihn beinahe ein. Trotzdem fühlte er sich deswegen nicht unwohl. Erst als Lois ihm ungeduldig bedeutete ihr zu folgen, gelang es Clark, den Bann zu brechen, der unwillkürlich über ihn gekommen war. Er ging Lois hinterher, als sei nichts gewesen.

Sie durchquerte die Halle schnellen Schrittes, so dass Clark Mühe hatte mitzuhalten. Er kam sich ein bisschen so vor, als sei er ein Kleinkind, das von seiner Mutter durch einen Spielzeugladen gezerrt wurde. Er wollte sich so gerne umsehen, doch dafür war keine Zeit. Obwohl Clark wusste, dass er dieses Gebäude nicht zum ersten Mal sah, kam es ihm dennoch so vor. Als sie vor dem Fahrstuhl warten mussten, gelang es Clark endlich zumindest einen Eindruck zu gewinnen. Viele Menschen rannten hektisch umher. Ein paar grüßten Clark mit einem Nicken und lächelten schwach. Clark erwiderte die Grüße, bis schließlich Lois ihn packte und mit sich in den Fahrstuhl zog.

„Schläfst du?“ rief sie ungeduldig. „Oder bist du gerade dabei diesen abwesenden Blick zu bekommen?“

Ihr Tonfall sagte Clark, dass sie über keine der beiden Möglichkeiten besonders erfreut wäre. Irgendwie schien es ihm aber, als ob Lois für letzteres noch weniger Verständnis haben würde, als wenn er am helllichten Tag einschliefe. Wieder einmal hatte er keinen Schimmer, wovon sie genau sprach. Vielleicht sollte er sie einfach fragen. Doch er konnte ihr nicht einfach so alles gestehen, wenn so viele Leute um sie herum zuhörten.

„Abwesender Blick?“ murmelte er, als sich die Fahrstuhltüren schlossen.

„Ja, dieser Blick, den du immer bekommst, wenn du dich plötzlich daran erinnerst, dass du noch ein Video zurückbringen oder die Katze deiner Nachbarin füttern musst. Was immer du halt tust, wenn du mal wieder wegrennst.“

Sie klang ungeduldig, als würden sie sich nicht das erste Mal über dieses Thema unterhalten. Die Ausreden, die sie erwähnt hatte, waren so schlecht, dass sie entweder stimmten oder aber von seinen unterirdischen Lügen zeugten. Clark befürchtete, dass eher das letztere der Fall war. Aber wohin verschwand er, wenn er Lois allein ließ? Und – falls er einen guten Grund dafür hatte zu verschwinden – was geschah nun, da er bei ihr blieb? Clark konnte sich nicht wirklich vorstellen, dass es in eine Katastrophe münden würde. Welche unglaublich wichtigen Aufgaben sollte selbst ein so seltsamer Mann wie er haben, über die er nicht mit seiner Partnerin sprechen konnte? Doch was, wenn es diese Aufgaben doch gab? Wie sollte er wissen, wann er den abwesenden Blick bekommen und sich entschuldigen musste? Und wohin sollte er dann gehen?

Clark wollte sich lieber damit abfinden, dass er sehr vergesslich war. Ein nicht zurückgegebenes Video bedeutete nicht das Ende der Welt. Er hoffte nur, dass keine hungrige Katze nun vergebens auf ihn wartete. Clark sagte lieber nichts. Als die Fahrstuhltüren sich wieder öffneten war jeder Versuch einer Diskussion mit Lois sowieso unmöglich geworden. In der Redaktion herrschte ein so geschäftiges Treiben, dass Clark am liebsten wieder gegangen wäre. Die Leute liefen scheinbar ziellos umher. Doch dieser Eindruck musste falsch sein, denn bei genauerer Betrachtung kam Clark die Bewegung mehr wie die einer Ameisenkolonie vor. Und tatsächlich, sobald Lois aus dem Fahrstuhl getreten war und begann, die Rampe hinunterzueilen, wurde sie ein Teil des Gewusels. Ein wenig verwirrt blieb Clark bei den Aufzügen stehen. Er war die einzige Ameise im ganzen Haufen, die keine Ahnung hatte, worin ihre Aufgabe bestehen sollte.

* * *

Die Redaktion war lauter, als Lois sie jemals erlebt hatte. Die tödliche Stille, die während Jimmys Anruf geherrscht hatte, war ganz offensichtlich verschwunden. Der Mittag näherte sich schnell und Perry hatte sicherlich jeden mit einem anderen Beitrag zum Thema Superman beauftragt. Lois wusste, dass Perry etwas in der Hinterhand haben wollte, unabhängig davon welchen Ausgang die Pressekonferenz nehmen würde. Schließlich konnte noch niemand sicher sein, dass Superman tatsächlich tot war. Perry würde es nicht riskieren von einem vielleicht noch lebenden Helden überrascht zu werden. Er würde einen Nachruf schreiben lassen, aber ebenso auch einen Artikel, der die Nachricht vom Tod des Helden als bedauerliches Missverständnis beschrieb. Welche Artikel in den Druck kamen, würde der Chefredakteur entscheiden, sobald die Pressekonferenz vorbei war.

Lois konnte nur raten, was sonst noch geschrieben wurde. Ein paar ihrer Kollegen waren sicherlich mit eher alltäglichen Nachrichten wie beispielsweise Sport befasst. Doch das würde bestimmt nicht den Löwenanteil der Abendausgabe ausmachen. Dies war eine der seltenen Gelegenheiten, bei denen der Daily Planet eine Abendausgabe herausbrachte, weil jede wichtige Zeitung in Metropolis eine haben würde. Lois konnte sich kaum vorstellen, welchen Stress das für Perry bedeutete. Ohne Zweifel würde es dennoch aussehen, als sei es für ihn ein Kinderspiel mit solch weltbewegenden Nachrichten umzugehen. Aber es war und blieb ein harter Job.

„Lane, in mein Büro, sofort!“ brüllte Perry durch die Redaktion.

Sofort wurde Lois klar, dass sie falsch gelegen hatte. Sogar der unerschütterliche Perry White war nervös. Und es war nicht die Art Nervosität, mit der er gelegentlich grüne Reporter in die Irre führte. Einen Augenblick lang wunderte sich Lois, warum Perry nur sie gerufen hatte, doch dann wurde ihr klar, dass er noch nichts über Clarks Rückkehr wusste. Perry, der alles sah und noch viel mehr wusste, hatte keine Ahnung, dass sein Traumduo wieder vollständig war. Er musste sehr damit beschäftigt sein, diese Ausgabe nach den Werten des Daily Planet zu gestalten. Perry wollte etwas bringen, dass die weniger seriösen Zeitungen von Metropolis unmöglich liefern konnten – eine ausgewogene und vertrauenswürdige Berichterstattung über Supermans Tod. Wenn sie ehrlich war, hatte auch Lois keine Ahnung, wie die Reporter den Anforderungen des Daily Planet genüge tun sollten. Wie sollte selbst der beste Reporter über den Tod dieses Helden schreiben ohne dabei in ein emotionales Chaos zu geraten?

Lois blickte zu Clark zurück, der immer noch wie angewurzelt auf der Galerie vor den Aufzügen stand. Er sah nicht so aus, als hätte er Perrys Ruf gehört, auch wenn er dafür entweder taub oder tot hätte sein müssen. Ungeduldig wollte sie ihm zurufen, dass er endlich herunter kommen sollte, doch dann fragte sie sich, ob er vielleicht Schmerzen hatte. Ihr wurde bewusst, dass sie an diesem Morgen nicht nach der Schnittwunde geschaut hatte. Das war nicht gut. Sie hätte sich mehr Zeit nehmen sollen, vor allem da sie ihn nicht dazu gebracht hatte zu einem Arzt zu gehen. Lois holte tief Luft um ihre Ungeduld zu bezwingen.

„Clark?“ fragte sie erst und rief seinen Namen dann noch einmal lauter, als sie bemerkte, dass er sie über all den Lärm in der Redaktion nicht hören konnte. „Geht es dir gut?“

„Ja“, gab Clark zurück und nickte noch einmal, wie um seine Aussage zu bekräftigen. Etwas irritiert blickte er sie an. Ihre Frage hatte ihn offensichtlich überrascht. Lois bedeutete ihm mit einem Winken herunterzukommen.

„Perry möchte uns sprechen“, sagte sie, als er näher kam. „Hast du ihn nicht gehört?“ fügte sie neugierig hinzu und hoffte, dass er vielleicht endlich sagen würde, was eigentlich mit ihm los war.

Clark zuckte sichtlich zusammen und schaute betreten drein, als hätte sie ihn auf frischer Tat ertappt. Das ergab keinen Sinn, immerhin war es doch kein Verbrechen abgelenkt zu sein. Oder etwa doch? Lois konnte sich nicht helfen, ihr Eindruck, dass Clark sich äußerst merkwürdig benahm, verstärkte sich nur. Etwas stimmte nicht mit ihm und Lois war entschlossen herauszufinden was los war, mochte er sich auch noch so sehr wehren.

Währenddessen ging Clark die Rampe hinunter. Sein Gesicht war rot angelaufen, als ob ihm etwas sehr peinlich wäre, was Lois wiederum gar nicht verstand. Sie wartete nicht darauf, dass er aufschloss, sondern durchquerte die Redaktion auf dem Weg zum Büro des Chefredakteurs. Clark würde ihr schon folgen. Perry sollte nicht denken, dass sie ihn absichtlich warten ließen. Er sah sowieso schon so aus, als stünde er kurz vor der Explosion. Lois hatte nicht Absicht diejenige zu sein, die die Bombe zündete.

Es war nicht ganz einfach sich einen Weg durch die vielen Kollegen zu bahnen. Doch Lois schaffte es, wie sie es schon früher geschafft hatte. Allerdings war es nie zuvor so hektisch zugegangen. Ein paar ihrer Kollegen nickten ihr abwesend zu, während sie ein hastiges Telefongespräch führten, immer in der Hoffnung mehr Informationen über die Ereignisse der vergangenen Nacht zu bekommen.

„CK!“ rief eine wohl bekannte Stimme, so laut, dass jeder es hören konnte.

Und plötzlich geschah, was Lois für unmöglich gehalten hatte. Die unablässige Bewegung erstarrte, als hätte jemand die Zeit angehalten. Buchstäblich jeder starrte Clark mit offenem Mund an. Es war so still, dass man die sprichwörtliche Nadel hätte fallen hören können. Der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aber blickte sich verwirrt um, bis Jimmy sich einen Weg durch die Menge gebahnt hatte und seinen verblüfften Freund umarmte.

„CK, wo bist du gewesen? Wir haben uns Sorgen um dich gemacht. Keiner wusste, ob dir etwas zugestoßen ist. Geht es dir gut?“ fragte Jimmy besorgt und offenbar glücklich darüber, dass Clark wieder da war. Lois konnte es ihm nachfühlen.

„Bei allen Songs von Elvis! Clark?“ rief nun auch Perry verblüfft und näherte sich dem Aufruhr. Er lächelte breit und schien für einen Moment den drohenden Redaktionsschluss vergessen zu haben. „Gut dich wieder bei uns zu haben, Junge. Wir haben dich sehr vermisst. Wo in Elvis Namen bist du gewesen?“

* * *

„Ich...“, murmelte Clark unsicher und versuchte sich eine passende Erklärung für seine Abwesenheit auszudenken. Doch Perry, der seinen sentimentalen Moment längst überwunden hatte, blickte sich schon ärgerlich um und klatschte in die Hände.

„Was ist denn? Habt ihr noch nie einen Reporter in einer Redaktion gesehen? Auf geht’s, macht euch an die Arbeit. Eine Abendausgabe wird nicht ohne Grund so genannt!“ unterbrach Perry ihn, offensichtlich nicht geneigt zu warten, bis Clark eine passende Lüge gefunden hatte. „Und ihr beiden, kommt mit in mein Büro, jetzt!“ sagte Perry und konnte sich den Befehlston nicht völlig verkneifen.

Clark wusste nicht wirklich, wie ihm geschah. Trotz Perrys klarer Anweisung standen immer noch eine Menge Leute um ihn herum und erwarteten offenbar, dass er eine Rede hielt. Alle schienen auf seine Erklärung gespannt zu sein, vor allem der junge Mann, der ihn so begeistert umarmt hatte. Noch grinste er ihn breit an, doch sein Lächeln war schon dabei schwächer zu werden. Bald würde Verwirrung an seine Stelle treten, weil Clark nicht so reagiert hatte, wie es von einem Freund zu erwarten war. Er kannte nicht einmal den Namen des jungen Mannes, von seinem eigenen mal ganz zu schweigen. Clark hatte nicht darüber nachgedacht, dass er mit Seakay gemeint sein könnte. Vielleicht war das ja sein Nachname? Clark Seakay? Es klang nicht vertraut, aber das war im Augenblick wirklich nichts Ungewöhnliches.

„Habt ihr Perry nicht gehört?“ fragte Lois und drängte ihre Kollegen wild gestikulierend zurück an die Arbeit zu gehen. Einer nach dem anderen gab ein verärgertes und enttäuschtes Grunzen von sich, aber dann zogen sie von dannen, um die Jagd nach der Wahrheit wieder aufzunehmen.

Clark war dankbar, als Lois ihn rettete. Sie gab ihm einen sanften Stoß in Richtung Perrys Büro und murmelte, dass der Chefredakteur nicht gerade die Geduld in Person war. Clark dachte, dass Lois sicher überrascht wäre, wenn sie wüsste, wie viel er ihr schuldete. Er schwor sich es wieder gut zu machen. Nun musste er nur noch Perry glauben machen, dass mit ihm alles in Ordnung war. Das würde gewiss keine einfache Aufgabe werden. Es war wirklich besser, wenn er endlich Lois reinen Wein einschenkte. Der richtige Augenblick war längst gekommen. Aber sie hatte Recht, ihr Chefredakteur wartete schon, also musste auch Clark sich gedulden.

Wenig später schloss Clark die Tür des Büros hinter sich. Er musste zugeben, dass es ihn nervös machte Perry gegenüber zu stehen, der ihm durchdringend musterte. Clark wäre nicht überrascht gewesen, wenn jemand ihm erzählt hätte, dass der Chef Gedanken lesen konnte. Es schien absolut möglich. Doch hätte Perry angesichts der vielen leeren Seiten in seinem Gedächtnis wahrscheinlich nicht nur die Stirn gerunzelt.

„Wo bist du gewesen, Clark?“ fragte er noch einmal und wartete diesmal auf eine Antwort.

„Ich habe ihn am Rand von Suicide Slum gefunden“, erklärte Lois hilfreich, während Clark noch unschlüssig schwieg.

„Suicide Slum?“ fragte Perry ungläubig. „Sie haben Superman in... warte mal... ihr wollt mir doch nicht etwa erzählen, das ihr beiden diese anonyme Quelle der Polizei seid?“ Perry fiel auf seinen Stuhl, als würde er die Antwort kennen, lange bevor Lois oder Clark seinen Verdacht bestätigt hatten.

„Nun, wie das Leben so spielt, habe ich tatsächlich Henderson angerufen. Aber Clark hat Superman gefunden. Er wusste nicht, um wen es sich handelte, es war sehr dunkel dort. Als ich ihn fand, hat er mir von einem Verletzten in einer Gasse erzählt. Doch so sehr Clark sich auch bemühte, er war nicht in der Verfassung zu ihm zurück zu gelangen. Also habe ich beschlossen professionelle Hilfe zu organisieren. Wir hatten keine Ahnung wer der Verletzte war, bis Jimmy heute Morgen angerufen hat“, fasste Lois die Ereignisse der vergangenen Nacht zusammen. Clark war erleichtert, dass er nichts sagen musste. Alles was mit der Gasse zusammenhing, war in seinen Erinnerungen sehr undeutlich.

„Bei allen Hits von Elvis!“ murmelte Perry, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Das ist eine große Sache!“ Er schwieg eine Weile und schien über etwas nachzudenken. Clark musste kein erfahrener Reporter sein um zu wissen, was den Chefredakteur so beschäftigte. Der Daily Planet hatte gerade die Exklusivstory des Jahrhunderts erhalten, etwas, wonach sich alle Zeitungen der Stadt sehnen würden. “Ein Verletzter?“ fragte Perry, als er sich von seiner Überraschung halbwegs erholt hatte. „Soll... soll das heißen, dass Superman noch gelebt hat, als du ihn gefunden hast?“ brachte er hervor.

„Ich weiß es nicht“, gab Clark zu, erleichtert, dass er diesmal nicht zu lügen brauchte. Es gefiel ihm nicht besonders, vor allem wenn er an sein besonderes Talent fürs Lügen dachte. „Ich habe seinen Puls nicht gefunden. Viel konnte ich nicht tun, mir war schwindelig und mir wurde klar, dass ich ihm nicht alleine helfen konnte.“

„Du warst auch verletzt“, versuchte Lois ihn zu trösten. „Du bist es noch“, berichtigte sie.

„Hast du irgendjemanden gesehen, Junge? Kannst du dich an etwas erinnern? Hast du gesehen, wer Superman getötet hat? Gab es einen Kampf? Warst du daran beteiligt?“ Die Aussicht mehr zu erfahren beflügelte Perry offenbar. Es tat Clark leid seinen Chef enttäuschen zu müssen. Traurig schüttelte er den Kopf.

„Ich bin in dieser Gasse aufgewacht und ein Mann lag neben mir auf dem Boden. Das ist so ziemlich alles woran ich mich erinnere. Das nächste was ich weiß, ist, dass ich beinahe in Lois Wagen gelaufen wäre. Alles was dazwischen geschehen ist, liegt wie im Nebel.“ Seine Stimme war immer leiser geworden. Clark biss sich auf die Lippe. Er hatte sie gesagt, die ganze Wahrheit. Seine Lebensgeschichte war in wenigen Sätzen erzählt.

„Also hast du keine Ahnung, was vorher geschehen ist?“ Perry konnte seine Enttäuschung nur schlecht verbergen. Doch war ihm nicht klar geworden wie viel Clark eigentlich nicht wusste. Clark beließ es dabei. Er zuckte mit den Schultern, nickte und wagte es nicht mehr zu sagen. Er wusste nicht, ob seine Stimme ihn vielleicht verraten würde, wenn er noch etwas hinzufügte.

Perry kratzte sich nachdenklich am Kopf und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Vielleicht dachte er darüber nach, wie er das Beste aus dieser Situation machen konnte. Sein Blick wanderte von Lois zu Clark und wieder zurück. Keiner der beiden konnte ihm die Antworten liefern, nach denen er suchte und deshalb schwiegen sie alle. Clark fühlte sich zunehmend unwohl in Perrys Büro. Die klaren, intelligenten Augen des Chefredakteurs ließen keinen Zweifel daran, dass es nicht möglich war etwas auf Dauer vor ihm zu verbergen. Wann immer Perry ihn ansah, schien er ihn förmlich zu durchleuchten. Konnte er tatsächlich bis in sein Innerstes blicken und seine Angst spüren? Clark versuchte den Gedanken von sich zu schieben, weil Perry wohl kaum so ruhig geblieben wäre, wenn er gewusst hätte, dass etwas mit Clark nicht stimmte. Dennoch dröhnte Clarks Herzschlag in seinen Ohren bis Perry schließlich seine Hand wieder herunternahm und sich vorbeugte.

„Also gut“, sagte er heiser und atmete hörbar aus. Für einen kurzen Moment schien Perry nicht zu wissen, was er sagen sollte. Doch der Ausdruck der Hilflosigkeit blitze nur kurz in seinem Gesicht auf und verschwand dann so vollständig, als hätte es ihn nie gegeben. Dann war er zurück – der scheinbar allwissende Chefredakteur des Daily Planet. „Zu niemandem ein Wort. Die Polizei hat bisher noch nichts über ihre Quelle verlauten lassen und das werden sie auch nicht, wenn wir sie darum bitten. Versteht mich nicht falsch, ich will diese Story. Aber meine Reporter schreiben die Nachrichten, sie sind nicht Gegenstand davon. Wir können nicht vernünftig arbeiten, wenn die Leute wie die Geier um uns Kreisen und darauf warten einen Blick auf den Mann zu erhaschen, der Superman gefunden hat. Und ich denke, du wirst mir darin zustimmen, Clark, dass du nicht schon wieder im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen möchtest.“ Perry stand auf und ging um seinen Schreibtisch herum, während Clark nickte und eine Zustimmung murmelte. Er hatte keine Ahnung wovon Perry eigentlich sprach, aber er hatte sicher Recht. Clark hatte keine Lust sich Kameras gegenüber zu sehen.

„Was tun wir denn jetzt?“ fragte Lois neugierig und alles an ihrer Haltung drückte aus, wie sehr sie darauf brannte endlich zu ermitteln.

„Ich möchte, dass ihr zu dieser Pressekonferenz geht. Für euch beide habe ich eine besondere Aufgabe und die ist bestimmt nicht einfach“, antwortete Perry und hielt einen Moment inne, bevor er weiter sprach. „Ich weiß wie viel Superman euch beiden bedeutet hat. Er war für uns alle wichtig, aber für euch insbesondere. Wenn ihr das Gefühl habt diese Recherche nicht objektiv durchführen zu können, dann verstehe ich das. Aber ich vertraue euch – und vielleicht auch Jimmy – mehr als jedem anderen in dieser Redaktion. Findet heraus, was in Suicide Slum geschehen ist. Findet heraus wer Superman getötet hat und warum. Hat Superman sich in letzter Zeit wirklich seltsam benommen und könnte das etwas mit seinem Tod zu tun haben? Clark, versuche dich bitte an irgendetwas zu erinnern, dass uns hilfreich sein könnte. Folgt jeder noch so kleine Spur. Ihr beiden seid die besten Reporter, die ich kenne. Bittet Jimmy um Hilfe, wenn nötig.“

Lois und Clark blickten sich überrascht an. Vor allem Lois hatte erwartet, dass sie mit Perry um diese Story ringen müsste. Sie hatte geglaubt Perry würde sie für zu befangen halten. Noch viel erstaunlicher aber war, dass er Supermans seltsames Verhalten erwähnt hatte. Das war bisher nicht mehr als ein Gefühl gewesen, ein Gefühl, dass jeder gehabt hatte, aber nichts desto trotz eben nur ein Eindruck. Normalerweise erstickte Perry jede Story im Keim, die sich nicht wenigstens auf einen echten Hinweis stützte. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte ein Bauchgefühl nicht als Hinweis gezählt, selbst wenn es Perrys Instinkte waren, die Alarm schlugen. Nun allerdings gab Perry sich mehr als Reporter denn als Chefredakteur. Er hatte offenbar beschlossen seinen Instinkten zu folgen.

„Nur um sicher zu gehen, dass ihr mich richtig verstanden habt. Ich möchte da draußen keine Gerüchte hören“, fuhr Perry fort und deutete erst auf die Tür zur Redaktion und dann auf das Fenster hinter sich. Es war mehr als deutlich, dass sie *niemandem* etwas erzählen sollten. „Ich möchte nicht als der Mann in Erinnerung behalten werden, der den befangensten Reportern von Metropolis die Story des Jahrhunderts anvertraut hat. Seid vorsichtig ihr beiden“, sagte er väterlich.

„Werden wir“, versicherte Lois und Clark nickte.

Er sagte jedoch nichts und Lois konnte nicht umhin zu bemerken, dass er in letzter Zeit sehr still gewesen war. Sie fragte sich, ob es nur daher kam, dass er immer noch müde war und nicht wagte sich zu beschweren. Aber sollte er nicht wissen, dass er keinen Grund hatte, Angst vor ihr zu haben? Immerhin hatte sie ihn gefunden und wusste, in welchem Zustand er gewesen war. Aber hatte sie darauf wirklich Rücksicht genommen? Lois biss sich auf die Lippen. Seit sie heute Morgen aufgewacht waren, hatte sie über so viele Dinge nachgedacht. Doch sie hatte kaum Zeit gehabt, sich um Clark Sorgen zu machen.

„Das ist dann wohl alles, denke ich“, antwortete Perry und Lois wandte sich zum Gehen. Clark folgte ihr und gerade als Lois den Raum verlassen hatte, hörte sie, wie Perry sich noch einmal räusperte. Vielleicht wollte ihr Chefredakteur nicht, dass sie zuhörte, aber Lois tat es dennoch. „Es ist schön, dich wieder bei uns zu wissen. Bitte gib gut auf Lois Acht. Ich weiß, dass ihr beide gute Freunde von Superman wart und ich kenne Lois. Sie wird sich wieder einmal Kopfüber in Gefahr stürzen, egal wie oft ich ihr sage, dass sie es nicht tun soll.“

„Clark braucht genauso sehr jemanden, der ein Auge auf ihn hat, wie ich, Perry“, betonte Lois, als sie in das Büro zurückging. Perry wurde rot und murmelte etwas Unverständliches. Bei dem Anblick musste Lois unwillkürlich grinsen. Sie hatte sich so oft darüber aufgeregt, wenn die beiden Männer den großen Beschützer heraushängen ließen. Doch heute war sie darüber gar nicht ärgerlich. Vielleicht lag es daran, dass ihr einfach nicht danach war den Aufstand zu proben, doch in Wahrheit genoss sie es einfach, dass sie Perry und Clark so viel bedeutete. „Als ich ihn gestern gefunden habe, war er in einer ziemlich schlechten Verfassung.“

„Tatsächlich?“ fragte Perry und hob eine Augenbraue. Dann schien er sich plötzlich daran zu erinnern, was Lois ihm über Clarks Verletzung erzählt hatte. Die Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben.

„Ich...äh... ich fürchte, Lois hat Recht, Perry“, gab Clark zurück. „Aber mir geht es schon viel besser.“

Perry nickte und runzelte kurz seine Stirn, begab sich dann aber zurück an seine Arbeit. Clark folgte Lois zurück in die Redaktion, als könnte er nicht schnell genug aus Perrys Büro entkommen. Hätte Lois es nicht besser gewusst, sie hätte geglaubt, dass Clarks Stirn schweißbedeckt war. Doch Clark Kent schwitzte nur, wenn es wirklich, wirklich heiß war. Also konnte das nicht sein.

Clark schwitzte tatsächlich. Nachdem er an diesem Morgen von einem wunderbaren Kuss geweckt worden war, hatte er sich mit jeder Minute, die seit dem Telefonanruf vergangen war, unwohler gefühlt. Und das lag nicht nur an seiner Seite, die mit jedem Schritt den er machte mehr schmerzte. Das war zwar unangenehm, aber auszuhalten. Wirklich schlimm war, dass er versuchte so zu tun, als sei alles in Ordnung, so gut eben, wie es nach Supermans Tod nur sein konnte. Das Problem war, dass er nicht nur ein fürchterlich schlechter Lügner war, er wollte auch gar nicht lügen. Sein Magen verkrampfte sich mit jeder Unwahrheit, die er erzählte, mehr. Vor lauter Selbstverachtung war ihm schon ganz schlecht. Er hatte versucht sich mit Halbwahrheiten durchzumogeln, die eher Viertelwahrheiten waren. Dann hatte er beschlossen lieber zu schweigen, als damit zu beginnen, die Wahrheit auch noch durch acht zu teilen.

In der Redaktion angekommen, musste Clark feststellen, dass alles nur noch schlimmer werden würde. Beinahe hatte er die Meute an Kollegen vergessen, die darauf warteten, dass er endlich eine zufrieden stellende Erklärung für sein Verschwinden liefern würde. Nachdem was Lois ihm erzählt hatte, war er vier Tage weg gewesen und hatte sich nicht krank gemeldet. Es war sinnlos nun eine plötzliche Krankheit zu erfinden. Er konnte sich sowieso nicht vorstellen, welche Erkrankung ihn vier Tage lang daran hinderte jemanden anzurufen und ihm im Anschluss dennoch erlaubte völlig gesund wiederzukehren.

Die Kollegenmeute hatte sich stark reduziert. Die meisten Neugierigen waren inzwischen dazu übergegangen Telefonate zu führen. Ihren entnervten Gesichtern nach zu urteilen verbrachten fast alle ihre Zeit in der Warteschleife. Runde um Runde lauschten sie irgendeiner Musik, die das Ohr bluten ließ und wurden dazu noch von einer weiblichen Stimme um Geduld gebeten. Jeder der geduldigen Hörer schien äußerst erpicht darauf etwas anderes zu hören. Clarks Rückkehr in die Redaktion war eine mehr als willkommene Abwechslung in dieser frustrierenden Routine. So sehr sich jeder Reporter auch danach sehnte eine gute Story zu landen, so hatten die wirklich fantastischen Geschichten nur zwei Vorteile. Sie versprachen niemals endenden Ruhm und sie verkauften sich gut. Ansonsten bedeuteten sie nichts als viel harter Arbeit gemischt mit ein paar Momenten spannender Recherchen. Dazwischen gab es langweilige Durststrecken mit Routinearbeit, denen die täglichen kleinen Redaktionsdramen erst die richte Würze gaben.

In diesem Augenblick war Clarks Erscheinen eines dieser Dramen. Den erwartungsvollen Gesichtern nach zu Urteilen, versprach es eines der besseren Dramen zu werden. Mehrere Augenpaare verfolgten jede seiner Bewegungen. Clark war fast erleichtert, als der junge Mann, der ihn zuvor so überschwänglich begrüßt hatte, ihn nun zu sich winkte. Er deutete auf den Hörer in seiner Hand um anzukündigen, dass der Anrufer mit Clark sprechen wollte.

„Hey, CK“, rief er und winkte noch einmal um sicherzugehen, dass Clark ihn auch gesehen hatte. „Er kommt jetzt, ich reiche sie weiter“, sagte er ins Telefon.

Clark ging langsam hinüber und versuchte nicht auf die vielen Blicke um ihn herum zu achten. Viele schienen enttäuscht, dass das Rätsel seines Verschwindens noch nicht gelöst werden würde. Clark hätte in ihr Seufzen einstimmen können, denn ehrlich gesagt wollte er selbst gerne wissen, warum er vier Tage lang wie vom Erdboden verschwunden gewesen war. Lois war dicht hinter ihm und gemeinsam näherten sie sich dem jungen Mann, der Clark den Hörer hinhielt. Nervosität stieg in ihm auf, als er nach dem Hörer griff.

Ein wenig ängstlich fragte sich Clark, was er nun sagen sollte. Wieder einmal fiel ihm auf, wie schlecht er darauf vorbereitet war seine eigene Rolle zu spielen. Doch was half es ihm schon, vor dem Telefon zurückzuscheuen, selbst wenn ihm deswegen der Schweiß in Strömen über die Stirn lief. Einen Moment lang dachte Clark, dass er ohnmächtig werden würde, als sein Herz in seinen Ohren pochte. Sein Mund war trocken und er war sich nicht sicher, ob ihm seine Stimme gehorchen würde. Eine Ewigkeit schien zu vergehen und Clark war von seiner eigene Angst beschämt. Wie sollte er auch erklären, warum er soviel Angst vor etwas hatte, dass er doch schon unzählige Male getan haben musste.

„Seakay“, meldete er sich heiser.

„Hier ist Henderson“, sagte der Mann am anderen Ende der Leitung ungeduldig und auch ein wenig verwirrt. „Ich möchte mit Ihnen und Ms. Lane über letzte Nacht in Suicide Slum sprechen. Ich erwarte Sie beide heute um drei Uhr nachmittags in meinem Büro. Keine Minute später! Ach übrigens, ich bin sehr neugierig wo sie die ganze Zeit gesteckt haben. Haben Sie eine Vorstellung davon, wie viele Krankenhäuser es in Metropolis gibt? Ich habe sie alle heute Morgen abtelefoniert, nur um zu erfahren, dass sie in keinem davon waren“, erklärte Henderson gereizt. Und bevor Clark noch etwas sagen konnte, hatte Henderson aufgelegt.

Clark hatte das Gefühl, dass gerade ein Hochgeschwindigkeitszug an ihm vorbeigerauscht war. Der Anruf war so schnell zu Ende gewesen, dass er Mühe hatte alles aufzunehmen, was Henderson gesagt hatte. Als Clark zu Lois und dem jungen Mann neben ihr hinüber blickte, sah er eine steile Falte über ihrer Nase. Ihre Stirn war gerunzelt. Seltsamerweise drückte ihre Miene nicht nur Neugier aus. Sie schien vielmehr Gefahr zu verheißen.

„CK, mh? Und ich sehe, dass du dir jetzt einen Bart wachsen lässt? Hab ich mich nicht immer beschwert, dass du zu wenig Zeit für mich hast? Sieht so aus, als hätte ich mich da geirrt!“ Der junge Mann kicherte amüsiert. Er klopfte Clark auf die Schulter, während Lois ihn mit Blicken zu töten versuchte seit er ihr ins Wort gefallen war, als sie gerade dazu angesetzt hatte, etwas zu sagen. Doch statt zusammenzuzucken, hatte er unablässig gegrinst und den Zorn in Lois’ Augen großzügig übersehen. Doch der Moment kam, in dem selbst der mutigste Mann der Welt den Kopf eingezogen hätte und dem jungen Mann ging es nicht anders. „Ich muss mal wieder zurück an die Arbeit, sonst macht Perry mich fertig. Bis später, CK!“ beeilte er sich zu sagen und war verschwunden bevor Clark noch etwas erwidern konnte.

„Was wollte Henderson?“ fragte Lois so ruhig sie nur konnte. Jimmy hatte ihr den Namen des Inspektors zugeflüstert als Clark den Anruf entgegen genommen hatte. Das war nicht die Frage, die Lois wirklich stellen wollte. Es kostete sie alle Selbstbeherrschung, die sie besaß, um Clark nicht sofort mit sich in den Konferenzraum zu zerren. Von Jimmy unterbrochen zu werden hatte ihr geholfen kühlen Kopf zu bewahren und sie wollte ihre Beherrschung nicht so schnell aufs Spiel setzten.

‚Im Zweifel für den Angeklagten’, erinnerte sich Lois und versuchte Mad Dog Lane fürs erste ruhig zu halten. Sie war es müde sauer auf Clark zu sein. Außerdem wollte sie sicher sein, dass es einen Grund gab seinen Kopf rollen zu lassen, bevor sie das Messer wetzte. Später würde sie vielleicht noch all ihren Zorn brauchen, um es ihm richtig zu geben.

„Er möchte uns um drei Uhr treffen“, antwortete Clark mit zitternder Stimme. War ihm bewusst, dass er einen Fehler gemacht hatte, wenn es denn einer war? Lois war sich nicht sicher. Sie musterte sein Gesicht, versuchte das Lächeln zu finden, dass alles als einen Witz entlarven würde. Doch er war vollkommen ernst. Wieder meldete sich Mad Dog Lane zu Wort, grummelte böse über den Beweis für Clarks Verrat. Er verbarg etwas vor ihr. Dessen war sie sich niemals sicherer gewesen, als in diesem Augenblick.

„Also gut“, sagte Lois heiser und ihr Mund wurde ganz trocken, als ihr auffiel, dass sie keine Ahnung hatte, was sie nun tun sollte. Sie war es nicht gewöhnt, dass ihr die Worte fehlten. Clark hatte ihr den Beweis geliefert, dass etwas mit ihm nicht stimmte, sie hatte sogar einen Zeugen dafür. Dennoch fühlte sie sich nicht sicher genug.

Clark schwieg ebenfalls. Er schaute Lois nur an und wartete darauf, dass sie den nächsten Schritt machte. Fieberhaft dachte er darüber nach, was er als ihren nächsten Schritt vorschlagen könnte. Immerhin waren sie Partner und er konnte nicht erwarten, dass Lois alles in die Hand nehmen würde. Doch so sehr er auch grübelte, ihm fiel nicht ein, was es nun noch sinnvolles zu tun gab – mit Ausnahme einer Sache vielleicht. Er schaute sich nach einem ruhigen Plätzchen um.

„Lois“, begann Clark. „Ich muss dir etwas erzählen...“ Er legte eine Hand auf ihren Arm um sie an einen anderen Ort zu führen.

„Hey, Clark, könntest du das bitte unterschreiben?“ fragte plötzlich ein anderer junger Mann neben ihm. Clark blickte sich erschrocken um und zuckte zusammen, als nur wenige Zentimeter vor seinen Augen ein Papier auftauchte.

„Was ist das?“ wollte er wissen und nahm das Blatt. Er überflog den Text und erkannte, dass es eine Liste von Bestellungen war, die der junge Mann aufgeben wollte.

„Uns fehlen ein paar Büromaterialien und du bist der erste, der nicht wie verrückt umher rennt, also dachte ich, ich bitte dich um die Unterschrift“, erklärte sein Gegenüber und versuchte dabei Lois nicht anzusehen, die über die Unterbrechung gar nicht erfreut schien. Deshalb beeilte sich Clark das Papier zu unterschreiben und wollte sie gerade dem jungen Mann reichen, als Lois Hand plötzlich vorschnellte und sich die Liste griff. Sie starrte mit offenem Mund auf die Unterschrift und schüttete ungläubig den Kopf.

Dann erwachte Lois auf einmal aus ihrer Lähmung und stürzte auf Clark zu. Er merkte nur, dass er von zwei kräftigen Händen am Kragen gepackt wurde. Einen Moment lang glaubte Clark, dass sie ihn ohrfeigen würde. Aber stattdessen zog sie ihn mit sich in den Konferenzraum. Aller Augen waren auf sie gerichtet, als Lois ihn dazu zwang ihr zu folgen. Clark merkte, wie seine Wangen vor Scham rot anliefen. Er wusste nicht genau, was geschehen war, doch er musste sich verraten haben. Sonst wäre sie nicht so wütend auf ihn, wie es nun offenbar der Fall war. Lois schien sich nicht darum zu scheren, dass die halbe Redaktion atemlos das jüngste Drama verfolgte. Wahrscheinlich war dieser Anblick sogar noch interessanter, als alles was Clark ihnen hätte erzählen können. Alle warteten darauf, dass einer von ihnen zu schreien begann. Ein Seufzen der Enttäuschung erfüllte den Raum, als sie ihren Streit nicht vor aller Augen begannen.


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Vega
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Bis dass das Leben uns scheidet...7/14

Beitragvon Vega » Do 21. Jan 2010, 10:40

Teil 7

Metropolis, Hendersons Büro, etwa zur selben Zeit

Henderson hielt mit Mühe ein Gähnen zurück, als er von den Akten aufblickte, die er während der letzten Stunde gelesen hatte. Er war müde. Doch bevor er nicht etwas vorzuweisen hatte, dass auch nur im Entferntesten einem Verdächtigen glich, war an Schlaf nicht zu denken. Obwohl in Metropolis beinahe täglich ein Mord geschah, war das Opfer wohl kaum je so berühmt und so schwer zu töten gewesen wie Superman.

Er wusste, dass die Leute verängstigt waren. Sie alle hatten sich gerne in der Sicherheit gewiegt, dass Superman unverwundbar war. Dass der Held ganz offensichtlich nicht unsterblich war, verstörte Henderson mindestens so sehr, wie jeden anderen Bürger der Stadt. Aber im Gegensatz zu vielen Anderen hatte Henderson nicht vergessen, dass Metropolis auch zurechtgekommen war, bevor Superman das erste Mal am Himmel erschienen war. Natürlich war es dank Supermans Hilfe ein sichererer Ort geworden. Aber die Polizei würde das Verbrechen bekämpfen, so wie sie es auch vor Superman immer geschafft hatte.

Ein leises Klopfen an der Tür unterbrach Hendersons Gedanken. Er blickte auf.

„Herein“, sagte er laut und deutlich.

Ein junger Sergeant öffnete die Tür und spähte durch den schmalen Spalt in das Büro. Er räusperte sich und wirkte ziemlich blass. Seine Stimme war nicht lauter als ein Flüstern. Henderson verstand kein Wort, auch wenn er sehen konnte, wie sich die Lippen des jungen Polizisten bewegten. Zu Hendersons großem Erstaunen schaffte er es ein Papier in seinen zitternden Fingern zu halten. Unsicher streckte er es dem Inspektor hin.

„Was ist los? Ich bin nicht sehr begabt im Lippen lesen“, fragte Henderson sanft. Normalerweise hätte er ein solches Verhalten nicht unkommentiert gelassen. Doch angesichts der Situation beschloss er, es diesmal zu ignorieren.

„Wir haben Fingerabdrücke ausfindig machen können, die mit den Fingerabdrücken auf der Waffe übereinstimmen, mit der Superman er...“ Die Stimme des Sergeants brach ab und er hielt Henderson stumm den Ausdruck hin.

Henderson stand auf und kam zur Tür hinüber. Er nahm das Blatt und sah sich die beiden Fingerabdrücke darauf an. Einer stammte von der Waffe, der andere aus dem Archiv. Sie waren tatsächlich identisch. Einige Linien waren markiert um den Vergleich zu erleichtern. Es bestand kein Zweifel. Langsam nickte Henderson und sein Blick wanderte zu dem Namen, der unter dem Fingerabdruck aus dem Archiv stand. Erschrocken schnappte der Inspektor nach Luft.

* * *
Metropolis, der Konferenzraum des Daily Planet, die Stunde der Wahrheit

Die Tür des Konferenzraums fiel hinter Lois mit einem Krachen ins Schloss. Sie waren wieder allein, niemand war da, der sie sehen oder hören würde. Mit finsterem Blick beobachtete Lois ihren Partner und gab sich nur wenig Mühe ihren Ärger zu verbergen. Ihre Augen funkelten zornig und Clark wäre nicht überrascht gewesen, wenn Rauch aus ihren Nasenlöchern aufgestiegen wäre. Er war sich wohl bewusst, dass er ihr längst die Wahrheit hätte erzählen sollen, statt beständig auf den richtigen Moment dafür zu warten. Wenn es ihn gegeben hatte, dann hatte Clark ihn ganz eindeutig verpasst. Nun war es zu spät.

„Was soll das?“ rief Lois und deutete wutentbrannt auf das Blatt Papier, auf dem seine Unterschrift stand.

„Ich... ich...“, murmelte Clark verwirrt. Er hatte nicht erwartet, dass es um ein Blatt Papier gehen würde.

„Kannst du mir das bitte mal erklären? In vollständigen Sätzen, wenn ich bitten darf!“ forderte Lois und wenig war von der liebevollen Frau übrig, die ihn an diesem Morgen geweckt hatte. Ihre Augen leuchteten in stummer Drohung und ihre Nasenflügel bebten vor mühsam unterdrückter Wut.

„Der Junge wollte nur ein bisschen Büromaterial bestellen. Ist der Daily Planet so pleite, dass wir uns nicht mal so etwas mehr leisten können?“ versuchte Clark sich zu verteidigen. Hatte er etwas vergessen, dass Perry erst kürzlich erklärt hatte? Aber warum sollte ihn jemand bitten etwas zu unterzeichnen, das er gar nicht unterschreiben dürfte?

„Wage es ja nicht mich für dumm zu verkaufen!“ schrie Lois. Mit dem Finger drohend schritt sie auf Clark zu. „Du wirst mir jetzt endlich sagen, was mit dir los ist!“ Ihre Stimme war kaum lauter als ein Flüstern und war dennoch oder gerade deswegen Angst einflößend.

Clark blickte betreten zu Boden. „Es... es tut mir Leid, Lois“, sagte er flüsternd.

„Du beantwortest meine Frage nicht“, gab Lois kalt zurück. „Was verbirgst du vor mir? Und sag mir jetzt nicht, dass ich Gespenster sehe, denn du hättest genauso gut eine Meldung ans Schwarze Brett hängen können.“ Sie wedelte mit dem Zettel vor seinen Augen herum und deutete auf die Unterschrift. Mit einem Schnauben fuhr Lois fort: „*Seakay!* Was hast du dir dabei gedacht?“

„Ich wusste nicht...“ murmelte Clark zögerlich und verstand immer noch nicht ganz, was ihn eigentlich verraten hatte. Das Blatt mit der Unterschrift kam ihm nicht besonders verdächtig vor. Oder hatte er einen anderen Namen?

Lois rang offenbar darum nicht ihre Fassung zu verlieren. „Was wusstest du nicht?“ fragte sie ungeduldig. „Das du nicht *Seakay* heißt?“

Mit vor der Brust verschränkten Armen hatte sie sich vor Clark aufgebaut und schien ihn auf einmal um Haupteslänge zu überragen. Ihre leicht geöffneten Lippen zitterten einen Moment lang, als könnte sich Lois nicht entscheiden, ob sie wirklich noch etwas sagen wollte. Doch dann prasselte eine Rede auf Clark hernieder, von der er allenfalls die Hälfte verstand.

„...bin nicht in der Stimmung für deine armseligen Entschuldigungen!“ schmetterte sie ihm entgegen und Clark fühlte, wie er innerlich noch weiter schrumpfte.

Er hatte sie wütend gemacht, sehr wütend. Und das verräterische Glitzern auf ihren Unterlidern verriet Clark, dass Lois mit den Tränen kämpfte. Sein Magen verkrampfte sich vor Schuldgefühlen und vor Angst, dass sie sich im nächsten Augenblick umdrehen würde um ihn in diesem Raum und in dieser fremden Welt allein zu lassen. Es fiel ihm zunehmend schwerer zu atmen. Und als Lois ihre Rede schließlich abbrach, herrschte eine ohrenbetäubende Stille in dem Konferenzraum, die alle Hoffnung zu ersticken drohte.

„Lois, es tut mir Leid“, flüsterte Clark mit brüchiger Stimme. „Ich... ich...“

„Clark! Sag mir *bitte* endlich was mit dir los ist. Und wage es jetzt ja nicht wieder abzuhauen“, forderte Lois gebieterisch.

Der Drang einfach weit weg zu laufen war stark. Sein Herz klopfte wie wild vor Angst. Er sackte gegen die Wand „Ich werde nicht abhauen“, sagte er leise. „Ich... als ich Perry gesagt habe, dass ich mich nur daran erinnere in dieser Gasse aufgewacht zu sein, entsprach das der Wahrheit. Ich weiß nichts von dem, was vorher geschehen ist. Absolut gar nichts!“ Er schloss die Augen und wartete auf Lois’ Reaktion. Innerlich rüstete er sich nicht für einen Sturm, sondern für einen Hurrikan.

„Du... was?“ fragte Lois ungläubig. „Kent, ich habe doch gesagte, dass ich keine Lust habe mir deine lahmen Ausreden anzuhören.“

„Das ist keine Ausrede, Lois. Mir ist aufgefallen, dass ich für Ausreden keine besondere Begabung habe.“ Er lächelte sie halbherzig an, doch auch dieses Lächeln verschwand, als sie ihn mit finsterem Blick musterte. „Seit du mich gefunden hast, habe ich irgendwie versucht mich durchzumogeln. Es ist nicht einfach dich glauben zu machen, dass ich mich an eine Vergangenheit erinnere, von der ich doch keine Ahnung habe.“

„Warum hast du mir das nicht früher erzählt?“ fragte Lois herausfordernd und runzelte ihre Stirn. Nichts in ihrem Ausdruck deutete darauf hin, dass sie Verständnis für ihn hatte, von Mitleid gar nicht zu sprechen. Lois war wirklich wütend auf ihn, daran bestand überhaupt kein Zweifel. Sie war entschlossen jedes seiner Worte auf die Goldwaage zu legen und Misstrauen stand ihr ins Gesicht geschrieben.

„Das konnte ich nicht“, erwiderte Clark und ärgerte sich darüber, wie dumm das klang. „Du wolltest mich ins Krankenhaus bringen. Ich hatte Angst davor, schreckliche Angst, ohne eigentlich zu wissen, warum. Alles, was ich wusste, war nur, dass ich auf keinen Fall dorthin gehen konnte.“

„Erwartest du wirklich, dass ich das glaube?“ fragte Lois und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Lois, ich flehe dich an, glaube mir!“ bettelte Clark.

„Warum sollte ich?“ gab Lois unerbittlich zurück. „Sag mir nur einen Grund warum ich dir glauben sollte und ich werde es vielleicht tun. Aber diese Geschichte, die du mir da erzählst ist einfach nur lächerlich. Warum denkst du dir nicht etwas aus, was der Wahrheit etwas näher kommt!“

Sie wandte Clark tatsächlich den Rücken zu, als wollte sie weg. Doch dann rührte Lois sich nicht weiter. Ihr ganzer Körper war völlig verkrampft und sie schien einen stummen Kampf mit sich auszufechten, von dem Clark nur hoffen konnte, dass er dabei eine Chance erhalten würde.

„Was ich dir gesagt habe stimmt, Lois“, sagte Clark verzweifelt. „Was habe ich dir nur getan, dass du so wenig Vertrauen zu mir hast?“ Seine Stimme war leise geworden, kaum mehr ein Flüstern. Er traute sich nicht mehr zu reden. Es war, als hätte er sein Recht sich zu Verteidigen längst verspielt. Sein Blick traf den ihren in einem letzten närrischen Versuch eine weitere Chance von ihr zu bekommen.

„Was du getan hast?“ fragte Lois ungläubig und drehte sich noch einmal zu ihm um. „Du versetzt mich ohne mir dafür gute Gründe nennen zu können. Erst erzählst du mir etwas über ein Abonnement von irgendeiner Käsezeitschrift und dann versuchst du mir weiszumachen, dass du dein Gedächtnis verloren hast. Du vertraust mir nicht, Kent. Das hast du mir angetan! Du verletzt mich immer wieder und das mit Absicht. Und ich habe die Nase voll davon!“

Vielleicht mit dem Gedanken an Flucht bewegte sich Lois einen Schritt näher hin zur Tür. Von der Seite her konnte Clark sehen, wie sich die Tränen in ihren Augen ihren Weg über ihre letzten Schutzwälle bahnten und über Lois’ Wangen hinabströmten. Offenbar war das Letzte, was Lois wollte, das Clark sie weinen sah. Verstohlen wischte sie sich mit der Hand über die nassen Wangen und konnte Clark doch nicht daran hindern, sie dabei zu beobachten. Sein Hals schwoll zu bei dem Gedanken an das, was nun folgen würde - das Schlagen einer Tür, Stille und dann unerträgliche Einsamkeit.

Clark stöhnte wie ein verletztes Tier. Seine Welt war dabei auseinander zu brechen und er konnte rein gar nichts dagegen tun. Kalter Schweiß bedeckte seine Stirn und sein Atem war flach geworden. Er schloss seine Augen und wartete mit klopfendem Herzen darauf, die Tür zuschlagen zu hören, weil Lois ihn verlassen hatte. Als nichts geschah, blickte er die Frau, die ihm das Leben gerettet hatte, unsicher an.

„Bitte geh nicht“, bettelte er mit heiserer Stimme und griff nach ihrem Arm um sie zurückzuhalten. Lois bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick, der ihn zusammenfahren ließ.

„Lass mich los!“ forderte sie unnötiger Weise. Clark hatte seine Hand längst zurückgezogen, als hätte er sich verbrannt.

„Bitte gib mir eine Chance, Lois“, bat er inständig.

„Dann sag mir endlich die Wahrheit. Lüg mich nicht an, nur dieses eine Mal!“

„Ich lüge nicht“, erwiderte Clark und senkte seinen Blick voll Scham. „Ich habe versucht dir zu sagen, dass ich mich an nichts erinnere, als der junge Mann mich gebeten hat diese Papiere zu unterschreiben. Ich habe mich nicht getraut mit dir zu reden, weil ich Angst hatte, dass genau das hier passieren würde.“

* * *

„Nun, es passiert, weil du mir nichts erzählt hast, Clark“, stellte Lois richtig und bemerkte, dass sie wieder seinen Vornamen benutzt hatte. Ihn Kent zu nennen, hatte es für einen Augenblick erleichtert ihre Wut zum Ausdruck zu bringen und war ihr wie die gerechte Bestrafung erschienen. Aber helfen würde es letztendlich nicht und außerdem begann sich ihr Magen vor Schuldgefühlen zu verkrampfen. „Wie kommst du überhaupt auf die Idee, dass dein Nachname Seakay ist?“ wollte Lois wissen. Ihre Stimme klang nicht ein bisschen sanfter. Im Gegenteil, ihre Worte waren harsch und zeugten davon, wie tief er sie verletzt hatte. Innerlich tat es ihr schrecklich Leid, dass Mad Dog Lane wieder einmal die Führung an sich gerissen hatte. Der Liebesschwur, den sie an diesem Morgen noch geleistet hatte, schien längst vergessen. So sollte sie sich nicht verhalten, wenn sie wirklich Liebe fühlte. Nicht einmal ein guter Partner hatte es verdient, nicht einmal angehört zu werden. Egal, was er verbrochen hatte.

<Wie kann ich nur behaupten ihn zu lieben, wenn ich es nicht einmal schaffe, ihm zu vertrauen?> dachte Lois betrübt.

„Ich weiß es nicht. Der junge Mann hat mich so genannt, also dachte ich, es sei mein Name“, antwortete Clark mit einem hilflosen Schulterzucken.

„Der junge Mann? Sein Name ist Jimmy. Das solltest du eigentlich wissen“, sagte Lois grimmig. Sie hob ihre Augenbrauen als Clark sich weigerte ihr endlich eine andere, bessere Geschichte aufzutischen. „Es kommt dir sehr gelegen dein Gedächtnis verloren zu haben, nicht wahr?“ fragte Lois ärgerlich und zuckte fast zusammen, als sie bemerkte, wie blass Clark bei ihren Worten wurde. Dennoch konnte sie nicht aufhören sich in Rage zu reden. „Das bedeutet, dass du mir nicht zu erklären brauchst, wo du die letzten vier Tage gesteckt hast“, sie lachte bitter. „Du kannst in Ruhe fortfahren vor mir zu verbergen, was auch immer du mir nicht erzählen willst. Du hast sogar einen Grund warum du dich nicht auf unsere Beziehung einlassen kannst. Immerhin kennst du mich ja gar nicht, oder?“

„Es kommt mir überhaupt nicht gelegen, Lois. Ich hasse es nicht zu wissen, wer ich bin“, entgegnete Clark gereizt. „Alles, was ich von mir erfahren habe, sagt mir, dass ich der Böse in dieser Geschichte bin, der ewige Lügner. Das macht mir Angst. Glaubst du wirklich, dass ich das hier genieße?“ fragte er flüsternd und schloss seine Augen. „Was habe ich nur getan um so viel Misstrauen zu verdienen? Was auch immer du von mir denkst, es stimmt einfach nicht, dass ich... ich... ich Angst habe mich auf dich einzulassen“, fügte er nervös hinzu.

„Wie willst du das wissen?“ fragte sie bissig.

Seine Geschichte war schwach – so schwach. Lois fühlte rasende Wut in sich aufsteigen. Dabei hatte sie gedacht, dass nichts auf der Welt sie noch mehr erzürnen könnte. Clark war dabei alles auf den Kopf zu stellen, was sie für wahr gehalten hatte. Ihr Clark war der liebenswerte Mann, der ganz offenbar Angst vor zu engen Beziehungen hatte. Alles, was Lois tun musste, so hatte sie wenigstens gehofft, war, ihn von dieser Angst zu befreien. Und nun stand er zitternd vor ihr und behauptete mehr oder weniger das glatte Gegenteil.

„Ich liebe dich“, sagte Clark heiser.

Er hatte begonnen an seinem Krawattenknoten herumzufingern. Während er um die Nase herum immer grünlicher wirkte, lockerte er den Knoten, den er sonst immer so scharf bewachte.

„Aber was soll es? Du wirst mir nicht glauben, nicht wahr?“ murmelte er traurig und senkte wieder den Blick. „Vergiss, was ich gesagt habe... Es muss kitschig klingen, dumm, wie aus einem schlechten Film...“ fuhr er fort. Seine Stimme wurde noch leiser und verklang schließlich in einem unverständlichen Murmeln. Nun schien er von diesem Ort weg zu wollen, so wie Lois zuvor. Seine Finger beschäftigten sich weiter unablässig mit dem Krawattenknoten und Lois sah dabei wie hypnotisiert zu. Er sprach plötzlich weiter, doch Lois hörte kaum hin. Unzusammenhängende Wortfetzen drangen zu ihr durch, fügten sich lose zu einer weiteren Liebeserklärung zusammen. Diesmal machte er sie, weil sie sich nicht so einfach einfangen ließ, weil sie es ihm nicht leicht machte. Das alles ergab für sie wenig Sinn. Doch mit einem Stirnrunzeln wurde Lois bewusst, dass ihr Herz sich nach seinen Worten sehnte, auch wenn ihr Verstand nicht so recht überzeugt war.

„Oh mein Gott“, hauchte Lois, als sie plötzlich die Bedeutung dessen erkannte, was sie die ganze Zeit so sehr erstaunt hatte.

Clark hatte ihr keine Antwort auf ihre Frage gegeben, auch wenn sie wenig von ihm gehört hatte, dass ehrlicher klang, als das. So richtig konnte Lois es sich nicht erklären, aber letztendlich war es die kleine Geste, die den Ausschlag gab. Dass Clark seine Krawatte gelöst hatte, bedeutete ihr mehr, als all seine Worte. So oft er seine Krawatte zurechtrückte, niemals zuvor hatte er sie in ihrer Gegenwart gelöst oder auch nur gelockert. Ihr grimmiger Gesichtsausdruck entspannte sich und sie blickte Clark besorgt an.

„Du sagst die Wahrheit, nicht wahr?“ flüsterte sie erschrocken.

Clark hob seinen Kopf und der Ausdruck schierer Verzweiflung wich ein wenig Hoffnung, die sich auf seinem Gesicht ausbreitete. Ein schmales Lächeln erschien auf seinen Lippen und er atmete erleichtert auf. Er straffte seine Schultern ein wenig und wirkte nicht mehr ganz so klein. Sein Blick war immer noch schüchtern, als würde er dem Frieden nicht trauen. Sie konnte ihn schlucken sehen.

„Ja, Lois, es ist wahr“, erwiderte er. „Ich habe mich heute Morgen nicht rasiert, weil ich meinen Rasierapparat nicht gefunden habe.“ Die Erklärung kam Lois reichlich sinnlos vor, doch sie nahm es als Zeichen, dass er endlich aufhören wollte etwas vor ihr zu verbergen.

„Das war nur eines von vielen merkwürdigen Dingen, die sich in den letzten Stunden ereignet haben, Clark. Versprich mir, dass du mich nie wieder anlügst. Ich ertrage es nicht, wenn du mich anlügst“, sagte Lois ruhig.

„Ich habe es nicht genossen, dich anzulügen, Lois. Ich hasse mich dafür. Es tut mir Leid, dass ich dir das angetan habe. Das hast du nicht verdient, vor allem nicht nachdem du mir so geholfen hast. Als du mich in Suicide Slum gefunden hast konnte ich vor lauter Angst kaum atmen. Ich weiß nicht wieso, aber ich konnte einfach nicht zulassen, dass du mich in ein Krankenhaus bringst. Ich hätte dir das schon viel früher erzählen sollen. Aber ich konnte einfach nicht. Bitte verzeih mir.“ Er sah sie an und seine Augen bettelten um ihr Verständnis, bettelten darum, dass sie ihm glaubte.

Lois war hin und her gerissen. Sie fühlte wie ihr Ärger bei seinem Anblick schwand. Sie wollte ihm vertrauen. Sie wollte sich sicher sein, dass er nicht wie all die anderen Männer war, die sie kannte. Aber Mad Dog Lane war nicht bereit so schnell Kleinbei zu geben. Über Wochen, wenn nicht gar Monate hatte sie sich immer wieder Entschuldigungen angehört, jede neue schlechter als die vorangegangene. Mad Dog Lane dachte immer noch, dass die Geschichte mit der Amnesie nichts weiter war, als ein neuer Versuch von Clark jeglichen Bindungen an sie zu entkommen.

„Keine Geheimnisse mehr, Clark. Ich meine es ernst!“ machte Lois deutlich. „Oder du wirst lernen, was es heißt sich mit Lois Lane anzulegen.“

„Keine Geheimnisse mehr, das verspreche ich“, antwortete Clark leise.

„Und was tun wir jetzt?“ wollte Lois wissen und atmete hörbar aus.

Nun da ihr Zorn sich zu legen begann, fühlte sie sich erschöpft. All der Schmerz, den der Morgen gebracht hatte, rollte in einer riesigen Welle erneut über sie, die sie zu ertränken drohte. Sie sackte auf einem Stuhl zusammen und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. Lois war sich nicht sicher, ob sie wirklich tun konnte, worum Perry sie gebeten hatte. Wie professionell sie sonst auch war, sie konnte einfach nicht objektiv sein, wenn es um Superman ging. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, wollte sie eigentlich nichts lieber tun, als sich in die Ecke zu setzen und ihren Tränen freien Lauf zu lassen. Auch wenn sie wusste, dass sie sich später dafür hassen würde. Lois Lane heulte nicht, sie war eine Kämpferin.

Aber Lois hatte sich schon die Augen ausgeweint nachdem Dillinger Clark scheinbar erschossen hatte. Es waren die schlimmsten Tage ihres Lebens gewesen, als sie Clark für tot gehalten hatte. Und die Tage die nun vor ihr lagen würden sicher kaum angenehmer werden, vor allem da sie nun nicht mehr auf ein Wunder zu hoffen brauchte. Superman war tot.

Sie fühlte eine warme, beruhigende Hand auf ihrer Schulter. Ein kräftiger Daumen massierte ihr die Schultern so, dass ihre Anspannung langsam nachließ. Der unerträgliche Schmerz allerdings blieb. Der Druck der Hand auf ihrer Schulter verstärkte sich für einen Moment, als Clark neben ihr auf einen Stuhl sank.

„Du hast Superman wirklich sehr gemocht, oder?“ fragte er sanft.

„J...ja“, antwortete Lois unterbrochen von einem Schluchzen. „Er war der freundlichste Mann, den man sich vorstellen kann. Er fühlte sich nicht als etwas besseres, weil er Superkräfte hatte. Die Menschen bedeuteten ihm etwas.“ Für einen kurzen Augenblick schwieg Lois, bevor sie fortfuhr. „Aber du mochtest ihn auch. Er war dein Freund, vielleicht sogar eher dein Freund als meiner. Ich...“ sie räusperte sich verlegen. „Ich habe nie wirklich verstanden, warum du ihm wichtiger warst, als ich. Als er in Metropolis auftauchte, habe ich mich in ihn verknallt, als wäre ich noch ein Teenager. Ich habe ihn bewundert und dachte, dass ich in ihn verliebt wäre. Ich habe mir sogar vorgestellt, wie mein Leben wohl wäre, wenn er nur meine Gefühle erwidern würde. Manchmal dachte ich sogar, das täte er.“

* * *

„Ich bin mir sicher, dass du ihm viel bedeutet hast, Lois. Ganz bestimmt sogar“, versicherte ihr Clark und fuhr fort ihren Rücken zu streicheln. Er war glücklich darüber, dass sie vor ihm nicht mehr zusammenzuckte und seine Berührung zuließ. Er fühlte, wie sie mit jedem neuen Schluchzen erzitterte. Ihr so nahe zu sein war himmlisch, auch wenn es kurz zuvor noch die Hölle auf Erden bedeutet hatte. Clark fragte sich, ob das Leben mit Lois wohl immer aus solchen krassen Höhen und Tiefen bestand. Jedenfalls war es bestimmt nicht langweilig.

„Wie willst du das wissen?“ fragte Lois mit gerunzelter Stirn. Sie hob den Kopf und musterte ihn. Aber die Drohung, die vorher in ihrem Blick wie eingebrannt war, schien nun verschwunden.

„Du hast recht, ich *weiß* es natürlich nicht“, gab Clark zu. „Aber wie könntest du einem Mann völlig egal sein? Du bist stark, mutig und wunderschön.“ Er hielt inne und holte tief Luft, bevor er weiter sprach. „Es tut mir sehr Leid, Lois. Ich hätte dir das niemals antun dürfen. Ich weiß, dass du mir das so schnell nicht vergeben kannst. Ich verstehe es, wenn du Zeit brauchst. Aber bitte schließ mich nicht einfach aus. Schrei mich an, schlag mich, wenn du willst. Aber lass mich bitte nicht im Stich. Du bist der einzige Mensch auf diesem Planenten, den ich kenne und ich könnte es nicht ertragen dich zu verlieren.“

„Du machst es einem wirklich nicht einfach dich zu lieben, Kent. Weißt du das eigentlich?“ sagte Lois und fuhr mit ihrer Hand durch sein Haar, während ihre andere Hand auf der Stuhllehne ruhte. Sie saß noch immer auf dem Stuhl, auf den sie zuvor gesunken war. Doch nun hatte sie sich zu ihm umgedreht und schaute ihn von unten her an. Ein wohliger Schauer lief seinen Rücken hinunter. Es war das erste Mal seit sie den Konferenzraum betreten hatten, das Lois nicht im Geringsten verärgert klang. Sie blickte in sogar fast liebevoll an. Aber Clark traute sich nicht zu viel in ihre Blicke hineinzulesen. Er konnte sich glücklich schätzen, dass sie ihm nicht den Kopf abgerissen hatte. Doch sie hatte seinen Nachnamen fast wie ein Kosewort ausgesprochen und ihre Geste unterstrich nur noch diesen Eindruck.

Clark antwortete mit einem Nicken und seine Lippen verzogen sich zu einem scheuen Lächeln. „Aber du tust es?“ fragte er schüchtern.

Lois sah ihn offen an und Clark war verblüfft wie wunderschön sie war, auch wenn ihre Augen vom Weinen verquollen waren. Sie blickte ihm tief in die Augen, als hoffte sie die Antwort auf seine Frage in deren dunklem Braun zu finden. Für eine Weile saß sie reglos da und Clark fragte sich, ob sie wohl jemals antworten würde. Die Zeit schien still zu stehen und darauf zu warten, dass Lois endlich nicken würde, wie um zu zeigen, dass alles wieder in Ordnung war.

„Na ja, du machst es einem auch nicht wirklich einfach dich zu hassen“, sagte sie mit einem verräterischen Zucken um ihre Mundwinkel. „Der Himmel weiß wieso, aber ich liebe dich“, fügte sie nach einer halben Ewigkeit hinzu. Sie beugte sich zu ihm vor und er bückte sich ein wenig, bis sich ihre Lippen zu einem kurzen Kuss trafen, der Clarks ganzen Körper unter Strom zu setzen schien. „ Lüg mich bloß nie wieder an“, murmelte Lois an seinen Lippen.

„Nie wieder“, versprach Clark und küsste Lois erneut.

Ihre Lippen waren wärmer und weicher, als er sie sich jemals hätte erträumen können. Sie schmeckten ein wenig salzig, benetzt von den Tränen, die über ihre Wange gelaufen waren. Liebevoll küsste Clark die Salzspur weg bis nur noch der Geschmack von Lois übrig blieb, süß, schokoladig und unglaublich verführerisch. Er spürte ihre Zähne sanft an seiner Unterlippe knabbern. In ihrem Kuss lag die Hingabe einer Frau, die sich darum bemühte ihren Geliebten an sich zu binden, damit er es niemals wieder wagen würde, sie zu belügen. In jeden seiner Küsse versuchte er eine Entschuldigung zu legen, versuchte ihre Lippen dafür zu entschädigen, was er Lois angetan hatte.

Plötzlich löste sich Lois von Clark und setzte sich aufrecht hin. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und ihr vorher noch verweintes Gesicht hatte mit einem Mal einen sehr bestimmten Ausdruck. Ihre fast finstere Miene warnte jeden davor jenen Moment der Schwäche auch nur Ansatzweise zu erwähnen. Sie rang offenbar um Beherrschung und Clark war klug genug ihr Verhalten nicht zu hinterfragen. Er hatte keine Ahnung warum er das wusste, aber ihm war klar, dass es in der Regel nicht half Unangenehmes zu verdrängen. Der Schmerz wurde dadurch nur noch qualvoller.

„Wir sollten damit beginnen, dich über die Ereignisse der letzten vier Tage zu informieren“, sagte sie sachlich. Ihre Stimme hatte nun kaum mehr etwas mit der verzweifelten Lois gemein, die Clark nur wenig zuvor kennen gelernt hatte.

„Henderson möchte uns treffen. Er hat gesagt, dass wir um drei Uhr in seinem Büro sein sollen“, wiederholte Clark, als er sich wieder an den Anruf erinnerte, der sie beide erst in den Konferenzraum geführt hatte. „Er hat sich sehr verärgert angehört, weil er uns den ganzen Morgen über gesucht hat. Er dachte, du hättest mich in ein Krankenhaus gebracht. Übrigens habe ich mich noch gar nicht dafür bedankt, dass du es nicht getan hast.“

Lois schnitt eine Grimasse. „Dank mir lieber nicht, Clark. Ich denke immer noch, dass du bei einem Arzt besser aufgehoben wärst. Die Sache mit dem Krankenhaus wirst du mir erklären müssen, sobald du dich erinnerst warum du solche Angst hast.“

„Das werde ich“, versprach Clark. „Was ist nun mit uns, Lois, jetzt, da du bescheid weißt? Ich meine, ich kann mich nicht erinnern, was war bevor ich in dieser Gasse aufgewacht bin.“
„Was mit uns ist?“ fragte Lois zögerlich. „Nun, um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung. Es ist nicht so, als wüsste ich, was genau du eigentlich wolltest“, meinte sie und stand auf. „Ich habe immer noch darauf gewartet, dass du mir sagst, wie es nun weitergehen soll. Du schienst mir nicht gerade begeistert davon dich auf mich einzulassen“, sagte sie mit vor der Brust verschränkten Armen. Dann entspannte sich ihre Haltung etwas und sie begann im Konferenzraum auf und ab zu gehen. „Wann immer wir etwas Wichtiges zu besprechen hatten, bist du einfach davon gestürmt. Und dann war da noch Dan Scardino. Ich musste mir erst mal über meine Gefühle klar werden“, fügte sie hinzu und blieb plötzlich vor Clark stehen. „Wenn es dir hilft – ich habe mich dafür entschieden mein Leben mit dir zu verbringen. Aber das konnte ich dir nicht mehr sagen, weil du verschwunden warst, als ich zu deiner Wohnung kam. Aber was uns angeht, denke ich nicht, dass dies der richtige Zeitpunkt ist, um eine Entscheidung zu treffen. So sehr ich mir auch wünsche, dass du das endlich mal tun würdest.“

Sie errötete und blickte zu Boden. Die furchtlose Reporterin war verschwunden und für einen Augenblick sah Clark wieder die verletzliche Lois. Ein wenig schuldbewusst legte er ihr seine Hand auf die Schulter. Er konnte sich nicht daran erinnern, sie so verletzt zu haben. Und er konnte es kaum ertragen sie so traurig zu sehen, vor allem da er wusste, dass es seine Schuld war.

„Es tut mir Leid, Lois“, sagte er leise. „Ich bin sicher, dass du dir diesen Tag anders vorgestellt hast. Für dich war ich zurück und nun musst du feststellen, dass ich das nicht wirklich bin“, fügte er schuldbewusst hinzu und nahm seine Hand von ihrer Schulter, als hätte er nicht länger das Recht sie zu berühren. „Du hast recht damit, dass wir jetzt keine Entscheidungen treffen sollten. Und ich wage es auch nicht, dir irgendwelche Versprechungen zu machen.“ Nun war es an Clark im Konferenzraum umherzulaufen, wie ein Tiger im Käfig. „Alles, was ich sagen kann, ist, dass ich mich zu dir hingezogen gefühlt habe seit ich beinahe in dein Auto gelaufen wäre. Ich... ich habe dich wirklich sehr gern“, sagte er leise, fast flüsternd und blickte ihr tief in die Augen. „Und warum auch immer ein Clark Kent mit Erinnerungen dich auf Distanz halten mag, ich bin mir sicher, dass es dafür gute Gründe gibt. Mir macht jedoch die Möglichkeit Angst, dass ich falsch liegen könnte. Vielleicht ist Clark Kent ja auch einfach nur ein Idiot.“

„Du sprichst von dir selbst doch nicht gerade in der dritten Person, oder?“ fragte Lois mit einem Stirnrunzeln.

Plötzlich flog die Tür des Konferenzraums auf und Jimmy stürmte hinein.

„Das müsst ihr euch ansehen, sonst glaubt ihr das nicht!“ rief er atemlos und winkte Lois und Clark zu ihm zurück in die Redaktion zu folgen.

Einige ihrer Kollegen standen an den Fenstern und starrten auf die Straße vor dem Planetgebäude. Offensichtlich passierte dort gerade etwas Aufregendes, dass die langweilige Routinearbeit unterbrach, die kaum irgendwelche Resultate brachte. Lois wusste, dass alle im Grunde nur alle auf die Pressekonferenz warteten. Bis dahin würden keine Informationen freigegeben werden. Deswegen hingen die meisten mit ihrer Arbeit ziemlich in der Luft und freuten sich über jede Abwechslung. Aufgeregt begannen die Zuschauer des Spektakels auf der Straße zu murmeln und schon bald hatte sich eine hitzige Diskussion entwickelt. Neugierig traten Lois und Clark näher an die Fenster, um herauszufinden, was ihre Kollegen so faszinierte.


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Vega
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Bis dass das Leben uns scheidet... 8/14

Beitragvon Vega » Fr 22. Jan 2010, 12:28

Teil 8


Wenig später sahen Lois und Clark nicht nur, was Jimmy unglaublich genannt hatte. Sie waren mittendrin. Als sie den Aufzug verließen, merkten sie sofort, dass die Dinge noch viel schlimmer waren, als sie zunächst gedacht hatten. Lois und Clark waren in ein nervenaufreibendes Blitzlichtgewitter geraten. Was ihnen wie eine große Ansammlung Reporter vor dem Planet erschienen war, stellte sich als eine Flut heraus, die schon jeden Winkel der Eingangshalle erreicht hatte. Lois konnte sich nicht erinnern, sie jemals so überfüllt gesehen zu haben.

Als sie den Übertragungswagen von LNN vor dem Daily Planet hatten stehen sehen, hatten sie noch Witze gerissen. Sie hatten sich darüber amüsiert, dass offenbar jemand meinte der Daily Planet hätte Neuigkeiten, die es abzuschreiben lohnte. Aber nun war ihnen nicht mehr zum Scherzen zumute.

„Da ist er“, hörte Lois verschiedene Reporter um sich herum schreien oder flüstern, je nach dem Temperament des Kollegen.

Die Neuigkeit schien sich wie ein Lauffeuer in der Halle zu verbreiten und bald starrte buchstäblich jeder Clark und sie an. Irritiert blickte Lois nach oben, für einen Moment von der unsinnigen Hoffnung erfüllt, dass ihre Kollegen von Superman sprechen könnten. Die Blitzlichter vereinzelten sich und nur noch hin und wieder erhellte eines die Halle. Es herrschte eine geradezu unheimliche Stille. Auch der letzte schien nun zu wissen, dass *er* da war, wer auch immer das sein sollte.

„Mr. Kent!“ durchbrach endlich jemand das Schweigen, schrie und wurde sofort wieder leise, offenbar von seiner eigenen Stimme erschreckt. „Ist es wahr? Haben Sie Superman gefunden? Was sagen sie zu den Gerüchten, dass sie ihn umgebracht haben?“

Plötzlich schien ein Sturm loszubrechen. Fragen flogen durch den Raum, wie Kugeln in einer Schießerei. Es war unmöglich auch nur eine einzige zu verstehen. Lois und Clark wurden vorwärts gestoßen und von Reportern umringt. Jeder war bestrebt einen Exklusivbericht über den Skandal des Jahrhunderts zu ergattern. Es dauerte nicht lange, bis Lois und Clark von der Menge getrennt wurden. Aber das fiel ihnen selbst kaum auf. Keiner der beiden brachte es fertig, einen klaren Gedanken zu fassen.

Es dauerte eine Weile, bis die Fragen der Reporter einen Weg in Lois’ Bewusstsein fanden. Und es dauerte noch ein wenig länger, bis sie ihre Bedeutung erfasst hatte. Jemand musste der Presse gesteckt haben, dass Clark Kent Supermans Leiche gefunden hatte. Aber wie um alles in der Welt kam jemand auf die Idee Clark könnte den Mann aus Stahl umgebracht haben?

Lois holte tief Luft, um ihre Fassung zurück zu gewinnen. Doch dann waren ihre Gedanken wieder völlig klar. Es hatte keinen Sinn zu warten, bis jemand ihr freundlicherweise erklärte, was los war. Sie musste schon fragen. Ihr Blick fiel auf einen Mann, der während ihrer kurzen Zeit bei LNN mit ihr zusammen gearbeitet hatte. Bevor der Mann auch nur eine Chance hatte, sich zu wehren, hatte sie ihn beim Revers gepackt und an eine Seitenwand der Halle gestoßen.

„Was geht hier vor?“ fragte sie und bedachte ihn mit einem Blick, der selbst dem Mutigsten Angst eingejagt hätte. „Was habt ihr da mit Clark?“

„Lois, ich habe keine Ahnung wovon du...“ begann er sich zu winden, doch als sich Lois Griff verstärkte, änderte er rasch seine Meinung. „Schon gut, schon gut. Von einer anonymen Quelle haben wir erfahren, dass Kent Supermans Leiche gefunden hat... und das seine Fingerabdrücke auf der Tatwaffe gefunden wurden.“

„Das ist nicht wahr“, gab Lois protestierend zurück, als wäre jedes Gerücht im Keim erstickt, wenn sie alles nur laut genug bezweifeln würde.

Ihr früherer Kollege fing an zu lachen. „Das hat er dir also nicht erzählt? Arme Lois. Wie ist es so sich in einen Mörder zu verlieben, nachdem du gerade noch einen Superverbrecher hast sitzen lassen? Was macht Metropolis’ dunkle Seite so attraktiv für dich? Hat Superman dir vielleicht den Laufpass gegeben und Kent hat dir zuliebe Rache geübt?“ Als Lois keine Worte fand um zu antworten, drängte er sie beiseite. „Ich hoffe, es macht dir nichts aus, Lois. Da wartet noch eine Exklusivstory auf mich!“

Lois blieb wie vom Donner gerührt stehen und versuchte zu verstehen, was sie gerade gehört hatte. Clarks Fingerabdrücke waren auf der Tatwaffe? Das schien vollkommen unmöglich. Es war etwas, dass sie nicht mal für einen Moment in Betracht ziehen würde, litte Clark nicht an dieser merkwürdigen Amnesie. Was konnte zwischen Superman und Clark vorgefallen sein? Lois versuchte sich vorzustellen, dass Clark mit einer Pistole auf Superman zielte. Aber der friedliebende Clark, den Lois kannte, konnte so etwas nicht, von Abdrücken einmal ganz zu schweigen. Sollte eine Amnesie das ändern? Lois schüttelte den Kopf, es war undenkbar.

* * *

Währenddessen war Clark von einer Gruppe Reporter umschlossen, die ihn weiter drängten. Sein Atem kam in kurzen Stößen und Panik hatte ihn fest im Griff. Ein kurzer Blick über die Menge hinweg sagte ihm, dass Lois ihm dieses Mal kaum beistehen konnte. Er verstand die Fragen, die ihm gestellt wurden, kaum. Und der Raum um ihn herum war viel zu eng, schien immer näher zu kommen, während sich die Menge um ihn mit jedem Atemzug dichter an ihn drängte.

„Was ist zwischen Ihnen und Superman vorgefallen?“

„Wie haben Sie ihn getötet?“

„Warum haben Sie es getan?“

Jemand hielt ihm ein Tonband vors Gesicht und schlug ihm damit beinahe die Brille von der Nase. Clark verfluchte jemals den Aufzug verlassen zu haben. Was hatte Lois und ihn nur geritten herausfinden zu wollen, was der Auflauf vor dem Planet zu bedeuten hatte? Er wusste es nicht, er wusste es wirklich nicht. Was sollte er den Leuten sagen? Das er Superman zwar gefunden hatte, sonst aber rein gar nichts wusste? Beide Tatsachen sollten eigentlich nicht an die Öffentlichkeit gelangen.

„Ich... ich...“ Clarks Verstand raste und verzweifelt versuchte er sich an etwas zu erinnern, dass es ihm ermöglichte die Anschuldigungen abzustreiten. Er wusste nichts über sich, aber er konnte sich nicht einmal vorstellen eine Waffe in die Hand zu nehmen. Und er wollte sie schon gar nicht benutzen. „Ich möchte mit der Polizei sprechen, bevor ich irgendetwas über Superman sage“, brachte er schließlich hervor.

Wenn er ehrlich war, wollte er über diese ganze Sache nicht einmal nachdenken, bevor ihm nicht jemand die Waffe mit seinen Fingerabdrücken zeigte. Er konnte doch kein Mörder sein, oder? Das war alles nur ein Gerücht, ein furchtbares Missverständnis. Seine Gedanken vergrößerten seine Angst nur und sein Magen verkrampfte sich schmerzhaft. Wenn nur der endlose Weg durch die wütende Menge ein Ende finden würde, dachte er verzweifelt.

„Sie waren als vermisst gemeldet, Kent. Wo waren sie? Hatte Superman etwas mit ihrer Abwesenheit zu tun?“ fragte ein anderer Reporter.

Clark schüttelte verärgert und verängstigt seinen Kopf. „Ich habe gesagt, dass ich keinen Kommentar abgeben werde“, brüllte er, wie ein verwundetes Tier. „Warum lasst ihr mich nicht einfach in Ruhe!“

Clark merkte zu spät, dass er das Falsche gesagt hatte. Immer mehr Kameras blitzten auf und an den neugierigen Gesichtern um ihn herum konnte er erkennen, dass sie nur umso mehr Blut geleckt hatten. Nun waren alle überzeugt, dass er etwas zu verbergen hatte. Mit jeder Minute, die verstrich, ohne dass er etwas sagte, war die Menge mehr überzeugt, dass er ein Mörder war.

„War er nicht mit Ihnen befreundet? Haben Sie ihn kurz vor seinem Tod...“

„...fühlt es sich eigentlich an zu töten...“

„Geht und sucht euch jemand anderen, der eure Fragen beantwortet“, rief Clark in hilfloser Panik und versuchte sich einen Weg durch die Menge zu bahnen. Natürlich gab es außer ihm niemanden, der irgendwelche Fragen hätte beantworten können.

Es kümmerte ihn nicht wirklich, ob jemand seinen Ellbogen zu spüren bekam. Er wollte nur raus. Doch die Menge war stärker als er. Je verzweifelter er versuchte sich zu befreien, desto stärker drängten sie ihn zurück ins Zentrum der Menge. Ihm hätte klar sein müssen, dass er in seinem augenblicklichen Zustand nicht kämpfen konnte. Aber er wurde von einem Hieb in die Seite überrascht, der ihm den Atem nahm. Er knickte ein und hielt sich die schmerzende Seite. Er wusste, dass es vorbei war. Clark wusste, dass er das Gebäude niemals würde verlassen können. Die Panik, die ihn schon in dem Moment ergriffen hatte, als er den ersten Fuß aus dem Aufzug gesetzt hatte, überschwemmte ihn mit voller Macht, ertränkte ihn förmlich.

„Mörder!“ rief jemand neben ihm und es war nicht der einzige. Einige der Schaulustigen und Reporter kamen Clark näher, bauten sich bedrohlich vor ihm auf. Es fiel ihm immer schwerer zu atmen.

„Er ist verletzt“, flüsterte jemand anderes und schien darüber geradezu erfreut zu sein.

Clark wünschte sich nur, dass sie ihn endlich in Ruhe lassen würden. Er hasste es im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Am liebsten wäre er davongerannt, doch das konnte er nicht. Mit all den Menschen um ihn herum stand weglaufen einfach außer Frage.

„Hat Superman dich verletzt, als er um sein Leben gekämpft hat, Kent?“

„Wie hast du ihn besiegt?“

Das Fragen hatte von Neuem begonnen, sobald es Clark gelungen war zu Atem zu kommen und sich wieder aufzurichten. Er schaute sich um und hoffte Lois irgendwo zu sehen, aber sie war verschwunden. Und niemand anderes schien bereit ihm aus dieser Sache herauszuhelfen.

„Verschwindet“, rief er hilfos. „Lasst mich allein!“

Er wollte nicht einmal über die Bedeutung der Fragen nachdenken. Hatte Superman ihn verletzt? Hatte er Superman getötet? Das alles erschien ihm so unmöglich, zu unwahrscheinlich, als das es selbst in einem Traum hätte passieren können. Er konnte doch nicht wirklich einen Mann getötet haben? Immerhin hatte er sich alle Mühe gegeben Superman zu retten. Zählte das denn gar nichts? Clark fühlte sich wie in einem Alptraum gefangen, aus dem es kein Erwachen gab. Plötzlich wurde sein Verstand von Bildern geradezu überschwemmt.

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Er war tropfnass und zitterte am ganzen Leib. Verzweifelt huschte sein Blick durch die Gasse, immer auf der Suche nach einem Ort an dem er sich verstecken konnte, doch vergebens. Clark stolperte über irgendetwas, aber er konnte nicht erkennen, um was für eine Art von Müll es sich dabei handelte. Sein Atem ging schnell, kam in kurzen Stößen und war mindestens genauso gehetzt wie sein Blick. Immer wieder drehte er angsterfüllt seinen Kopf und schaute, ob da nicht jemand hinter ihm war. Es war fast dunkel, dunkler als es zu dieser Tageszeit üblich war. Der Himmel war mit dunklen Wolken bedeckt. Regen klatschte auf die Straße, umgab Clark wie ein dicht gewebter Vorhang und verhüllte alles um ihn herum. Nur hin und wieder zuckten Blitze über den Himmel und ließen Clark einen kurzen Blick auf seine Umgebung erhaschen. Aber das zusätzliche Licht erhellte nichts lang genug, als dass es wirklich eine Hilfe gewesen wäre. Er stolperte weiter und sein Fuß verfing sich in irgendeinem anderen undefinierbaren Gegenstand.

Ein weiterer Blitz erleuchtete etwas in Rot und Blau direkt vor ihm. Doch bevor Clark noch reagieren konnte, spürte er eine kräftige Hand schwer auf seiner Schulter, deren Finger sich schmerzhaft in seine Muskeln bohrten. Clark schnappte nach Luft, als er mit dem Rücken hart gegen die Backsteinmauer geschmettert wurde. Sein Aufschrei wurde von tiefem Donnergrollen und einem lauten Wutschrei verschluckt, der trotz des Gewitters deutlich zu hören war.

„Du wirst mir nicht länger im Weg stehen!“ rief Superman zornig und schleuderte Clark noch einmal gegen die Mauer.

Clark kämpfte gegen den festen Griff an. Er wusste bereits, dass es sinnlos war, doch er quälte sich nur umso verbissener. Er war zu schwach und alles was ihm seine Gegenwehr einbrachte, war ein böses Lachen seines Angreifers. Clark versuchte sich selbst einzureden, dass er sich nur konzentrieren musste, nur noch ein bisschen mehr. Er wollte nicht akzeptieren, dass er auf verlorenem Posten kämpfte. Superman war zu stark für ihn. Es überraschte ihn nicht wirklich, aber erschütterte ihn dennoch in seinen Grundfesten.

„Das...das kannst du nicht tun“, flüsterte er, weil nicht genug Luft in seine Lungen war, um laut zu sprechen. „Die Welt braucht Superman, ein Idol, zu dem die Menschen aufsehen können.“ Er schrie auf, als sich der Griff an seiner Schulter verstärkte, schmerzhafter wurde.

„Es kümmert mich nicht, was die Welt braucht. Es genügt mir zu wissen, was ich brauche und du bist mir nur im Weg. Du magst einmal entkommen sein, aber glaub ja nicht, dass dir das noch einmal gelingt“, erwiderte Superman, die Drohung in seiner Stimme unmissverständlich.


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„Kent?“ Die Stimme klang einigermaßen vertraut.

Ein wenig verwirrt blickte Clark auf. Er schaute in das ernste Gesicht eines Mannes, der ihn besorgt musterte. Zumindest sah es durch die Gläser der Sonnenbrille so aus. Die Menge um Clark hatte sich ein wenig ausgedünnt und wie durch ein Wunder stand Lois wieder neben ihm. Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter, wie um ihm zu zeigen, dass sie bei ihm war, nicht nur körperlich.

„Würden Sie bitte mit mir kommen?“ fragte der Mann mit der Sonnenbrille.

Clark versuchte sich daran zu erinnern, wo er die Stimme schon einmal gehört hatte. In letzter Zeit hatte er nur mit wenigen Menschen gesprochen, es konnte nicht so schwer sein, sich zu erinnern. In der Hoffnung einen Rat zu erhalten, suchte Clark Lois’ Blick. Ihr Ausdruck war besorgt und ein wenig grimmig. Eine kleine Falte über ihrer Nase verlangte ganz eindeutig nach Antworten.

Clark stand auf, beinahe erstaunt über die Tatsache, dass er auf dem Boden gesessen hatte. Seine Beine hatten offenbar unter ihm nachgegeben. Er fühlte sich immer noch zittrig. Die Erinnerung, so sie denn eine war, beherrschte seine Gedanken und er versuchte sich einen Reim auf die Dinge zu machen, die er gesehen hatte.

„Wir müssen Ihnen einige Fragen stellen, Kent“, sagte der Mann. Als hätte jemand eine verschlossene Tür aufgestoßen, erinnerte sich Clark plötzlich wieder an den Namen zu der Stimme. Es war Inspektor Henderson.

„Verhaften Sie ihn!“ riefen einige Reporter aufgebracht. „Verhaften Sie ihn endlich!“

Den Rest des Weges aus dem Daily Planet ging Clark wie im Traum. Inspektor Henderson schaffte es durch die Menge zu wandern, wie einst Moses durch das Rote Meer. Es erschien einfach, so ohne jede Anstrengung, dass Clark sich fragte, warum es ihm vorher nicht gelungen war. Eine warme Hand schloss sich um seine und drückte sie leicht. Doch in diesem beruhigenden Händedruck lag ein gewisses Zittern, das Clarks eigene Gefühle nur allzu gut widerspiegelte.

Superman hatte ihn angegriffen. Es gab etwas, an das er sich erinnern konnte! Wenn es doch nur etwas weniger unangenehmes wäre...

* * *

„Ich hatte doch wirklich gehofft, dass sie niemandem über Superman erzählen würden!“ brach es aus Henderson heraus, als sie sicher im Streifenwagen saßen. Seine Brauen waren zusammengezogen und die Enttäuschung in seinem Blick wurde fast zu Verachtung. „ Wie konnte ich von zwei Reportern erwarten, dass sie sich verantwortungsbewusst verhalten würden? Ich muss zugeben, dass ich wirklich besser von Ihnen beiden gedacht habe. Habe ich Ihnen nicht die Exklusivrechte an jeder wichtigen Sache gegeben, die ich je bearbeitet habe?“

„Hören Sie auf, Henderson!“ gab Lois zurück und klang kein bisschen weniger verärgert, als er. „Wir haben Perry White eingeweiht, sonst niemanden. Sie wissen ganz genau, dass wir dumm wären, diese Informationen herauszugeben. Glauben Sie ernsthaft, dass wir noch vernünftig arbeiten können, wenn eine ganze Herde Reporter hinter Clark her ist?“

Ihr Auftreten war einschüchternd, um es vorsichtig auszudrücken. Clark wusste nicht, wie er all die Emotionen einschätzen sollte, die sich in ihrem Gesicht spiegelten. Himmel, er wusste nicht einmal, wie er selbst mit all dem umgehen sollte. Hatte er wirklich die Waffe in der Hand gehabt, so wie es die Reporter um ihn herum behauptete hatten? Und was war, wenn Lois glaubte, dass er Superman umgebracht hatte? Clark kümmerte es nicht, wer die Informationen öffentlich gemacht hatte, er wollte wissen, ob stimmte, was alle sagten.

Henderson öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen, aber Lois unterbrach ihn, bevor er noch bis zur ersten Silbe gekommen war. „Sie sollten uns nicht mit solcher Verachtung anschauen. Ich wette es gibt ein Leck in ihrer Abteilung!“ Der tödliche Blick ihrer Augen war eine klare Warnung an den Inspektor ihre Worte ja nicht zu bezweifeln.

Er nickte kaum merklich, doch seine Brauen zogen sich noch ein wenig enger zusammen. „Wie auch immer“, wechselte er das Thema, als wäre es niemals von Belang gewesen. „Ich wollte mit Ihnen beiden sprechen. Angesichts der neuesten Entwicklungen war ich gezwungen, es auf diese Weise zu tun.“

„Also ist es wahr? Sie haben Clarks Fingerabdrücke auf der Tatwaffe gefunden?“ fragte Lois, bemüht die Unterhaltung unter ihrer Kontrolle zu halten. Es war ihr anzusehen, dass sie verzweifelt versuchte Ruhe zu bewahren, doch das war fast unmöglich. „Aber Clark wäre niemals dazu in der Lage jemanden umzubringen. Er könnte keiner Fliege etwas zu Leide tun.“ Lois hörte die Unsicherheit in ihrer eigenen Stimme, als dienten ihre Worte eher dazu sich das selbst einzureden, als den Inspektor zu überzeugen. „Wie hätte er es überhaupt tun sollen?“ fügte sie dann hinzu.

Henderson zuckte nichts sagend mit den Schultern. „Mr. Kents Fingerabdrücke auf der Waffe bedeuten zunächst einmal nur, dass er sie angefasst hat. Das macht ihn allerdings zu einem Verdächtigen, zu dem einzigen Verdächtigen, den ich im Moment habe. Natürlich weiß ich, dass es eine ganze Reihe Leute gibt, die Superman gerne tot gesehen hätten.“

„Ich kann für Sie nur hoffen, dass sie Clark nicht dazuzählen!“ entgegnete Lois aufgebracht. „Irgendwie habe ich langsam das Gefühl jemand gibt sich große Mühe, das zu dem schlimmsten Tag meines Lebens zu machen“, murmelte sie, mehr zu sich selbst gewandt. „Warum hätte Clark Superman umbringen sollen? Die beiden waren befreundet und Clark ist einer von den guten Jungs, falls sie das noch nicht gemerkt haben sollten. Es gab keinen Grund aus dem Clark und Superman sich hätten hassen sollen...“ Lois verstummte schlagartig, als sie diese Worte gesagt hatte. Es schien fast so, als würden ihr durchaus Gründe einfallen, von denen sie nicht wollte, dass Henderson davon erfuhr.

„Ich habe nicht gesagt, dass ich Clark beschuldige!“ protestierte Henderson. „Aber als Enthüllungsreporterin sollten sie eigentlich verstehen, dass ich dieser Spur nachgehen muss, Ms. Lane! Und so ungern ich das auch sage, aber Mr. Kents Fingerabdrücke bieten mir genug Indizien um einen Haftbefehl zu bekommen!“

„Das können Sie nicht tun!“ rief Lois und machte eine ernsthaften Versuch Henderson mit einem scharfen Blick zu töten.

„Ich kann und ich werde!“ gab Henderson verärgert zurück. “Sie haben das vielleicht noch nicht ganz durchblickt, Ms Lane. Aber ihr *möglicherweise unschuldiger* Partner wird da draußen gelyncht werden. Die Leute werden sich wenig darum scheren, ob das Verbrechen aufgeklärt ist, wenn sie ihren Verdächtigen hinhängen. Superman ist nicht einfach irgendwer und die Öffentlichkeit wird nach blutiger Rache schreien. Ich hoffe es stört sie nicht, wenn ich jetzt mal mit ihrem Partner spreche!“ ereiferte sich Henderson und ignorierte die Einwände, die Lois wahrscheinlich bereits auf den Lippen hatte. „Soweit ich weiß sind sie keine Anwältin. Wenn sie mich also daran hindern wollen, diese Befragung durchzuführen, dann wird es mir eine Freude sein, sie des Fahrzeugs zu verweisen!“ Sein Ton war provozierend und als er mit einer Hand auf die Tür deutete, war nur allzu eindeutig, dass er meinte, was er sagte.

Lois öffnete den Mund, um Henderson doch noch einmal kräftig die Meinung zu sagen. Aber als er ihren Blick völlig unbeeindruckt erwiderte, beschloss sie vermutlich lieber den Mund zu halten, als aus dem Wagen geschickte zu werden. Sie zog eine Schnute, was Henderson geflissentlich ignorierte. Er atmete nur mit einer gewissen Erleichterung auf und wandte sich an Clark. Er hatte kein Wort gesagt seit sie ihn aus dem Planet geführt hatten, und wenn es nach ihm gegangen wäre, so hätte er auch noch eine Weile geschwiegen.

„Kent, bitte erzählen Sie mir alles, was sich vergangene Nacht zugetragen hat“, bat Henderson. Mit Clark ging er wesentlich sanfter um, als mit Lois. Es reichte offenbar, um Lois davon zu überzeugen, dass er Clark tatsächlich nicht für schuldig hielt. Sie entspannte sich etwas. Vielleicht war es auch gerade das, was der Inspektor wollte. Lois blieb jedenfalls bereit einen neuen Streit anzuzetteln, sollte es nötig sein. „Alles kann uns helfen. Haben Sie Superman in dieser Gasse getroffen? Hat er Sie angegriffen?“

„Ich kann mich nur an wenig erinnern“, erwiderte Clark ausweichend und dachte, dass das sogar noch untertrieben war. Doch er zwang sich, sich weiter auf Henderson zu konzentrieren und weder seinen trüben Gedanken noch der Erinnerung nachzugeben. Das war nicht so einfach, da dieses Flashback ihn immer noch in seinem Bann hielt. Bilder zogen vor seinem inneren Auge vorbei, doch keines davon konnte er lang genug festhalten, um zu erkennen, was es bedeutete. Hinzu kam noch die quälende Frage, ob er etwas mit Supermans Tod zu tun hatte. „Ich habe keine Ahnung, wie meine Fingerabdrücke auf diese Waffe gekommen sind“, fügte er hinzu. Clark wusste nicht genau, ob er damit Hendersons Frage hatte beantworten wollen. Vielleicht war es einfach der Versuch, die anklagende Stimme seines Gewissens zum Schweigen zu bringen.

„Nun, fangen wir mal mit dem Anfang an“, schlug Henderson geduldig vor. „Woran haben Sie gearbeitet, bevor sie verschwunden sind, Mr. Kent?“

„Nichts besonders gefährliches“, sagte Lois sofort. „Wie ich ihnen längst erzählt habe, haben wir uns Calvin Dregg gewidmet und seiner unsinnigen Klage gegen Superman - so objektiv, wie wir nur konnten. Ich denke, Sie wissen, dass die Klage schließlich fallen gelassen wurde. Warum hätte jemand Clark dafür verfolgen sollen?“

Henderson sah so aus, als verkniffe er sich eine harsche Bemerkung, bemüht seinen Ärger nicht offen zu zeigen. Es trieb ihn offenbar zur Weißglut, dass Lois Clark daran hinderte ihm seine Fragen selbst zu beantworteten. Clark wusste nicht so recht, ob er ihr dafür dankbar sein sollte, oder nicht. Der Inspektor erschien ihm wesentlich entspannter, als es unter diesen Umständen zu erwarten gewesen wäre. Henderson hielt Clark offenbar nicht für schuldig, sondern wollte einfach nur die Wahrheit finden. Doch konnte Clark ihm die liefern?

„Wo waren Sie, Kent? Sie waren für vier Tage verschwunden!“ stellte Henderson eine weitere Frage, zu der Clark keine Antwort wusste.

Wieder öffnete Lois den Mund. Hendersons Augen verengten sich ärgerlich und er schien immer dichter davor zu stehen aus der Haut zu fahren. Aber dann legte Clark seine Hand auf die von Lois und drückte sie leicht.

„Ich weiß es nicht“, sagte er leise. „Ich habe keinerlei Erinnerung an diese Tage.“ Er zögerte einen Moment und betrachtete seine Fingerspitzen, als hielten sie die Antwort auf all seine Fragen bereit. „Ich denke, ich habe bruchstückhafte Erinnerungen an die Nacht in der Gasse“, fuhr er dann fort und seine Stimme zitterte leicht. „Superman hat mich angegriffen.“

„Er hat... was?“ fragte Lois wie vom Donner gerührt. „Clark, bist du sicher?“

Clark wiederholte, was Superman zu ihm gesagt hatte.

„Und weiter?“ spürte Henderson nach. „Hat er sonst noch etwas gesagt?“

<Es kümmert mich nicht, was die Welt braucht. Es genügt mir zu wissen, was ich brauche und du bist mir nur im Weg. Du magst einmal entkommen sein, aber glaub ja nicht, dass dir das noch einmal gelingt.>

„Einmal entkommen?“ wiederholte Henderson angespannt. „Du bist mir nur im Weg? Was meint er damit?“

Sein ganzer Körper tat weh. Jeder Knochen und jede Sehne schien vor Schmerzen zu schreien, doch die Bewusstlosigkeit wollte einfach nicht kommen. Sein Herz schlug wild und eine quälende Angst lähmte ihn, ließ nicht zu, dass er sich bewegte. Wenn er reglos blieb, würde Superman ihn dann in Ruhe lassen? Würde er glauben, dass der Feind tot war? Es war still in der Gasse, nur das leise Platschen des Regens füllte seine Ohren. Nicht mal ein kurzer Atemzug verriet ihm, wo Superman war. Und in der Dunkelheit konnte er ihn auch nicht ausmachen. Clark fragte sich, ob er vielleicht davongeflogen war und für einen kurzen Moment flackerte Hoffnung in ihm auf. Aber er wagte es nicht, dem Frieden zu trauen. Ihm war wohl bewusst, dass es viel zu früh für Erleichterung war. Warum griff ihn der Mann aus Stahl überhaupt an? Er hatte keinen Grund, dachte Clark bitter. Aber seine schmerzenden Rippen waren Beweis genug, das Superman das offenbar nicht so sah.

Plötzlich näherten sich schnelle Schritte. Kam da Hilfe? Superman würde keine Zeugen mögen, oder? Doch jemand näherte sich eindeutig und Clark wagte es immer noch nicht sich zu rühren. Der Wind blies eisig durch die schmale Gasse. Clark zitterte vor Kälte in seiner nassen Kleidung. Er bemühte sich nichts zu berühren, aus Angst Lärm zu machen. Er wollte nicht wieder gefunden werden. Im Grunde war jeder Versuch sich vor Superman zu verstecken lächerlich. Aber wer auch immer sich da näherte, schien Clark nicht zu sehen. Ein Blitz erhellte die Umgebung kurz und der Umriss eines Mannes wurde sichtbar, der ein paar Meter von Clark entfernt stand. Clark beobachtete den Fremden und dachte darüber nach, wie er ihn am besten warnen sollte. Wie konnte er ihn um Hilfe bitten? Seine Zunge klebte trocken in seinem Mund und weigerte sich ein Wort zu formen. Seine Knie waren wie aus Gummi und er schien auf dem Boden festgeklebt zu sein. Da saß er, zusammengekauert hinter einem Berg Müll und hielt den Atem an. Im Licht eines zweiten Blitzes erkannte Clark, dass der Fremde etwas in der Hand hatte, dass einer Waffe verdächtig ähnelte. Sein Herz begann noch schneller zu schlagen und angsterfüllt fragte er sich, was diese Nacht wohl noch für ihn bereithalten würde.



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Vega
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Bis dass das Leben uns scheidet...9/14

Beitragvon Vega » Sa 23. Jan 2010, 18:06

Teil 9

„Es war also noch jemand in der Gasse? Sind Sie sicher, dass es nicht Superman war?“ fragte Henderson, nachdem ihm Clark von dem neuen Erinnerungsbruchstück erzählt hatte.

Clark nickte. „Ich habe ihn nur kurz gesehen. Er war älter als Superman, etwa so groß wie er, aber nicht ganz so athletisch gebaut. Ich bin sicher, dass es ein anderer Mann war.“

„Clark sagte, dass er eine Waffe trug. Dieser Mann muss Superman erschossen haben“, warf Lois ein. Sie war offenbar sehr erfreut über das Erscheinen dieses geheimnisvollen Fremden, der sich so wunderbar als Erklärung für all die seltsamen Ereignisse in der Gasse anbot.

„Nun, das erklärt immer noch nicht, wie Mr. Kents Fingerabdrücke auf die Tatwaffe kommen“, meinte Henderson nur und musterte Clarks Gesicht eingehend. „Wissen Sie, Mr. Kent, ich kann mir nicht helfen. Ich denke sie wissen mehr, als sie zugeben“, sagte er schließlich. „Wenn es all die geheimnisvollen Fremden gäbe, von denen mir schon erzählt wurde, dann wäre unsere Welt vollkommen überbevölkert.“ Der Inspektor runzelte seine Stirn ein wenig, klang aber nicht so, als wäre er völlig abgeneigt, Clarks Wort glauben zu schenken. „Sie müssen mir schon etwas mehr liefern“, verlangte er. „Gibt es sonst noch etwas, an das sie sich erinnern?“ fragte Henderson und Clark hatte den Eindruck, dass er hoffte, nun etwas zu hören, dass er vielleicht auch beweisen konnte. Doch was immer er dachte, er ließ es unausgesprochen.

„Es tut mir Leid“, Clark schüttelte seinen Kopf und betrachtete wieder seine Fingerspitzen. „Das ist alles.“ Er dachte an die andere Erinnerung, an den unfairen Kampf und Supermans offensichtliche Verärgerung über etwas, das Clark gesagt haben musste. Er war nicht ehrlich, aber Henderson davon zu erzählen schien Clark wie ein Eingeständnis seiner Schuld. Nicht einmal in seinen schlimmsten Träumen konnte er sich vorstellen, dass er jemanden getötet hatte.

„Vielleicht fangen Sie mal damit an, wer diese Fehlinformation an die Öffentlichkeit gebracht hat“, meinte Lois plötzlich. „So können wir nicht arbeiten!“

„Machen Sie sich da mal keine Sorgen. Sie müssen so nicht arbeiten. So Leid es mir tut, aber ich muss Kent verhaften. Ein geheimnisvoller dritter Mann ist nun mal kein Beweis seiner Unschuld. Außerdem kann es nur in seinem Interesse liegen, jetzt nicht da raus zu gehen. Die Straße ist nicht der Ort, an dem er sich jetzt aufhalten sollte“, erwiderte Henderson.

„Bist du sicher, dass es eine Fehlinformation ist, Lois?“ flüsterte Clark, während sein Gesicht bedenklich blass wurde.“

„Du hast Superman nicht umgebracht, Clark“, versuchte Lois Clark zu beruhigen. Aber ihre Worte konnten Clark die Angst nicht nehmen. „Hast du nicht gerade selbst gesagt, dass noch ein Dritter in der Gasse war?“

Ein Schuss durchbrach die Stille wie ein Donnergrollen und hallte in der schmalen Gasse wider. Sein Körper fühlte sich taub an, als wäre er kurz davor ohnmächtig zu werden. Aber der dumpfe Schlag, der auf den Schuss folgte, rührte nicht daher, dass er zu Boden fiel. Es war jemand anderes. Ihn überkam der Wunsch einfach wegzurennen. Doch eine bleierne Schwere legte sich über ihn und nahm ihm jede Kraft sich zu bewegen. Er fühlte sich schwach und noch bevor er irgendetwas dagegen unternehmen könnte, wurde er von einer tiefen, gnädigen Schwärze umfangen, die ihn Schmerz und Angst vergessen ließ.

Als er seine Augen wieder öffnete, hießen ihn Regentropfen im Land der Lebenden willkommen. Er zitterte vor Kälte, sein Körper war steif und protestierte gegen jede Bewegung, als er vorsichtig versuchte sich aufzurichten. Er streckte seine Finger in der Hoffnung, das zumindest ein bisschen Gefühl zurückkehren würde. Ein metallisches Klirren sagte ihm, dass er wohl etwas in der Hand gehalten hatte. Seine eisigen Finger hatten es längst vergessen.


Clark blinzelte und schnappte nach Luft. Das konnte nicht sein! Er schaute Henderson an, der ihn neugierig musterte. Dem Inspektor war offenbar aufgefallen, dass Clark sich an etwas erinnert hatte, etwas Furchtbares. Nun, da er nicht mehr in der kalten Gasse lag, war es für Clark ein Leichtes das metallische Klirren als das zu erkennen, was es war – eine Waffe, die ihm aus der Hand gefallen war.

Die Bedeutung dieser Erinnerung traf Clark wie ein Blitz und ließ ihn gelähmt zurück. Seine Vorstellungskraft fügte hinzu, was die Erinnerung nicht beinhaltet hatte. Der bloße Gedanke an das, was er getan hatte, macht Clark ganz krank. Ein brennender Schmerz bildete sich hinter seinen Augen, der mit jedem Moment stärker wurde. Er würde damit nicht leben können, dachte er. Panik überfiel ihn und der Kopfschmerz wurde nur noch schlimmer.

„Nein, nein“, flüsterte er und starrte blind auf die Kopfstütze, die zwischen ihm und dem Fahrer war.

„Kent, gibt es irgendetwas, das sie mir sagen möchten?“ fragte Henderson freundlich.

„Nein, nein...“ wiederholte Clark, ohne wirklich gehört zu haben, was Henderson von sich gegeben hatte.

Und dann geschah es. Die Kopfstütze fing Feuer. Zuerst war es nur eine kleine Flamme, aber sie wuchs stetig. Der Schaumstoff unter dem Bezug fing an zu qualmen und schon bald zog dicker schwarzer Rauch durch das Fahrzeug und erschwerte das Atmen in der Kabine. Jemand schrie angsterfüllt und Clarks Magen zog sich krampfhaft zusammen, als er merkte, dass es Lois war.

Der Wagen bremste hart ab und Clark wurde in seinen Gurt gepresst. Eine Tür wurde aufgerissen und bald darauf eine zweite. Clark spürte, wie jemand an seinem Gurt riss, ihn bei der Schulter packte und mit sich zog. Dicker Qualm hinderte ihn daran zu sehen, was geschah. Ein harter Stoß in seine Rippen trieb ihn vorwärts, schleuderte ihn zu Boden. Er schlug auf dem harten Asphalt auf, hörte weitere Schreie und ein unterdrücktes Stöhnen. Dann griff eine schlanke Hand nach seiner, zog ihn mit sich, half ihm aufzustehen. Mit einem weiteren Stoß in die Rippen wurde er dazu gedrängt zu rennen, schneller und schneller. Er stolperte vorwärts, rang um Luft und versuchte zu verstehen, was da eigentlich vor sich ging.

Clark hörte verärgerte Stimmen hinter sich und ein lauter Schrei, der sehr nach Idioten! klang.

Er rannte weiter. Lois ließ ihm keine Wahl als ihr zu folgen. Sie zog ihn mit sich, ausgestattet mit einer unglaublichen Kraft. Clark hätte gerne gewusst, was mit Henderson und seinem Fahrer war. Sie hatten ihn aus dem brennenden Fahrzeug gezogen. Doch warum hatte es überhaupt gebrannt? Und wie war Lois nun mit ihm entkommen? Clark konnte keinen Blick zurück werfen, weil er darauf achten musste, nicht zu fallen. Außerdem hatte Lois ihn mit sich in eine Menschenmenge gezogen, die jeden Blick verstellte. Es war schwierig einen einzelnen unter so vielen zu erkennen.

Doch das war auch egal, denn Henderson war schnell aus seinen Gedanken verbannt. Diese letzte Erinnerung, das metallische Klirren der fallenden Pistole, beherrschte alles, sein ganzes Denken, sein Fühlen und er wusste, sie würde auch sein Handeln beeinflussen. Sobald er erst einmal aufgehört hatte zur rennen. Kalte Angst schnürte ihm die Kehle zu. Dass sein Kopfschmerz inzwischen verschwunden war, half ihm überhaupt nicht.

* * *
Italien, ein Dorf in der Toscana

„Endlich“, rief Jonathan erleichtert, als er das vertraute Logo des Daily Planet sah.

Auch ein weiterer Anruf hatte nichts gebracht. Der Anrufbeantworter hatte sich von neuem geweigert, eine weitere Botschaft aufzuzeichnen. Doch der Zeitungskiosk gab den Kents die Hoffnung zurück, doch noch zu erfahren, was eigentlich in Metropolis vor sich ging. Wenn Superman irgendwo auf der Welt mit einer Rettungsaktion beschäftigt war, dann würde die Zeitung es wissen. Und wenn Clark für den Daily Planet arbeitete, dann würde sein Name unter dem Artikel auftauchen.

„Endlich“, wiederholte Martha die Worte ihres Mannes und folgte ihm zum Kiosk. Ihr Herz klopfte bei dem Gedanken endlich wieder die vertrauten Namen zu lesen – Lois Lane und Clark Kent.

Schon von weitem konnte sie sehen, dass Supermans Gesicht auf der Titelseite jeder einzelnen Zeitung abgedruckt war, mit Ausnahme des Daily Planet. Martha schnappte nach Luft, als sie näher trat. Jede Zeitung schien dieselbe Nachricht zu haben. Sie schloss ihre Augen, öffnete sie wieder, blinzelte und schaute dann weg. Doch was immer sie tat, die Schlagzeile änderte sich nicht. So sehr sie sich auch einzureden versuchte, dass ihr Italienisch nicht gut genug war, um zu verstehen, worum es ging – die Bilder auf der ersten Seite waren eindeutig. Superman war tot.

„Nein“, hauchte sie atemlos. „Nein, das kann nicht sein. Sie müssen sich irren!“

„Was kann nicht sein, Signora?“ fragte ein junger Italiener freundlich.

„Superman...“ sagte Martha tonlos und hielt sich an Jonathan fest.

Das Gesicht des jungen Mannes bekam einen traurigen Ausdruck. „Oh ja, ist das nicht schrecklich? Ich hab’s im Radio gehört. Die Polizei hat seine Leiche vor ein paar Stunden gefunden.“

Die Welt schien vor Marthas Augen zu verschwimmen und sie sank gegen ihren Mann. Seine Stärke war das einzige, was sie jetzt noch aufrecht zu halten vermochte. Sie wollte nicht glauben, was sie da las, was ihr der junge Italiener bestätigt hatte. Es war das erste Mal seit vielen Jahren, dass Martha den Tränen nahe war. Sie hatte nicht geweint, als die Ärzte ihr gesagt hatten, dass sie keine eigenen Kinder haben würden. Sie war darüber nicht glücklich gewesen, aber sie hatte ihr Schicksal akzeptiert, weil es sie schon mit so einem wunderbaren Ehemann gesegnet hatte. Wie hatte sie da mehr verlangen können? Doch ihren Sohn zu verlieren, war mehr als Martha Kent ertragen konnte.

Jonathan kaufte eine Ausgabe des Daily Planet, auch wenn er wusste, dass sie bereits veraltet war. Doch sie würde vielleicht einen Artikel von Clark enthalten, oder etwas Ähnliches, das ihnen mehr verraten würde. Doch er hatte wenig Hoffnung, dass die Zeitung Martha oder ihn trösten konnte.

Liebevoll zog er sie von dem Kiosk weg. Zwei Amerikaner, die Superman wie einen Sohn betrauerten, würden unweigerlich auffallen. Sie beide brauchten Ruhe, um über Superman zu reden – nicht über den Helden, sondern über den Sohn, den sie beide so sehr liebten.

* * *
Metropolis, einige Straßen von Inspektor Henderson entfernt

Lois konnte nicht glauben, dass sie es tatsächlich geschafft hatten. Es war ihr ein Rätsel, wie es ihr gelungen war, der Polizei zu entkommen, ohne Clark unterwegs zu verlieren. Aber er war immer noch bei ihr und soweit sie wusste, war ihnen auch niemand gefolgt. Natürlich war das plötzliche Feuer eine große Hilfe gewesen und sie musste ihrem Schicksal dafür danken. Aber so gelegen es auch gekommen war, Lois hätte liebend gern gewusst, wie es überhaupt entstanden war. Bisher hatte sich noch keine Kopfstütze, von der sie wusste, einfach dazu *entschlossen* in Flammen aufzugehen.

„Ich hoffe...“ Lois rang nach Atmen und wurde langsamer. „Hen...Henderson... und... und sein Kollege sind... un...unverletzt.“ Sie warf einen kurzen Blick zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren und versuchte dabei nicht in irgendwelche Passanten zu rennen. Die Straßen waren voller Menschen und der Streifenwagen schon lange außer Sicht. Lois hörte auf zu rennen, aber sie fuhr fort, Clark mit sich zu zerren. So erleichtert sie auch war, sie wollte möglichst weit von Inspektor Henderson entfernt sein.

„Ich kann nicht glauben, dass du das getan hast!“ beschwerte sich Clark, der schon wieder zu Atem gekommen war. „ Henderson hat nur seinen Job gemacht. Es gab keinen Grund, die... die...“ Lois fühlte, dass Clark zurücklaufen wollte und verstärkte ihren Griff.

„Clark, ich habe die Kopfstütze nicht in Brand gesteckt. Ich habe nur die Gelegenheit zur Flucht genutzt. Die hätten dich sonst...“ sie wandte sich ihm zu und formte mit den Lippen das Wort „...verhaftet.“ Lois begann wieder schneller zu gehen, nur für den Fall, dass jemand gelauscht hatte. Etwas lauter fügte sie hinzu. „Das konnte ich nicht zulassen, Clark. Ich brauche deine Hilfe, um herauszufinden, was hier vor sich geht.“ Lois hatte Seitenstiche und das Atmen wurde langsam schmerzhaft. Ihre Füße brachten sie um, aber Lois hatte auch nicht wirklich geplant an diesem Nachmittag auch noch auf der Flucht zu sein. Ihre Schmerzen ignorierend, lief sie weiter. Es kam für sie nicht in Frage aufzugeben. Lois musste sich ein Ziel setzen, um das Beste aus dieser fürchterlichen Situation zu machen.

„Aber Lois!“ protestierte Clark und wurde langsamer. Er stoppte Lois und sie wäre beinahe gestolpert, hätte er sie nicht in letzter Minute gehalten. Sie blickte ihn böse an. Worte waren gar nicht nötig, um ihn zu fragen, was nur in ihn gefahren war. „Das ist falsch!“ verteidigte sich Clark und unterstrich seine Worte mit einer beschwörenden Geste. „Ich kann nicht...“ fuhr er fort und wurde immer leiser, bis er die letzten Worte schließlich nur noch flüsterte, „...einfach so wegrennen!“

„Darüber reden wir später“, erklärte Lois bestimmt und versuchte Clark ihren Rücken zuzudrehen, um weiterzulaufen. Doch er hielt sie fest, ließ sie nicht gehen.

„Lois, ich bitte dich...“ sagte er leise und schaute ängstlich auf die Leute um sie herum. Er schien zu befürchten, dass einer der Passanten glaubte, er würde ihr wehtun.

Lois schlug fest auf seine Hände, um sich von seinem Griff loszumachen. „Darüber reden wir später!“ sagte sie überdeutlich und schnappte sich seinen Kragen, um ihn mit sich zu ziehen.
„Und nun komm endlich!“

Lois hatte nur eine vage Vorstellung davon, wo sie sich befanden. Doch wo auch immer genau sie waren, sie konnten kaum weiter vom Rathaus entfernt sein. Allerdings wäre es so oder so eine dumme Idee sich auf der Pressekonferenz sehen zu lassen. Perry wäre sicher enttäuscht, wahrscheinlich kochte er sogar vor Wut, weil nun kein Daily Planet Reporter dort war. Oder doch? Ihm konnte der Ansturm auf den Daily Planet kaum entgangen sein, und Clarks Verhaftung schon gar nicht. Jemand würde wohl ihre Plätze einnehmen.

Lois bemerkte, dass sie sich ablenkte, dass sie sich selbst davon abhielt darüber nachzudenken, was gerade vorgefallen war. Clark war der Hauptverdächtige im Mordfall Superman. Nicht einmal in ihren schlimmsten Alpträumen konnte Lois sich vorstellen, dass Clark so etwas getan haben konnte. Aber sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass Superman jemanden angriff. Also was war los?

Lois eilte weiter und suchte verzweifelt nach einem einsameren Ort. Sie mussten miteinander reden. Während sie durch die Straßen eilte, schwor Lois sich Clark dazu zu bringen, ihr alles zu erzählen. Er folgte ihr, stolperte hin und wieder über seine eigenen Füße und achtete offenbar überhaupt nicht auf den Weg. Er war vermutlich tief in Gedanken versunken und sehr verwirrt. Endlich fand Lois eine schmale Gasse, in der sich Mülleimer stapelten. Dieser Ort bot mehr als genug Verstecke. Lois zog Clark mit sich.

„Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen, Clark!“ sagte Lois und fasste damit treffend die Angst, die zitternden Lippen und die Flut an Emotionen zusammen, die sich auf seinem Gesicht widerspiegelten. „Du hast Henderson etwas verschwiegen, oder?“ fragte sie. Von der dichten Mauer, mit der Clark sonst seine Geheimnisse umgab, war nicht mehr viel übrig. Und er brauchte nicht einmal zu nicken, damit Lois wusste, dass sie mit ihrer Vermutung ins Schwarze getroffen hatte.

„Ich muss mich stellen, Lois“, erwiderte Clark heiser. „Es bedeutet mir viel, dass du an meine Unschuld glaubst. Aber ich weiß, dass das falsch ist.“ Seine Stimme brach und er räusperte sich, einmal, zweimal und auch ein drittes Mal, bevor er schließlich weiter sprechen konnte. Seine Worte waren kaum lauter, als ein Flüstern. „Ich habe Superman getötet.“

Lois sah ihn zusammenfahren, als er endlich sagte, was er für die brutale Wahrheit hielt. Er lief unruhig auf und ab und nur der feste Griff ihrer Hand hinderte ihn daran einfach zu fliehen. Er schaute sie kaum an und als er es doch tat, schien sein Blick sie darum anzuflehen, ihn niederzustrecken, damit dieser Alptraum endlich ein Ende hatte. Es war Mitleid erregend.

„Oh, komm schon, Clark. Du weißt, dass du unschuldig bist“, gab Lois ärgerlich zurück. Sie war am Rande der Verzweiflung, weil er sich so dagegen sträubte, sich vom Gegenteil überzeugen zu lassen. Sie fragte sich, wie um alles in der Welt Clark auch nur annehmen konnte, dass er zu so etwas fähig war. Doch zugegeben, er kannte sich nicht so, wie sie ihn kannte. „Hey, du hast dich doch an diesen Kerl erinnert, oder etwa nicht?“ Plötzlich wurde sie von einer ungestümen Freude erfüllt. Bis jetzt war ihr noch nicht so richtig bewusst geworden, was das eigentlich hieß. Clarks Erinnerungsvermögen kam offenbar zurück. Bald würde alles wieder so sein, wie es sollte. Und auch Clark würde das so sehen, wenn nur der erste Schreck vorüber war.

Aber er schüttelte traurig den Kopf. „Wenn es nur so einfach wäre“, murmelte er, hoffnungslos deprimiert.

Er sah immer noch nicht auf, als würde er sich davor scheuen, sie anzusehen, als hätte er etwas Böses getan. Es dämmerte Lois, dass, woran auch immer er sich noch erinnert hatte, ihm offenbar schwer zu schaffen machte.

„Ich habe ihn umgebracht“, bestand Clark auf seiner Sicht der Dinge. „ Ich habe mich gesehen, wie ich die Waffe auf ihn gerichtet habe. Ich habe ihn sterben sehen. Meinetwegen“, sagte er verzweifelt.

Lois starrte Clark aus blinden Augen an. Es war als würden die Wellen eines riesigen Ozeans über sie hinweg spülen und sie unter sich begraben. Sie konnte die Bedeutung seiner Worte nicht erfassen, konnte sich nicht dazu bringen auch nur in Erwägung zu ziehen, dass er die Wahrheit sagte. Das alles stellte die beiden tiefen Wahrheiten in Frage, auf die ihr Leben sich stützte. Weder Clark noch Superman würden je einen Menschen verletzen. Nichts konnte sie dazu bringen, wenn es eine andere Lösung gab.

Was Clark betraf, so konnte sich Lois nicht vorstellen, dass er aus einem anderen Grund abdrücken konnte, als um sich selbst zu verteidigen. Aber das wiederum bedeutete, dass Superman sein Leben bedroht hatte. Und das war völlig undenkbar.

„Er ist meinetwegen gestorben... es war meine Schuld... ich...“ Clark fuhr sich mit der Hand durchs Haar und begann von neuem rastlos auf- und abzugehen. „Ich...“ stockend erzählte er ihr von dem letzten Flashback. Lois konnte die Selbstverachtung in seinem Gesicht sehen. Voller Mitleid betrachtete sie den Mann, den sie liebte und der jetzt so verzweifelt war. Es war völlig belanglos, was er ihr erzählte. Lois wusste, dass Clark nie absichtlich grausam handeln würde. „Siehst du denn nicht ein, was das heißt?“ fragte er sie gequält. „Wie könnte ich hier stehen und darauf warten, dass die Gerechtigkeit siegt? Wie soll ich weiterleben mit dem was ich getan habe? Ich... ich...“ Er sah sich um, als hielte die Gasse eine Antwort bereit. Ein Blick in sein Gesicht sagte Lois, dass ihr keine der Ideen gefallen würde, die jetzt durch seinen Kopf kreisten.

„Clark, bitte setz dich hin und...“ sagte Lois hilflos, aber er hörte sie nicht einmal. Sie konnte ihm ansehen, dass er nicht mehr lange rastlos umherlaufen würde. Stattdessen war er kurz davor einfach wegzurennen, und er würde es tun, wenn sie ihn nicht daran hinderte. „ Clark!“ rief sie ungeduldig und drängte ihn gegen die nächste Wand. „Clark, du hast ihn nicht...“

„Lass mich los, Lois. Ich will dir nicht wehtun!“ warnte er sie und schaute sie flehentlich an. „Bitte, Lois, mach dich doch nicht unglücklich. Vergiss mich einfach und...“ seine Stimme brach.

Lois sah ihn schlucken. Seine Augen wurden feucht, aber er weinte nicht. Für eine Weile rangen sie still miteinander. Kurzzeitig sah es so aus, als würde Clark Lois von sich stoßen und verschwinden – und mit ihm jede Chance seine Unschuld zu beweisen. Die Aussicht ihn in einem System zu verlieren, dem sie letztlich nicht traute, ließ Lois alle Kräfte zusammennehmen, die sie noch besaß. Gegen jede Wahrscheinlichkeit gewann Lois die Oberhand. Was als Kraft raubender und letztlich aussichtsloser Kampf begonnen hatte, wurde immer einfacher. Schließlich war ihn gegen die Wand zu pressen nicht schwerer, als einen Blinden zu bestehlen.

Clark senkte seinen Kopf, geschlagen und sackte in sich zusammen. Der Sturm der Gefühle hatte ihn ausgelaugt und ließ ihn tief deprimiert zurück. Als ihr klar wurde, dass er nun nicht mehr wegrennen würde, ließ Lois ihn los. Ihr Herz zog sich vor Mitleid zusammen, als sie seine gemurmelten Selbstvorwürfe hörte. Er hatte seine Hände zu Fäusten geballt und hämmerte sich damit unablässig gegen den Kopf.

Lois wusste nicht, wie er reagieren würde, wenn sie ihn in dieser Situation umarmte. Aber bevor sie auch nur das Für und Wider erwägen konnte, hatte sie ihn bereits in die Arme geschlossen. Neben ihm im Schmutz kniend, hielt sie ihn an der Brust, wie ein Kind, und versuchte tröstende Worte zu finden.

„Clark, Clark, siehst du das denn nicht? Du erinnerst dich nicht daran tatsächlich abgedrückt zu haben“, sagte sie sanft. „Und du hast die Waffe nicht mit dir genommen. Du hast nichts Falsches getan.“

Sie fühlte, dass es wahr war. Er hatte es nicht getan. Clark hatte nicht geschossen. Wenn Lois sich jemals einer Sache sicher gewesen war, dann dieser. Es mochte nicht mehr als Intuition sein, doch sie wusste, dass ihr Bauchgefühl sie diesmal nicht trog. Es war bedeutungslos, woran Clark sich zu erinnern glaubte. Es kümmerte sie nicht, was für Geheimnisse er sonst noch mit sich herumtrug. Clark hatte Superman nicht umgebracht. Doch diese plötzliche Klarheit erschreckte Lois und sie schwor sich, ihren Instinkten nicht zu blindlings zu vertrauen.

„Ich habe sie benutzt“, erwiderte Clark kläglich. Sie spürte, dass er sich erneut von ihr entfernen wollte. Sie wusste, dass er gehen würde, sollte sie es zulassen. Seltsamerweise erzürnte sie das mehr, als der Gedanke, dass er Superman getötet haben könnte.

„Du wirst gefälligst hier bleiben“, brachte sie ärgerlich hervor, als sie fühlte, wie er sich wieder aus ihrer Umarmung winden wollte. „Du wirst mir helfen, diesen Fall zu lösen!“

„Aber ist er nicht schon gelöst?“ fragte Clark und starrte sie mit leeren Augen an. Es war nicht wirklich eine Frage.

„Nein, ist er nicht!“ erklärte Lois mit fester Stimme und ihr Ärger verstärkte sich noch.

Sie konnte es nicht ertragen, dass er bereit war einfach aufzugeben. Er hatte gefälligst an sich zu glauben, solange Lois es noch tat. Sein Anblick brachte Lois zur Weißglut und sie hätte gerne ein wenig Verstand in ihn eingeprügelt. Sie wollte ihn Ohrfeigen, noch so viel mehr als das, weil er sie so allein ließ. Tatsächlich hatte sie ihre Hände unbewusst zu Fäusten geballt. Sie hatte sich nicht bewusst dafür entschieden, es kam einfach so über sie. Mit ihren Fäusten schlug sie auf Clark ein, fest genug um ihm wehzutun. Nicht einmal als sie ihn aufstöhnen hörte, ließ sie von ihm ab.

„Du dummer, idiotischer... Glaubst du wirklich, dass du der einzige bist, der sich schuldig fühlt?“ schrie sie, völlig außer sich. „Wenn ich nicht gewesen wäre, hätte dich Superman wahrscheinlich gar nicht erst angegriffen. Er hätte dich nicht verletzt. Er wäre nicht...“ Lois rang nach Atem, versuchte sich darauf vorzubereiten, was sie als nächstes sagen musste. „ Ich habe ihn so wütend gemacht, indem ich ihm erzählt habe, dass ich dich mehr liebe als ihn. Er hat dich aus Eifersucht angegriffen, auch wenn ich keine Ahnung habe, warum er so reagiert hat. Wenn einer von uns beiden verantwortlich ist, dann ich! Du kennst dich nicht so, wie ich dich kenne, Clark. Du hast nichts damit zu tun!“

Einen Augenblick lang starrten sie sich an. Keiner von beiden wusste, was er sagen sollte. Zumindest seinem Blick nach zu schließen, machte Clark sich das Leben nicht mehr gar so schwer. Lois suchte fieberhaft nach einer Erklärung für die Ereignisse der vergangenen Nacht, die sowohl ihrem Bauchgefühl Recht gab, als auch zu dem Superman passte, den sie kannte. Und dann kam ihr wie aus heiterem Himmel eine Antwort in den Sinn. Sie hätte schwören können, dass ihr der Gedanke bereits gekommen war, aber sie musste ihn verdrängt haben. Natürlich – rotes Kryptonit!

Lois war plötzlich ganz aufgekratzt. Aus ihrer Ratlosigkeit war eine Idee geworden. Sie schnappte sich Clark, zog ihn hoch und schleppte ihn mit sich zur Straße. Alles, was sie jetzt noch brauchte, war ein Taxi.

* * *
Italien, dasselbe Dorf in der Toskana

Das Telefon klingelte, das musste es einfach. Jonathan wartete, auch wenn seine Geduld schwer strapaziert war. Aber auch nach dem zehnten Klingeln nahm niemand ab. Er ließ das Telefon auch noch ein elftes und dann ein zwölftes Mal klingeln.

„Hier ist Clark Kent“, hörte Jonathan plötzlich und für einen Moment wollte sein Herz vor Freude förmlich zerspringen.

„C..Clark, ich...“, sagte er eilig und seine Zunge stolperte über die Worte, die schneller hervorsprudelten, als sie hinterherkam.

„Es tut mir Leid, dass ich ihren Anruf zur Zeit nicht persönlich entgegen nehmen kann. Bitte hinterlassen sie mir eine Nachricht nach dem Piepton und ich rufe Sie dann so schnell es geht zurück.“ Der Hörer gab ein durchdringendes Piepsen von sich und Jonathan legte mit einem Seufzen auf.

Einen Moment lang hatte sich Martha Hoffnungen gemacht. Aber dann dämmerte ihr, dass Jonathan genauso hereingefallen war, wie sie die tausend Anrufe davor. Es war nicht mehr als der Anrufbeantworter gewesen. Kein Zeichen ihres vermissten Sohnes.

„Martha, ich muss endlich wissen, was da los ist. Ich kann und werde nicht länger warten“, beschloss Jonathan mit fester Stimme. „Geheimnis hin oder her, ich will endlich wissen, was mit meinem Sohn geschehen ist. Ich werde jetzt Perry White anrufen“, schloss er und nahm erneut den Hörer auf, tippte die lange Nummer. Wieder wartete er ungeduldig darauf, dass jemand seinen Anruf entgegen nahm. Diesmal mit Erfolg. Nur wenig später erklang eine Stimme, die weit entfernt klang.

„Perry White.“


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Bis dass das Leben uns scheidet...10/14

Beitragvon Vega » Mo 25. Jan 2010, 15:34

Teil 10

„Ich denke nicht“, murmelte Dr. Klein vor sich hin, während er anfing einen Stapel Akten zu durchwühlen.

Lois Lanes Idee war außergewöhnlich, aufregend. Doch der wahrhaft interessante Aspekt ihrer Theorie war, wie sie sich wohl beweisen ließe. Diese Herausforderung war ganz nach seinem Geschmack. Sein Verstand arbeitete auf Hochtouren und jeder neue Einfall war faszinierender als der vorherige. Aber statt endlich mit ein paar Tests anzufangen, arbeitete er sich durch Aktenstapel. Das war ein unbefriedigender Job, aber leider notwendig. Wie konnte er ein Experiment beginnen, wenn er nicht genau überblickte, was er bereits wusste? Ein neuer Adrenalinschub durchfuhr ihn. Himmel, wann hatte er das letzte Mal an einer so großen Sache gearbeitet?

„Was denken Sie nicht?“ fand Lois’ ungeduldige Frage den Weg in sein Bewusststein.

Für einen Moment dachte Dr. Klein darüber nach, sie einfach zu ignorieren. So dankbar er ihr auch für den Anstoß zu diesem Versuch war, so ungelegen kam ihm ihre Anwesenheit in seinem Labor jetzt. Er würde Stunden brauchen, um an dem Versuchsaufbau zu feilen. Aber Dr. Klein wusste, dass er sich besser nicht zur Zielscheibe einer verärgerten Lois Lane machte. Mit einem Seufzer unterbrach er seine Überlegungen und zwang sich dazu, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. Er bemerkte, dass er sich nicht mehr daran erinnern konnte, was ihre Frage gewesen war. Aber ihr Gesichtsausdruck ließ vermuten, dass seine Antwort nicht gepasst hatte.

„Entschuldigung, könnten Sie die Frage wiederholen?“ fragte er voller Ungeduld und hoffte die Unterbrechung so schnell wie möglich hinter sich lassen zu können. Er hatte wirklich besseres zu tun, als Reporterfragen zu beantworten.

„Was denken Sie nicht?“ half Clark.

„Ich meinte die Frage davor“, murmelte Dr. Klein und wurde rot.

„Haben Sie überhaupt gehört, was wir Ihnen erzählt haben?“ fragte Lois und war offenbar kurz davor ihre Beherrschung zu verlieren.

Dr. Klein zuckte zusammen und zog deutlich den Kopf ein. Nur selten wünschte er sich an einen anderen Ort, als in sein Labor. Dies war eindeutig einer dieser Momente. Warum konnten Lane und Kent nicht einfach verschwinden, um ihn in Ruhe arbeiten zu lassen? Wenn er erst einmal tief in seine Arbeit versunken war, brauchte es schon mehr als eine Lois Lane um ihn aus der Fassung zu bringen. Aber in diesem Augenblick war er ihr hilflos ausgeliefert. Es irritierte ihn, wie sie rastlos durch den Raum lief und ihre Hände rang, als sie feststellen musste, dass er ihr nicht zugehört hatte. Auch wenn Clark Kent seine Hände beruhigend, allerdings vergeblich, auf ihre Schultern legte, wusste Dr. Klein, dass er Lois nicht länger ignorieren konnte.

„Ich schätze ich habe sie verloren, nachdem Sie mich gefragt haben, ob Superman unter Drogen gestanden hat, oder ob sein seltsames Verhalten durch rotes Kryptonit zu erklären sein könnte“, gab Dr. Klein verlegen zu. Diese Frage musste schon eine ganze Weile her sein.

„Und was denken Sie?“ wiederholte Lois, was sie wahrscheinlich bereits nach dieser ersten Frage hatte wissen wollen. Dr. Klein meinte sich zu erinnern, dass es zu diesem Zeitpunkt noch freundlich geklungen hatte. So ungeduldig und fordernd, wie sie jetzt klang, hätte er es vermutlich nicht geschafft, die Frage zu überhören.

„Nun, die Idee ist interessant, Ms. Lane. Ich werde mich sofort an die Arbeit machen. Das Problem ist nur, dass ich keine Ahnung habe, wie genau rotes Kryptonit Supermans Physiologie beeinflusst. Wir haben das nie getestet und ich denke nun ist es zu spät dafür. Sie haben doch gesagt, dass er tot ist, oder?“ fragte er besorgt.

Dr. Klein konnte sich vage erinnern dass seine Kollegen an diesem Morgen über Superman gesprochen hatten. Aber seit er an diesem Morgen aufgewacht war, sein Gesicht in einen Nährboden für Bakterien getaucht, hatte er ununterbrochen gearbeitet. Nun erinnerte er sich kaum noch, woran er eigentlich geforscht hatte. Alles verblasste im Vergleich zu der Herausforderung mit der er nun konfrontiert war. Er hatte keine Ahnung, wie er an die Sache herangehen sollte. Aber er war wild entschlossen herauszufinden, ob Superman von rotem Kryptonit beeinflusst worden war. Natürlich konnte es auch so etwas wie eine Kryptonit-verstärkte Droge sein. Dr. Klein befürchtete, dass es so etwas Langweiliges, wie eine Droge sein könnte. Nach einem kurzen Versuch mit dem Gaschromatographen war der Spaß vermutlich schon vorbei. Allerdings hatte Superman doch noch seine Kräfte gehabt, oder? Leider war die Tatsache, dass Superman tot war, ein nicht zu unterschätzendes Hindernis.

„Ja, er ist tot“, erwiderte Lois betrübt und ihr Gesicht wirkte plötzlich eine Spur grauer und etwas älter. Dr. Klein fürchtete, dass er da ein sehr heikles Thema angesprochen hatte und beeilte sich wieder, sich hinter seinen Datenbergen zu verschanzen.

* * *

Lois wünschte sich fast sie könnte mit dem seltsamen Wissenschaftler tauschen. Er hatte einen besseren Morgen gehabt, als sie. Sie dachte daran, dass sie Clark geküsst hatte und schämte sich für solche Gedanken. Wäre sie wirklich lieber mit einer Petri-Schale im Arm aufgewacht? Nein. Immerhin hatte sich vieles verändert, seit sie Clark in Suicide Slum gefunden hatte. Er war kein einziges Mal mehr davongerannt. Lois wusste, dass sie das vermutlich vor allem seiner Amnesie verdankte. Aber immerhin bedeutete das schon mal, dass sie ihn nicht vergrätzte. Oder hatte er einfach nur Angst in dieser Welt verloren zu gehen, die er nicht mehr kannte, und hielt es deshalb mit ihr aus? Der Gedanke gefiel ihr gar nicht. Aber warum hatte er ihr dann erzählt, dass er sie liebte? Das hatte er doch getan, oder nicht? Sie wollte nicht hoffen, dass sie anfing sich die Dinge schön zu denken, damit sie der grausigen Wahrheit nicht mehr ins Gesicht sehen musste.

Lois musterte Clark. Er war nicht wie Claude. Clark sagte nichts, was er nicht auch so meinte. Er war ehrlich und... als sie so darüber nachdachte, fiel ihr ein, dass er auch immer noch verletzt war.

„Ist alles in Ordnung? fragte Lois besorgt als sie zu Clark hinüberging und ihm eine Hand auf die Schulter legte. Er sah ein wenig blass aus, wie er so in einer Ecke des Labors stand, die Arme vor der Brust verschränkt.

„Ich habe nachgedacht“, gab Clark zu und schaute seine Füße an. „Ich versuche mich daran zu erinnern, was sonst noch in der Gasse geschehen ist. Aber davon bekomme ich nur Kopfschmerzen.“

„Du hast Schmerzen?“ Lois erinnerte sich daran, dass die Wunde an seiner Seite sehr hässlich gewesen war. Sie hätte ihn in diesem Zustand nicht durch die halbe Stadt schleifen sollen, ohne ihm auch nur eine kurze Pause zu gönnen.

„Ist schon okay“, antwortete er und als er sah, dass sie ihm das nicht abnahm, fügte er hinzu, „Wirklich Lois! So schlimm sind die Schmerzen nicht. Wenn ich mich noch eine Nacht ausruhen kann, geht es mir wieder prima.“

„Es wäre mir lieber, wenn du endlich zu einem Arzt gingst. Was ist mit ihm?“ fragte sie und meinte damit offenbar Dr. Klein, der wieder seine Akten durchwühlte. Ohne auf eine Antwort zu warten, sprach sie laut weiter. „Dr. Klein?“ Sie wartete, bis er sie anschaute, bevor sie schließlich fortfuhr. „Wären sie so nett sich Clark einmal anzusehen? Er hat eine Verletzung, die nicht allzu gut ausschaut“, sagte sie besorgt.

„Lois“, versuchte Clark zu widersprechen, aber er hatte keine Chance. Lois brachte ihn mit einer ungeduldigen Handbewegung zum Schweigen.

* * *

Dr. Klein stöhnte. Das konnte doch nicht wahr sein. Lois und Clark waren immer noch da. Er hatte sie beinahe vergessen, weil Lois so lange schon keine Fragen mehr gestellt hatte. Aber nun wurde ihm mehr als deutlich, dass sie beiden sein Labor nicht verlassen hatten. Es war wohl heute nicht ganz sein Tag, oder? Warum sollte Clark Kents Gesundheit ausgerechnet sein Problem sein?

<Weil du ja unbedingt Arzt werden musstest>, erinnerte sich Dr. Klein still. <Warum warst du nicht zufrieden bei den Physikern und Chemikern zu bleiben? Oh, aber natürlich war Medizin ja ein soo interessantes Fach! Nun schau, wo dich das hinbringt.>

„Oh, bitte Ms. Lane, suchen Sie sich einen anderen Arzt. Als ich zugestimmt habe Supermans Arzt zu werden, habe ich eine Ausnahme gemacht. Ich bin nicht ganz ohne Grund Forscher geworden. Mit Patienten hab ich es nicht so“, flehte Dr. Klein.

Er konnte nur hoffen, dass Lois ihre Meinung ändern würde. Immerhin war sie doch mit Clark Kent befreundet. Sicher wäre es ihr lieber, wenn jemand mit mehr praktischer Erfahrung Clark behandeln würde. Die Leute bekamen doch ständig Zustände, wenn sie es mit einem Anfänger zu tun hatten. Aber diese eherne Regel der Medizin schien hier nicht zuzutreffen. Dr. Klein seufzte. Das Leben war nicht fair. Lois schien es überhaupt nicht darauf abgesehen zu haben, so schnell wie möglich aus seinem Labor zu verschwinden. So, wie er die Sache einschätzte, würde sie darauf bestehen, dass er ihren Partner anschaute. Und natürlich gab es da so einen verflixten Hippokratischen Eid, auf dem sie ihn festnageln konnte.

„Er hat sein Gedächtnis verloren“, lockte Lois mit einem süßen Lächeln. Clark Kent sah sie böse an, aber er war nicht derjenige, der Entscheidungen treffen konnte. Amnesie klang natürlich viel interessanter als eine bloße Verletzung. Dr. Klein fühlte, wie sein Widerstand brach. „Und wenn Sie ihm helfen, dann kann er uns wahrscheinlich auch noch helfen herauszufinden, was mit Superman geschehen ist.“

Dass nun jeder weitere Protest zwecklos war, wusste sogar Dr. Klein. Er war in ihre sorgsam aufgestellte Falle getappt und das wusste sie. Wie kam es, dass Frauen Männer dazu bringen konnten, ihnen jeden Wunsch zu erfüllen? Aber es war sinnlos, sich darüber aufzuregen. Seine Versuche mussten eben warten. Er sollte etwas entwickeln, dass ihn gegenüber zukünftigen Überredungsversuchen immun machen würde. Aber nun saß er eben in der Falle. Mit einem weiteren Seufzer klappte er die Akte zu, durch die er gerade geblättert hatte.

„Okay, setzten Sie sich auf die Untersuchungsliege“, gab er nach und sah zu, wie Lois Clark praktisch hinüber schubste. Das war schlimmer, als er befürchtet hatte. Mit Patienten umzugehen, war an sich schon nicht schön, aber musste es denn ausgerechnet noch jemand sein, der sich wehrte? Das war mehr, als er ertragen konnte. „Ich werde schon nicht beißen“, fügte Dr. Klein schlecht gelaunt hinzu.

„Das haben wir auch nicht angenommen, oder, Clark?“ Lois bedachte ihren Kollegen mit einem warnenden Blick und er entspannte sich ein wenig. „Ich weiß nicht wieso, aber aus irgendeinem Grund hat er Angst vor Ärzten“, erklärte sie Dr. Klein fürsorglich.

Hatte er wirklich gedacht, dass es kaum schlimmer kommen konnte? Dr. Klein hatte sich nicht für so naiv gehalten. Aber offenbar war er es doch. War es sein spezielles Glück, oder lag es an großen, muskelbepackten Männern im Allgemeinen? Dr. Klein konnte nicht umhin festzustellen, dass Superman ähnlich ängstlich dreingeblickt hatte, als er ihn zum ersten Mal besucht hatte. Nicht einmal während seiner kurzen Zeit als Assistenzarzt hatte er einen so nervösen Patienten gesehen, ein paar Kinder mal ausgenommen. Aber verglichen mit dem gehetzten Blick in Clarks Augen, waren die geradezu tapfer gewesen.

Dr. Klein ging auf Clark zu und durchsuchte seinen Kittel nach einer Leuchte. Wie wenig er davon auch halten mochte, er musste mit einer Untersuchung beginnen. Ganz sicher war er nicht, dass die Pupillenleuchte noch an ihrem angestammten Platz war. Allerdings verließen Dinge, die einmal ihren Weg in seine Taschen gefunden hatten, selten ihr Refugium.

„Ich verspreche Ihnen, dass es nicht wehtut!“ erklärte Dr. Klein, als ihm auffiel, wie angespannt Clark war. Er begann mit einer kurzen Untersuchung und verzichtete auf die Lampe, weil er sie noch nicht gefunden hatte. „Haben Sie sich den Kopf verletzt?“

„Ich hatte gestern ziemlich starke Kopfschmerzen, als ich aufgewacht bin, aber die sind verschwunden, sobald ich mich ausruhen konnte“, gab Clark zurück.

„Wie steht es mit Schwindel oder Erbrechen?“ fuhr der Arzt fort.

„Mir war ein bisschen Schwindelig und auch übel, aber das ging genauso schnell *vorüber*.“ Clark betonte das Wort vorüber, als würde es sein Leben retten. Ihm stand ganz deutlich die Angst in den Augen, als Dr. Klein die Leuchte endlich gefunden hatte. Der arme Arzt wurde ganz nervös bei diesem Anblick und versuchte sich daran zu erinnern, dass Amnesie ein interessanter Fall war.

„Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen? Doppelbilder vielleicht?“ fragte Dr. Klein, bevor er die Reaktion von Clarks Pupillen testete.

Clark schüttelte den Kopf. „Nein, nichts in der Art.“

„Mmmhh“, murmelte der Doktor vage und unterbrach seine Untersuchung, um zu überlegen, was er noch vergessen haben könnte. Aber ihm fiel nichts ein. Alles an Clark erschien Dr. Klein normal und er befürchtete, dass seine Amnesie nichts Neurologisches war. Das unberechenbare Biest mit dem Namen Psyche hob seine Kopf und grinste Dr. Klein an. Der Wissenschaftler hatte immer die Krankheiten gehasst, die er weder im Blut noch im Röntgenbild nachweisen konnte. Und nun sah es so aus, als hätte er gerade solch einen Fall entdeckt. Seine Motivation ließ merklich nach. „Ich glaube nicht, dass er sich den Kopf verletzt hat. Clark mag eine leichte Gehirnerschütterung haben, aber die erklärt wohl kaum seinen Gedächtnisverlust.“

Dr. Klein räusperte sich verlegen. Er würde nicht notwendigerweise behaupten, dass es ohne Grund geschehen war.

„Wann hört Ihre Erinnerung denn auf? Wie viel wissen Sie noch von dem, was geschehen ist, bevor sie bewusstlos wurden?“ Dr. Klein hatte sich entschieden, lieber die Befragung fortzusetzen, als unangenehme Fragen zu beantworten. Abgesehen davon, wusste er noch nicht genug, um sich seiner Diagnose sicher zu sein. Still hoffte er darauf, dass Clarks Antwort das unberechenbare Biest verschwinden lassen würde.

„Nichts. Ich kann mich nicht erinnern, wer ich bin. Alles, was ich über mich weiß, ist was mir Lois erzählt hat“, zerstörte Clark den letzten Strohhalm, an den Dr. Klein sich geklammert hatte.

Eine vollständige Amnesie war äußerst selten und sie trat fast nie im Zusammenhang mit Kopfverletzungen auf. Dr. Klein hatte schon von spontaner Amnesie gehört, aber meistens waren es nur Episoden, die ein paar Stunden dauerten. Es war weit wahrscheinlicher, dass Clark mit seiner Amnesie etwas zu verdrängen suchte. Und das war etwas, dass Dr. Klein nicht beeinflussen konnte. Wieder einmal seufzte er und wünschte sich zurück zu seinen Zelllinien. Die hatten einfach nicht genug Hirn für psychische Probleme.

„Ich denke nicht, dass die Amnesie von irgendeiner Art von Verletzung ausgelöst wurde“, sagte Dr. Klein vorsichtig und beobachtete Clark. Die meisten Menschen waren nicht gerade begeistert, wenn ihnen erklärt wurde, dass ihre Probleme rein psychisch waren. Clark allerdings schien darüber beglückt. Vielleicht lag es daran, dass keine Verletzung auch kein Krankenhaus bedeutete. „Vielleicht haben Sie einen emotionalen Schock erlitten. Die gute Nachricht ist, dass Ihr Gedächtnis zurückkehren wird. Aber ich habe keine Ahnung, wann das sein wird.“

„Das ist ja schön und gut, Dr. Klein“, unterbrach Lois, die offenbar wieder in den Mad Dog Lane Modus zurückgekehrt war. Für eine Weile hatte sie nur still beobachtet, aber es war natürlich ausgeschlossen, dass sie es dabei beließ, dachte Dr. Klein unglücklich. „Seine Amnesie ist aber wirklich nicht sein größtes Problem. Erinnern Sie sich, dass ich etwas von einer Wunde gesagt habe?“ fragte sie herausfordernd und ein wenig ungeduldig.

„Eine Wunde?“ fragte Dr. Klein ungläubig. „Sie haben eine Wunde mit keinem Wort erwähnt!“ beschwerte er sich.

Sein Mut sank. Er würde so schnell nicht wieder an seine Forschungsarbeit kommen. Stattdessen wurde es immer nur noch schlimmer. Für einen wundervollen Augenblick hatte er gedacht, dass er diese Reporter endlich loswerden könnte. Aber er sollte Lois’ Sturheit besser nicht unterschätzen. Das war genau der Grund, warum er so schnell es ging aus dem Krankenhaus geflohen war. Und jahrelang war er ein rundum glücklicher Wissenschaftler gewesen. Seine Welt hätte gar nicht perfekter sein können, bis ein freundlicher Außerirdischer ihm die einmalige Chance geboten hatte, seine Physiologie zu studieren. Was für ein Narr war er doch gewesen, sich darauf einzulassen.

Dr. Klein warf einen langen, sehnsuchtsvollen Blick auf sein Mikroskop und auf all die anderen Dinge, die in den Regalen seines Labors herumstanden. Buchstäblich alles schien ihm einladend zuzulächeln, schien ihm zuzuflüstern, dass es geeignet war das Kryptonit-Problem zu lösen. Doch statt seiner Neigung nachgeben zu können, saß er bei einem verletzten Mann fest. Letztendlich wusste der Wissenschaftler, dass er seine Ungeduld noch für eine Weile bezwingen musste. Er musste sich darauf konzentrieren, was nun wichtig war. Eigentlich war es doch gar nicht so schlecht, jemandem zu helfen, dem es schlecht ging, auch wenn er diese Seite seines Berufs immer verdrängt hatte. Dr. Klein schluckte und merkte, dass er nervös war. Er hatte schon seit langer Zeit nicht mehr praktiziert und es war nicht so, als wäre die Behandlung von Wunden genau so einfach, wie die kurze Untersuchung davor.

„Es...es gibt keinen Grund ängstlich zu sein, Clark“, erklärte Dr. Klein und versuchte seinem Gegenüber ermutigend zuzulächeln. „Ich habe das schon länger nicht mehr gemacht, aber das heißt nicht, dass ich es nicht kann.“ Oh ja, das würde das Vertrauen seines Patienten sicherlich stärken!

„Ich... ich habe k...keine Angst“, murmelte Clark und seine Stimme strafte seine Worte Lügen.

„Würden Sie sich bitte hinlegen?“ bat Dr. Klein. „Ähm... wir könnten Lois bitten draußen zu warten, wenn Ihnen das lieber ist.“

„Nein, nein, ich...ich hätte sie gern bei mir“, stotterte Clark, als wäre der Gedanke, mit dem etwas verrückten Wissenschaftler allein zu sein, zuviel für ihn.

„Also gut, also wo genau ist denn Ihre Verletzung?“ Dr. Klein flehte still, dass es an keiner peinlichen Stelle war. Schamgefühl war glücklicherweise etwas, das die Mäuse in seinem Labor nicht besaßen.

„An meiner linken Seite“, erwiderte Clark und begann sein Hemd auszuziehen, während Dr. Klein erleichtert seufzte.

„Wie ist das denn passiert?“ fragte der Arzt in ihm.

* * *

„Ich weiß es nicht. In der Gasse muss Glas gelegen haben“, erklärte Clark. „Ich habe ein paar Bruchstücke aus der Wunde gezogen.“ Sein Blick glitt unruhig hinüber zu Lois und versuchte zu ergründen, was sie davon hielt erst jetzt von dem Glas zu erfahren. Clark sah, dass sie ihre Zähne ärgerlich zusammenbiss.

<Glasscherben?> formte sie mit dem Mund und ihre Augen glitzerten gefährlich. Ihr Gesichtsausdruck ließ darauf schließen, dass darüber das letzte Wort noch nicht gesprochen war. Schuldbewusst fragte sich Clark, ob er ihr wohl noch etwas anderes verschwiegen hatte. Er konnte sich an nichts erinnern, aber das hieß bei ihm ja nicht viel.

In der Zwischenzeit hatte Dr. Klein sich weiter an Clarks Hemd zu schaffen gemacht. Er hatte den Stoff weiter nach oben gezogen, bis der dicke Verband sichtbar wurde. Erstaunlicherweise sah er sehr gut aus. Clark hatte erwartet, dass er blutgetränkt wäre. Aber alles war trocken und blütenrein weiß. Vorsichtig löste Dr. Klein den Verband, um sich die Wunde näher anzusehen. Clark hielt den Atem an. Der Gedanke, dass Dr. Klein möglicherweise Nähen wollen würde, machte ihn äußerst nervös.

„Oh oh“, murmelte Dr. Klein und blickte Lois betreten an.

„So schlimm?“ fragte sie und Besorgnis stand ihr förmlich ins Gesicht geschrieben.

„Oh, nein, äh, ich glaube ich habe vergessen... Ms. Lane, wären Sie wohl so nett mir Verbände zu bringen und etwas, mit dem ich die Wunde reinigen könnte. Da müsste ein Erste Hilfe Kasten auf dem Korridor hängen.“ Der Doktor errötete und schien darauf zu warten, einen Vorgeschmack auf Mad Dog Lanes berühmte Wutanfälle zu erhalten.

„Draußen?“ fragte Lois ungläubig. „Soll das etwa heißen, dass sie nichts hier haben?“

„Ich bin Wissenschaftler und kein Chirurg, wenn Sie sich bitte daran erinnern wollen“, erwiderte Dr. Klein gereizt.

Widerwillig drehte sich Lois um, um das Labor zu verlassen. Bevor sie ging, vergaß sie jedoch nicht dem Wissenschaftler böse Blicke zuzuwerfen. Auch wenn Clark in letzter Zeit meist auf dem Schlauch stand, hätte er Dr. Klein warnen können. Lois war nicht gerade begeistert davon, etwas tun zu müssen, dass andere von ihr verlangten. Sie war ganz oben und gab den Ton an. Clark blinzelte. Ganz oben? Das kam ihm merkwürdig bekannt vor. Aber warum? Er beschloss später darüber nachzudenken.

In diesem Augenblick zog Dr. Klein das Pflaster von der Wunde und betrachtete sie sich genauer. Clark hob seinen Kopf um es ihm gleichzutun, auch wenn seine Bauchmuskeln unter der Bewegung protestierten. Aber es war nicht halb so schmerzhaft, wie er erwartet hatte. Wenn er ehrlich war, hätte Clark die Wunde nicht wieder erkannt, wäre es nicht eindeutig sein Bauch gewesen. Und er hatte nun mal nur eine Schnittwunde gehabt. Der Schnitt war zwar nicht verschwunden, aber er sah nicht länger hässlich aus. Vermutlich würde noch nicht mal eine Narbe zurückbleiben.

Dr. Klein musterte Clarks Bauch eingehend. „Und das konnten Sie keinem richtigen Arzt zeigen?“ fragte er ungläubig. Offenbar bereitete es ihm Schwierigkeiten sich vorzustellen, dass so ein kleiner Kratzer jemanden erschrecken sollte.

„Nun, äh...“ murmelte Clark unverbindlich.

Dr. Klein drückte den Verband wieder fest und schüttelte seinen Kopf. „Da muss ich mich nicht drum kümmern. Da hilft nichts als warten, bis es von selbst heilt. Schauen Sie sich die Wunde nur regelmäßig an. Wenn sie rot und heiß wird, dann gehen Sie zu einem Arzt“, sagte er mit fester Stimme, die keinen Zweifel daran ließ, dass er zu weiteren Diskussionen nicht bereit war.

Noch immer seinen Kopf schüttelnd, kehrte Dr. Klein zu seinen Akten zurück. Während Clark sein Hemd wieder zuknöpfte, kehrte Lois mit einem Arm voller Verbandsmaterial zurück. Clark fragte sich, ob das alles aus dem Erste-Hilfe Kasten stammte, oder ob Lois jemanden um Hilfe gebeten hatte. Als sie bemerkte, dass Clark seine Krawatte zurechtrückte, blieb sie wie angewurzelt stehen.

„Was?“ rief Lois entsetzt und mit einem dumpfen Schlag fiel alles, was sie getragen hatte, zu Boden. „Clark, bist du übergeschnappt?“

„Schhh, Lois“, erwiderte Clark. „Beruhige dich. Mir geht es gut.“ Er griff sich sein Jackett und ging hinüber zu Lois, umfasste sanft ihren Ellbogen und nötigte sie zum Gehen. Sie wehrte sich nicht. Vielleicht lag es daran, dass er leise flüsterte, „Lass uns gehen. Der arme Dr. Klein ist so wild darauf endlich mit diesem Projekt anzufangen, dass wir ihn nicht länger stören sollten.“ Vielleicht war sie auch einfach nur zu überrascht, um einen Streit vom Zaun zu brechen. Aber das änderte sich schnell, als sie sich auf dem Flur wieder fanden.

„Clark, du kannst Dr. Klein wirklich vertrauen. Es gibt keinen Grund jetzt ein Drama aus der Sache zu machen“, wies sie ihn ärgerlich zurecht. „Was ist nur los mit dir?“

„Lois, ich habe keine Ahnung, wieso, aber diese Schnittwunde sieht viel besser aus als gestern. Dr. Klein hat keinen Grund gesehen mich deswegen zu behandeln“, sagte Clark kaum hörbar.

„Clark, ich...“

„Ich kann es dir ja wohl kaum hier zeigen, oder?“ fragte Clark und deutete auf die wenigen Menschen, die durch die Korridore der STAR Labs eilten. Einige blickten schon neugierig auf das streitende Paar. „Ich lüge nicht und ich versuche auch nicht mehr Zeit herauszuschlagen. Erklären kann ich es mir nicht, aber die Wunde ist fast geheilt. Fass meine Seite an, wenn du willst. Es tut kaum noch weh.“

„Aber wie?“ wollte Lois wissen, während Clark sie drängte weiter zu gehen. „Ich hab sie doch gestern gesehen. Sie kann einfach nicht so viel besser ausschauen!“


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Vega
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Bis dass das Leben uns scheidet...11/14

Beitragvon Vega » Mo 25. Jan 2010, 15:37

Teil 11

„Also gut, was wissen wir?“ Lois lehnte sich zurück und sah Clark an, der neben ihr auf der Parkbank saß. „Und erzähl mir bloß nicht, dass wir wissen, wer den Abzug gedrückt hat“, erklärte sie und rollte bedeutungsvoll mit den Augen.

Sie hatten sich ein verstecktes Fleckchen im Centennial Park gesucht um sich zu unterhalten. Einen anderen Ort würden sie wohl nicht finden, da jeder Reporter und Polizist von Metropolis wohl entweder vor Lois’ oder vor Clarks Wohnung Wache schob. Es war ein offenes Geheimnis, dass sich das heißeste Team der Stadt auch privat nahe stand.

„Superman hat in der Gasse mit mir gekämpft“, führte Clark an. „Da war eine Waffe und ich bin mir fast sicher, dass dort noch ein dritter Mann war.“

„Ich habe eineinhalb Tage nachdem du verschwunden warst mit Superman gesprochen“, fügte Lois hinzu.

„Was haben wir eigentlich gemacht bevor ich verschwunden bin? Und wo war Superman bevor er dich besucht hat?“ fragte Clark und hatte das Gefühl, dass besonders der letzte Punkt wichtig war.

„Wir haben zusammen an einem Artikel gearbeitet“, erklärte Lois und wiegelte schnell ab, „ – nichts von Bedeutung. Ich glaube, du hast an einem Interview gesessen, während ich mich durch die Hintergrundinformationen gewühlt habe. Dann bist du aufgestanden und hast erklärt, dass du noch eine Quelle besuchen würdest“, seufzte Lois und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du wolltest gleich zurück sein, aber das warst du nicht.“

„Hast du mich nicht begleitet?“ fragte Clark, etwas verwundert.

„Ich wollte. Aber du hast mir erklärt, dass es nicht geht. Zuerst war ich natürlich wütend. Doch dann ging mir auf, dass das vielleicht mal wieder eines deiner ‚ausgeliehenen Bücher’ ist.“ Bei ihren Worten malte Lois mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft und rollte erneut mit den Augen. Als Clark sie verwirrt anschaute, fügte Lois hinzu. „Das ist eine der beiden Entschuldigungen, die du immer benutzt“, erklärte Lois ohne Groll, obwohl das eines der Dinge war, die sie in den Wahnsinn trieben. „Wenn du kein Buch zurückbringst, dann ist es ein Video. Vielleicht hattest du dich damals zur Abwechslung mal für eine geheime Quelle entschieden.“

Clark wurde rot, als er den Schmerz in ihrer Stimme hörte. „ Es tut mir Leid“, sagte er, und war sich nicht ganz sicher, ob es ihm wirklich Leid tat, dass er gelogen hatte. Bedauerte er am Ende nur sich selbst, weil Lois ihm nun keine Hinweise geben konnte?

„Ich denke mal, dass du deine Gründe hattest, mir nicht zu erzählen, was auch immer du mir nicht sagen konntest“, meinte Lois achselzuckend. „Aber es gibt noch etwas, worüber wir reden wollten. Du hast mir noch nicht gezeigt, was nun mit deiner Wunde ist“, wechselte sie das Thema.

Clark hatte das starke Gefühl, dass dies so eine Sache war, die er sonst verschwiegen hätte. Es war zu seltsam und viel zu beängstigend. Aber Lois war der einzige Mensch, dem er vertrauen konnte.

„Sie ist fast verschwunden“, sagte Clark, zog sein Hemd aus der Hose und entblößte seine Haut. Sehr zu seinem Erschrecken passte auch das Wort ‚fast’ nicht mehr. Sein Bauch war völlig makellos und nicht einmal ein schmaler roter Streifen zeugte noch von der Verletzung.

Lois schluckte und beäugte seine Haut, als suche sie nach der Maske, hinter der er die Schnittwunde verborgen hatte.

„Das ist unmöglich“, hauchte Lois und streckte die Hand aus, um zu fühlen, was sie nicht glauben konnte.

„Ich weiß.“ Es erstaunte ihn nicht weniger, nur weil er gesehen hatte, wie aus der Schnittwunde ein kleiner Kratzer geworden war. Clark hatte nicht erwartet, dass sie so schnell verschwinden würde. Nicht, dass er wusste, wie schnell seine Verletzungen sonst heilten. Schließlich konnte er sich an keine davon erinnern...

„Au!“ Clark besah sich schockiert und zugleich fasziniert seinen Zeigefinger. Blut quoll aus dem Schnitt, erst langsam. Doch dann lief immer mehr und mehr rotes Blut über seine Fingerkuppe. „Ich...ich b..blute“, flüsterte er erschrocken.

„Hast du dich noch nie an Papier geschnitten?“ fragte Lois, die sich offenbar über seine merkwürdige Reaktion amüsierte.

„Nicht, dass ich wüsste.“


Clark blinzelte. Er hatte gehofft, dass sein Gedächtnis nur vorübergehend gestört war. Aber offenbar hatte er früher schon Probleme damit gehabt.

Glasscherben lagen auf dem Boden zwischen seinem Sofa und dem Couchtisch. Clark bückte sich, um sie aufzuheben. Als er wieder hochkam, waren seine Finger voller Blut.

„Au“, murmelte er. „Verdammt.“ Er schaute seine Finger kurz an und steckte sie dann in den Mund, damit sie aufhörten zu bluten.


„Clark, hörst du mir überhaupt zu?“ fragte Lois entnervt. „Was ist los mit dir?“

„Ich glaube, ich habe mich an etwas erinnert“, antwortete er langsam. Seine Erinnerungen irritierten ihn eher, als dass er sich darüber gefreut hätte. Etwas daran war seltsam gewesen, doch er hätte nicht sagen können, was ihn daran störte.

„Das ist großartig!“ sagte Lois. Sie straffte die Schultern, voller Hoffnung, dass sie nun endlich zum Kern des Rätsels vorstoßen würden. „Hatte es mit Superman zu tun?“

Clark schüttelte seinen Kopf. „Nein, tut mir Leid. Ich habe mich nur erinnert, wie ich mich mal an Papier geschnitten habe.“

„Oh, du meinst damals in Smallville, als ich dir gesagt habe, dass du den Finger in den Mund stecken sollst?“ meinte Lois sofort, aber dann schüttelte sie den Kopf über ihre eigene Dummheit. Dies musste einer von unzähligen Schnitten an Papier sein. Sie selbst hatte gerade mindestens zwei, nachdem sie in letzter Zeit so viele Akten gewälzt hatte.

„Daran erinnerst du dich noch?“ fragte Clark ungläubig.

* * *

„Nun, das war – denkwürdig“, gab Lois zurück. Plötzlich kamen ihr so viele Fragen in den Sinn, dass sie sie unmöglich alle stellen konnte. Doch als Clark seine Ohren mit den Händen bedeckte, vergaß Lois völlig, was ihr eingefallen war.

„Au!“ stöhnte er und sah sie eindringlich an, so als könnte sie ihm helfen. In seinem Ausdruck lag eine Mischung aus Schmerz und Erstaunen. „Lois, wie kannst du diesen fürchterlichen Lärm ertragen?“ brüllte er über eine Geräuschkulisse hinweg, die nur er hören konnte. Der Park war ruhig und nur gelegentlich wehte das dezente Rauschen des Verkehrs herüber.

„Da ist kein Lärm, Clark“, erwiderte Lois irritiert.

Es konnte nicht daran liegen, dass sie taub war, oder? Sie hörte Clark doch, also konnte der Lärm nur in seinem Kopf sein. Allerdings hatte sie niemals von einer Krankheit gehört, bei der jemand Lärm im Kopf hatte. Stimmen vielleicht, aber die konnten doch wohl kaum so laut sein, oder?

„Hörst du nicht den Verkehr? Züge, LKWs und schreiende Menschen. Sogar du brüllst!“ rief Clark.

„Ich brülle nicht“, erklärte Lois, noch leiser als zuvor. „Und da mag vielleicht Verkehr sein, aber der ist weit weg. Sie dich doch um, Clark. Um uns herum sind Bäume. Kein Mensch schreit und die nächst Bahnlinie ist mindestens zwei Blocks von hier entfernt.“ Sie beäugte ihn vorsichtig, von seinem seltsamen Verhalten zunehmend beunruhigt.

„Warum höre ich dann all diese Dinge?“ frage Clark panisch. „Lois, ich schwöre dir, dass ich mir das nicht ausdenke. Es klingt so, als wäre ich mitten in einem Verkehrsunfall.“

Seine Augen flehten sie stumm an, ihm zu glauben. Er schützte seine Ohren noch immer mit den Händen und sein Gesicht war schmerzverzerrt. Lois konnte sich nicht helfen, sie spürte, dass er die Wahrheit sagte. Und es sah nicht so aus, als wäre er dabei den Verstand zu verlieren. Aber das half ihr auch nicht zu verstehen, was da vor sich ging.

* * *

Clark hingegen war sich nicht so sicher, dass er noch bei klarem Verstand war. Lois litt ganz offenbar nicht unter dem unerträglichen Lärm. Und dann verstummten auf einmal all die Stimmen, das Kreischen von Bremsen und die Sirenen, die er eben noch gehört hatte. Clark entspannte sich etwas und legte seine Hände zurück in seinen Schoß. Mit einem Seufzer der Erleichterung wandte er sich Lois zu. Sie schaute ihn an, ihr Blick ein wenig glasig und tief in Gedanken versunken. Er konnte ihr beinahe beim Denken zusehen und im Gegensatz zu ihm, erschien Lois überhaupt nicht ratlos. Sie murmelte vor sich hin, hob einen Finger.

„Schnelle Heilung...“ flüsterte sie. „Gut, nehmen wir einmal an, der Lärm bedeutet... außerordentlich gutes Gehör.“ Sie hob einen zweiten Finger. „Und dann das Auto – aus Mangel an einer besseren Erklärung – Hitzeblick.“ Nach einem vorsichtigen Blick auf Clark gesellte sich ein dritter Finger zu den beiden anderen. Lois musste zu einem Schluss gekommen sein, denn sie ließ ihre Hand wieder sinken und wandte sich Clark zu. „Ich bin mir nicht ganz sicher, aber irgendwie sieht es so aus“, sie schluckte. „Ich denke, Superman hat seine Kräfte an dich weitergegeben.“

„Er...was?“ brachte Clark wortgewandt hervor. Er saß wie vom Donner gerührt da.

„Ja, das muss es sein“, meinte Lois glücklich. Die Idee schien sie regelrecht zu begeistern. „Das ist vor einigen Monaten schon mal zufällig geschehen. Supermans Kräfte waren damals auf jemandem namens William Wallace Webster Waldecker übertragen worden. Aus ihm wurde der ‚prächtige Rächer’ als Superman und er vom Blitz getroffen wurden.“ Sie hörte für einen Moment auf zu reden und ihre Miene verzog sich zu einem Grübeln, als müsste sie erst noch über etwas nachdenken. Aber dann lächelte sie wieder freudig und fügte triumphierend hinzu. „Und gestern war ein Gewitter!“

Mit diesem enthusiastischen Lächeln auf ihrem Gesicht sah sie schöner aus, als je zuvor. Es wirkte beinahe ansteckend, auch wenn Clark nicht glaubte, dass er ihre Freude teilen konnte. Er konnte sich vorstellen, dass diese Neuigkeiten Lois die Welt bedeuteten. Aber er selbst hatte keinen Schimmer, was der Mann mit den vielen Ws in seinem Namen mit ihm zu tun haben sollte.

„Das ist der Beweis, dass du Superman nicht getötet hast. Er hat dir vertraut. Du kannst es gar nicht getan haben“, rief Lois begeistert. Das Lächeln auf ihren Lippen wurde immer breiter und sie entspannte sich sichtlich. „Ich wusste einfach, dass ich nicht so falsch liegen kann.“

„Aber warum sollte er...?“ fragte Clark verwirrt und alles andere als überzeugt.

„Weil du sein Freund bist und er dir vertraut hat. Superman muss gewusst haben, das etwas mit ihm nicht stimmt. Vielleicht war ihm klar, dass er nicht ewig dagegen ankämpfen konnte. Seine Kräfte waren ihm einfach zu wertvoll, als dass er die Welt ohne sie zurücklassen wollte. Also machte er dich zu seinem Erben“, fasste Lois zusammen, was für sie die Offensichtlichste Sache der Welt zu sein schien. „Es erklärt einfach alles. Warum deine Wunde so schnell geheilt ist, warum die Kopfstütze so plötzlich in Flammen aufgegangen ist und warum du Lärm gehört hast, der eigentlich viel zu weit entfernt war. Es passt einfach!“ sagte sie begeistert.

„Es passt einfach“, wiederholte Clark und seine Stimme klang rau. Sein Mund hatte sich nie zuvor so trocken angefühlt. Für ihn passte es ganz und gar nicht. Er fühlte, dass es nicht der Wahrheit entsprach. „Also, warum hat er mich dann angegriffen? So weit ich mich erinnere, wollte er mich umbringen.“ Es klang lächerlich, als er das sagte. Warum sollte der stärkste Mann der Welt einen Reporter umbringen wollen? Aber warum sollte er ihm seine Kräfte übertragen wollen?

* * *

„Vielleicht konnte er sich einfach nicht stoppen“, murmelte Lois und das kam ihr selbst äußerst dumm vor. „Aber das ist auch nicht wichtig. Er wollte, dass du seinen Platz einnimmst. Du musst lernen, wie du seine Kräfte einsetzen kannst, Clark. Du musst zu Superman werden!“

Lois fand ihre Argumentation einfach und sehr vernünftig. Sie versuchte verzweifelt die nagende Angst zu verdrängen, dass alles nur deshalb so offensichtlich war, weil sie an ihren Helden glauben wollte. Sie wollte sich daran festhalten, dass jemand Superman dazu gezwungen hatte, sich so merkwürdig zu verhalten. Eine leise Stimme in ihrem Hinterkopf dämpfte ihre Freude jedoch. Warum hatte Superman Clark ausgesucht und nicht sie? Warum hatte er ihr nicht erzählt, was mit ihm geschah? Und warum war Clark so lange verschwunden gewesen? Hatte er in dieser Zeit mit Superman gesprochen? Hatten sie sich darauf geeinigt diesen Schritt zu tun oder hatte Superman Clark seine Kräfte einfach aufgezwungen? Hatten sie deshalb gekämpft?

„Bist du übergeschnappt, Lois?“ fragte Clark. „Alle Welt glaubt, dass ich Superman getötet habe. Nehmen wir einmal an, dass du Recht hast und er mir wirklich seine Kräfte übertragen hat.“ Er stand auf und begann vor der Bank auf und ab zu laufen. „Wie sollte ich denn seinen Platz einnehmen? Erwartest du von mir, dass ich jede Nacht aus dem Gefängnis ausbreche, um als Superheld durch die Gegend zu fliegen? Oder soll ich einfach so weiter machen, wie bisher und wir sagen einfach, dass ich ihn nicht getötet haben kann, weil er mir vertraut hat. Himmel, nicht mal ich kann daran glauben.“

* * *

Clark fühlte einen plötzlichen Anfall von Eifersucht in sich aufsteigen. Er hatte seine Hände zu Fäusten geballt ohne es wirklich zu merken. Seine Nägel bohrten sich in seine Handflächen, aber er fühlte den Schmerz nicht und wunderte sich darüber auch gar nicht. Warum musste er unbedingt ein anderer Mann werden, wenn sein größter Wunsch doch war, herauszufinden, wer er eigentlich war. Wie konnte sie von ihm erwarten jemand zu werden, dem er einfach nicht das Wasser reichen konnte? Clark wandte sich von ihr ab war sich nicht sicher, ob er sie oder sich selbst damit schützte. Sie wollte ihn – Clark – nicht, wer immer das auch war. Nicht, solange es einen Helden zu bewundern gab, selbst wenn der nur eine Farce war. Clark kam das merkwürdig bekannt vor.

„Ich kann es nicht tun“, stellte Clark ärgerlich fest. „Egal, ob ich seine Kräfte nun habe, oder was auch immer sonst mit mir passieren mag – es macht mich nicht zu ihm.“

„Natürlich tut es das nicht“, gab Lois zu. „Aber du könntest lernen diese Kräfte einzusetzen, um Menschen zu helfen. Es wird nicht einfach werden, Clark. Aber ich werde dir dabei helfen.“

„Darum geht es doch gar nicht“, argumentierte Clark hilflos. Sie verstand einfach nicht, was er meinte. Sie kam noch nicht mal auf die Idee, dass sie seine Gefühle verletzen könnte. Aber dann fragte er sich, worum es denn dann ging. War es nicht egoistisch einfach nur Clark zu sein, wenn er Menschen retten konnte? Wenn Superman ihn tatsächlich zu seinem Erben bestimmt hatte, sollte er dann nicht sein Bestes tun, um dem Helden diesen letzten Wunsch zu erfüllen?

„Clark, ich weiß, dass das verwirrend sein muss. Ich meine, deine Situation ist ohnehin schon kompliziert genug“, murmelte Lois beruhigend und legte ihm eine Hand auf seinen Arm, um seine Rastlosigkeit zu durchbrechen.

„Ganz genau! Wie soll ich denn jemand werden, den ich überhaupt nicht kenne? Wie sollte ich den Mann ersetzen, den ich vielleicht getötet habe? Lois, ich kann einfach nicht Superman sein!“ Clark entzog ihr seinen Arm und suchte verzweifelt nach einem Weg ihr zu entkommen. Er wollte so gerne davonlaufen, so schnell er nur konnte. Wer sollte ihn schon aufhalten? Außer Lois...

„Haben wir uns nicht schon ausführlich darüber unterhalten? Ich sage dir, du hast ihn nicht getötet. Superman hatte sich schon einige Zeit merkwürdig verhalten. Den Grund dafür kennen wir nicht. Es ist mir erst nicht so bewusst gewesen, aber es war komplett untypisch für ihn, deinetwegen so eifersüchtig zu sein. Er hat mir so oft gesagt, dass ich mich glücklich schätzen kann, dich zu haben.“ Lois griff erneut nach seiner Hand.

Er fühlte, wie ihre Finger seine umschlossen, fühlte, wie ihr Daumen sanft über seinen Handrücken glitt. Plötzlich wollte Clark nicht mehr weg, auch wenn ihm das immer noch vernünftig erschien. Lois hatte einen immens starken Einfluss auf ihn. Und obwohl er sich geschworen hatte, nicht so leicht klein bei zugeben, wusste er bereits, dass dieser Kampf für ihn verloren war. Das wurde nur noch deutlicher, als Lois ein wenig näher an ihn rückte, um ihn zu umarmen. Er konnte ihr nicht länger widerstehen.

Jahre schienen seit diesem Morgen vergangen zu sein. Doch sobald Lois’ Lippen seine berührten, war die Magie zurück, als wäre sie niemals verschwunden gewesen. All seine Einwände wurden davon geweht, als sie seinen Mund mit heißen Küssen bedeckte und mal die Oberlippe, mal die Unterlippe streifte.

„Es tut mir Leid“, murmelte sie, als sie sich wieder von ihm löste. „Ich wollte dich nicht erschrecken. Es wäre nur so schön zu wissen, dass dort draußen jemand hilft, ohne Bedingungen zu stellen. Dass da jemand ist, zu dem wir aufsehen können und der diese Welt zu einem besseren Ort macht.“ Er spürte, dass sie es ernst meinte. Seine Eifersucht ebbte ab, als ihm klar wurde, dass sie aus ihm nicht nur den Helden hatte machen wollen, der ihr so sehr fehlte.

„Ich wäre nicht der Mann, zu dem die Menschen aufsehen können“, sagte Clark ruhig.

„Doch, das wärst du“, erwiderte Lois. „Clark, du bist ehrlich – zumindest die meiste Zeit über. Du bist freundlich und gut. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass du nicht helfen würdest, wenn du diese Kräfte hättest. Das ist einfach etwas, dass der Clark Kent, den ich kenne, niemals tun könnte. Genauso sicher bin ich, dass du Superman nicht getötet hast. Und absichtlich schon gar nicht.“ erklärte Lois bestimmt.

Plötzlich sprang sie auf und drängte Clark ihr zu folgen. Nach einer etwas frustrierenden Unterhaltung mit Dr. Klein war Lois wieder voller Tatendrang. Auf einmal schien alles möglich, jetzt, wo sie wusste, das Superman nicht gänzlich verschwunden war und das Clark langsam zu ihr zurückkehrte.

„Lois, was tun wir jetzt?“ wollte Clark wissen.

„Na herausfinden, was in der Gasse in Suicide Slum geschehen ist – was dachtest du denn? Wenn du sagst, dass ein dritter Mann dort war, dann müssen wir ihn finden!“ erklärte Lois, als sei es ganz einfach einen unbekannten Mann in Metropolis aufzuspüren.

„Aber wie? Ich kann ihn noch nicht einmal beschreiben. Und was wolltest du in Bezug auf meine äh...“ er räusperte sich peinlich berührt. „... Kräfte tun?“

Lois hielt sofort inne und schaute Clark an. Das war in der Tat ein Problem. Wenn Clark tatsächlich Kräfte entwickelte, dann war es unvorhersehbar, was als nächstes geschehen würde. Aber obwohl Lois ihm versprochen hatte, ihm mit diesen Fähigkeiten zu helfen, hatte sie doch keine genaue Ahnung, wie sie das anstellen sollte. Aber wie auch immer sie üben wollten, es wäre wohl keine gute Idee es mitten am Tage zu tun.

„Erst Bobby Bigmouth, dann deine Kräfte“, beschloss Lois nach kurzem Zögern.

Sie konnte Clark ansehen, dass er es lieber andersherum gehabt hätte. Oder doch nicht? Sein Gesicht spiegelte ein Gefühlswirrwarr wider, aus dem sie auch nicht recht schlau wurde. Erst schien ihm ihre Entscheidung unangenehm zu sein, dann wiederum sah er beinahe erleichtert aus. Lois verstand ihn längst nicht mehr. Statt sich weiter darum Gedanken zu machen, lief sie einfach weiter und zog Clark mit sich.


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Vega
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Bis dass das Leben uns scheidet...12/14

Beitragvon Vega » Di 26. Jan 2010, 16:29

Teil 12:

„Lois, das ist so unfair“, beschwerte sich Bobby Bigmouth mit vollem Mund, während er an einer Frühlingsrolle kaute. „Clark hier kann Superman umbringen und du magst ihn immer noch – und ich bekomme noch nicht mal ein zweites Dessert!“

Der ewig hungrige Informant schaute Clark eindringlich an. Es war schwer zu sagen, ob er Clark wirklich für einen Mörder hielt, oder ob er einfach nur neugierig auf dessen Reaktion wartete. Die Anschuldigungen erneut zu hören hatte indessen eine Art Film vor Clarks innerem Auge gestartet. Die wenigen Erinnerungen, die er an die Ereignisse der vergangenen Nacht besaß, wiederholten sich in einer Endlosschleife. Der Impuls einfach wegzulaufen verstärkte sich, aber wie sollte er sich selbst entkommen? Clark blinzelte in dem Versuch in der Gegenwart zu bleiben.

„Er hat Superman nicht umgebracht“, bemerkte Lois gereizt und langte nach einer der drei Tüten, die einmal randvoll mit Fastfood gewesen waren. „Außerdem hatten wir dir nicht nur ein zweites, sondern sogar ein drittes Dessert gebracht, Bobby. Also erzähl uns endlich, was du weißt“, verlangte sie ungeduldig.

Bobby verteidigte seine Tüte, kaute noch ein wenig weiter und schüttelte dann seinen Kopf. „Ich konnte dir gestern nichts erzählen und ich weiß auch heute nichts. Und – vielleicht irre ich mich ja – aber es sieht aus, als hättest du Clark gefunden!“

Er grinste Clark ironisch an und biss zufrieden in seine Frühlingsrolle. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hielt er seine Aufgabe für erledigt. Und er hatte schließlich Recht – es gab keine Neuigkeiten, die es wert waren, erzählt zu werden. Clark war wieder aufgetaucht und es war sinnlos einen Mörder zu suchen, wenn der Mann neben Lois doch praktisch ein Geständnis abgelegt hatte. Vielleicht brauchte es diesen Informanten, damit Lois endlich die Wahrheit begriff, dachte Clark hilflos.

Lois sah Bobby ärgerlich an und schnappte ihm die Frühlingsrolle aus der Hand, bevor er ein weiteres Mal hinein beißen konnte. Er protestierte lautstark, während sie den Rest des Essens zusammenraffte und sich zum Gehen wandte.

„Also gut, das reicht. Das ist gutes Fastfood – das beste von Metropolis. Ich denke, dafür verdiene ich etwas mehr als das. Komm schon, Clark. Wir gehen!“ sagte Lois mit fester Stimme.

„Hey, hey, hey, Lois, ich habe doch nur einen Witz gemacht. Natürlich erzähle ich euch, was ich über Supermans Tod weiß.“ Er sah sie flehendlich an. „Komm schon, Lois. Du kannst mich doch nicht verhungern lassen.“

Clark beobachtete Lois, als sie Bobby die Tüten zurückgab. Er wunderte sich nicht länger, dass sie ihn Bigmouth nannte. Der Name war eigentlich eine Untertreibung. Clark hatte nie zuvor jemanden kennen gelernt, der in so kurzer Zeit so viel essen konnte, mit Ausnahme von Bobby natürlich. Aber daran konnte er sich nicht erinnern. Der Mann mit dem passenden Namen aß hastig weiter und Clark schaute ihm nervös dabei zu. Er wusste bereits, was Bobby ihm sagen würde, wenn er denn tatsächlich etwas über die Gasse erzählen konnte. Sicherlich würde er seine schlimmsten Alpträume bestätigt finden. Und dann konnte er nur noch hoffen, dass sich irgendwo ein Loch im Erdboden auftun würde, in dem er für immer verschwinden konnte. Trotzdem hörte ein kleiner Teil von Clark nicht auf, daran zu glauben, dass er einfach keinen Mord begangen haben konnte. Und dieser Teil bettelte darum, eine bessere Erklärung zu hören.

Während Clark nervös der Dinge harrte, die Bobby erzählen konnte, schaute er sich ängstlich um. Er fürchtete, dass jemand ihn hier finden würde, bevor er irgendwelche Antworten erhielt. Eigentlich war er immer noch erstaunt, dass Lois es geschafft hatte, unbemerkt zu Bobby Bigmouth zu gelangen. Zweifellos hatte Inspektor Henderson sie längst zu Fahndung ausgeschrieben. Außerdem war nicht nur die Polizei wild darauf, ihn zu fassen zu bekommen. Clark Kent war zur Zeit wahrscheinlich der meist gehasste Bürger von Metropolis. Derjenige, der den größten Helden aller Zeiten getötet hatte.

„Also komm schon, Bobby. Spuck endlich aus, was du über Supermans Tod weißt!“ forderte Lois. Ihre Hand lag auf der Tüte mit Fastfood – eine stumme Drohung, dass sie sie ihm entreißen würde, sollte er ihr nicht etwas Interessantes zu erzählen haben.

„Nun, zuerst einmal Lois – erinnerst du dich noch, dass es in jener Nacht noch einen zweiten Toten gab? Den, den sie in Hobbs Bay treibend gefunden haben?“ fing Bobby an und schaute Lois neugierig an.

Sie rollte mit den Augen, als wollte sie Bobby sagen, dass sie nichts über fremde Tote wissen wollte. Clark konnte dem nur zustimmen. Sein Herzschlag hämmerte in seinen Ohren und die Anspannung machte ihn ganz krank. Er wollte es endlich wissen, mochte es ihn vernichten oder erlösen, das war ihm schon fast egal.

Aber dann beschloss Lois offenbar, sich auf Bobbys Spielchen einzulassen. Sie schien eine Weile über die Leiche nachzudenken, die Bobby erwähnt hatte. Schließlich schüttelte sie langsam ihren Kopf.

„Ich kann mich an keinen zweiten Toten erinnern“, gab sie zu. „Was hat das denn mit Superman zu tun?“ fügte sie ungeduldig und auch ein wenig verärgert hinzu. Lag es daran, dass Bobby etwas für wichtig befand, an das sie sich noch nicht einmal erinnern konnte? Clark war sich nicht sicher.

„Nun, nichts, wenn dir ein Toter Nigel St. John im Zusammenhang mit einem toten Superman nicht irgendwie verdächtig vorkommt“, meinte Bobby Bigmouth mit einem Achselzucken und wandte seine volle Aufmerksamkeit seinem Dessert zu.

„Nigel St. John? Luthors Nigel St. John?” fragte Lois ungläubig. „Aber Luthor ist doch im Gefängnis!”

„Hinter Schloss und Riegel!“ bestätigte Bobby. „Aber das heißt nicht, dass er keine Verbindungen mehr hätte. Und hat Clark nicht gesagt, dass er einen dritten Mann in dieser Gasse gesehen hat?“

„Davon weißt du?“ rief Clark schockiert.

Zum ersten Mal seit Bobby den Mund aufgemacht hatte, wusste Clark worum es ging. Bobby dachte offenbar, dass der Mann in der Gasse nicht nur ein Produkt von Clarks Phantasie war. Aber das hieß schließlich auch nicht viel. Wenn Clark die Augen schloss, konnte er hören, wie die Waffe aus seiner Hand auf dem Boden fiel. Sein Atem wurde unregelmäßig und eine neue Welle der Panik drohte Clark zu überrollen. Obwohl er sich kaum konzentrieren konnte, wusste Clark, dass er die Wahrheit hören musste. Koste es, was es wolle.

„Hey, ich bin eine Spürnase. Ich weiß alles“, meinte Bobby leichthin. Doch bald merkte er, dass weder Lois noch Clark mit dieser Erklärung zufrieden waren, und fügte hinzu. „Hendersons Abteilung ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Es fällt ihnen nicht besonders leicht, Geheimnisse zu hüten. Ich hätte gedacht, dass ihr das bereits herausgefunden habt.“

„Kann man so sagen“, stimmte Lois zu. „Also, was ist nun mit diesem dritten Mann?“

Bobby kratzte sich am Kopf und schwieg einen Augenblick. Seine Finger spielten mit der nun leeren Tüte, während er über etwas nachzudenken schien. Lois nutzte die Zeit, um ihre Augenbrauen fragend zu heben und sich deutlich zu räuspern. Der Spitzel zuckte zusammen.

„Da waren ein paar Obdachlose, die durch Suicide Slum gestromert sind. Einer von denen konnte sich an einen seltsamen Mann erinnern, der durch die Nacht rannte. Er beschrieb ihn als groß, schlank, Typ englischer Butler. Klingelt da etwas?“ fragte Bobby.

Lois nickte langsam. „Das könnte St. John gewesen sein. Aber warum sollte er durch die Nacht laufen um Superman umzubringen? Es ist nicht so, als würde Supermans Tod Lex irgendetwas einbringen. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass er das lieber selbst erledigen würde.“

„Nun, der Rest liegt bei euch. Selbst wenn ich mehr wüsste, wäre schon noch ein wenig kulinarische Bestechung nötig, damit ich es euch erzähle. Aber leider ist das alles, was ich weiß.“ Er zuckte mit dem Schultern und seufzte. Dann stand er auf und ließ Lois und Clark mit den geleerten Tüten zurück. Im Gehen hob er den Arm und winkte noch einmal, bevor er um eine Ecke verschwand.

Lois und Clark starrten sich gegenseitig an, als sie allein in der kleinen Seitenstraße saßen. Mülltonnen verdeckten sie vor neugierigen Augen, so dass kein Passant sie zufällig entdecken konnte. Hoffentlich würde auch die Polizei sie nicht finden. Es wurde langsam kälter und die Sonne würde in ein paar Stunden untergehen. Sie waren beide müde und enttäuscht, obwohl ihnen klar gewesen war, dass man ein solches Rätsel wohl kaum an einem Tag würde lösen können.

* * *
Metropolis, Hendersons Büro, etwa zur selben Zeit

„Gibt es etwas Neues von Lane oder Kent?“ fragte Henderson, als sein junger Kollege das Büro betrat. Der Mann schüttelte nur den Kopf und schaute ihm kaum in die Augen.

Das war der Ermittlungsauftrag, vor dem Henderson sich immer gefürchtet hatte. Er war professionell, hatte niemals zugelassen, dass seine Gefühle seine Arbeit behinderte. Aber dieses Mal war es fast unmöglich zu verleugnen, dass er Clark Kent als Mörder weder in Betracht ziehen wollte noch konnte. Seit dieser Reporter ihm dabei geholfen hatte, Luthor hinter Gitter zu bringen, respektierte Henderson ihn. All die Informationen zusammenzutragen, hätte für Kent sehr wohl tödlich enden können.

„Er kann es nicht getan haben“, murmelte Henderson, mehr zu sich selbst gewandt. Nun hatte er laut ausgesprochen, was er von Kriminellen beinahe täglich zu hören bekam. Jeder von denen behauptete unschuldig zu sein. Dass sie in der Untersuchungshaft gelandet waren, konnte kaum mehr sein, als die Verkettung unglücklicher Missverständnisse. Clark Kent wäre nur ein weiteres Opfer dieser Missverständnisse geworden, hätte Lois nicht die Kopfstütze in Brand gesteckt. Er hätte ihr böse sein müssen, weil sie ihn daran hinderte seinen Job zu machen.

„Entschuldigen Sie, Sir. Was haben sie gesagt?“ fragte der jüngere Kollege beflissen.

„War unwichtig“, erwiderte Henderson hastig. Eigentlich hätte er Lois am liebsten für ihre Unbesonnenheit umarmt. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er sich wirklich darüber freute, sie zu kennen. Er schwor sich, ihr nie wieder vorzuwerfen, dass sie sein Leben zur Hölle machte, nur weil sie anderer Meinung war, als er.

Henderson kämpfte mit sich. Der Rest der Welt erwartete von ihm, dass er Clark Kent auf einem Silbertablett lieferte. Wenn er ihn nicht fand, war die Lösung für das Problem einfach – er musste sich mehr anstrengen. Doch musste er sich ehrlich eingestehen, dass er bisher auch nicht wirklich versucht hatte, ihn zu finden.

Der junge Polizeibeamte schaute ihn an und wartete darauf, dass Henderson eine Entscheidung traf. Henderson konnte nicht so tun, als sei alles in Ordnung. Seine Kollegen würden seine Ausreden nicht ewig akzeptieren. Bislang hatte er keine große Suche gestartet und das damit rechtfertigt, dass er Clark Kent schützen musste. Wenn viele Leute wussten, dass er auf der Flucht war, dann würden sie das nur als Eingeständnis seiner Schuld werten. Und, was noch viel schlimmer wäre, sie würden vermutlich Selbstjustiz üben. Bisher hatte die Presse von Hendersons Fehler noch keinen Wind bekommen. Er hoffte, dass er dieses Geheimnis noch eine Weile für sich behalten konnte. Aber er konnte nicht immer so weitermachen. Auch seine Kollegen würden nicht wollen, dass Clark Kent entkam. Es würde sie nicht allzu sehr kümmern, ob sein Leben damit in Gefahr geriet.

„Versuchen Sie ihn zu finden. Aber erregen Sie nicht zu viel Aufsehen. Es ist unser Job diese Ermittlungen objektiv durchzuführen, unabhängig davon, wie viel wir für das Opfer empfunden haben und wie sehr wir seinen Mörder verachten. Unser Rechtssystem wird zusammenbrechen, wenn wir Selbstjustiz zulassen“, erklärte Henderson mit lauter Stimme und versuchte seine Sympathie für den angeblichen Mörder nicht zu offensichtlich zu zeigen. Der junge Polizist nickte. „Haben Sie jemanden gefunden, der Mr. Kents Aussage bezüglich des dritten Mannes bestätigen kann?“ Seine Stimme klang ungebührlich hoffnungsvoll und Henderson wusste, dass er nicht nur kurz davor war, Partei zu ergreifen. Es war längst zu spät.

Der Polizist zuckte mit den Schultern. „Ich habe mit ein paar Obdachlosen gesprochen, die ihre Nächte üblicherweise in Suicide Slum verbringen. Sie sagen, dass einer ihrer Freunde wohl jemanden gesehen hat. Leider ist der Kerl immer noch völlig betrunken. Ich bezweifle, dass wir vor morgen früh mit ihm sprechen können, das heißt, wenn er sich bis dahin nicht schon wieder die Kante gegeben hat.“

Er verließ das Büro und Henderson war wieder allein. Der Inspektor setzte sich wieder aufrecht hin und begann erneut durch seine Akten zu blättern. Es war der verzweifelte Versuch zu verstehen, was in der Gasse vor sich gegangen war. Aber bald schloss er die Ordner wieder und stand auf. Unruhig lief er durch sein Büro. Er konnte seine Arbeit nicht machen, wenn er in seinem Büro saß. Leider gab es auch nicht viel, was er draußen tun konnte. Er hatte noch eine Menge Zeugenaussagen, die er durchgehen musste. Wahrscheinlich stammten drei Viertel davon von Menschen, die ihre Chance gesehen hatten, endlich einmal Aufmerksamkeit zu erregen. Und da er nicht bereit war, sich der Presse zu stellen, konnte er nicht nach unten gehen. Mit einem Seufzer ging Henderson zurück zum Schreibtisch und nahm sich einen weiteren Aktenordner.

Der Stapel auf seinem Tisch schien selbst während der kurzen Zeit gewachsen zu sein, die er durch sein Büro getigert war. Natürlich war das Unsinn. Trotzdem gab der Anblick des Aktenhaufens Henderson das Gefühl, er hätte den Mt. Everest vor sich. Den Aktenorder zu öffnen und das erste Blatt zu lesen, war der erste Schritt. Doch schon nach dem zweiten Absatz schaute Henderson wieder auf. Es war hoffnungslos.

Unruhig ging er zum Fenster hinüber und schaute auf die Straße vor dem Polizeirevier. Eine Menschenmenge hatte sich dort angesammelt, ähnlich groß, wie die, die vor dem Daily Planet gestanden hatte. Nicht alle Leute waren Reporter. Manche von ihnen hielten Bilder von Superman hoch. Ein schwarzes Band war jeweils um eine Ecke gewunden um die Trauer zu verdeutlichen. Andere hielten Banner hoch, auf denen sie den Tod eines Mannes forderten, den sie nicht einmal kannten.

„Viel Glück, Kent“, flüsterte Henderson an seinem Fenster. Dann kehrte er zu seinen Akten zurück, um einen neuen Versuch zu starten. Aber auch dieser würde sich als vergebens herausstellen.

* * *
Metropolis, Redaktion des Daily Planet, Perrys Büro

„Perry White“, meldete sich der Chefredakteur ungeduldig, als er den Anruf annahm.

Er hatte keine Zeit für Telefonate, dachte er ärgerlich, während er die Reporter betrachtete, die im Konferenzraum auf ihn warteten. Perry war kurz davor aufzulegen, als die Person am anderen Ende der Leitung schwieg. Aber dann räusperte sich doch jemand.

„Äh, Mr. White, hier ist Jonathan Kent.“ Wieder herrschte für einen Moment Schweigen in der Leitung. Der sonst unerschütterliche Chefredakteur fühlte, wie sich kalter Schweiß auf seiner Stirn bildete. Plötzlich erinnerte er sich wieder daran, dass die Kents ja im Ausland waren. Sie hatten keine Ahnung, was hier vor sich ging. „Mr. White, sind sie noch da? Meine Frau und ich versuchen schon seit Tagen, Clark zu erreichen. Aber er antwortet einfach nicht auf unsere Anrufe“, fuhr Jonathan fort.

„Er...nun...äh...er ist zur Zeit sehr beschäftigt“, wand sich Perry. „ Wir haben uns große Sorgen um ihn gemacht, weil er vier Tage lang wie vom Erdboden verschluckt war. Aber dann ist er heute Morgen wie aus dem Nichts wieder aufgetaucht.“

„Clark lebt?“ rief Jonathan atemlos.

Perry konnte einen tiefen Seufzer der Erleichterung hören und er fragte sich, ob es klug war den Rest der Geschichte auch noch zu erzählen. Clarks Eltern verdienten ihren Urlaub und Perry war sich ziemlich sicher, dass auch Clark sie nicht behelligt hätte. Aber würden sie nicht früher oder später erfahren, was los war? Spätestens am folgenden Tag würden die Zeitungen von Metropolis bis Timbuktu darüber berichten, dass Clark Kent Supermans Mörder war.

„Danke, Mr. White. Wir hatten schon Angst, dass Clark etwas passiert sein könnte. Wissen Sie schon etwas über Superman? Wurde er sicher identifiziert?“ Perry konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Jonathan Kent nicht an den Tod des Helden glaubte. Etwas an der Art seiner Frage deutete an, dass er diese Nachricht für falsch hielt.

„Nun, ja, Supermans Identität wurde bestätigt“, erwiderte Perry und dachte noch einmal darüber nach, ob er den Rest nicht besser für sich behielt. Aber er wusste, dass das ein Fehler wäre. „Da ist etwas, dass sie wissen sollten, Mr. Kent. Ich erzähle Ihnen das gar nicht gerne, aber ihr Sohn wird des Mordes an Superman beschuldigt.“

Ein Klicken in der Leitung machte deutlich, dass Jonathan Kent aufgelegt hatte. Perry starrte den Hörer in seiner Hand an und fragte sich, ob er die Nachricht schonender hätte formulieren sollen. Aber wie konnte eine solche Nachricht weniger schrecklich klingen? Vielleicht hätte er hinzufügen sollen, dass er den bloßen Gedanken an Clarks Schuld für absurd hielt. Aber das änderte wenig an Clarks Situation.

* * *

Metropolis, eine Straße weit ab vom Daily Planet

„Ist das nicht...“ rief jemand neben Clark und deutete mit dem Finger auf ihn. „Hey, das ist Kent. Er sieht genauso aus, wie der Kerl von der Daily Planet Werbung.“ Plötzlich waren buchstäblich die Augen aller Menschen auf der Straße auf ihn gerichtet. Sie zeigten auf ihn und schrieen wild durcheinander. „Du...! Mörder!“

„Oh mein Gott!“ hauchte Lois und stieß Clark vorwärts. „Lauf!“ flüsterte sie ihm zu und riss ihn mit sich.

Die Menschen vor ihnen sammelten sich, bildeten eine Mauer, die bald so dicht werden würde, dass es kein Entkommen mehr gab. Da mochte Clark Superkräfte haben, so viele er wollte. Sie hätte ihm am liebsten Tritte gegeben, hätte ihn gerne geschlagen, weil er sich nicht mehr Mühe gab. Aber schließlich begann er endlich zu rennen – bis der erste Faustschlag ihn traf. Clark stolperte und wäre gefallen, wenn nicht eine andere Faust ihn in die entgegengesetzte Richtung geworfen hätte.

Lois konnte Schmerzen in den Gesichtern seiner Angreifer sehen, aber auch Clark stöhnte. Still flehte sie ihn an, sich zur Wehr zu setzen. Aber sie wusste, dass Clark noch immer bereit war zu glauben, dass er diese Behandlung verdiente. Auf einmal spürte Lois auch eine Faust in ihren Rippen. Sie verlor ihr Gleichgewicht und fiel gegen Clark.

„Au“, brachte sie hervor, und realisierte erstaunt, dass auch sie ein Ziel der Attacken geworden war.

„Sie hat nichts getan!“ brüllte Clark wütend. „Lasst sie in Ruhe.“

Plötzlich zog eine starke Hand sie näher. Clark schützte sie mit seinem Körper und begann zu rennen, drängte die Menschen um sie herum aus dem Weg. Lois hatte Mühe mit ihm Schritt zu halten. Er hatte einen Arm um sie gelegt und nutzte den anderen um sich einen Weg durch die Menge zu bahnen, die nur noch dichter geworden war.

„Mörder! Mörder! Mörder!“ brüllten aufgebrachte Menschen und schritten immer dichter auf Clark und Lois zu, obwohl sie noch rannten.

Bevor es Lois gelang eine Warnung zu rufen, geschah es. Jemand stellte Clark ein Bein und er stolperte darüber, riss sie mit sich. Es überraschte Lois, dass sie den Schmerz nicht fühlte. Sie merkte noch nicht einmal, dass sie den Boden berührte. Clark musste schon sehr gekonnt gefallen sein, denn zu ihrer eigenen Verwunderung bemerkte Lois, dass sie auf dem Po landete. Rasch half Clark ihr auf und sie standen wieder, ohne dass jemand die Situation hätte ausnutzen können. Clark verschwendete keine weitere Zeit, sondern rannte weiter. Die Straße vor ihnen leerte sich, immer wieder drängte Clark die Umstehenden weg.

Und dann war die Menge plötzlich hinter ihnen, schimpfend und brüllend vor Wut. Steine flogen durch die Luft und verfehlten Lois und Clark nur knapp. Auch die Menge verfiel in einen Laufschritt, eilte den beiden hinterher, so schnell es eine solche Meute eben konnte. Die Hetzjagd schien Clark kaum etwas auszumachen, während Lois ihm kaum noch folgen konnte.

„Mörder! Mörder!“ hörte sie den wütenden Chor hinter sich und sie zwang ihren Körper dazu immer noch schneller zu laufen. Sie wollte nicht wieder in ihre Fänge geraten.

„Ruft die Polizei!“

„Hat denn niemand eine Waffe?“

*NEIN*, dachte Lois von Panik erfüllt. Das dürfte nicht geschehen. Sofort musste sie wieder an jene Nacht denken, in der Clark erschossen worden war. Die Bilder kehrten zurück, mit derselben Grausamkeit und demselben Gefühl unerträglicher Einsamkeit, das sie damals gehabt hatte. Sie aktivierte ihre letzten Reserven um noch ein bisschen schneller zu werden. Aber ihre Lungen brannten und sie wusste, dass sie dieses Tempo nicht mehr lange würde halten können. Sie keuchte. Ihre Muskeln schmerzten. * Ich muss weiter, weiter, weiter!* feuerte sie sich selbst an.

„Mörder! Mörder!“ Die Schreie schienen näher zu kommen.

* * *

„Komm hier lang“, brachte Clark neben ihr hervor und zog sie mit sich, als er in eine schmalere, leere Straße zu ihrer rechten bog.

Clark hatte keine Ahnung, was er dort wollte. Er wusste nicht, wie er entkommen sollte. Aber um Lois’ Willen musste er das. Die erste Attacke hatte ihn überzeugt, dass sie dort sterben würde, wenn er die Menge gewinnen ließ. Das konnte er nicht zulassen. Es war eine Sache, dass die Menschen Supermans Mörder bestraft sehen wollten. Ihm hätte es nichts ausgemacht, denn das Wissen für den Tod eines Menschen verantwortlich zu sein, war sowieso unerträglich. Doch er hatte abgedrückt – nicht Lois. Also, wie konnte er sie dafür büßen lassen?

Plötzlich war die Menge außer Sicht und nur ihre Zornesschreie zeugten davon, dass die Gefahr noch lange nicht vorüber war. Zusammen mit Lois stolperte Clark durch die Nebenstraße, die hier und da von Mülltonnen gesäumt war. In einer Ecke stand ein Auto, doch es waren keine Menschen zu sehen. Die hohen Häuser rechts und links der Straße verursachten ihm ein beklemmendes Gefühl. Das Ende der Straße lag im Schatten und das bereitete Clark große Sorgen. Gerne hätte er sich in Luft aufgelöst. Sein Herz klopfte laut bei dem Gedanken, dass er Lois in eine Sackgasse geführt hatte. Er wollte fliehen, so sehr, dass es beinahe schmerzte. Lois neben ihm wurde langsamer. Doch sie hatten keine Zeit sich auszuruhen. Die Meute würde sie unweigerlich einholen und ihre Situation nur verschlimmern. Clark schloss die Augen und sandte ein kurzes Stoßgebet zum Himmel. Wenn er nur Lois in Sicherheit bringen konnte, würde er sich ohne zu zögern der Polizei stellen.

Aus heiterem Himmel dachte er an die Aufnahmen, die er von Superman gesehen hatte. Es wäre toll wie er fliegen zu können, überlegte Clark, während er mit geschlossenen Augen weiter rannte. Er wusste nicht, warum er sie nicht längst wieder geöffnet hatte. Vielleicht, weil der Gedanke mit Lois davonzufliegen so phantastisch war. Ein Schrei brachte Clark wieder in die Gegenwart zurück und beinahe hätte auch er geschrieen. Die Straße war unter ihnen, tief unter ihnen. Aber sie kam mit einer beängstigenden Geschwindigkeit näher.

„Clark! Du fliegst ja!“ brachte Lois das offensichtliche auf den Punkt und klang dabei verängstigt und begeistert zugleich. „Oh mein Gott! Clark, konzentrier dich. Du kannst es!“ fügte sie hinzu, als ihr offenbar bewusst wurde, dass sie eher dabei waren zu fallen, als zu fliegen.

Clark hätte gelacht, wäre ihre Situation nicht so bedrohlich gewesen. Er hatte keine Ahnung, wie es ihm überhaupt gelungen war, abzuheben. Wie sollte er also wissen, wie er weiter in der Luft blieb. Aus Mangel an einer besseren Idee konzentrierte sich Clark wieder auf den kurzen Tagtraum, dem er vor dem unerwarteten Flug nachgehangen hatte.

<Sie sind verschwunden>, hörte er zornige Stimmen unter sich. <Wie können die verschwunden sein?>

Etwas ungeschickt und mit zitternden Beinen landete Clark auf einem nahen Wolkenkratzer. Er fühlte sich ausgelaugt, sein Atem ging stoßweise und schwarze Punkte flimmerten vor seinen Augen. Diese seltsame Kraft zu nutzen hatte ihm schwer zugesetzt. Vorsichtig setzte er Lois zurück auf den Boden. Sie starrte ihn nur an. Bewunderung und Überraschung standen ihr ins Gesicht geschrieben. Verlegen ging sie auf Clark zu, rückte seine Krawatte zurecht und zupfte an seinem Jackett. Dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn liebevoll auf den Mund.

„Und ich wollte erst noch mit dir üben...“ murmelte sie. „Du hast mir das Leben gerettet, Clark.“


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Bis dass das Leben uns scheidet... 13/14

Beitragvon Vega » Di 26. Jan 2010, 16:32

Teil 13

Lois und Clark standen auf dem Dach des Wolkenkratzers und blickten auf die Straße tief unter ihnen. Die Menschenmenge hatte sich beträchtlich ausgedünnt. Nur einige wenige verharrten unermüdlich dort unten und suchten nach einer Spur von Lois und Clark. Hin und wieder schallten ihre Rufe bis hoch zum Dach. Clark hörte sie öfter, als Lois.

„Es geht ihnen gut, Clark“, sagte Lois mindestens zum fünften Mal seit sie auf dem Gebäude gelandet waren. „Sieh mal, niemand hat einen Rettungswagen gerufen. Und das hätten sie bestimmt getan, wenn auch nur einer von ihnen einen Kratzer abbekommen hätte. Du hast niemanden verletzt“, wiederholte Lois eindringlich.

„Aber ich war so wütend, als sie dich angegriffen haben“, erwiderte Clark.

Lois konnte nicht leugnen, dass sie über Clarks Fähigkeit niemandem weh zu tun äußerst erstaunt war. Es war nicht länger eine Theorie, dass er Supermans Kräfte übernommen hatte. Dazu gehörte sicherlich auch seine enorme Stärke. Tatsächlich hatte sie erwartet, dass es ihm sehr viel schwerer fallen würde, mit den Kräften zurechtzukommen. Doch auch als Waldecker sie besessen hatte, schien ihm die Gewöhnung leicht gefallen zu sein. Allerdings wusste Lois nicht, ob er lange trainiert hatte. Vor kurzem noch hatte Clark unter seinem Supergehör gelitten. Er hatte versehentlich eine Kopfstütze in Brand gesteckt. Er hatte also Schwierigkeiten gehabt. Aber dann war er mit ihr geflogen, als wäre es die leichteste Sache der Welt.

„Ich denke immer noch, dass es vernünftiger wäre, mich zu stellen“, nahm Clark das Thema wieder auf, von dem Lois schon gehofft hatte, dass es endlich ausdiskutiert gewesen war.

„Hör endlich auf! Du hast da unten keiner Fliege etwas zu Leide getan, obwohl sie dir allen Grund gegeben haben, dich zu verteidigen. Und du denkst immer noch ernsthaft, dass du in der Lage gewesen wärst Superman zu verletzen? Von einem Mord an ihm mal ganz zu schweigen!“ widersprach Lois ihm verärgert. „Ich glaub’s einfach nicht! Ich gebe mir wirklich Mühe, dir zu vertrauen. Aber du hilfst mir nicht mit deinen Selbstanklagen!“ Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt und ihre Brust hob und senkte sich mit jedem Atemzug überdeutlich. Es sollte Clark wirklich nicht schwer fallen zu sehen, dass sie wütend war.

„Es tut mir Leid, ich meine, ich weiß nichts über mich. Jede Erinnerung, die ich noch habe, weißt einfach darauf hin, dass ich... dass ich...“ Seine Stimme versagte und er trat von der Kante des Gebäudes zurück, um dem Abgrund vor sich zu entfliehen. „Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Die ganze Sache der Polizei zu überlassen erscheint mir einfach am... am vernünftigsten.“ Clark zuckte unschlüssig mit den Schultern. Er sah sie flehend an, versuchte sie mit Blicken davon zu überzeugen, dass er Recht hatte. Aber das war nicht so.

„Und was glaubst du, wird die Polizei tun? Sie werden deine Schuld als erwiesen ansehen und sich ansonsten mit der Verbrechenswelle befassen wollen, die bald über Metropolis hinwegrollen wird. Glaubst du wirklich, dass auch nur ein Polizist daran interessiert sein wird, herauszufinden, ob Luthors toter britischer Freund Superman umgebracht hat? Außerdem wollen die Leute nicht hören, dass Supermans Mörder bereits tot ist. Hast du die da unten nicht gehört? Sie schreien bereits nach deinem Blut.“ Lois deutete auf die Straße, wie um zu verdeutlichen, wovon sie sprach. „Die wollen dich dafür büßen sehen, und denen ist völlig egal, was wirklich mit Superman geschehen ist. Sie wollen Rache.“

Es war eigenartig sich auf dem Dach eines Wolkenkratzers zu streiten. Doch noch verstörender war der Grund für ihren Streit. Beinahe vermisste Lois die Zeiten, in denen sie Clark noch dafür zurechtgewiesen hatte, dass er immer Mitten in einer Unterhaltung davonrannte. Doch seit sie ihn gefunden hatte, hatte er das nicht mehr getan, hatte es noch nicht einmal versucht. Nun wünschte sie sich fast eine von seinen fürchterlichen Ausreden zu hören, einfach nur weil es die Situation etwas normaler gemacht hätte. Wenn Clark nur unbeschadet aus diesem Desaster entkommen konnte, dann würde sie ihm all die kleinen Lügen verzeihen, die er ihr in den letzten beiden Jahren erzählt hatte.

„Und was willst du jetzt tun?“ fragte Clark und setzte sich hin.

Er legte seine Arme um die angewinkelten Knie und senkte seinen Kopf. Clark sah sie nicht mehr an und Lois wusste, dass er dabei war, alle Hoffnung zu verlieren. Es war einfach zu viel für ihn, so wie es für jeden zu viel gewesen wäre, sie eingeschlossen. So froh Lois auch war, der wütenden Meute entkommen zu sein, konnte sie doch nicht umhin zu glauben, dass das Dach des Wolkenkratzers der letzte sichere Platz in Metropolis war. Aber sie konnten doch nicht den Rest ihres Lebens dort verbringen.

Als Lois nicht antwortete, schaute Clark wieder auf. „Es wäre das Beste, wenn ich mich stellen würde. Ich kann dir das nicht antun. Du würdest immer auf der Flucht sein, niemals sicher, ob wir nicht im nächsten Augenblick erkannt werden. Vielleicht habe ich Superman ja doch umgebracht, auch wenn du das nicht glauben willst. Ich könnte so nicht leben“, sagte er leise.

„Würdest du bitte endlich damit aufhören?“ grummelte Lois ungeduldig.

Sie musste nachdenken. Lois Lane musste die Lösung finden. So einfach war das. Ihr Blick wanderte zum Horizont. Die Stadt war in goldenes Licht getaucht. Ein paar Wolken bedeckten den Himmel und wurden von der untergehenden Sonne in tiefes Rot getaucht. Lois hatte selten Gelegenheit den Sonnenuntergang zu beobachten. Sie wusste nicht, ob sie ihn jemals so spektakulär erlebt hatte. Es war ein Farbenspiel, wie sie es nie zuvor gesehen hatte. Sie wollte das mit Clark teilen. Und nicht nur an diesem Abend, sondern an jedem anderen, solange ihr Leben dauerte. Es musste einen Weg geben.

* * *

Italien, dasselbe kleine Dorf in der Toscana

„Sie glauben er hat *was* getan?“ Martha starrte ihren Ehemann an und versuchte zu verstehen, was er ihr gerade gesagt hatte. Er wiederholte seine Worte nicht, denn er wusste, dass Martha ihn sehr genau verstanden hatte. „Also, Clark ist in Ordnung, aber Superman ist tot?“ fuhr Martha fort und schüttelte den Kopf ungläubig. „Das verstehe ich nicht. Ich meine, Clark hat gelegentlich darüber nachgedacht seinen Job als Superman an den Nagel zu hängen. Aber selbst wenn er beschlossen hätte, dass er kein Held mehr sein möchte, wäre er doch nicht so weit gegangen seine geheime Identität umzubringen.“

Jonathan nickte gedankenverloren. „Aber du vergisst etwas, Martha. Perry hat mir erzählt, dass Clark vier Tage lang verschwunden war, bevor er schließlich wieder aufgetaucht ist. Und es gab keine größere Katastrophe, bei der er helfen musste“, warf er ein und schwieg für einen Moment, als müsste er sich das noch einmal durch den Kopf gehen lassen. „Wir hätten darüber doch gelesen, oder es im Fernsehen gesehen, oder?“ Er griff erneut nach dem Telefonhörer, lauschte einen Moment dem Freizeichen, hängte wieder ein und holte dann das Telefonbuch hervor. Rasch blätterte er durch das Buch, offenbar auf der Suche nach der richtigen Seite.

„Clark muss etwas geschehen sein“, stimmte Martha zu. „Flughafen heißt auf Italienisch übrigens Aeroporto“, fügte sie hilfreich hinzu. „Der nächste ist in Florenz, denke ich mal.“

Jonathan murmelte nur etwas Zusammenhangloses vor sich hin, während er sich nach Kräften bemühte mit dem italienischen Telefonbuch zurechtzukommen. Gleichzeitig überlegte er, was sie alles erledigen mussten, bevor sie Italien verlassen konnten. Sie beide konnten sich nicht vorstellen im Urlaub zu sein, während ihr Sohn wahrscheinlich Hilfe brauchte. Unglücklicherweise hatte Jonathan das Gespräch mit Perry beendet, bevor sie klären konnten, ob Lois bei Clark war, oder ob es noch etwas anderes gab, das sich lohnte zu wissen.

„Wir müssen dem Hotel noch Bescheid geben, dass wir nicht dort übernachten werden“, meinte Jonathan ungewohnt hektisch und begann nach der Telefonnummer des Hotels zu blättern.

Martha legte ihm eine Hand auf den Arm. „Beruhige dich, Schatz. So schnell werden wir so oder so keinen Flug bekommen. Du vergisst, dass wir nicht von Smallville nach Metropolis wollen, sondern von Europa nach Amerika. Und ich glaube kaum, dass eine Maschine von Florenz nach Metropolis geht.“

Er schaute sie an, ein wenig verärgert darüber, dass sie ihn unterbrochen hatte. Aber ihm war klar, dass auch Martha lieber früher als später zu ihrem Sohn kommen würde. Mit einem Seufzen gab er ihr das Telefonbuch und überließ es Martha die Sprachbarriere zu überwinden. Er wusste, dass sie darin besser war als er. Hinzu kam noch, dass sie wesentlich ruhiger war. Jonathan hatte keine Ahnung, wie sie das schaffte. Das hieß nicht, dass sie weniger besorgt gewesen wäre. Aber sie hatte die unglaubliche Fähigkeit trotz ihrer Angst vernünftig zu handeln.

Wenig später war es Martha gelungen einen Flug nach Paris zu buchen. Kurz danach hatte sie einen Anschlussflug nach Metropolis organisiert. Beide waren so früh es eben ging. Doch das änderte nichts an der Tatsache, dass sie Metropolis wohl erst in den frühen Abendstunden des nächsten Tages erreichen würden. Bis dahin gab es wenig, dass sie tun konnten – außer vielleicht Clark erneut anzurufen. Aber angesichts der derzeitigen Entwicklungen war es unwahrscheinlich, dass er oder Lois den Anruf entgegen nehmen würden.

* * *
Metropolis, auf dem Dach eines Wolkenkratzers

Die Sonne war hinter dem Horizont verschwunden und Lois hatte immer noch keine Ahnung, wie sie Clark aus der Schusslinie bringen sollte. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, so beherrschte im Moment eher der Gedanke an Essen und ein gemütliches Bett ihre Überlegungen. Der Ausblick vom Dach des Wolkenkratzers war überwältigend. Aber das reichte nicht aus, um sie vergessen zu lassen, dass sie weder Frühstück noch Mittagessen gehabt hatte. Sie hatten Bobby Bigmouth durchgefüttert, aber sie hatten keine Zeit gehabt Essen für sich selbst zu kaufen. Die Angst, dass jemand sie erkannte, war allgegenwärtig.

„Ich habe Hunger“, stöhnte Lois und ärgerte sich über ihr mangelndes Durchhaltevermögen. Sie sollte nicht klagen – das half ihr auch nicht weiter.

„Ich auch...“ gab Clark zu. „Aber es ist nicht mehr ganz so schlimm, wie noch vor ein paar Stunden“, fügte er hinzu.

„Naja, das liegt vielleicht daran, dass du jetzt nicht mehr unbedingt essen musst. Superman hat mir erzählt, dass er es nicht tun musste. Doch er hatte Spaß daran“, meinte Lois wehmütig. „Ich hätte nicht davon anfangen sollen – das macht es nur noch schlimmer.“ Sie grummelte verärgert. Immerhin wusste sie ja, dass sie so schnell kein Essen würde auftreiben können. Die Menschen würden sie dafür bestrafen wollen, dass sie Clark half.

Doch es gelang ihr nicht den Gedanken an Essen zu vertreiben. Stattdessen war sie immer mehr und mehr davon überzeugt, dass es ihr nach einem ausgiebigen Abendessen viel leichter fallen würde, eine Lösung für ihre Probleme zu finden. Lois schaute auf die Stadt, die nun im Dunkeln lag. Tausende kleiner Lichter zeugten von dem regen Treiben auf den Straßen unten. Welcher Platz wäre wohl einsam genug um dort zu bleiben – von diesem Dach einmal abgesehen? Und plötzlich traf sie die Erkenntnis wie ein Blitz, so als hätte sie die ganze Zeit in ihrem Hinterkopf darauf gewartet hervorzutreten.

„Deine Wohnung! Warum gehen wir nicht einfach in deine Wohnung?“ schlug Lois aufgeregt vor. Clark runzelte seine Stirn, als wollte er sie Fragen, ob sie nun völlig den Verstand verloren hatte. „Schau mich nicht so an, Freundchen. Wer wird uns schon für so dumm halten, dass wir in deine Wohnung gehen?“ Sie grinste ihn breit an und forderte ihn damit stumm heraus ihre geniale Idee zu loben.

„Und wie glaubst du kommen wir da ungesehen hin? Außerdem würde ich darauf wetten, dass die Reporter mein Apartment längst auf den Kopf gestellt haben“, erwiderte Clark ohne seinen zweifelnden Gesichtsausdruck zu verändern. Er war offenbar nicht von ihrer Idee überzeugt.

„Nun, dort hin zu kommen, wird nicht weiter schwierig sein. Du fliegst mit mir zu deinem Balkon und ich kümmere mich darum, dass wir in die Wohnung kommen. Und was neugierige Reporter angeht – du könntest das mit deinem Röntgenblick-dings vorher abklären“, erklärte Lois und lächelte glücklich.

„Mit meinem was?“ fragte Clark verwirrt.

„Oh, tut mir Leid. Das weißt du natürlich nicht... Du hast einen Röntgenblick, zumindest glaube ich das“, gab Lois zurück und fragte sich, wie sie Clark erklären sollte, was sie selbst kaum verstand. „Du solltest dazu in der Lage sein durch Dinge hindurch zu sehen. Das war eine von Supermans Fähigkeiten. Alles was du tun musst, ist herauszufinden, wie es geht.“

Clark lachte ein kurzes und trauriges Lachen. „Alles was ich tun muss...?“ fragte er ungläubig. „Du scheinst dir das sehr einfach vorzustellen, Lois. Ich habe keines dieser seltsamen Dinge mit Absicht gemacht. Ich weiß nicht, ob ich noch einmal fliegen könnte oder ob ich dieses Röntgendings da schaffe, von dem du sprichst. Außerdem weiß ich nicht, ob ich diese Kräfte überhaupt nutzen will. Sie können Menschen um mich herum verletzen und nach allem was ich weiß, könnte es sein, dass ich sie gestohlen habe.“ Er wandte ihr seinen Rücken zu, offenbar nicht in der Stimmung für weitere Diskussionen zu diesem Thema. Es schien Lois nicht so, als hätte er eine bessere Idee, von der sich zu stellen einmal abgesehen. Die zählte nicht. Doch Lois sah ein, dass es viel Überzeugungsarbeit kosten würde, damit er ihren Vorschlag ausprobieren würde.

„Wie ist es dir überhaupt gelungen zu fliegen?“ fragte Lois sanft und versuchte ihr bestes sich nicht über seine ablehnende Haltung zu ärgern. Sie verstand ja, dass Clark sich in einer schwierigen Situation befand. Vermutlich war es nur natürlich, dass er ihre Begeisterung bezüglich seiner Kräfte nicht teilte. Lois war nicht sicher, was sie an seiner Stelle empfunden hätte.

„Ich wollte dich unbedingt retten“, sagte Clark leise. „Ich dachte an Superman und wie wunderbar es wäre einfach aus der Gefahr herauszufliegen.“

„Vielleicht ist das ja der Schlüssel“, meinte Lois. „Du wolltest es tun und auf einmal konntest du es. Ich bin mir sicher, dass es dir wieder gelingen würde“, versuchte sie ihn anzufeuern.

* * *

Clark hätte ihr gerne gesagt, dass es etwas zu wollen anders war, als etwas wollen zu müssen. Der Flug hatte ihm eine Heidenangst eingejagt und er wollte es nicht wieder tun. Oder doch? Wenn er ehrlich zu sich selbst war, so hatte er nie etwas Besseres erlebt. Jedenfalls konnte er sich nicht erinnern sich schon einmal so gefühlt zu haben – Freiheit in ihrer reinsten Form. Und als er erst einmal festgestellt hatte, dass Lois und er wirklich entkommen waren, hatte ihn das mit Stolz... Nein, er konnte nicht auf etwas Stolz sein, dass er nicht verdient hatte.

„Clark, du hast es geschafft!“ schrie Lois, außer sich vor Freude. „Nun, wenigstens für einen Augenblick“, fügte sie hinzu, nachdem Clark entdeckt hatte, dass er schwebte. Doch kurz darauf stand er wieder mit beiden Füßen auf der Erde und der Himmel schien genauso unerreichbar, wie zuvor.

„Lois, ich...“ begann Clark, aber wurde bald wieder still.

Es ging nicht nur um ihn. Er kannte Lois zwar nicht besonders gut, aber er war sich ziemlich sicher, dass sie stur an seiner Seite verharren würde. Sie würde an seine Unschuld glauben, auch wenn alles dagegen sprach. Nun musste er ihr helfen. Es war sinnlos die Augen zu verschließen und darüber zu klagen, dass sein Leben sich in eine Hölle verwandelt hatte. Sie hatte ihm vom ersten Moment an zur Seite gestanden. Es wurde Zeit sich zu revangieren.

Noch einmal schloss er die Augen und versuchte sich daran zu erinnern, wie es sich angefühlt hatte zu fliegen. Er konzentrierte sich mit aller Macht. Als er seine Augen wieder öffnete, schwebte er wieder. Es waren kaum mehr als ein paar Zentimeter, die ihn vom Dach des Hochhauses trennten. Doch er benötigte schon seine ganze Willenskraft um dort zu bleiben. Wie sollte er höher kommen? Vom Fliegen gar nicht zu sprechen.

„Vielleicht hilft es, wenn du an etwas anderes denkst, bevor du es noch einmal versuchst. Du musst dich entspannen, Clark. Superman hat nie so angestrengt ausgesehen, bevor er abgehoben ist“, schlug Lois vor.

Unwillkürlich dachte Clark an den Morgen zurück, daran, wie er neben Lois aufgewacht war. Die bloße Erinnerung an ihre warmen, weichen Lippen und ihren heißen Atem in seinem Gesicht ließ all die Probleme der letzten Stunden kleiner erschienen.

„Wow! Woran hast du denn gedacht?“ fragte Lois und legte ihren Kopf in den Nacken.

Clark errötete und schwebte wieder zurück auf das Dach.

„An dich“, antwortete er heiser.

Als er neben ihr den Boden berührte, nahm er ihre Hand und zog Lois näher zu sich. Sie folgte ihm und legte ihre Arme um ihn, drückte sich an ihn. Lois legte ihren Kopf an seine Brust und seufzte. Kurz sah sie zu ihm auf und errötete ebenfalls. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte einen Kuss auf seine Wange, ließ ihre Lippen langsam über seinen Hals wandern, bis sie schließlich seine Schulter erreicht hatte. Ihre Füße berührten nicht länger den Boden und Clark spürte, wie ihn eine wilde Energie durchströmte. Er hätte nicht sagen können, ob es die Küsse waren, die sie weiter auf seine Wange hauchte, oder ob das Fliegen an sich ihn so sehr berauschte. Ihre Küsse ließen seine Haut prickeln, ein Gefühl, dass sich über seinen ganzen Körper ausbreitete. Die Luft um ihn herum schien wärmer zu werden. Clark fühlte die Energie und auch neue Hoffnung.

Diese Kraft war ihm neu, doch gleichzeitig seltsam vertraut, als wäre er zum Fliegen geboren. Es erschreckte ihn nicht länger, dass riesige Wolkenkratzer wie Spielzeughäuser wirkten. Hoch oben über der Stadt war die Welt friedlich und wirkte nicht länger bedrohlich. Mit Lois zusammen wurde dieser Eindruck noch verstärkt. Es erschien ihm richtig mit ihr zu fliegen, wie etwas, dass er schon lange hatte tun wollen. Nichts würde ihn davon abhalten, diesen Moment so lange auszukosten, wie es nur eben ging.

Ihre Umarmung versprach eine bessere Zukunft, voller Liebe und ohne die Angst, die sein Leben im Moment so sehr beherrschte. Er wollte ihr so gerne vertrauen, wollte glauben, dass seine Befürchtungen nicht mehr waren, als schreckliche Alpträume. Sein Leben war so durcheinander geraten, seit er Lois getroffen hatten. Aber nun fühlte er sich sicher in ihren Armen und die Schatten, die über ihm lagen, begannen zu weichen. All seine Probleme schienen weit weg, tief unter den Wolken und unendlich klein.

Wie durch einen geheimnisvollen Instinkt gelenkt, fand er den Weg. Hin und wieder erkannte er Gebäude, die er an diesem Morgen gesehen hatte. Er folgte seiner inneren Landkarte und nur gelegentlich zeigte Lois ihm wo er hin musste. Clark hielt sie nicht länger in einer Umarmung, sondern trug sie in den Armen. Es fühlte sich sicherer an, wenn sie ihre Arme um seinen Hals legte. Langsam näherten sie sich dem Wohnhaus, das sie vor vielen Stunden verlassen hatten.

Vor dem Gebäude war es relativ ruhig. Nur wenige Menschen hatten beschlossen, die Nacht vor 344 Clinton Street zu verbringen, um auf das undenkbare zu warten. Aber genau in dem Moment, in dem es geschah, schaute keiner der Reporter, Polizisten oder Neugierigen zum Himmel. Das Apartment, soweit Clark es sehen konnte, lag im Dunkeln. Vorsichtig lauschte er in die Nacht hinein und Lois’ Herzschlag neben ihm wurde lauter. Doch sonst hörte er nichts, niemand schien seine Wohnung zu durchsuchen.

„Was siehst du?“ flüsterte Lois und brachte Clark damit zum Seufzen.

Er starrte auf das Dach, unter dem seine Wohnung lag. Doch es blieb undurchsichtig. Clark blinzelte und versuchte es erneut, sagte sich selbst, dass er um ihrer Sicherheit Willen durch diese Wände sehen musste. Ihm kam in den Sinn, dass er diese Fähigkeit vielleicht gar nicht geerbt hatte. Vielleicht hatte Superman sie ja für sich behalten.

Aber plötzlich schien die Wand zu verschwinden und Clark konnte sein Schlafzimmer sehen, als hätte jemand einfach die Decke weggetragen. Sein Blick suchte die Wohnung ab, schweifte durch die Küche, das Wohnzimmer und schließlich das Bad. Alles war verlassen. Niemand saß vor seiner Tür und wartete gespannt darauf, dass er drinnen etwas hören würde. Es war offensichtlich, dass selbst der neugierigste Reporter die Rückkehr von Lois und Clark nicht ernsthaft in Betracht zog.

Lautlos schwebte Clark auf die Rückseite seines Apartments und landete auf seinem Balkon. Vorsichtig ließ er Lois wieder zurück auf den Boden. Dann sahen sich die beiden an und Lois grinste vor Freude darüber, dass sie es tatsächlich ungesehen zu Clarks Wohnung geschafft hatten. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen um ihn zu küssen. Sanft fuhr ihre Zunge über seine Lippen und sie genoss die Wärme, die von ihnen ausging. Er legte seine Hand auf ihren Rücken und hielt sie fest. Wohlige Schauer liefen über ihren Körper, als sie seine Zunge spürte, wie sie rasch zwischen ihren Lippen hindurch glitt. Sie öffnete ihren Mund ein wenig mehr, um den seidenzarten Eindringling willkommen zu heißen.

* * *

Sie wagten es nicht, das Licht anzuschalten. Wie Clark bereits von oben gesehen hatte, war die Wohnung tatsächlich verlassen. Lois verschwendete keine Zeit und eilte in die Küche, viel zu hungrig, als dass sie warten konnte, bis sie etwas gekocht hatten. In der Dunkelheit schlich sie von einem Schrank zum nächsten, bis sie schließlich den Kühlschrank aufgetan hatte.

„Du isst immer noch wie ein Achtjähriger“, bemerkte sie, als sie seine Vorräte durchstöberte, auf der Suche nach etwas, dass ihren Hunger stillen konnte. „Versprich mir, dass du mir erklärst, wie du es schaffst dabei so gut auszusehen, sobald du dein Gedächtnis zurück hast.“

Clark stellte sich neben sie und schaute ihr dabei zu, wie sie den Kühlschrank leer räumte und den Inhalt neben der Spüle platzierte. Wahrscheinlich fragte er sich, wie aus der bunt gemischten Ansammlung eine schmackhafte Mahlzeit werden sollte. Aber statt etwas zu sagen, ging er hinüber zum Herd und holte eine Pfanne vom Haken an der Wand.

„Das dauert viel zu lange!“ beschwerte sich Lois und blickte sehnsüchtig auf den Berg Nahrungsmittel.

Zur Antwort nahm Clark nur ein paar Toastscheiben in die Hand und starrte sie eindringlich an. Bald erfüllte der Duft von frisch getoastetem Brot die Küche. Mit einem Lächeln reichte er Lois die Scheiben und deutete auf den Kühlschrank.

„Warum machst du dir nicht schon mal ein Sandwich, während ich das Abendessen zubreite“, schlug er vor.

Lois starrte ihn und die dampfenden Brotscheiben mit offenem Mund an. „Das hast du doch vorher geübt!“ brachte sie mühsam hervor. Sie sah den Toast nur schemenhaft, aber er roch einfach perfekt. So hätte sie ihn selbst mit dem teuersten Toaster, der auf dem Markt war, kaum hinbekommen. Und eigentlich war Lois eher stolz auf ihre Fähigkeiten im Umgang mit Toastern. Es war eines der Dinge, bei denen sie in der Küche nicht völlig versagte.

„Nicht dass ich wüsste“, erwiderte Clark und begann sich ein paar Dinge aus dem Haufen herauszupicken, den Lois geschaffen hatte.

Wenig später biss Lois glücklich in ihr Sandwich, auch wenn es nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein bedeutete. Weil sie Clark in der Küche wohl nur stören würde, beschloss sie sich ein bisschen in seiner Wohnung umzuschauen. Sie kannte sie natürlich in- und auswendig. So viele Abende hatten sie dort nach Redaktionsschluss verbracht und gearbeitet, oder gemeinsam einen Film angeschaut. Sie fühlte sich an diesem Ort sicher, wie sonst nirgends. Selbst jetzt, wo seine Wohnung von Menschen umgeben war, die nur darauf warteten, sie zu entdecken, war sie immer noch so etwas, wie ihr Hafen. Es war der Platz, an den sie gekommen war, als sie Clark schon verloren geglaubt hatte. Es war der Ort, der sich niemals verändern würde, ganz egal, wie sehr sich die Welt darum herum veränderte.

Es war eine Ironie des Schicksals, dass wieder einmal Reporter diese Wohnung belagerten. Das letzte Mal hatten sie versucht zu beweisen, dass Clark Superman war. Und jetzt, wo er es praktisch war, suchte alle Welt nur nach Clark, dem angeblichen Mörder. Als Lois an die Sache mit Diana Stride zurückdachte, fiel ihr ein, dass damals Supermans Capes in seiner Wohnung gefunden worden waren. Hatte er sie noch immer? Vielleicht würden Supermans Anzüge ihr dabei helfen, Clark endlich davon zu überzeugen, dass er Supermans Freund gewesen war. Er musste endlich verstehen, dass sie überhaupt keinen Grund gehabt hatten, einander umbringen zu wollen.

Etwas zielstrebiger ging Lois ins Wohnzimmer und suchte in der Dunkelheit nach dem verborgenen Wandschrank. Sie brauchte nicht lange. Sobald sie die Türen geöffnet hatte, tasteten ihre Hände nach einer Möglichkeit das Geheimfach zu öffnen, in dem sie die Anzüge finden müsste. Wieder einmal erwies sich Lois als gute Ermittlerin. Vage konnte sie rot-blauen Stoff erkennen, der in dem spärlichen Licht der Straßenlampen aufleuchtete. Die Anzüge einmal ohne Superman darin zu sehen, war eine neue Erfahrung. Und die Tatsache, dass er niemals zurückkehren würde, um sie zu tragen, machte den Anblick besonders eigenartig.

Lois nahm sich einen der Anzüge und hielt ihn ans Fenster, um ihn genauer zu betrachten. Sie schätzte, dass er Clark wohl passen würde, auch wenn er vermutlich ein wenig kleiner war, als Superman. Nachdenklich ging Lois zurück in die Küche. Während ihrer Abwesenheit hatte Clark die Fenster mit Stoffen abgehängt, so dass kein Licht nach draußen dringen würde. Als sie den Raum betrat, lächelte er sie an, doch sein Lächeln schwand schnell, als er den Anzug in ihren Händen entdeckte.

„Das Abendessen ist fast fertig“, gab Clark beinahe grimmig bekannt, doch schien er seinen rauen Ton sofort zu bereuen. Er biss sich auf die Lippen und gab sich große Mühe nicht auf den bunten Stoff zu starren.

„Das hab ich in deinem Schrank gefunden, Clark. Glaub es, oder nicht, aber Superman hat dir seinen Besitz anvertraut. Er hat dich sehr geschätzt“, sagte Lois und hielt ihm den Anzug hin. „Wie viele Beweise willst du noch sehen, bevor du mir endlich glaubst, dass du mit seinem Tod nichts zu tun hast?“

„Lois“, stöhnte Clark auf. „Hast du nicht gesagt, du seiest hungrig?“ Er blickte sie flehend an, als wollte er sie dazu zu bewegen, das Thema fallen zu lassen. Offenbar gefiel es ihm nicht, dass Lois ihn gerne in dem Anzug gesehen hätte. Aber bevor er noch etwas anderes sagen konnte, mischte sich Lois wieder ein.

„Warum ziehst du ihn nicht einfach mal an, Clark?“ bat sie und erneut reichte sie ihm den Anzug. Beschwörend sah sie ihn an. Letztlich sollte er doch ruhig versuchen, zu widersprechen. Lois fühlte, dass sie darauf beharren musste. Sie konnte einfach nicht anders, als ihn dazu zu bringen, in Supermans Kostüm zu schlüpfen, mochte er sich noch so sehr dagegen wehren.

„Warum Lois? Warum sollte ich das tun? Ich könnte ihn so oder so nicht ersetzen“, gab Clark zurück. „Die Menschen werden denken, dass ich seine Kräfte, sein Leben und seine Identität gestohlen habe. Vielleicht hast du ja Recht, dass ich diese Kräfte nutzen sollte, wenn er mich tatsächlich zu seinem Erben gemacht hat. Aber ich kann das nicht tun, nicht unter diesen Umständen.“

Er drehte ihr den Rücken zu und schien sich fest auf den Topf mit den Nudeln und der Sauce zu konzentrieren. Lois wusste, dass das Essen auch ohne ihn friedlich vor sich hin kochen würde. Jemandem wie Clark brannte nichts an. Dennoch tat er lieber so, als müsste er sich darum kümmern. Seine Hände beschäftigt zu halten, schien ihm offenbar der beste Weg diesem Gespräch zu entgehen. Doch er unterhielt sich mit Lois und sie war einfach nicht in der Stimmung, das Thema fallen zu lassen.

„Du könntest dir den Anzug wenigstens mal ansehen, Clark! Immerhin hast du seine Kleidung gewaschen. Vielleicht kann sie dir ja dabei helfen, dein Gedächtnis zurück zu erlangen“, schimpfte Lois und warf den Anzug zornig auf den Boden. Dann drehte sie sich auf dem Absatz um. „Ich will dir doch nur helfen, aber das lässt du nicht zu. Ich möchte, dass du verstehst, warum diese Dinge geschehen sind, aber du wehrst mich ständig ab. Superman wollte dir etwas mitteilen, aber ihm hörst du genauso wenig zu, wie mir.“ Lois wusste nicht, warum sie es tat. Plötzlich wurde ihr der Raum zu eng und sie stürmte hinaus. Vergessen war ihr Hunger, sie wollte nur noch weg, soweit weg von Clark wie möglich.


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Vega
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Bis dass das Leben uns scheidet...14/14

Beitragvon Vega » Di 26. Jan 2010, 16:35

Teil 14

Clark starrte auf den Anzug, der auf dem Boden lag. Es war etwas Vertrautes an ihm, so wie Fliegen etwas Vertrautes gehabt hatte. Er wollte den Stoff nicht ansehen, weil er wusste, dass er hässliche Erinnerungen wecken könnte. Was er dann sehen würde, machte ihm Angst, vielleicht noch mehr Angst, als er in der dunklen Gasse je gehabt hatte. Aber sein Blick blieb unverwandt an dem bunten Stoff haften. Clark trat einen Schritt vom Herd zurück und ließ sich neben dem Anzug nieder. Vorsichtig berührte er das glänzende Material.

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Die Tür flog auf. Das erdrückende Gefühl in dem kleinen Raum gefangen zu sein, wich nur langsam. Clark hörte, wie sich Schritte näherten. Dann sah er dunkle Schuhe unter einer dunklen Hose, schwach erleuchtet von einem grünlichen Schimmer und dem Licht, dass durch den Türspalt fiel. Ein großer Mann betrat den Raum und lächelte, offenbar unbeeindruckt von den Wellen des Schmerzes, die über Clark hinwegrollten.

„Guten Abend, Mr. Kent. Oder sollte ich besser Guten Morgen sagen?“ fragte der Mann mit einem englischen Akzent. Sein Tonfall erinnerte an einen besorgten Gastgeber. Sein Grinsen hingegen war dämonisch. Er machte noch ein paar Schritte auf Clark zu, woraufhin sich der Schmerz nur verstärkte. „Die Zeit will hier unten einfach nicht vergehen, nicht wahr?“ Das Lächeln des Mannes verbreiterte sich.

„Was wollen Sie, St. John?“ fragte Clark durch zusammen gebissene Zähne. „Wollen Sie mich umbringen? Oder wird das eine Überraschung?“

St. John lachte und schüttelte seinen Kopf. „Ich werde Sie nicht töten“, sagte er, fast ein wenig beleidigt. „Wo bliebe da der Spaß? Nein, Mr. Kent. Dank des verblichenen Mr. Mazik und seines faszinierenden Tagebuchs, kenne ich jetzt ihr Geheimnis...“ Wieder lächelte er zufrieden. „Und das werde ich mir zu Nutze machen.“

„Was immer sie von mir wollen, ich werde es nicht tun!“ erwiderte Clark und blickte Nigel St. John böse an. Sein Atem ging in Stößen. „Also können Sie mich auch gleich umbringen!“

„Ich sagte bereits, dass ich Sie nicht umbringen werde“, erklärte St. John würdevoll. Clark hörte, wie etwas zufiel. Plötzlich war der Schmerz verschwunden und mit ihm das grünliche Leuchten. „Ich habe vor Ihnen das Leben schwer zu machen – sehr schwer – das wir uns da nicht falsch verstehen. Nun, ich denke, es wird besser sein, wenn ich Ihnen zeige, was ich meine, Mr. Kent. Darf ich vorstellen – Superman!“

Der Mann war im fahlen Licht, das durch die offene Tür fiel, kaum auszumachen. Doch Clark konnte schemenhaft das kräftige rot und blau des Anzugs erkennen. Ein großer Mann war im Türrahmen erschienen und betrat den Raum. Ein freches Grinsen lag auf seinem Gesicht und er musterte Clark mit hochgezogenen Brauen. Clark schnappte nach Luft, als er die Augen des anderen sah. Die Ähnlichkeit war erstaunlich, erschütternd.

„Wie...?“ brachte Clark schockiert hervor.

„Das soll der berühmte Superman sein?“ fragte der Andere ungläubig. „Das kann doch nicht dein Ernst sein. Ich meine, sieh’ ihn dir doch an – er sieht schrecklich aus. Da ist überhaupt nichts super an ihm.“ Er verschränkte seine Arme vor der Brust. Doch trotz dieser typischen Haltung, gelang es ihm nicht, Superman überzeugend zu imitieren. Das spöttische Grinsen verriet ihn.

„Nun, natürlich nicht...“ erwiderte St. John und rollte mit den Augen. „Dafür habe ich gesorgt. Ohne diesen Anzug und ohne die Kräfte sähst du genauso bemitleidenswert aus, wie er.“ Der englische Kriminelle schaute liebevoll auf das Kästchen in seiner Hand. „Danke, ich denke, wir haben unseren Standpunkt klar gemacht.“ Als St. John auf die Tür deutete, nickte der falsche Superman Clark zu. Er lächelte noch einmal sein böses Lächeln, bevor er schließlich den Raum verließ. Dann sah St. John Clark wieder eindringlich an. „Mr. Luthor schuldet Ihnen noch etwas, Mr. Kent. Er hat beschlossen, seine Schuld nun zu begleichen. Unser Superman hier freut sich schon sehr darauf, Ms. Lane endlich seine Liebe zu gestehen. Denken Sie nicht auch, dass sie darüber ganz aus dem Häuschen sein wird?“

Nigel St. John verfiel eine Weile in Schweigen, um Clarks Reaktion in aller Ruhe auszukosten. Er spielte mit dem Kästchen in seinen Händen. Für einen Moment dachte Clark, dass er es wieder öffnen würde. Doch stattdessen starrte er Clark nur unverwandt an. Ein schmales Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. In der Dunkelheit war es kaum zu sehen, gut verborgen durch den Bart. Aber es war eindeutig da.

„Lois wird sich nicht so einfach hinters Licht führen lassen“, sagte Clark heiser. Es gelang ihm nicht überzeugt zu klingen und St. John zuckte nur mit den Achseln. „Wie haben Sie das gemacht, St. John? Ist es ein Doppelgänger? Lois wird ihn keine Sekunde lang für echt halten.“ Zumindest hoffte Clark, dass sie nicht auf diesen Schwindler hereinfallen würde. Er wusste, wie verzweifelt sie sich nach Supermans Liebeserklärung sehnte. Aber sie musste den Unterschied doch erkennen, sie konnte einfach nicht so blind sein...

„Aber er ist doch echt, Mr. Kent. In gewisser Weise wenigstens. Wir haben ihn erschaffen, ihn geklont. Es gibt fast keinen Unterschied zwischen Ihnen und ihm. Ich muss allerdings zugeben, dass er nicht der beste Schauspieler ist. Aber ich kann Ihnen versichern, dass er seine Rolle meistern wird“, meinte St. John. „Eigentlich ist es mehr Ihr Auftritt, um den Luthor sich sorgt. Er glaubt, dass Sie ihm vielleicht den Spaß verderben.“

Clark gelang es nicht, noch etwas zu sagen. Schon rollte eine neue Schmerzwelle über ihn hinweg. Als sie endlich nachließ, war St. John verschwunden und Clark saß wieder allein in der Dunkelheit.


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Clark öffnete seine Augen und fand sich auf dem Küchenboden kniend. Sein Atem flog. Der Anzug war ihm aus der Hand gerutscht und lag neben ihm. Der glänzend blaue Stoff war unter dem roten Cape verborgen, auf dem das gelbe Wappen seiner Familie prangte. Bruchstücke von Erinnerungen kamen ihm in den Sinn, aber keines davon konnte er festhalten. Er hatte etwas über sich erfahren, dass ihm einfach unmöglich schien. Clark streckte eine zitternde Hand nach dem Stoff aus, als könnte er durch die Berührung den seltsamen Traum vertreiben. Einen Traum, in dem er...

„Clark?“ fragte Lois leise. Erschrocken zuckte er zusammen. „Ich habe dich etwas über Luthor murmeln gehört. Ist alles in Ordnung?“ Ihr Ausdruck war weich und besorgt. Sie schien nicht länger wütend zu sein. „Es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht anschreien. Du hattest ja Recht. Ich hätte nicht von dir verlangen sollen, jemand anderes zu werden. Diese Veränderungen in deinem Leben wären mir auch zu viel.“

* * *

Lois hatte es nur bis zu den Stufen geschafft, die zu Clarks Wohnungstür führten, als ihr Zweifel gekommen waren. In ihrem Verlangen zur Normalität zurückzukehren und all den Schmerz beiseite zu schieben, überforderte sie Clark. Lois musste es einsehen – die Sonne würde niemals wieder über derselben Stadt aufgehen, in der Superman gelebt hatte. Die Vergangenheit würde nicht zurückkehren, wie sehr sie es sich auch wünschen mochte. Vielleicht würde der Tag kommen, an dem Clark bereit war, sein Erbe anzutreten, um die Welt in einen besseren Ort zu verwandeln. Aber sie musste ihm Zeit lassen, Zeit, sein Gedächtnis wiederzuerlangen und Zeit, damit er verstand, dass er keine Schuld an dem trug, was geschehen war.

Unterdessen hatte Clark wieder diesen abwesenden Blick, den Lois so gut kannte. Er sagte nichts, hatte sie vermutlich nicht einmal gehört. Langsam stand er auf und nahm den Anzug mit sich. Wie in Trance und doch mit tief verwirrtem Blick stand er da. Eine ganze Zeit lang starrte er hypnotisiert auf seine Hände und dann auf den Anzug. Er blinzelte ziemlich verstört und ging dann zielstrebig aus der Küche. Lois wollte ihm folgen, doch dann eilte sie noch schnell zum Herd, um die Nudeln zu retten. Nur einen Augenblick später rannte sie hinter Clark her.

Er war in sein Schlafzimmer gegangen. Genau in dem Augenblick, in dem Lois den Raum betrat, verschwand Clark in einem Wirbel aus Farben. Aber er war nur für eine Sekunde verschwunden. Als er wieder vor ihr stand, war er nicht länger Clark. Lois holte erschrocken Luft und hielt sich an seinem Bett fest, unsicher, ob ihre Beine ihr Gewicht länger tragen konnten. Sie musste ohne es zu merken eingeschlafen sein. Dies konnte nur ein Traum sein, weil so etwas im richtigen Leben einfach nicht vorkam. Lois kniff sich in den Arm, doch das brachte den Geist nicht zum Verschwinden.

„Superman“, hauchte sie atemlos.

* * *

Wenig später saß Lois am Küchentisch. Clark stand am Herd und trug wieder seine normale Kleidung. Er kämpfte mit dem Essen und gab sich redlich Mühe, die Nudeln auf Teller zu verteilen. Gleichzeitig schaute er alle paar Sekunden nervös zu Lois hinüber. Noch hatte sie ihren Zorn nicht an ihm ausgelassen, doch sie konnte sich kaum länger beherrschen, jetzt da sie wusste, was er ihr all die Jahre verschwiegen hatte.

„Ich kann nicht glauben, dass du das vor mir verborgen hast“, sagte Lois und wusste nicht, ob sie wütend sein sollte, oder erleichtert, dass er sein Gedächtnis endlich zurückhatte.

„Ich wollte es dir ja erzählen, Lois. Wirklich. Aber ich hatte einfach wahnsinnige Angst vor deiner Reaktion“, wiederholte Clark, was er ihr schon in seinem Schlafzimmer gesagt hatte. Da hatte er auch zu verstehen gegeben, dass er nun wieder der Alte war. „Zuerst wusste ich nicht, ob ich dir vertrauen kann und dann – ich weiß nicht. Ich denke, ich habe den richtigen Moment einfach verpasst.“

Clark stellte den Teller mit Nudeln vor ihr hin und setzte sich an das andere Ende des Tisches. Beschämt starrte er auf seine Hände.

„Ich kann nicht glauben, dass du mich mit nichts als einer Brille zum Narren gehalten hast!“ erklärte Lois mit einem Kopfschütteln und nahm die Gabel, um damit in den Nudeln herumzupicken. „Du hast mir das Leben zur Hölle gemacht, als du deinen Tod vorgetäuscht hast. Du hast mich glauben lassen, ich wäre in zwei verschiedene Männer gleichzeitig verliebt. Es hat mich fast in den Wahnsinn getrieben, mich entscheiden zu müssen. Und als ich mich dann endlich für dich entschieden hatte, warst du einfach weg. Hast du auch nur den Hauch einer Vorstellung, was du mir damit angetan hast?“ fragte sie und Tränen traten ihr in die Augen, die sie nur mühsam zurückhalten konnte.

„Ich kann dir gar nicht sagen, wie Leid es mir tut, Lois. Ich wusste, dass ich dich nicht weiter anlügen konnte“, sagte Clark und sprang unruhig von seinem Platz auf. „Es hat mich viele Tage gekostet, bis ich endlich den Mut aufbringen konnte dir auch wirklich alles zu erzählen. Stundenlang habe ich vor dem Spiegel gestanden und die Rede geübt. Ich hätte dich an dem Abend zum Essen eingeladen. Aber dann bekam ich diesen Anruf. Jemand sagte mir, dass er über meine geheime Identität als Superman Bescheid wüsste. Er wollte es öffentlich bekannt machen, wenn ich mich nicht in einer Stunde mit ihm treffen würde.“ Händeringend schritt er auf und ab und sah Lois dabei nur gelegentlich an. „Natürlich war es dumm hinzugehen, ohne vorher mit dir darüber zu sprechen. Aber ich hatte Angst, dass er mein Leben als Clark Kent beenden könnte.“ Clark hielt plötzlich inne und sah Lois eindringlich an. „Ich hatte Angst, dass du oder meine Eltern in Gefahr wären. Ich habe dieses Geheimnis nicht ohne Grund all die Jahre mit mir herumgetragen. Ich wollte die Menschen schützen, die ich liebe.“

Clark erzählte Lois von dem maskierten Mann in Suicide Slum. Er hatte Kryptonit gehabt und Clark geschwächt, bevor er auch nur darüber hatte nachdenken können zu fliehen. Er war erst in einem engen, dunklen Raum wieder zu sich gekommen. Das Kryptonit war nicht mehr da gewesen, aber ohne Licht waren seine Kräfte trotzdem nicht zurückgekehrt. Er wusste nicht genau, wie lange er dort gesessen und darauf gewartet hatte, dass etwas geschah. Er erzählte ihr von Nigel St. John und dem Klon, die nun beide tot waren.

„Vielleicht ist es St. John irgendwie gelungen, Hamiltons Notizen zu ergattern, bevor du sie vernichten konntest“, meinte Lois, als Clark geendet hatte. „Lex hat einen Klon erschaffen und ihn töten lassen, damit du für den Mord verurteilt wirst. Aber wie ist es ihm gelungen dich das alles vergessen zu lassen?“

Clark zuckte mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung.“

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"Sie können gehen“, sagte St. John und schloss das Kryptonit wieder in dem Kästchen ein. Als der Schmerz nachließ, schaute Clark ihn verwirrt an.

„Was haben Sie gesagt?“ wollte er wissen und fragte sich, was Nigel St. John wohl plante.

„Sie können gehen, Mr. Kent. Ich werde Sie nicht länger festhalten“, wiederholte der Engländer. „Was ich mit ihnen vorhabe, wird draußen auf Sie warten“, meinte er mit einem Lächeln. „Da Sie sich sowieso nicht an unser Gespräch erinnern werden, kann ich Ihnen das ruhig sagen. Sehen Sie, ich habe Mr. Asabi gebeten, sie zu hypnotisieren, so etwas in der Art jedenfalls. Die Details kümmern mich nur wenig. Aber ich bin mir sicher, dass er es zu meiner Zufriedenheit erledigt hat.“

„Aber ich...“ warf Clark ein.

„Sie können sich nicht daran erinnern, nicht wahr?“ St. John lachte rau. „Nun, das ist doch genau der Punkt, denken sie nicht? Mr. Luthor hat genug davon, seine Tage allein im Gefängnis verbringen zu müssen. Er freut sich schon darauf Gesellschaft zu bekommen. Es geht mir zwar nicht auf, warum er sich dafür ausgerechnet Sie ausgewählt hat, aber das ist wirklich nicht mein Problem.“ St. John trat zur Seite und gab den Weg frei, der nach draußen führte. „Es war mir eine Freude sie als Gast gehabt zu haben. Doch ich glaube, Sie müssen nun gehen.“

Der Engländer schnippte mit den Fingern und fuhr fort. „ Sie haben Glück, dass ich Sie hier unten gefunden habe, Sir. Sie sollten nicht hier bleiben. Kommen Sie, ich bringe Sie zur Polizei.“

„Oh, danke“, entgegnete Clark und schaute sich verwirrt um. Er hatte keine Ahnung, wo er sich befand oder wie er an einen solchen Ort gekommen war. Glücklich darüber, ihn verlassen zu können, ging er an dem Mann vorbei, der ihn gerettet hatte. Er trat aus dem dunklen Kellerraum ins Zwielicht der Dämmerung. Draußen sah er den Umriss von zersprungenen Fenstern, die sich nur noch schemenhaft gegen die Wände abhoben. Es war beinahe Nacht und Clark fühlte sich erleichtert, als er die kräftige Hand seines Retters auf den Schultern spürte. Er führte ihn von dem dunklen Rattenloch weg.

Ein Fingerschnippen später stand Clark allein in der Dunkelheit. Er stolperte die Treppenstufen hoch, die auf die verlassene Straße führten. Ohne zu wissen, wo er sich eigentlich befand, wollte er nur weg von dem beängstigenden Ort. Regen peitschte um ihn her, durchnässte seine Kleidung und lief ihm in Strömen über das Gesicht. Er begann zu frieren. Plötzlich hörte er ein sanftes Rauschen und dann berührten ein Paar Füße den Boden.

„Superman!“ flüsterte Clark, als er den Helden sah, der in der Dunkelheit auf ihn zukam.

„Clark“, sagte Superman tonlos. „Spielst du mal wieder mit dem Feuer?“ Etwas an ihm war anders, dachte Clark. Er sah wütend aus, richtiggehend zornig. „Du bist mir ein schöner Freund. Was für ein Gefühl ist es, zu wissen, dass Lois jetzt dir allein gehört? Du hast mich betrogen! Du hast mir die einzige Frau genommen, die ich je geliebt habe. Du Scheißkerl!“

Clark blinzelte und sein Atem flog vor Angst, als Superman ihm immer dichter auf den Leib rückte. Er griff ihn am Revers und schüttelte Clark, so dass sein Kopf von einer Seite auf die andere schlug. Dann stieß er Clark von sich und sah ihm dabei zu, wie er in einer Pfütze landete. Clark musste husten, als Wasser in seinen Mund und die Nase drang. Hastig drehte er sich um, um wieder auf die Füße zu kommen.

„Renn doch weg, wenn du kannst. Du entkommst mir nicht!“ rief Superman ihm nach, als er die ersten Schritte machte. Schneller und schneller eilte er von dannen. Er hatte nur wenig Hoffnung, dass ihm die Flucht gelingen würde, aber er musste es versuchen.


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Metropolis, Clarks Apartment, einige Tage später

Clark konnte immer noch nicht recht glauben, dass der Alptraum tatsächlich vorüber war. Sobald Lois herausgefunden hatte, was tatsächlich in der Gasse geschehen war, hatte sie mit Dr. Klein telefoniert. Er war nicht allzu begeistert darüber gewesen, dass er seine Forschungen an Kryptonit einstellen konnte. Aber offenbar war es mindestens genauso spannend gewesen, zu beweisen, dass der tote Superman ein Klon gewesen war.

Kurz darauf hatte Clark sich Henderson freiwillig gestellt. Mit dem Anzug unter seiner Alltagskleidung war es nicht schwierig gewesen, Henderson von der Wahrheit zu überzeugen. Sein Geheimnis gegenüber dem treuen Inspektor zu offenbaren, war Clark als das kleinste Übel erschienen, angesichts der Verschwörung, die Lex Luthor gegen ihn geschmiedet hatte.Da Clark und Superman ein und derselbe waren, musste der tote Superman eine Fälschung sein. Glücklicherweise war Henderson mehr als willig gewesen, ihnen dabei zu helfen, das Puzzle zu einem ganzen Bild zusammen zu fügen.

Nigel St. John war der dritte Mann in der Gasse gewesen. Gleich mehrere Obdachlose hatten ihn dabei beobachtet, als er den falschen Superman erschoss. Nachdem er den Mord begangen hatte, musste St. John mit den Fingern geschnippt haben, um Asabis posthypnotischen Befehl auszulösen. So hatte Clark alles vergessen.

Die Polizei hätte Clark neben dem toten Superman finden sollen, ausgestattet mit genug Beweismitteln, dass seine Verurteilung nur mehr eine Formsache gewesen wäre. Vermutlich hatte Lex gehofft, dass Clark sich umbringen würde, bevor er sein Gedächtnis oder seine Kräfte wiedererlangen konnte. Offenbar hatte Lex nicht damit gerechnet, dass Lois Clark helfen würde.

Durch einen Wink des Schicksals - oder hatte das zu Luthors Plan gehört? – war St. John kurze Zeit später getötet und in die Hobbs Bay gestoßen worden. Sein Mörder war nur wenig später ebenfalls gestorben, in den brennenden Gebäuden, die Superman nicht mehr gelöscht hatte. Lex Luthor hatte seine Spuren gut verwischt und weder Henderson noch Lois oder Clark glaubten, dass sie ihm sein übles Spiel würden nachweisen können. Asabi war unauffindbar, aber Henderson hatte versprochen seine Augen weiterhin offen zu halten. Bis dahin gab es nicht viel, dass sie tun konnten. Wenigstens hatten sie genug Beweise dafür, dass Clark das Opfer einer böswilligen Verschwörung geworden war.

„Luthor ist so oder so im Gefängnis“, sagte Martha und legte ihren Arm um Clarks Schultern. Sie hatte schon mehrmals gesagt, dass sie alles weitere nicht kümmerte, so lange ihr Sohn nur in Sicherheit war. „Danke, dass du an ihn geglaubt hast, Lois“, ergänzte sie mit einem warmen Lächeln und drückte die Hand der jüngeren Frau.

„Ich konnte einfach nicht glauben, dass er ihn getötet haben sollte, wenn man mal bedenkt, wie sehr er versucht hat, dem falschen Superman zu helfen“, erklärte Lois und kicherte. „Ich musste ihn fast bewusstlos schlagen, um ihn in mein Auto zu zerren.“

Sie fuhren fort über die vergangenen Tage zu sprechen. Clarks Mutter hakte bei verschiedenen Punkten noch einmal nach und ihr Sohn begann sich zu fragen, was es eigentlich noch zu erzählen gab. Aber offenbar hatten die beiden Frauen viel Spaß an diesem Gespräch. So wie Lois die Geschichte erzählte, klang sie beinahe lustig, oder wenigstens ironisch. Wie beispielsweise, als sie ihn gebeten hatte, Superman zu ersetzen. Sie lachten viel und vergaßen langsam die Anspannung, die sich in ihnen angestaut hatte.

Jonathan Kent mischte sich nicht in die Unterhaltung ein. Er saß auf Clarks Sofa und las den Artikel, der seinen Sohn von allen Anschuldigungen freisprach. Clark ging zu seinem Vater hinüber und setzte sich neben ihm. Er kannte den Artikel längst auswendig. Aber jedes Mal, wenn er ihn sah, war er genauso erleichtert, wie beim ersten Mal. Seine Welt war – so unglaublich es klingen mochte – wieder normal. Vielleicht war sie sogar ein bisschen besser geworden, weil Lois nun sein Geheimnis kannte und ihm nicht den Kopf abgerissen hatte.

„Du schuldest mir noch die zweiten Flitterwochen, Sohn. Ist dir das klar?“ fragte Jonathan, als er von seiner Zeitung hochblickte. „Du hast deine arme Mutter zu Tode erschreckt!“ Clark konnte sich gut vorstellen, dass sein Vater wenigstens genauso nervös gewesen war, wie seine Mutter, wenn nicht mehr. Doch er ließ den Gedanken unausgesprochen.

„Er hat nur mich zu Tode erschrocken?“ fragte Martha mit einem Augenzwinkern. „Ich meine mich an einen ziemlich nervösen Ehemann erinnern zu können. Oder hattest du wegen unserer Hochzeit etwa immer noch kalte Füße?“

„Also, Superman hätte kein Problem damit, euch nach Italien zu fliegen. Jederzeit“, entgegnete Clark mit einem Grinsen.

„Sag es bloß nicht deiner Mutter, aber ich denke, mir ist Smallville lieber als Italien“, murmelte Jonathan und errötete. Er konzentrierte sich wieder auf seine Zeitung. „Außerdem ist es einfacher, dich im Auge zu behalten, wenn wir zu Hause sind.“

* * *

„Lois, ich...“ Clark gesellte sich zu ihr auf den Balkon, ein Weinglas in der Hand. „Ich glaube, ich habe mich noch gar nicht richtig bei dir bedankt.“ Sie waren endlich allein. Die Kents hatten sich verabschiedet und für die Nacht ein Hotelzimmer in der Stadt genommen. Clark hatte angeboten, sie nach Smallville zu fliegen, aber sie hatten nur abgewinkt. Sie seien zu müde dafür und wollten noch bis zum nächsten Tag warten.

Lois nahm das Glas, das Clark ihr reichte und sah ihn an. „Du hast dich bedankt, Clark. Ich weiß gar nicht wie oft. Aber ehrlich gesagt, möchte ich nur eines von dir hören“, antwortete Lois und kuschelte sich an ihn, legte ihren Kopf an seine Brust um seinen Herzschlag zu spüren.

„Ich liebe dich“, flüsterte Clark und beugte sich vor, um sie zu küssen.

Die Berührung seiner Lippen war sanft und Lois konnte den Wein schmecken, den er getrunken haben musste. Sie spürte ein sanftes Streicheln, als seine Zunge über ihren Mund fuhr. Es kitzelte ein bisschen. Er seufzte, als er seine Lippen öffnete und begann, zärtlich an ihrer Haut zu knabbern, während seine Zunge sanft von ihrem Mund über ihre Wangen wanderte. Er stellte das Weinglas beiseite, und nahm ihr auch ihres aus der Hand. Dann zog er sie enger an sich heran.

„Ich liebe dich, Lois“, wiederholte er atemlos, während seine Hände über ihren Rücken glitten, sanft und doch so kraftvoll, dass Lois sich unendlich geborgen fühlte.

„Ich liebe dich auch“, sagte sie und ihre Worte wurden von seiner Wange verschluckt. Sie hauchte zärtliche Küsse darauf, fasziniert von der weichen Haut unter ihren Lippen. Sie bekam einfach nicht genug davon und merkte kaum, dass Clark seine Arme um sie gelegt hatte, um mit ihr zu tanzen. „Ich wollte dir das schon so lange sagen.“ Er roch so gut, so männlich. Es roch so, wie nach Hause kommen rieche würde, wenn es so einen Geruch gab.

Lois’ Füße berührten nicht länger den Boden. Sie tanzte mit Clark, wie tanzen sein sollte – schwerelos und magisch. Ihre Träume waren wahr geworden, nicht jeder einzelne, aber das wäre letztlich nur noch eine Frage der Zeit. Nun war sie mehr als glücklich in seinen Armen zu tanzen. Es war ein Moment, den sie bestimmt nicht vorüber ziehen lassen würde, ohne ihn auszukosten.

So sicher Lois nun wusste, dass Clark Superman war, hatte sie auch keinen Zweifel daran, dass er eine kleine Schatulle aus seiner Tasche holen würde, sobald ihre Füße wieder den Boden berührten. Er würde vor ihr niederknien und ihr die Frage stellen, die ihr Leben verändern würde. Und Lois wusste auch schon, was sie antworten würde. Ja, ja, wollte sie sagen, bevor Clark auch nur die Chance gehabt hatte, seinen Antrag zu machen.

„Lois?“ flüsterte er ihr leise ins Ohr, als sie wieder auf der Erde stand. Clark trat einen Schritt zurück und blickte sie an. Von seinen braunen Augen wurde ihr ganz schwindlig. „Lois? Willst du mich heiraten?“

Ende


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